TE OGH 1986/1/15 1Ob726/85

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Veröffentlicht am 15.01.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Gamerith, Dr. Hofmann und Dr. Schlosser als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am 25.12.1983 verstorbenen Alfons J***, Pensionist, zuletzt Böcklinstraße 57/5, 1020 Wien wohnhaft, infolge Revisionsrekurses der erblasserischen Witwe Ruth J***, Böcklinstraße 57/5, 1020 Wien, vertreten durch Dr. Christa Heller, Dr. Wolfgang Pitzal und Dr. Hannelore Pitzal, Rechtsanwälte in Wien, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Rekursgerichtes vom 4.September 1985, GZ 43 R 512/85-36, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 29.April 1985, GZ 4 A 940/83-29, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Die Witwe und der Sohn des am 25.12.1983 verstorbenen Erblassers gaben zu dessen Nachlaß auf Grund des Gesetzes die bedingte Erbserklärung ab. Die Besorgung und Verwaltung des Nachlasses wurde ihnen gemäß § 145 AußStrG, § 810 ABGB gemeinsam überlassen. Der Erblasser war Eigentümer der Liegenschaft EZ 117 KG Dreihütten, die er mit dem in Notariatsaktsform errichteten Schenkungsvertrag vom 1.2.1975 seiner Ehegattin auf den Todesfall schenkte. In diesem Vertrag begab sich der schenkende Erblasser des Rechtes, die Schenkung zu widerrufen. Die beschenkte Ehegattin nahm die Schenkung ausdrücklich an. Die Vertragspartner vereinbarten, daß die Geschenknehmerin sofort nach dem Tode des Geschenkgebers in den tatsächlichen Besitz und Genuß des Schenkungsobjektes trete. Der Geschenkgeber gab eine grundbuchsfähige Aufsandungserklärung ab. Der Sohn des Erblassers beantragte gemäß § 785 Abs 1 ABGB, die erwähnte Schenkung des Erblassers bei der Berechnung des Nachlasses in Anschlag zu bringen. Daß er mit diesem Antrag nicht (nur) die im streitigen Wege durchzusetzenden Pflichtteilsansprüche, die auch ein eingesetzter Miterbe erheben kann (SZ 39/24; SZ 23/232), geltend machen wollte, sondern die Aufnahme der auf den Todfall geschenkten Sache in das Nachlaßinventar als Aktivum (§ 97 AußStrG) verlangte, ergibt sich deutlich aus der Ergänzung seines Antrages vom 25.10.1984 sowie aus der letzten Antragsformulierung mit Stellungnahme vom 12.4.1985, in der er ausdrücklich begehrt, die gegenständliche Liegenschaft in das Inventar miteinzubeziehen. Das Erstgericht wies den Antrag des erblasserischen Sohnes, "die Schenkung des Erblassers in Anschlag zu bringen", mit der Begründung ab, die gegenständliche Schenkung sei außerhalb der Frist des § 785 Abs 3 ABGB gemacht worden, so daß die auf den Todesfall geschenkte Liegenschaft nicht in das Abhandlungsverfahren einzubeziehen sei. Das Rekursgericht gab dem Rekurs des erblasserischen Sohnes Folge und änderte den angefochtenen Beschluß dahin ab, daß es dem Erstgericht auftrug, die Liegenschaft EZ 117 KG Dreihütten in das zu errichtende Inventar einzubeziehen. Die Entscheidung über die Aufnahme einer Sache in das Inventar im Sinne des § 97 AußStrG wirke nur für das Verlassenschaftsverfahren. Eine auf den Todesfall geschenkte Sache sei in das Nachlaßinventar als Aktivum aufzunehmen und die Schuld des Nachlasses an den Beschenkten als gleichwertiges Passivum auszuweisen (NZ 1984, 63). Soweit der Rekurswerber die Feststellung anstrebe, daß die Liegenschaft bei der Pflichtteilsberechnung in Anschlag zu bringen sei, sei er darauf zu verweisen, daß seine Ansprüche nur mit Pflichtteilsklage geltend gemacht werden könnten. Die mit dieser Rechtsansicht zum Ausdruck gebrachte Teilabweisung des Begehrens des erblasserischen Sohnes blieb unbekämpft.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen den Beschluß des Rekursgerichtes erhobene Revisionsrekurs der erblasserischen Witwe ist nicht berechtigt. Gemäß § 97 Abs 1 AußStrG muß das Inventar ein genaues und vollständiges Verzeichnis alles beweglichen und unbeweglichen Vermögens, in dessen Besitz sich der Erblasser zur Zeit seines Todes befunden hat, enthalten. Für die Frage, ob eine Sache in das Inventar aufzunehmen ist, ist somit lediglich der Besitz und nicht das Eigentum des Erblassers maßgebend (EvBl 1975/75; SZ 21/76; SZ 6/266 uva; vgl Klang in seinem Komm 2 II 362). Gemäß § 956 Satz 1 ABGB ist eine Schenkung, deren Erfüllung erst nach dem Tode des Schenkenden erfolgen soll, mit Beobachtung der vorgeschriebenen Förmlichkeiten als ein Vermächtnis gültig. Nur dann ist sie als ein Vertrag anzusehen, wenn der Beschenkte sie angenommen, der Schenkende sich des Befugnisses, sie zu widerrufen, ausdrücklich begeben hat, und eine schriftliche Urkunde darüber dem Beschenkten eingehändigt worden ist (§ 956 Satz 2 ABGB). Diese Schenkung auf den Todesfall ist nach herrschender Meinung eine unbedingte, mit dem Tode des Erblassers (Geschenkgebers) als Anfangstermin terminisierte Schenkung, die erst nach dem Tode des Erblassers aus dessen Nachlaß erfüllt werden soll (EvBl 1962/285; Koziol-Welser 7 II 338; Schubert in Rummel, ABGB, Rdz 1 zu § 956; Kralik-Ehrenzweig, Erbrecht 3 166; Stanzl in Klang 2 IV/1, 629 ff; Gschnitzer, Schuldrecht Besonderer Teil 45 f; derselbe, Erbrecht 83). Der Geschenkgeber bleibt in aller Regel bis zum Todesfall im Genuß der geschenkten Sache (vgl JBl 1981, 593). Diese geht mit dem Tode des Schenkers nicht von selbst in das Eigentum des Beschenkten über (EvBl 1962/285; Stanzl aaO; Schubert aaO), auch wenn dieser einen Eigentumserwerbstitel in Händen hat. Der auf den Todesfall Beschenkte wird (sofern nicht bloß ein Vermächtnis nach § 956 Satz 1 ABGB vorliegt) als Gläubiger des Nachlasses betrachtet (SZ 50/96; NZ 1966, 28; JBl 1964, 611; EvBl 1962/285). Daraus wird abgeleitet, daß die auf den Todesfall geschenkte Sache, die sich bis zu diesem Zeitpunkt im Besitz des Erblassers befunden hat, in das Nachlaßinventar als Aktivum aufzunehmen und als Schuld an den Beschenkten im Inventar als gleichwertiges Passivum auszuweisen ist (so schon GlU 12.737, 11.952; NZ 1984, 63; Schubert aaO Rdz 3; Stanzl aaO 632; für die Nachlaßzugehörigkeit auch Welser in Rummel, ABGB, Rdz 8 zu § 785).

Die Grundlage für die Berechnung des Nachlaßpflichtteiles ergibt sich aus dem Wert der Aktiven und dem Abzug der Passiven des Nachlasses; bei der Beurteilung, was Aktiven und Passiven sind, kommt es auf den Augenblick des Todes des Erblassers an; das ist auch der Zeitpunkt, auf den nach § 97 Abs 1 AußStrG Inhalt und Bewertung des Inventars abzustellen sind (Kralik-Ehrenzweig aaO 288). Insbesondere wegen dieser Übereinstimmung kann auch der Pflichtteilsberechtigte die Errichtung des Inventars verlangen (§ 804 ABGB; § 92 Abs 1 AußStrG). Zweck der Beteiligung des Pflichtteilsberechtigten am Verlassenschaftsverfahren und seines Rechtes, die Errichtung eines Inventars verlangen zu können, ist es, ihm im Verlassenschaftsverfahren einen möglichst umfassenden Überblick über den Umfang seines nur im streitigen Wege zu verfolgenden Pflichtteilsrechtes zu gewähren (EFSlg 22.508 mwN). Alle Aktiven, die in die Pflichtteilsberechnung einzubeziehen sind, müssen daher in das Inventar aufgenommen werden. Wie der Oberste Gerichtshof in seiner Entscheidung JBl 1981, 593 erkannte, ist eine Schenkung auf den Todesfall keine Schenkung im Sinne des § 785 ABGB und der Ausmessung des Pflichtteils auch dann zugrundezulegen, wenn die Schenkung auf den Todesfall früher als zwei Jahre vor dem Tode des Erblassers gemacht worden ist. Auch wenn die Wirkungen der Inventarerrichtung über das Verlassenschaftsverfahren nicht hinausgehen, sind daher Vermögenswerte, die Gegenstand einer Schenkung auf den Todesfall waren, jedenfalls in das Inventar aufzunehmen.

Die Revisionsrekurswerberin meint, im vorliegenden Fall bestehe eine davon abweichende Rechtslage, weil sie "immer" Mitinhaberin der gegenständlichen Liegenschaft gewesen sei. Es sei daher zu der bereits erfolgten Übergabe der mit dem Tode des Geschenkgebers wirksam gewordene Eigentumserwerbstitel dazugetreten, so daß die Sache, ohne Nachlaßbestandteil geworden zu sein, in ihr Eigentum übergegangen sei (so auch obiter EvBl 1962/285; Stanzl in Klang aaO 632). Der Oberste Gerichtshof hat aber in seiner Entscheidung JBl 1981, 593 bereits hervorgehoen, daß die Schenkung auf den Todesfall zwar die rechtlichen Verfügungsmöglichkeiten des Schenkers wesentlich einschränkt, das Geschenk aber de facto vom Geschenkgeber uneingeschränkt verwendet werden kann und in dessen Vermögen bleibt und ihm auch noch im Zeitpunkt seines Todes zur Verfügung steht. Es steht dann aber auch noch im Zeitpunkt seines Todes in seinem Besitz. Die Revisionsrekurswerberin ist nicht in der Lage anzuführen, aus welchem Grunde sie im Zeitpunkt des Todes des Erblassers Mitbesitzerin der ihr auf den Todesfall geschenkten Liegenschaft gewesen sein könnte; daß sie zu ihrer Anschaffung oder Ausgestaltung finanziell beigetragen hat, schuf noch keinerlei Besitzrechte. Ihre Mitbenützungsrechte leitete sie offenbar nur aus ihrer familienrechtlichen Stellung als Ehegattin ab. Es wäre im übrigen nicht einzusehen, warum Mitbenützungsrechte Dritter das Recht des Pflichtteilsberechtigten auf Aufnahme von für die Pflichtteilsberechnung maßgeblichen Vermögenswerten in das Inventar verhindern können sollten.

Dem Revisionsrekurs ist ein Erfolg zu versagen.

Anmerkung

E07601

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0010OB00726.85.0115.000

Dokumentnummer

JJT_19860115_OGH0002_0010OB00726_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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