TE OGH 1986/1/21 2Ob61/85

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Veröffentlicht am 21.01.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Melber, Dr. Kropfitsch, Dr. Huber und Dr. Egermann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Renate A, Angestellte, 1170 Wien, Horneckgasse 5/1/4, vertreten durch Dr. Werner Neuhauser, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1. Erna B, Hausfrau, 1020 Wien, Molkereistraße 4/5, 2. C D

E, 1120 Wien, Schönbrunner

Schloßstraße 40, beide vertreten durch Dr. Wolfgang Waldeck und Dr. Hubert Hasenauer, Rechtsanwälte in Wien, wegen S 16.666,67 und Feststellung, infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien als Berufungsgerichtes vom 2. Oktober 1985, GZ 42 R 571/85-84, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 3.Mai 1985, GZ 33 C 1566/81-79, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Die unterinstanzlichen Urteile werden dahin abgeändert, daß das

erstgerichtliche Urteil wie folgt zu lauten hat:

Die Klagsforderung besteht mit S 18.750 zu Recht.

Die eingewendete Gegenforderung besteht mit S 863 zu Recht.

Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand

schuldig, der Klägerin den Betrag von S 17.887 samt 4 % Zinsen seit 26.3.1981 binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren von S 7.113 samt 4 % Zinsen seit 11.9.1979 sowie von 4 % Zinsen aus S 17.887 vom 11.9.1979 bis 25.3.1981 wird abgewiesen.

Die beklagten Parteien haften der Klägerin für die in Zukunft entstehenden Schäden aus dem Verkehrsunfall vom 20.9.1979 im Ausmaß von 75 % zur ungeteilten Hand, die zweitbeklagte Partei jedoch nur bis zu den Höchstgrenzen aus dem mit der Erstbeklagten abgeschlossenen Haftpflichtversicherungsvertrag.

Das Mehrbegehren auf Feststellung einer Haftung im Ausmaß von weiteren 25 % wird abgewiesen.

Die beklagten Parteien haben der Klägerin zur

ungeteilten Hand die mit S 26.008,94 bestimmten Prozeßkosten (darin enthalten S 1.123,81 Umsatzsteuer, 9.815 S Barauslagen und S 3.831,98 vorprozessuale Kosten) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Die beklagten Parteien haben der Klägerin weiters zur ungeteilten Hand die mit S 1.791,89 bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens (darin enthalten S 150,89 Umsatzsteuer und S 132 Barauslagen) sowie die mit S 1.157,04 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 90,64 Umsatzsteuer und S 160 Barauslagen) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin wurde am 20.9.1979 gegen 10,50 Uhr auf der Taborstraße in Wien als Fahrschülerin dadurch verletzt, daß das von ihr gelenkte Motorrad von dem sie überholenden, von der Erstbeklagten gelenkten und gehaltenen, bei der zweitbeklagten Partei haftpflichtversicherten PKW Kennzeichen W 672.556 gestreift wurde und dadurch umstürzte. Sie behauptet das Alleinverschulden der wegen dieses Unfalles rechtskräftig strafgerichtlich verurteilten Zweitbeklagten und begehrt Schadenersatz in der Höhe von (ausgedehnt) S 25.000 sowie hinsichtlich ihrer künftigen Unfallsschäden die Feststellung der Haftung der beklagten Partei, bei der zweitbeklagten Partei eingeschränkt auf die Versicherungssumme.

Die beklagten Parteien anerkannten ein Mitverschulden der Erstbeklagten am Unfall im Ausmaß von einem Drittel, wendeten aufrechnungsweise eine Gegenforderung von S 3.452 ein und beantragten Klagsabweisung.

Die Klägerin stellte die eingewendete Gegenforderung

der Höhe nach außer Streit (AS 241).

Das Erstgericht gab der Klage voll statt.

Das Berufungsgericht bestätigte das erstgerichtliche Urteil. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 60.000, nicht aber S 300.000 übersteige und daß die Revision zulässig sei.

Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes erheben die beklagten Parteien eine auf § 503 Abs 1 Z 4 ZPO gestützte Revision mit dem - gleichlautend wie im Berufungsverfahren gestellten - Antrage auf Abänderung dahin, daß die Klagsforderung mit S 8.133,33, (richtig: 8.333,33) die Gegenforderung mit S 3.113 als zu Recht bestehend festgestellt und dem Leistungsbegehren daher lediglich hinsichtlich eines Betrages von S 5.220,33 s.A., dem Feststellungsbegehren dagegen lediglich im Ausmaß von einem Drittel stattgegeben, das jeweilige Mehrbegehren aber abgewiesen werde; hilfsweise wird auch ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Klägerin beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision als unzulässig zurückzuweisen bzw. ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist entgegen dem Standpunkt der Klägerin nicht wegen der Streitwertgrenze des § 49 Abs 1 JN unzulässig, weil das Berufungsgericht gemäß § 500 Abs2 Z 3 ZPO an den vom Kläger nach § 56 Abs2 ZPO angegebenen Streitwert nicht gebunden ist. Wenn das Berufungsgericht vorliegendenfalls das von der Klägerin gestellte Leistungs- und Feststellungsbegehren mit einem insgesamt S 60.000 übersteigenden Betrag bewertete, so kann dieser Ausspruch gemäß § 500 Abs4 erster Satz ZPO vor dem Obersten Gerichtshof nicht angefochten werden.

Die Revision ist teilweise gerechtfertigt.

Den unterinstanzlichen Entscheidungen liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Die Klägerin befand sich zur Unfallszeit als Fahrschülerin mit einem von der Fahrschule "Schwedenplatz" gehaltenen, 0,6 m breiten Motorrad auf ihrer ersten Übungsfahrt im öffentlichen Verkehr und hatte dabei eine ca. einen Kilometer betragende Fahrstrecke zurückgelegt. Sie trug einen Sturzhelm und einen Umhang, der sie deutlich als Fahrschülerin kennzeichnete. Am Motorrad war das Abblendlicht eingeschaltet. Der Fahrlehrer der Klägerin fuhr mit einem anderen Motorrad voraus. Die Unfallsstelle befindet sich ca. 17,5 m nach einer ampelgeregelten Kreuzung. Die Fahrbahn ist dort in der von der Klägerin befahrenen Fahrtrichtung 7 m breit. Am rechten Fahrbahnrand waren Fahrzeuge abgestellt. Auf der linken Seite der Fahrbahn befindet sich eine Verkehrsinsel, jenseits dieser die Fahrbahn für den Gegenverkehr. Auf der Höhe der Unfallsstelle stand ein geparktes Fahrzeug derart, daß die linke Hinterecke ca. 1 m vom Fahrbahnrand entfernt war. Ca. 12 m nach der Unfallsstelle erweiterte sich die Fahrbahn auf eine Breite von 8,9 m. Knapp nach Beginn dieser Erweiterung stand ein Kastenwagen in zweiter Spur und ragte ca. einen halben Meter weiter in die Fahrbahn als die vor der Erweiterung geparkten Fahrzeuge. Der Fahrlehrer, der den Kastenwagen bereits zum Zeitpunkt der Übersetzung der vor der Unfallsstelle gegebenen Kreuzung bemerkt hatte, fuhr an diesem "in einer flachen Linie ohne Betätigung des Fahrtrichtungsanzeigers in einem Abstand von 1,5 m vorbei". Der Fahrschüler hat die Anweisung, sein Fahrverhalten nach dem des Fahrlehrers zu richten. Als der Fahrlehrer am Kastenwagen bereits vorbeigefahren war, blickte er sich um und bemerkte die mit ca. 30 km/h nachfolgende Klägerin noch in unfallsfreier Fahrt. Dann blickte er nach vorne und wieder zurück und bemerkte dabei den Sturz der Klägerin. Diese hatte einen "Linkszug" unternommen, über dessen Vornahme nähere Feststellungen nicht getroffen werden können und war dabei an den sie überholenden, 1,56 m breiten PKW der Erstbeklagten gestoßen. Die mit einer Geschwindigkeit von ca. 35 bis 40 km/h nachkommende Erstbeklagte hatte eine Fahrlinie derart eingehalten, daß der Abstand ihres PKWs zur linksgelegenen Verkehrsinsel 0,5 m und zu dem rechtsfahrenden Motorrad beim Überholen 1 m betrug. Im Augenblick der durch den "Linkszug" der Klägerin herbeigeführten Kollision bewegte sich das Motorrad ca. 2,4 bis 2,5 m von den auf dieser Höhe "nicht ganz am rechten Fahrbahnrand" geparkten Fahrzeugen. Die Streifung erfolgte zwischen linkem Lenkerende und linkem Sturzrahmen des Motorrades einerseits und rechter vorderer und hinterer Fahrzeugtüre des PKWs andererseits. Durch den Unfall erlitt die Klägerin eine Gehirnerschütterung und Hirnschädigung mit der Folge einer organischen Persönlichkeitsveränderung und damit Dauerschädigungen sowie zahlreiche Prellungen und Schürfwunden.

In seiner rechtlichen Beurteilung war das Erstgericht der Ansicht, das Alleinverschulden am Unfall treffe die Erstbeklagte, weil sie einerseits die Klägerin als deutlich gekennzeichnete Fahrschülerin mit einem im Sinne des § 15 Abs4 StVO 1960 zu geringen Seitenabstand von einem Meter überholt und andererseits im Hinblick auf den für sie ebenfalls schon im Kreuzungsbereich wahrnehmbar in zweiter Spur abgestellten Kastenwagen den "Linkszug" des der Klägerin als Fahrschülerin vorausfahrenden Fahrlehrers vorhersehen hätte müssen, daß auch die Klägerin einen solchen "Linkszug" ausführen werde. Ein Mitverschulden der Klägerin sei zu verneinen, weil sie erst ihre erste Fahrstunde im öffentlichen Verkehr absolviert habe und dem Fahrlehrer nach dessen Anweisungen nachgefahren sei. Zwar könne man von einem Fahrschüler theoretische Kenntnisse über die grundlegenden Bestimmungen der Straßenverkehrsordnung verlangen, das gefahrlose Vorbeifahren an einem in zweiter Spur abgestellten Fahrzeug sei aber, vor allem mit einem Motorrad, weniger ein rechtliches als ein fahrtechnisches Problem. Darauf hinzuweisen sei, daß der Fahrlehrer offenbar viel zu weit vor der Klägerin, nämlich mindestens 25 m vor ihr, gefahren sei, und die Fahrgeschwindigkeit von 30 km/h für den Ausbildungsstand der Klägerin auch zu hoch erscheine. Aus seinem Fehlverhalten könne aber kein Mitverschulden der Klägerin abgeleitet werden. Die von der Klägerin gestellte Schmerzengeldforderung und ihr Feststellungsbegehren seien daher gerechtfertigt.

Das Berufungsgericht hielt weder die Verfahrens- und Beweisrüge noch die Rechtsrüge der beklagten Parteien für stichhältig. Zu letzterer führte es hinsichtlich der Verschuldensfrage aus, die Klägerin hätte unter Beibehaltung ihrer ursprünglichen Fahrlinie den Kastenwagen nur in einem für einen Fahrschüler viel zu geringen Seitenabstand von 0,4 m passieren können, weil ihr von der Fahrbahnbreite von 8,9 m wegen dieses in zweiter Spur stehenden Fahrzeuges nur noch eine Durchfahrtslücke von 4 m zur Verfügung gestanden wäre. Die Erstbeklagte habe somit die Situation falsch eingeschätzt, denn sie habe mit dem "Linkszug" der als Fahrschülerin gekennzeichneten Klägerin wegen des vorne stehenden Kastenwagens jedenfalls rechnen müssen. Ein Mitverschulden der Klägerin sei aus den vom Erstgericht genannten Gründen zu verneinen. Selbst bei gegenteiliger Auffassung wäre es aber so geringfügig anzusetzen, daß es gegenüber jenem der Erstbeklagten zu vernachlässigen sei.

In der Revision wird vorgebracht, beim Überholmanöver sei zwischen der rechten Flanke des von der Erstbeklagten gelenkten PKW und den am rechten Fahrbahnrand abgestellten Fahrzeugen ein Durchfahrtsraum für die Klägerin in der Breite von 3 m verblieben und der von der Erstbeklagten zum Motorrad eingehaltene Sicherheitsabstand habe einen Meter betragen, somit aber grundsätzlich der Judikatur entsprochen. Der plötzliche Fahrstreifenwechsel der Klägerin, auf welchen die Erstbeklagte nicht mehr reagieren habe können, stelle einen Verstoß gegen auch einem "Nichtführerscheinbesitzer" bekannte elementare Grundsätze des Verkehrs dar, woraus sich eine Eigenverantwortlichkeit der Klägerin für ihr Fehlverhalten ableite. Die einzige der Erstbeklagten zur Last fallende, auf Grund der strafgerichtlichen Verurteilung auch bindend feststehende "Verschuldenskomponente" sei der Umstand, daß sie den "Linkszug" der Klägerin bei entsprechender Aufmerksamkeit vorhersehen hätte können. Der grobe Verstoß der Klägerin gegen elementare Grundsätze des Straßenverkehrs müsse aber zum Ausspruch ihres überwiegenden Mitverschuldens von zwei Dritteln führen. Sie hätte auf Grund der bereits erfolgten theoretischen und praktischen Ausbildung in der Fahrschule sowie auf Grund allgemeiner Erfahrung die Gefährlichkeit ihres Fahrverhaltens jedenfalls einzusehen vermocht und sich von der Möglichkeit des Fahrstreifenwechsels überzeugen müssen. Ein Fahrstreifenwechsel müsse auch in der ersten im öffentlichen Verkehr durchgeführten Fahrstunde vorschriftsmäßig vorgenommen werden können. Die Beurteilung ihrer Fähigkeit, bereits am öffentlichen Verkehr teilzunehmen, sei der Klägerin oblegen, nötigenfalls hätte sie sich weitere Übungsstunden auf dem Verkehrsübungsplatz nehmen müssen.

Diesen Ausführungen kommt teilweise Berechtigung zu. Der Oberste Gerichtshof hat sich schon mehrfach mit der Frage der Haftung eines Fahrschülers für ein den Verkehrsvorschriften widersprechendes Fahrverhalten befaßt. Ausgehend von den Bestimmungen des § 101 Abs3 KFG 1955 und den an deren Stelle getretenen Regelungen des § 114 Abs4 KFG 1967 wurde ausgesprochen, daß die zivilrechtliche Haftung für einen solcherart verursachten Unfall grundsätzlich den Lehrenden trifft und der Fahrschüler selbst nur insoweit verantwortlich ist, als er durch den bereits genossenen Fahrunterricht und auf Grund allgemeiner Erfahrung die Gefährlichkeit seines Fahrverhaltens einzusehen vermochte und sich fahrtechnisch und rechtlich richtig verhalten konnte (JBl1966, 382; 2 Ob 205/73; ZVR 1984/119; vgl. auch Geigel, Haftpflichtprozeß 18 , 706, Rdz 4). Ein Verschulden des Fahrschülers wurde demgemäß verneint, wenn er in der ersten Übungsstunde im öffentlichen Verkehr als Fahrer eines Beiwagenmotorrades ein Schlagloch nicht beachtete, weil es ihm an der erforderlichen Erfahrung fehlte, das Überfahren des Schlagloches auszugleichen (ZVR 1963, 236); zufolge noch verkrampften Lenkens des Fahrschulwagens bei ganz geringer Geschwindigkeit unbeabsichtigt etwas nach rechts lenkte und auf das Straßenbankett geriet (JBl1966, 382); die Lenkstange eines Beiwagenkraftrades mangels Übung unbeabsichtigt nach links verriß (2 Ob 205/73) oder, wie im Falle der auch vom Berufungsgericht zitierten Entscheidung ZVR 1984/119, beim Einparken in eine Parklücke im Rückwärtsgang mangels der erforderlichen Praxis die richtige Räderstellung nicht zu finden vermochte und gegen ein anderes Fahrzeug stieß. In allen diesen Fällen ging es in erster Linie um ein mangels entsprechender Übung fahrtechnisch fehlerhaftes und somit entschuldbares Verhalten.

Im vorliegenden Fall hat die Klägerin nach den Feststellungen mit dem Motorrad bewußt einen "Linkszug" unternommen, um durch die solcherart um einen Meter nach links verlegte Fahrlinie in der Folge den in zweiter Spur stehenden Kastenwagen passieren zu können. Vor dieser Verlegung der Fahrlinie hatte sich die linke Begrenzung des von ihr gelenkten Motorrades mehr als 3 m vom linken Fahrbahnrand entfernt befunden, sodaß dieser Teil der Fahrbahn für den übrigen Verkehr freigeblieben war. Die Tatsache, daß im Straßenverkehr überholt wird, muß jedem Fahrschüler schon auf Grund allgemeiner Erfahrung jedenfalls bekannt sein. Mit einem Überholmanöver muß daher jeder Fahrschüler grundsätzlich rechnen. Demgemäß und weil er vor seiner ersten Übungsfahrt im öffentlichen Verkehr auch bereits eine nachhaltige Ausbildung über die grundlegenden Regeln des Straßenverkehrs erlangt haben muß, ist ihm die Einsicht in die Gefährlichkeit eines ohne Bedachtnahme auf den nachfolgenden Verkehr durchgeführten Wechsels der Fahrlinie jedenfalls zu unterstellen. Eine genaue Kenntnis der gesetzlichen Bestimmungen über die Unterteilung der Fahrbahn in Fahrstreifen und die Voraussetzungen eines Wechsels derselben ist für diese Einsicht nicht erforderlich.

Unabhängig von den der Klägerin im Fahrschulunterricht zwar grundsätzlich bereits bekanntgewordenen, jedoch noch nicht jederzeit voll bewußten einschlägigen Verkehrsregeln konnte sie daher bei Anwendung durchschnittlicher Sorgfalt hier die Gefahr einer Kollision mit einem im Hinblick auf ihre geringe Fahrgeschwindigkeit von 30 km/h überholenden Verkehrsteilnehmer leicht erkennen. Auch wenn der nach den Feststellungen mindestens 25 m vor ihr fahrende Fahrlehrer eine ähnliche Fahrlinie eingehalten hatte, war sie somit aber verpflichtet, den nachfolgenden Verkehr zu beachten. Ihrem fehlerhaften Fahrverhalten kommt als nach allgemeiner Erfahrung erkennbar gefährlich und als Verstoß gegen auch von einem erst teilweise ausgebildeten Fahrschüler bei der Teilnahme am öffentlichen Verkehr zu beherrschende Grundregeln des Straßenverkehrs ein Schuldgehalt zu, der eine gänzliche Vernachlässigung gegenüber dem strafgerichtlich geahndeten Fehlverhalten der Erstbeklagten nicht rechtfertigt. Die gesamten Umstände des Falles lassen eine Verschuldensteilung von 1 : 3 zugunsten der Klägerin angemessen erscheinen. In diesem Sinne war der Revision der beklagten Parteien demnach teilweise Folge zu geben.

Die Entscheidung über die Prozeßkosten beruht auf § 43 Abs 1 ZPO, jene über die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens auf §§ 43 Abs 1 und 50 ZPO.

Die Klägerin hat im Verfahren erster Instanz zu rund 3/4 obsiegt und daher Anspruch auf Ersatz der Hälfte ihrer Prozeßkosten; im Rechtsmittelverfahren obsiegte sie jeweils zu rund 2/3 und hat somit Anspruch auf Kostenersatz im Ausmaß von 1/3.

Anmerkung

E07242

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0020OB00061.85.0121.000

Dokumentnummer

JJT_19860121_OGH0002_0020OB00061_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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