TE OGH 1986/1/16 13Os192/85

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Veröffentlicht am 16.01.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 16. Jänner 1986 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr.Müller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr.Schneider, Dr.Felzmann, Dr.Brustbauer und Dr.Massauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr.Huber als Schriftführers in der Strafsache gegen Harald S*** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens der Nötigung zum Beischlaf nach § 202 Abs 1 StGB. und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Harald S***, Wolfgang S***, Herbert M*** und Rudolf M*** gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengerichts vom 24.Oktober 1985, GZ. 5 d Vr 2468/84-114, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Über die Berufungen wird in einem Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung entschieden werden.

Text

Gründe:

Harald S***, Rudolf und Herbert M*** sowie Wolfgang S*** wurden des Verbrechens der Nötigung zum Beischlaf nach § 202 Abs 1 StGB. (I bis III), Harald S*** und Rudolf M*** weiters des Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB. (V), letzterer auch in der Entwicklungsstufe des Versuchs nach § 15 StGB. (IV und VI) schuldig erkannt.

Darnach haben

Harald S***, Herbert und Rudolf M*** sowohl im November (I), als auch im Dezember 1982 (II), Rudolf M*** überdies im Februar 1983 mit Wolfgang S*** (III) jeweils durch gefährliche Drohung und mit Gewalt Renate G*** zum außerehelichen Beischlaf genötigt,

Rudolf M*** im November 1982 durch gefährliche Drohung Renate G*** von einer Anzeige des an ihr zuvor begangenen Sittlichkeitsdelikts abzuhalten getrachtet (IV),

Harald S*** und Rudolf M*** im Dezember 1982 durch gefährliche Drohung und mit Gewalt Christian H*** die Nothilfe für Renate G*** (zum Faktum II) verwehrt (V) und Rudolf M*** vom Dezember 1982 bis Februar 1983 durch gefährliche Drohung Renate G*** zur Ausübung der Prostitution zu nötigen getrachtet (VI).

Alle Angeklagten machen Urteilsnichtigkeit aus der Z. 4, Harald S***, Herbert M*** und Wolfgang S*** auch aus den Z. 5 und Z. 9 lit. a, Herbert M*** zusätzlich auch aus der Z. 10 des § 281 Abs 1 StPO. geltend.

Rechtliche Beurteilung

Mit ihren Verfahrensrügen wenden sich zunächst alle Nichtigkeitswerber gegen die von ihnen beantragte (S. 471 II. Bd.), ihnen jedoch verwehrte Gegenüberstellung mit der Zeugin G***. Der Schöffensenat, vor dem die genannte Zeugin nach Abtreten der Angeklagten aus dem Sitzungssaal gemäß § 250 StPO. abgehört wurde, lehnte auf Grund des gewonnenen Eindrucks eine Konfrontation aller Angeklagten mit der Zeugin ab (S. 472 II. Bd.).

Sowohl den Angeklagten als auch der Zeugin waren die jeweils anderslautenden Aussagen bekannt; die Zeugin hat bei Ablegung ihrer Aussage wiederholt (S. 465 II. Bd.) geweint und auch unter Tränen gebeten (S. 471 II. Bd.), von einer Gegenüberstellung mit ihren ehemaligen Peinigern abzusehen. Wenn das Erstgericht angesichts dieser Umstände, gegründet auf eigene Wahrnehmungen, eine Gegenüberstellung zur Aufklärung der Sache nicht für notwendig hielt, handelte es im Rahmen der ihm obliegenden freien Beweiswürdigung durch das Verfahrensrecht gedeckt (§§ 205, 248 StPO.). Soweit aber die Beschwerden, dem in der Verhandlung gezeigten Verhalten der Zeugin eine andere Bedeutung beimessen als die Tatrichter, greifen sie unzulässig in diese Beweiswürdigung ein. Auf die von Harald S*** gerügte, von Wolfgang S*** bloß erwähnte, fehlende Psychiatrierung der Zeugin war im Nichtigkeitsverfahren schon deshalb nicht einzugehen, weil ein solcher Antrag nur vom Staatsanwalt gestellt worden war (S. 471 II. Bd.).

Der Antrag des Verteidigers des Angeklagten Herbert M***, den vom Schöffengericht vernommenen Zeugen Bez.Insp. Franz N*** zu verhalten, den Namen derjenigen Person preiszugeben, die G*** in das Sicherheitsbüro begleitet hatte (S. 475 II. Bd.), blieb, wie der Antragsteller in seiner Beschwerde zutreffend hervorhebt, ohne Reaktion seitens des Gerichts. Verteidigungsrechte konnten dadurch jedoch keinesfalls verletzt werden, weil schon im Antrag kein Umstand genannt wurde, der mit dem Namen dieser Person erwiesen werden sollte. Wenn erst in der Beschwerde nachgetragen wird, daß diese Person die Anzeige durch G*** veranlaßt hat und Erwägungen darüber angestellt werden, warum dies so gewesen sein konnte, so ist dies als verspätete Anführung eines keineswegs aus dem Sachzusammenhang erkennbaren Beweisthemas unbeachtlich. Harald S*** hat sich dem letztgenannten Antrag des Herbert M*** nicht angeschlossen und auch keinen gleichlautenden eigenen gestellt, sodaß ihm für eine diesbezügliche Rüge schon die formelle Legitimation fehlt.

Den Einwänden der Mängelrügen der Angeklagten S*** und Herbert M***, die Belastungszeugin hätte keinen einwandfreien Lebenswandel geführt, ist allein schon dadurch zu begegnen, daß dies für die Tatrichter ausdrücklich kein Argument war, daß G*** zu den Sexualkontakten mit den Angeklagten eingewilligt hätte. Ganz im Gegenteil - so die Urteilsgründe - biete in diesem Zusammenhang die Aussage der Angeklagten, G*** kein Geld bezahlt zu haben, einen wesentlichen Anhaltspunkt für die Unfreiwilligkeit des an ihr vollzogenen Geschlechtsverkehrs (S. 494 f. II. Bd.). Entgegen der Ansicht des Herbert M*** hat das Schöffengericht auch sonst eine einwandfreie Begründung für seine Urteilsannahmen, G*** sei jeweils zum Geschlechtsverkehr gezwungen worden, gegeben, nämlich: Die umfangreichen, detaillierten und widerspruchslosen Angaben der Zeugin G***, der von ihr (persönlich) gewonnene Eindruck, die stützende Aussage von Christian H***, und teilweise gleichlautende Passagen in den Einlassungen der Angeklagten (S. 492 ff. II. Bd.).

Im Rahmen der Beweiswürdigung stand es den Tatrichtern zu, die Art der vorgenommenen Sexualhandlungen mit Herbert M*** auf die wiederholten Angaben dieses Angeklagten mit der Bemerkung zu begründen, daß er darüber eine bessere Erinnerung besitze als das Tatopfer, das von jeweils mehreren Tätern zu einer Vielzahl verschiedenster sexueller Kontakte genötigt worden war (S. 495 II. Bd.).

Der Angeklagte S***, der sein im Urteil festgestelltes Wissen um die Willensbeugung als nicht ausreichend begründet erachtet, weil er der Frau lediglich einen Stoß versetzt habe, übersieht, daß ihm auch die gewalttätigen Handlungen seines Mittäters Rudolf M*** zuzurechnen sind. Ob aber sein gegen das Opfer geführter Stoß, um der Forderung, sich zu entkleiden, Nachdruck zu verleihen, den Schluß zuläßt, daß er damit den Willen der zum Geschlechtsverkehr nicht bereiten Frau beugen wollte, fiel in die alleinige Beweiswürdigung der Tatrichter. Denkunmöglich ist dieser Schluß keinesfalls.

Jene Rechtsmittelausführungen des Herbert M*** (§ 281 Abs 1 Z. 5 und Z. 9 lit. a StPO.), welche auf einen von ihm gestellten Protokollberichtigungsantrag gründen, gehen ins Leere, weil dieser Antrag abgewiesen wurde (ON 121).

Die Rechtsrügen (§ 281 Abs 1 Z. 9 lit. a StPO.) des Wolfgang S*** und des Herbert M*** (diese auch § 281 Abs 1 Z. 10 StPO.) entbehren der prozeßordnungsgemäßen Darstellung. Denn beide legen ihren Rechtsausführungen in Bestreitung einer (gewaltsamen) Nötigung und eines erzwungenen Beischlafs urteilsfremde Annahmen zugrunde. Aber auch die Rechtsrüge (§ 281 Abs 1 Z. 9 lit. a StPO.) des Angeklagten S*** verläßt die Urteilskonstatierungen, wenn sie die gegen H*** ausgeübte Gewalt als gewaltsames Vorgehen gegen die Zeugin G*** umzudeuten sucht und die unterschiedlich konstatierten primären Ziele dieser Gewalthandlungen, nämlich die Hinderung einer Nothilfe einerseits und die Nötigung zum Beischlaf andererseits, völlig mißachtet.

Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher teils als offenbar unbegründet gemäß § 285 d Abs 1 Z. 2 StPO., teils als nicht gesetzmäßig ausgeführt nach § 285 d Abs 1 Z. 1 StPO. in Verbindung mit § 285 a Z. 2 StPO. bereits in nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.

Über die Berufungen der Angeklagten wird gemäß § 296 Abs 3 StPO. verfahren werden.

Anmerkung

E07449

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0130OS00192.85.0116.000

Dokumentnummer

JJT_19860116_OGH0002_0130OS00192_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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