TE OGH 1985/12/12 7Ob679/85

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Veröffentlicht am 12.12.1985
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Flick als Vorsitzenden und durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Petrasch und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Wurz, Dr.Warta und Dr.Egermann als Richter in der Rechtssache der gefährdeten Partei C*** M*** A*** AG, Wien 23., Laxenburgerstraße 246, vertreten durch Dr.Kurt Heller, Rechtsanwalt in Wien, und andere, wider die Gegner der gefährdeten Partei 1. R*** BANK, Irak, South gate Branch 62, Baghdad, 2. N*** C*** & P*** Industries, Co.S.A., Irak Post Office Box 2302, Baghdad Alvijah, wegen Erlassung einer einstweiligen Verfügung infolge Rekurses der Drittschuldnerin C***-B***, Wien 1.,

Schottengasse 6-8, vertreten durch Dr.Peter Avancini, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Rekursgerichtes vom 10.Juli 1985, GZ.46 R 298/85-10, womit der Rekurs der Drittschuldnerin gegen die einstweilige Verfügung des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 11.März 1985, GZ.34 C 68/85-4, zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben. Dem Rekursgericht wird eine Entscheidung über das Rechtsmittel der Drittschuldnerin aufgetragen.

Die Kosten des Rekurses an den Obersten Gerichtshof sind weitere Kosten des Verfahrens vor dem Rekursgericht.

Text

Begründung:

Die gefährdete Partei (kurz Antragstellerin) begehrt die Erlassung einer einstweiligen Verfügung dahin, daß der ersten Gegnerin der gefährdeten Partei (Erstantragsgegnerin) verboten werde, über Forderungen zu verfügen, die auf der zu ihren Gunsten von der C***-B*** ausgestellten Bankgarantie über

840.813 DM beruhen, insbesondere diese Forderungen gänzlich oder teilweise einzuziehen bzw. die Garantie abzurufen, der zweiten Gegnerin der gefährdeten Partei (kurz Zweitantragsgegnerin) hingegen zu verbieten, über Forderungen zu verfügen, die auf der von der ersten Gegnerin der gefährdeten Partei ausgestellten Garantie zugunsten der Zweitantragsgegnerin beruhen, insbesondere diese Forderung gänzlich oder teilweise einzuziehen bzw. die Garantie abzurufen und schließlich der C***-B*** zu verbieten, auf Grund der oben genannten Bankgarantie Garantiezahlungen an die Erstantragsgegnerin zu leisten. Begründet wird dieses Begehren damit, daß die Antragstellerin auf Grund eines Vertrages mit der Zweitantragsgegnerin für diese im Irak Leistungen erbracht habe. Zwischen den Vertragsteilen sei die Beibringung einer Bankgarantie zur Abdeckung eines Gewährleistungsrückbehaltes von 10 % der Auftragssumme vereinbart worden. Diese Bankgarantie habe die Erstantragsgegnerin erteilt, wobei die C***-B*** als Vermittler aufgetreten sei und im Falle einer Abberufung der Garantie durch die Zweitantragsgegnerin und Inanspruchnahme durch die Erstantragsgegnerin das Konto der Antragstellerin bei der C***-B*** entsprechend belasten werde. Obwohl bei

Ablauf der Garantie über 840.813 DM am 9.12.1984 bereits festgestanden sei, daß keinerlei Gewährleistungsansprüche erwachsen können, habe die Zweitantragsgegnerin eine Verlängerung der Garantie bis Mitte 1985 verlangt und gedroht, andernfalls die Garantie in Anspruch zu nehmen. Tatsächlich sei die Garantie bis 28.2.1985 verlängert worden, doch drohe die Zweitantragsgegnerin nach wie vor mit einer Inanspruchnahme der Garantie, falls eine Verlängerung bis 30.6.1985 nicht erfolge. Im Hinblick auf den beiden Antragsgegnern bekannten Sachverhalt wäre eine Inanspruchnahme der Garantie sittenwidrig.

Das Erstgericht hat den von der Antragstellerin behaupteten Sachverhalt als bescheinigt angenommen und die begehrte einstweilige Verfügung erlassen.

Das Rekursgericht hat einen Rekurs der C***-B***

gegen die einstweilige Verfügung mit der Begründung zurückgewiesen, zum Zeitpunkt der Entscheidung des Rekursgerichtes sei die Garantie bereits abgelaufen gewesen, weshalb keine Gefahr der Inanspruchnahme mehr bestehe. Demnach sei das rechtliche Interesse an einer Klärung der Rechtmäßigkeit des gestellten Begehrens weggefallen, weil eine Inanspruchnahme der Garantie sowieso nicht mehr möglich sei. Es sei also die Drittschuldnerin durch die einstweilige Verfügung nicht mehr belastet. Das Rechtsschutzinteresse müsse aber auch noch bei Entscheidung über ein Rechtsmittel bestehen.

Das Rekursgericht hat ausgesprochen, daß der Wert des Beschwerdegegenstandes 300.000 S übersteigt.

Rechtliche Beurteilung

Der von der C***-B*** gegen die Entscheidung des Rekursgerichtes erhobene Rekurs ist gerechtfertigt. Eingangs ist darauf zu verweisen, daß das Erstgericht mit Recht keine Rekursgegenschrift eingeholt hat. Weist nämlich das Rekursgericht in einem Provisorialverfahren ein Rechtsmittel ohne in die Prüfung des Sicherungsanspruches einzugehen nur aus formellen Gründen zurück, liegt damit kein Erkenntnis über die Anordnung oder Aufrechterhaltung einer Sicherungsmaßnahme im Sinne des § 402 Abs1 EO vor. Der Rekursgegner ist daher am Verfahren über den Rekurs gegen den zweitinstanzlichen Zurückweisungsbeschluß nicht zu beteiligen (7 Ob 643/84, 6 Ob 602/85 ua.).

Daß es sich bei der angefochtenen Entscheidung nicht um einen bestätigenden Beschluß des Rekursgerichtes handelt, dürfte auch der Gegenseite nicht zweifelhaft sein (vgl. Fasching, Zivilprozeßrecht, Rdz 2017).

Gemäß § 294 Abs4 EO kann der Drittschuldner das Zahlungsverbot im Wege des Rekurses anfechten. Hiebei handelt es sich um ein selbständiges Anfechtungsrecht, das unabhängig davon besteht, ob der Verpflichtete selbst den Gerichtsbeschluß angefochten hat oder nicht (Heller-Berger-Stix, III 2135). Der Drittschuldner ist also zum Rekurs berechtigt, wenn ihn die Exekutionsbewilligung gesetzwidrig belastet oder wenn ihm ungerechtfertigte Aufträge erteilt werden, wenn das Zahlungsverbot dem Gesetz nicht entspricht oder wenn er die Rechtsbeständigkeit der Exekution anficht (Heller-Berger-Stix I, 645). Lediglich die Frage des Bestandes der gepfändeten und überwiesenen Forderung kann nicht Gegenstand des Rekurses des Drittschuldners sein. Dagegen ist dieser immer berechtigt, die grundsätzliche Unzulässigkeit der Exekutionsführung mittels Rekurses geltend zu machen.

Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin gilt die Rekurslegitimation des Drittschuldners auch im Sicherungsverfahren. Nach § 402 EO finden nämlich, soferne in diesem Teil nichts anderes bestimmt ist, die Bestimmungen über das Exekutionsverfahren auch auf das Sicherungsverfahren sinngemäße Anwendung. Bezüglich des Rechtsmittelverfahrens enthält der Abschnitt über das Sicherungsverfahren keine eigenen Bestimmungen. Demnach ist auch im Sicherungsverfahren der Drittschuldner zum Rekurs gegen ein ihn treffendes Drittverbot legitimiert. Ein solches Drittverbot sieht § 382 Z 7 EO vor. Daß dieses seinem Wesen nach dem in § 294 EO geregelten Verbot entspricht, ergibt sich aus dem Inhalt der beiden Bestimmungen. In beiden Fällen wird nämlich das Verbot dadurch vollzogen, daß dem Drittschuldner die Leistung untersagt wird. Da sohin inhaltlich im wesentlichen gleiche Belastungen vorliegen, muß infolge § 402 EO die in § 294 Abs4 EO dem Drittschuldner zuerkannte Rekurslegitimation auch auf das im Sicherungsverfahren erlassene Drittverbot angewendet werden.

Richtig ist, daß Voraussetzung für eine sachliche Erledigung eines Rechtsmittels ein Rechtsschutzinteresse des Rechtsmittelwerbers ist, das noch bei der Entscheidung über das Rechtsmittel vorliegen muß (EvBl.1971/152, EvBl.1973/204, JBl 1967,154 ua.). Das Rechtsmittelrecht dient nur der Durchsetzung konkreter Rechtsschutzansprüche und nicht der Abklärung bloß theoretischer Rechtsfragen. Eine Beschwer liegt immer dann vor, wenn der Rechtsmittelwerber in seinem Rechtsschutzbegehren durch die angefochtene Entscheidung beeinträchtigt wird, er also ein Bedürfnis auf Rechtsschutz gegenüber der angefochtenen Entscheidung hat (JBl 1978,155, SZ 51/153 ua.).

Im vorliegenden Fall würde ein Rechtsschutzinteresse an der Erledigung des Rekurses dann nicht bestehen, wenn die einstweilige Verfügung nie Wirkung erlangt hätte und eine solche Wirkung auch nicht mehr erlangen könnte. Dies wäre dann der Fall, wenn die Zweitantragsgegnerin die Bankgarantie der Erstantragsgegnerin bis 28.2.1985 nicht in Anspruch genommen hätte. Da nach dem Vorbringen der Antragstellerin eine weitere Verlängerung der Bankgarantie nicht erfolgte, würde eine Nichtinanspruchnahme der Bankgarantie bis zu dem genannten Zeitpunkt jegliche Forderungen aus dieser Garantie für die Zukunft ausschließen. Diesfalls hätte eine Prüfung der Berechtigung des erlassenen Verbotes lediglich theoretische Bedeutung. Wäre ein solcher Umstand aktenkundig, so wäre die Entscheidung des Rekursgerichtes richtig.

Entgegen der Annahme des Rekursgerichtes enthält jedoch der Akt keinerlei Hinweis dafür, daß die Bankgarantie nicht bis zu dem erwähnten Zeitpunkt in Anspruch genommen worden ist. Weder die Behauptungen der Antragstellerin, noch die vorgelegten Urkunden lassen einen derartigen Schluß zu. Vielmehr spricht die Antragstellung erst am 8.März 1985 für das Gegenteil. Ist aber nicht aktenkundig, daß die Bankgarantie bis zum 28.2.1985 nicht in Anspruch genommen worden ist, so kann dem Drittschuldner das Rechtsschutzinteresse an einer Erledigung seines Rechtsmittels nicht abgesprochen werden. Wurde die Bankgarantie nämlich bis zu diesem Zeitpunkt in Anspruch genommen, so kann dies allenfalls auch Wirkungen gegenüber dem Drittschuldner zeitigen. Dem kann der Drittschuldner nur mittels eines Rechtsmittels entgegentreten. In einem solchen Fall hat er auch ein Rechtsschutzinteresse an der Klärung der Frage, ob die einstweilige Verfügung rechtswirksam erlassen worden ist oder nicht.

Dem Rekursgericht war daher eine Sachentscheidung über das Rechtsmittel aufzutragen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 40 und 50 ZPO sowie die §§ 78 und 402 EO.

Anmerkung

E07338

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0070OB00679.85.1212.000

Dokumentnummer

JJT_19851212_OGH0002_0070OB00679_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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