TE OGH 1986/1/28 11Os175/85

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Veröffentlicht am 28.01.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 28.Jänner 1986 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Schneider und Dr. Felzmann als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Hausmann als Schriftführerin, in der Strafsache gegen den mj. Klaus Martin W*** wegen des Vergehens des schweren Betruges nach den §§ 146, 147 Abs 2 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Jugendschöffengerichts vom 8.August 1985, GZ 24 Vr 1152/85-7, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Generalanwaltes Dr. Presslauer als Vertreters der Generalprokuratur, des Angeklagten Klaus Martin W***, der gesetzlichen Vertreterin Herta W*** und des Verteidigers Dr. Dorninger zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 12.Februar 1968 geborene Speditionskaufmannslehrling Klaus Martin W*** von der Anklage, er habe im Spätherbst 1984 in Traun mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, nämlich durch die Vortäuschung seiner Bezugsberechtigung mit der unwahren Angabe, für die Firma L*** Speditions- und Transport-Ges.m.b.H. & Co KG tätig zu sein, verfügungsberechtigte Verantwortliche der Trafik Friedrich S*** zur Ausfolgung von Stempelmarken im Gesamtwert von 28.910 S verleitet, welche Friedrich S*** im angeführten, somit 5.000 S übersteigenden Betrag schädigte, und er habe hiedurch das Vergehen des schweren Betruges nach den §§ 146, 147 Abs 2 StGB begangen, gemäß dem § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Nach den wesentlichen Feststellungen des Erstgerichtes arbeitete der noch jugendliche Angeklagte nach seinem Austritt aus der Schule im Betrieb seiner Eltern, der Spedition L*** in Traun, als kaufmännischer Lehrling, beendete dieses Lehrverhältnis aber Mitte September 1984 wegen Differenzen mit seinem als Geschäftsführer tätigen Stiefvater Hans W***. Er setzte seine kaufmännische Lehre bei einem Sportartikelhändler in Linz fort, beendete dieses Dienstverhältnis aber nach zwei Monaten und ging in weiterer Folge keiner Beschäftigung nach. Während seiner Tätigkeit im elterlichen Betrieb war er einige Male in der Trafik S*** in Traun gewesen, um für die Speditionsfirma L*** Stempelmarken zu holen. Dabei wurde jeweils der Empfang der Marken auf dem Durchschlag der Rechnung bestätigt, das Original vom Angeklagten mitgenommen und der Buchhaltung der Spedition zur Bezahlung übergeben. Der Angeklagte suchte nun im Spätherbst 1984 - bereits nach Beendigung seines Lehrverhältnisses beim eingangs erwähnten Sportartikelhändler - mehrmals die Trafik S*** auf und verlangte Stempelmarken für die Speditionsfirma L***, die ihm in der gewohnten und oben beschriebenen Art ausgefolgt wurden; insgesamt bezog er solcherart Stempelmarken im Gesamtwert von 28.910 S. Diese Marken lieferte der Angeklagte jedoch nicht in der Speditionsfirma seiner Eltern ab, sondern verkaufte sie teils auf eigene Rechnung an Bekannte zum halben Preis, teils beauftragte er Freunde mit dem Weiterverkauf. Den Erlös dieser Verkäufe verwendete er zur Finanzierung seines Lebensunterhaltes und für Vergnügungsreisen. Am Vormittag des 26.November 1984 forderte der Trafikant - weil die gewohnte Bezahlung der Stempelmarken ausgeblieben war - den Stiefvater des Angeklagten und Geschäftsführer der Firma L***, Hans W***, unter Vorlage der Belege mit Unterschrift zur Zahlung des Betrages von 28.910 S auf. W*** ersuchte am Nachmittag desselben Tages nochmals zu kommen und informierte in der Zwischenzeit seine Ehefrau Herta, die Mutter des Angeklagten, vom Vorgefallenen. Als der Trafikant am Nachmittag wieder kam, übergab ihm Herta W*** - gleichfalls Geschäftsführerin (S 99) - einen in seinem Beisein ausgefüllten Scheck der Firma L*** über 28.910 S, den S*** auch tatsächlich bei seiner Bank einlöste. Herta W*** verfügte ferner, daß der Betrag ihrem Privatkonto angelastet werde. Als der am späteren Nachmittag desselben Tages nach Hause kommende Angeklagte von seiner Mutter zur Rede gestellt wurde, gab er sein rechtswidriges Verhalten sofort zu und ersuchte, von einem - ihm gehörenden, sich jedoch im Gewahrsam der Mutter befindlichen - Sparbuch mit einem Einlagestand von 70.000 S Geld abzuheben und damit den Schaden zu begleichen. Da sich der Angeklagte anläßlich eines nachfolgenden Gespräches mit seinem Stiefvater weigerte, die Namen der Abnehmer bzw Weitervermittler der Stempelmarken preiszugeben, erstattete Hans W*** am 29. November 1984 die Anzeige. Die Mutter des Angeklagten hob erst einige Zeit nach der Anzeigeerstattung das erforderliche Geld vom Sparbuch ihres Sohnes ab.

Ausgehend von diesen Konstatierungen gelangte das Erstgericht in rechtlicher Hinsicht zum Ergebnis, daß der Angeklagte den Trafikanten durch pflichtwidrige Nichtmitteilung der Beendigung seines "Lehr- und Vollmachtsverhältnisses" zum elterlichen Unternehmen und Bestärkung der diesbezüglichen irrigen Vorstellungen getäuscht und zu einer Vermögensverfügung in Form des Abschlusses der jeweiligen Kaufverträge über die Stempelmarken verleitet habe. Vertragspartner sei aber nicht der Angeklagte, sondern im Hinblick auf die Bestimmung des § 1026 ABGB die Firma L***,

Speditions- und Transport-Ges.m.b.H. & Co KG gewesen, sodaß der von S*** erbrachten Leistung (Übergabe der Stempelmarken) nunmehr eine (jedenfalls einbringliche) Forderung gegen die Firma L*** gegenübergestanden sei. Eine Schädigung des S*** sei demnach - unbeschadet des Handelns des Angeklagten mit Bereicherungsvorsatz - nicht eingetreten, zumal diese Forderung dann zu einem Zeitpunkt befriedigt worden sei, welcher die üblichen Zahlungstermeine nicht beträchtlich überschritten habe. Ein Schadenseintritt könne nur bei der Firma L*** angenommen werden, doch habe Herta W*** durch sofortige Anweisung, den Betrag von ihrem Privatkonto abzubuchen, den Schaden persönlich übernommen, und der Angeklagte habe durch das (angenommene) Angebot ihr gegenüber, sich an seinem in ihrem Gewahrsam befindlichen Sparbuch zu regressieren, vor der Anzeigeerstattung und bei der ersten sich bietenden Gelegenheit durch vertragliche Verpflichtung zum Schadenersatz im Sinn des § 167 Abs 2 Z 2 StGB wirksam tätige Reue geübt; daß die Mutter den Schadensbetrag erst nach Anzeigeerstattung durch den Stiefvater vom Sparbuch abgehoben habe, könne dem Angeklagten nicht angelastet werden. Im übrigen komme auch die Annahme einer wirksamen tätigen Reue gemäß dem § 167 Abs 4 StGB in Betracht, weil Herta W*** als "Dritte" im Sinn der genannten Gesetzesstelle den Schaden jedenfalls konkludent - was genüge - im Namen des Angeklagten gutgemacht habe, wobei ihm selbst das vom Gesetz geforderte ernstliche Bemühen um die Schadensgutmachung nicht abgesprochen werden könne.

Demgemäß gelangte das Erstgericht zum eingangs erwähnten Freispruch.

Rechtliche Beurteilung

Dieses Urteil bekämpft die Staatsanwaltschaft mit einer auf die Z 5 und 9 lit a und b des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Sie bemängelt hiebei im wesentlichen, daß das Erstgericht keine Feststellungen zur subjektiven Tatseite - insbesondere nicht über den Bereicherungsvorsatz des Angeklagten - getroffen habe. An einem Begründungsmangel im Sinn des Nichtigkeitsgrundes der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO leide die Feststellung des Erstgerichtes über das Ausmaß der Verzögerung in der Befriedigung des Gläubigers Friedrich S*** durch die Firma L***, zumal dem Urteil nur zu

entnehmen sei, daß Tatzeit der "Spätherbst 1984" war, und Friedrich S*** am 26.November 1984 vorsprach, um seine Forderung bei der Firma L*** zu urgieren. Der Jugendschöffensenat habe in diesem Zusammenhang Verfahrensergebnisse übergangen, die für eine die üblichen Zahlungstermine überschreitende Verzögerung sprächen (Aussage des Zeugen Friedrich S*** in der Hauptverhandlung vom 8. August 1985, sowie vor der Gendarmerie am 8.März 1985; Angaben der Herta W*** vor der Gendarmerie am 8.März 1985), worin die beschwerdeführende Staatsanwaltschaft eine "Aktenwidrigkeit" erblickt. Das Erstgericht hätte - den weiteren Beschwerdeausführungen folgend - bei richtiger rechtlicher Beurteilung zum Ergebnis des Eintrittes eines Vermögensschadens bei Friedrich S*** gelangen müssen. Im übrigen liege der Strafaufhebungsgrund der tätigen Reue nach dem § 167 Abs 4 StGB nicht vor, weil hier - in Beziehung auf den Täter - nur von einem bloßen Untätigbleiben (oder Nichthindern) der durch einen Dritten stattfindenden Schadensgutmachung gesprochen werden könne, welcher Umstand zur Annahme strafbefreiender tätiger Reue nicht genüge. Im Hinblick darauf, daß das Erstgericht die gegenteilige Rechtsmeinung vertrete, sei das bekämpfte Urteil auch mit dem materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrund der Z 9 lit b des § 281 Abs 1 StPO behaftet. Zufolge der vorliegenden Begründungs- und Feststellungsmängel bedürfe es einer Aufhebung des erstgerichtlichen Urteiles und der Zurückverweisung der Sache an das Erstgericht zu neuer Verhandlung und Entscheidung.

Der Beschwerde kommt jedoch keine Berechtigung zu.

Auszugehen ist bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise jedenfalls davon, daß Herta W*** als Geschäftsführerin der Firma L*** unverzüglich nach der erstmaligen Geltendmachung der Forderung dem - sich stets als Vertragspartner der genannten Firma ansehenden und zu keinem Zeitpunkt geschädigt fühlenden (vgl S 88) - Friedrich S*** einen Scheck der Fa L*** übergab, hiebei nicht im Namen des Angeklagten handelte, sondern den Schaden persönlich (durch Belastung ihres Privatkontos bei der Firma) übernahm und der Angeklagte ihr gegenüber als im Zeitpunkt seines Tätigwerdens alleiniger Schadensträgerin und Verletzter eine allen Voraussetzungen des § 167 Abs 2 StGB entsprechende, den Strafaufhebungsgrund der tätigen Reue verwirklichende Schadensgutmachung leistete, indem er noch am 26.November 1984, also bevor die Behörde von seinem Verschulden erfahren hatte (29.November 1984) und ohne hiezu gezwungen zu sein, sich vertraglich (mündliche Vereinbarung mit seiner Mutter Herta W***) verpflichtete, ihr eine den ganzen Schaden umfassende Gutmachung zu leisten. Dem Erfordernis, daß die vertragliche Verpflichtung zur Schadensgutmachung eine bestimmte Frist ("Binnen einer bestimmten Zeit") enthalten müsse, wurde schon dadurch Rechnung getragen, daß die aus der Verpflichtung des Angeklagten Berechtigte, nämlich seine Mutter, sofort die Verpflichtung selbst realisieren konnte, weil sie das eine Einlage von 70.000 S, also weit mehr als den geschuldeten Betrag, enthaltende Sparbuch des Angeklagten zum Zeitpunkt seiner Verpflichtungserklärung bereits in ihrem Gewahrsam hatte und den Betrag unverzüglich hätte abheben können. Daß sie die Abhebung erst später (nach der Anzeigeerstattung) besorgte, ist rechtlich belanglos, zumal einerseits dieser Umstand nicht mehr der Einflußnahme des Angeklagten unterlag und anderseits die Innehabung des jederzeit realisierbaren Sparbuches, verbunden mit der ausdrücklichen Einwilligung seines Eigentümers, davon 28.910 S abzuheben, allein schon als effektive Abdeckung des Schadens zu betrachten ist.

Schon aus diesen Erwägungen kommt dem Angeklagten jedenfalls der Strafaufhebungsgrund der tätigen Reue nach dem § 167 Abs 2 Z 2 StGB zugute, weshalb der Freispruch zu Recht erging. Einer weiteren Prüfung in Richtung der Voraussetzungen des § 167 Abs 4 StGB bedarf es demnach nicht. Mangels Feststellung eines entsprechenden Tatsachensubstrats (sowohl in objektiver als auch in subjektiver Hinsicht) muß u.a. auch dahingestellt bleiben, ob bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise im Hinblick auf das Verwandtschaftsverhältnis zwischen dem Angeklagten und Herta W*** als Geschädigter, die behauptete, zur Tatzeit alleinige Gesellschafterin der Firma L*** Speditions- und Transport-Ges.m.b.H. & Co KG gewesen zu sein (S 57), allenfalls überhaupt nur ein über Privatanklage verfolgbarer Betrug im Familienkreis (§ 166 StGB) vorlag.

Die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft war demnach zu verwerfen.

Anmerkung

E07428

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0110OS00175.85.0128.000

Dokumentnummer

JJT_19860128_OGH0002_0110OS00175_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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