TE OGH 1986/1/15 1Ob722/85

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Veröffentlicht am 15.01.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Gamerith, Dr. Hofmann und Dr. Schlosser als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Katharina A, Hausfrau, Moosburg, St. Peter 57, vertreten durch Dr. Otfried Fresacher, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wider die beklagte Partei Georg Johann A, Förster, Moosburg, Weingartenweg 1, vertreten durch Dr. Alfons Adam, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 240.647,02 s.A. (Revisionsinteresse: S 102.871,60) infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 11. Juli 1985, GZ. 6 R 112/85-56, womit infolge Berufung beider Parteien das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 15. März 1985, GZ. 23 Cg 544/81-51, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung

den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 6.617,85 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 514,35 Umsatzsteuer und S 960,- Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Text

Begründung:

Der am 16.7.1980 verstorbene Georg A hinterließ seine Ehegattin (die Klägerin) und die drei Söhne aus erster Ehe, Dr. Helmut A, Dr. Kurt A und den Beklagten. Er setzte die Klägerin mit mündlichem Testament vom 7.7.1980 als Alleinerbin mit der Auflage ein, den Liegenschaftsbesitz an den Beklagten zu übertragen. Da Dr. Helmut A und Dr. Kurt A Pflichtteilsansprüche geltend machten, die zu befriedigen sich die Klägerin außerstande sah, entschlug sie sich am 10.7.1981 der Erbschaft unter Vorbehalt des Pflichtteilsanspruchs im Ausmaß eines Sechstels des reinen Nachlasses. Der Beklagte ist eingeantworteter Erbe des Georg A.

Die Klägerin verlangt die Erfüllung ihres mit S 354.699,17 bezifferten Pflichtteilsanspruches und begehrt zuletzt - unter Bedachtnahme auf Teilzahlungen von insgesamt S 114.052,15 - die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von S 240.647,02 s.A. Sie bewertete die in den Nachlaß fallenden fünf Achtelanteile der Liegenschaft mit S 1,911.968,-.

Der Beklagte wendete unter anderem ein, diesen Liegenschaftsanteilen sei ein Wert von lediglich S 775.000,-

beizumessen.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit einem Betrag von S 47.128,40 s.A. statt und wies das Mehrbegehren von S 193.518,62 ab. Seine für die Erledigung der Revision bedeutsamen Feststellungen können wie folgt zusammengefaßt werden: Das Wohnhaus auf der Liegenschaft EZ 242 KG Moosburg sei in den Jahren 1964 bis 1967 errichtet und die Benützungsbewilligung 1966 erteilt worden. Schon zu Lebzeiten der Mutter des Beklagten und seiner beiden Brüder habe man in diesem Haus einen Fremdenbeherbergungsbetrieb begonnen, den nach ihrem Tod zunächst Dr. Helmut A, später der Erblasser und die Klägerin gemeinsam und nach dem Tod des Erblassers, die Klägerin allein bis Ende 1981 weitergeführt hätten. Die Klägerin habe die von ihr benützte Wohnung auf Grund eines Vergleichs am 31.5.1982 geräumt. Derzeit bewohne der Beklagte, der am Haus verschiedene Erneuerungsarbeiten durchgeführt habe, das Erdgeschoß, während die Wohnung im ersten Stock seit Herbst 1983 gegen einen monatlichen Zins von S 3.000,- vermietet sei. Das Mietverhältnis sei zum 31.3.1985 aufgekündigt. Das Haus weise verschiedene Zeitschäden auf, die bei der Wertermittlung in Anschlag gebracht würden. Der Sachwert der Liegenschaft betrage S 3,060.000,-; da dieser Wert mit dem Verkehrswert nur in seltenen Fällen übereinstimme, müsse auch der Ertragswert ermittelt werden. Dessen Schätzung sei im allgemeinen ungeachtet der tatsächlichen Nutzung jene Nutzung, die den höchsten Ertrag abwerfe, zugrundezulegen. Grundsätzlich sei der Wert von Mietobjekten geringer als jener gewerblich genutzter Liegenschaften (zB Frühstückspensionen oder Fremdenzimmervermietung). Angesichts der Zweckbestimmung und der früheren Verwendung des Hauses sei im Ertragswertverfahren vom Jahresreinertrag aus der Zimmervermietung und einer Wohnungsmiete (betreffend die vom Erblasser und der Klägerin im Erdgeschoß bewohnten Räumen) auszugehen. Auf Grund gerichtlicher Anregung habe das Finanzamt Klagenfurt eine Betriebsprüfung vorgenommen und dabei ermittelt, daß aus der Fremdenbeherbergung 1977 Einnahmen von S 80.700,-, 1978 solche von S 70.900,- und 1979 Einnahmen von S 84.300,- erzielt worden seien. Nach Abzug der Werbungskosten (50 %) und Hinzurechnung nicht abzugsfähiger Ausgaben (Privatanteile) errechneten sich Reinerträge von S 42.850,-, S 37.950,- und S 45.150,-. Schlage man den Ertrag aus der Vermietung der Parterrewohnung (S 18.000,- jährlich) hinzu, errechne sich ein durchschnittlicher Gesamtjahresertrag von etwa S 60.000,-. Davon sei die Verzinsung des Bodenwerts von S 196.800,-, das sei bei 5 % ein Betrag von S 9.840,-, abzuziehen. Der Gebäudewertanteil von S 50.160,- sei mit 5 % zu kapitalisieren; daraus errechne sich bei einer Restnutzungsdauer von 86 Jahren (Vervielfältiger 19,7) ein Betrag von S 988.152,- und unter Hinzurechnung des Bodenwerts ein Ertragswert von S 1,184.952,-

(gerundet 1,2 Mill. S). Bei der Ermittlung des Verkehrswertes seien Sach- und Ertragswert bei größeren Abweichungen verschieden zu gewichten, weil der Wert von Liegenschaften von dem aus diesen zu ziehenden Nutzen abhänge und deshalb bei der Schätzung dem Ertragswert größere Bedeutung zukomme als dem Sachwert. Weiche der Ertragswert vom Sachwert - wie hier - um mehr als 40 % ab, seien die beiden Werte im Verhältnis 5 : 1 zu gewichten. Daraus errechne sich ein Verkehrswert der gesamten Liegenschaft von rund 1,5 Mill S. Bei der Ermittlung des Verkehrswerts von Liegenschaftsanteilen seien je nach Größe der Anteile gewisse Hundertsätze vom anteiligen Gesamtverkehrswert in Abzug zu bringen, im vorliegenden Fall 7 %, so daß der Verkehrswert der fünf Achtelanteile mit etwa S 870.000,-

anzusetzen sei. Dieser Verkehrswert gelte unverändert für die gesamte Zeit vom Tod des Erblassers bis zum Schluß der Verhandlung, weil der Realitätenmarkt seit 1980 stagniere. Rechtlich zog das Erstgericht daraus den Schluß, daß dieser Betrag der Pflichtteilsbemessung zugrundezulegen sei.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und ließ die Revision zu. Es führte unter anderem aus, für die Berechnung des Pflichtteils sei der gemeine Preis bestimmend. Dabei sei zu berücksichtigen, ob der Wert der Sache nach Verkehrsauffassung vom Ertrag, vom sonstigen Nutzen oder von der Veräußerung abhänge. Im Einzelfall könne auch ein Mischwert zwischen Verkehrs-(Ankaufs- und Verkaufs-), Ertrags- und Kosten-(Herstellungs-)wert zweckmäßig und sachgerecht sein. Da im vorliegenden Fall eine Ermittlung des Verkehrswertes im Vergleichswertverfahren wegen der unverhältnismäßig hohen Kosten ausscheide, erscheine der vom Sachverständigen ermittelte Mischwert vertretbar. Auf Dauer nicht erzielbare höhere Einnahmen dürften bei der Ertragswertberechnung nicht berücksichtigt werden. Da Mietobjekte regelmäßig einen geringeren Wert aufwiesen als gewerblich nutzbare Objekte, sei der Ertragswert zutreffend nach dieser Nutzungsmöglichkeit geschätzt worden. Zu Recht sei der Sachverständige davon ausgegangen, daß der Realitätenmarkt stagniere. Da das Erstgericht den Wert im Zeitpunkt der Zuteilung (§ 786 ABGB) ohnedies zugrunde gelegt und auch bei der Wertermittlung nicht gegen gesetzliche Bestimmungen verstoßen habe, könne ihm kein Rechtsirrtum angelastet werden.

Rechtliche Beurteilung

Die von der Klägerin erhobene Revision ist nicht zulässig. Das Gericht zweiter Instanz hat das Rechtsmittel an den Obersten Gerichtshof für zulässig erklärt, weil die Bewertung von Fremdenverkehrsbetrieben bei der Ausmessung von Pflichtteilsansprüchen eine nicht auf den Einzelfall beschränkte Rechtsfrage darstelle. Im Revisionsverfahren ist auch nur mehr die Frage zu beurteilen, ob die Vorinstanzen bei der Ermittlung des Werts der Liegenschaft (samt Beherbergungsbetrieb) zum Zwecke der Bemessung von Pflichtteilsansprüchen der Klägerin die richtigen Bewertungsgrundsätze angewendet haben. Entgegen der Ansicht des Gerichtes zweiter Instanz besteht hierüber eine umfassende einheitliche Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, die vom Berufungsgericht auch herangezogen wurde. Bei der Wahl der Berechnungsmethode kommt es vor allem auf den Zweck der Wertermittlung an. Durch das Pflichtteilsrecht soll dem Noterben ein Mindestanteil am Wert des Nachlasses gesichert werden. Bei der Pflichtteilsberechnung ist deshalb davon auszugehen, welchen Wert der Gegenstand ganz allgemein für seinen Eigentümer hat. Bei der Schätzung von Liegenschaften und Betrieben zum Zweck der Pflichtteilsberechnung ist deshalb vom gemeinen Preis (§ 306 ABGB) auszugehen. Beruht der Wert einer solchen Sache nach der Verkehrsauffassung vor allem auf ihrem Ertrag bzw. auf ihrem sonstigen Nutzen, ist der Pflichtteilsberechnung der Ertragswert zugrundezulegen (SZ 49/118 mwN; ferner NZ 1984, 132; SZ 55/56; RZ 1983/7; SZ 53/167). Bei Gebäuden kommt für die Bewertung auch das durch leichtere Überprüfbarkeit und einfachere Berechnung gekennzeichnete Sachwertverfahren in Betracht; das Vergleichswertverfahren scheidet dagegen wegen der Individualität von Baulichkeiten in der Praxis aus, während das Ertragswertverfahren zumindest dann mitzuberücksichtigen ist, wenn das Gebäude gewerblicher Nutzung oder doch der Vermietung oder Verpachtung zugeführt ist (SZ 55/56). Da Unternehmen nach betriebswirtschaftlicher Erkenntnis im allgemeinen auf der Basis des Ertragswertes verwertet werden, weil sich die Vertragspartner mit ihren Preisvorstellungen von dem zu erwartenden Nutzen bestimmen lassen (SZ 55/56; SZ 53/172 u.a.), erscheint auch die vom Sachverständigen vorgenommene Gewichtung der beiden maßgeblichen Wertverfahren gerechtfertigt.

Die Klägerin begehrt die Wertermittlung nach dem Vergleichswertverfahren. Es kann aber keine Frage sein, daß die Verkehrswertschätzung mit Hilfe dieser Methode kaum möglich ist, weil keine ausreichende Zahl geeigneter Vergleichsobjekte ausgeforscht werden kann; diese müßten nämlich sowohl dem Gebäude als auch dem Gewerbebetrieb vergleichbar sein. Wie schwierig die Auffindung geeigneter Objekte ist, beweisen die vom Sachverständigen im Ergänzungsgutachten (ON 35) beschriebenen Objekte; dabei steht nicht einmal fest, ob und inwieweit in diesen die gewerbliche Fremdenbeherbergung betrieben werden könnte. Im übrigen kann es auch nicht auf den vom Verkäufer geforderten Preis ankommen (vgl. aber ON 35); als Vergleichswerte kommen bloß tatsächlich erzielte Kaufpreise in Betracht. Zutreffend bezeichnet der Sachverständige die Ausforschung solcher Vergleichsobjekte als äußerst zeitaufwendige Tätigkeit ohne Erfolgsgarantie (AS 271). Der Forderung der Klägerin, die Bewertung auf den Schluß der Verhandlung abzustellen und objektive Wertmaßstäbe anzulegen, haben die Vorinstanzen ohnehin Rechnung getragen (AS 457 f und 460). Soweit die Klägerin die tatsächlichen Schlußfolgerungen des Sachverständigen und deren Übernahme in die Feststellungen der Vorinstanzen bekämpft, wendet sie sich unzulässigerweise gegen die in dritter Instanz nicht mehr überprüfbaren Tatsachenfeststellungen (NZ 1984, 132 u.v.a.).

Da die erwähnte materiellrechtliche Rechtsfrage bereits durch einheitliche Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes gelöst ist, kommt ihr die nach § 502 Abs. 4 Z 1 ZPO geforderte erhebliche Bedeutung nicht zu, weshalb die Revision trotz des Ausspruchs des Berufungsgerichts, an welchen der Oberste Gerichtshof nicht gebunden ist (§ 508 a Abs. 1 ZPO), als unzulässig zurückzuweisen ist. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO; der Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision ausdrücklich hingewiesen.

Anmerkung

E07214

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0010OB00722.85.0115.000

Dokumentnummer

JJT_19860115_OGH0002_0010OB00722_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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