TE OGH 1986/1/30 6Ob513/86

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Veröffentlicht am 30.01.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch, Dr. Schobel, Dr. Riedler und Dr. Schlosser als Richter in der Pflegschaftssache des minderjährigen Kindes Gudrun P***, geboren am 21. April 1968, Bürolehrling, derzeit in der Mädchenwohngemeinschaft Wien 22., Melangasse 1/86/2-3, wegen gerichtlicher Erziehungshilfe, infolge Rekurses des Vaters Gustav P***, Pensionist, Wien 14., Lützowgasse 18/9, gegen den Beschluß des Jugendgerichtshofes Wien als Rekursgerichtes vom 14. November 1985, GZ 15a R 67/85-14, womit der Rekurs des Vaters gegen den Beschluß des Jugendgerichtshofes Wien vom 27. August 1984, GZ 26 P 120/84-7, zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht stattgegeben.

Text

Begründung:

Gudrun P*** kam am 21. April 1968 als eheliches Kind zur Welt. Im Jahre 1979 starb ihre Mutter. Das Mädchen blieb im Haushalt des Vaters. Am 14. Mai 1984 suchte es das Bezirksjugendamt auf und erklärte dort seine Weigerung, nach Hause zu gehen. Das Jugendamt überstellte die Minderjährige in ein Lehrmädchenheim und beantragte die Anordnung der gerichtlichen Erziehungshilfe in der Form der gewählten Heimunterbringung.

Der Jugendgerichtshof Wien ordnete mit erstinstanzlichem Beschluß vom 27. August 1984 die gerichtliche Erziehungshilfe in der Form der Heimunterbringung an; gleichzeitig ermächtigte es das Bezirksjugendamt als Kurator, allenfalls erforderlich werdenden Impfungen und Operationen der Minderjährigen zuzustimmen. Eine Ausfertigung dieser Entscheidung wurde dem Vater am 11. September 1984 nach vergeblichem Zustellversuch an seiner Wohnanschrift durch postamtliche Hinterlegung (im Sinne des § 17 ZustG) zugestellt.

Am 28. Oktober 1985 brachte der Vater einen als Einspruch gegen den Beschluß vom 27. August 1984 bezeichneten Schriftsatz an den Jugendgerichtshof Wien zur Postaufgabe. In seiner Eigenschaft als Erziehungsberechtigter begehrte er die Aufhebung der getroffenen Anordnungen. Er machte geltend, daß sich der psychische und physische Zustand seiner Tochter in den letzten eineinhalb Jahren "fürchterlich" verschlechtert habe. Er bemängelte, daß das Gericht vor seiner Beschlußfassung die damals bereits 16 Jahre alte Minderjährige nicht gehört habe, und behauptete, daß ihm die Beschlußausfertigung ohne Rechtsmittelbelehrung zugestellt worden sei.

Der Jugengerichtshof wies in seiner zweitinstanzlichen Funktion den Rekurs des Vaters als verspätet zurück.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs des Rechtsmittelwerbers gegen diesen rekursgerichtlichen Zurückweisungsbeschluß ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Maßnahmen im Rahmen der gerichtlichen Erziehungshilfe nach § 26 JWG werden ausschließlich im Interesse des Minderjährigen angeordnet, genehmigt, widerrufen oder aufgehoben. Für das Verfahren gelten, von den besonderen Regelungen der ersten vier Absätze des § 34 JWG abgesehen, gemäß § 34 Abs 5 JWG die Vorschriften des Verfahrens außer Streitsachen. Gemäß § 11 Abs 1 AußStrG beträgt die Rekursfrist vierzehn Tage und läuft ab dem Tag, an dem die Zustellung als bewirkt gilt. Das Unterbleiben einer Rechtsmittelbelehrung bleibt für den Beginn und Ablauf der gesetzlichen Rekursfrist ohne Einfluß (EFSlg. 44533 uam). Die dem Rechtsmittelwerber zur Anfechtung der erstinstanzlichen Entscheidung offen gestandene Rekursfrist endete mit dem Ablauf des 25. September 1984. Der erst mehr als dreizehn Monate später zur Postaufgabe gebrachte Rekurs war verspätet.

Die durch § 11 Abs 2 AußStrG eröffnete Möglichkeit, auch verspätete Rekurse sachlich zu behandeln, ist nach dieser Gesetzesstelle ausgeschlossen, wenn sich die angefochtene Verfügung nicht mehr ohne Nachteil eines Dritten, das heißt eines vom Rechtsmittelwerber verschiedenen Verfahrensbeteiligten, abändern läßt.

Das Rekursgericht hat im Sinne der ständigen Rechtsprechung (vgl. zuletzt EFSlg. 42.237) zutreffend erkannt, daß aus einer gerichtlichen Beschlußfassung über Maßnahmen der gerichtlichen Erziehungshilfe nach § 26 JWG das Kind, zu dessen Wohl die Fürsorgemaßnahme ergriffen, genehmigt, abgeändert oder aufgehoben wird, eine Rechtsstellung erwirbt, in die nach Ablauf der Rechtsmittelfrist durch Rechtsmittelentscheidung nicht mehr eingegriffen werden darf.

Eine Anfechtung der vom Erstgericht mit dem Beschluß vom 27. August 1984 getroffenen Fürsorgemaßnahmen - unter Zugrundelegung des damaligen Sachverhaltes und der damaligen Verfahrenslage - ist unstatthaft. Für diese Unanfechtbarkeit ist es belanglos, welche Anfechtungsgründe geltend gemacht werden sollen. Die Zurückweisung des gegen die erstinstanzliche Entscheidung erhobenen Rekurses durch das Rekursgericht erfolgte zurecht.

Das Rekursgericht hat aber ebenso zutreffend darauf hingewiesen, daß damit in keiner Weise eine Abänderung oder Aufhebung der Fürsorgemaßnahme auf Grund der nun gegebenen Sachverhaltslage ausgeschlossen werde. Diesbezüglich kommt die Entscheidungsbefugnis zunächst dem Gericht erster Instanz zu. Dem Vater steht es frei, seine Bedenken gegen die weitere Aufrechterhaltung der gerichtlichen Erziehungshilfe unter Darlegung konkreter Tatumstände, insbesondere zu der von ihm behaupteten Verschlimmerung des psychischen und physischen Zustandes der Minderjährigen, dem Erstgericht zu pflichtgemäßen Beurteilung vorzutragen.

Anmerkung

E07512

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0060OB00513.86.0130.000

Dokumentnummer

JJT_19860130_OGH0002_0060OB00513_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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