TE OGH 1986/2/12 3Ob125/85

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Veröffentlicht am 12.02.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Kinzel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Warta, Dr. Klinger und Mag. Engelmaier als Richter in der Rechtssache der betreibenden Partei D*** K*** V*** reg.Genossenschaft m.b.H.,

9100 Völkermarkt, 2.Maistraße 10, vertreten durch Dr. Reinhard Schubert, Rechtsanwalt in Völkermarkt, und andere beigetretene betreibende Gläubiger, wider die verpflichteten Parteien 1) Gerhard SCHREIBER, Kraftfahrer, 9100 Völkermarkt, Diexerstraße 1, und

2) Tatjana SCHREIBER, Gastwirtin, ebendort, diese vertreten durch Dr. Walter Brunner, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen

S 858.500,--S s.A. und anderer betriebener Forderungen infolge Rekurses der zweitverpflichteten Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes Klagenfurt als Rekursgerichtes vom 10.Oktober 1985, GZ. 2 R 451/85-64, womit der Rekurs der zweitverpflichteten Partei gegen den Beschluß des Bezirksgerichtes Völkermarkt vom 18. Juli 1985, GZ.E 10012/84-43, zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird, soweit er die Zurückweisung des Rekurses ausspricht, aufgehoben und dem Gericht zweiter Instanz eine neuerliche, nach Ergänzung des Verfahrens zu fällende Entscheidung über den Rekurs der Zweitverpflichteten unter Abstandnahme vom bisher gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen. Die Kosten des Rekurses an den Obersten Gerichtshof sind wie weitere Kosten des Rekursverfahrens zweiter Instanz zu behandeln.

Text

Begründung:

Am 18.Juli 1985 wurde die je zur Hälfte im Eigentum der erst- und zweitverpflichteten Partei stehende Liegenschaft EZ 61 KG Mühlgraben öffentlich versteigert.

Nach dem Inhalt des Protokolls über die öffentliche Versteigerung war die Zweitverpflichtete beim Versteigerungstermin anwesend. An Bietern sind im Protokoll nur Dr. Schubert als Vertreter der führenden betreibenden Partei, Josef B*** (der spätere Ersteher), Martha G*** als Vertreterin des Josef G*** und Maria S*** angeführt. Ein Vorfall in der Richtung, daß weitere Interessenten aus irgend einem Grund nicht als Bieter zugelassen wurden und daß die Zweitverpflichtete gegen die Nichtzulassung von Bietern protestiert habe, ist nicht protokolliert, vielmehr enthält das Protokoll den Satz, daß gegen die Erteilung des Zuschlages an den Meistbietenden Josef B*** kein Widerspruch erhoben werde, worauf diesem die versteigerte Liegenschaft um das Meistbot von S 900.000,-- zugeschlagen wurde.

Eine Ausfertigung der Zuschlagserteilung erfolgte bisher nicht, weil zuerst die Entscheidung der Grundverkehrskommission gemäß § 4 Abs.2 des Kärntner Grundverkehrsgesetzes einzuholen war. Mittlerweile ist der Zuschlag grundverkehrsbehördlich genehmigt worden (ON 66 und 68).

Am 23.Juli 1985 stellte die Zweitverpflichtete den Antrag, ihr zwecks Erhebung eines Widerspruchs gegen die Erteilung des Zuschlags die Verfahrenshilfe, insbesondere auch durch Beigebung eines Rechtsanwaltes zu bewilligen. Dieser Antrag wurde mit Beschluß vom 23. Juli 1985 bewilligt. Nach mehreren Umbestellungen wurde schließlich Rechtsanwalt Dr. Walter Brunner als Verfahrenshelfer bestellt (Beschluß der Rechtsanwaltskammer für Kärnten vom 2. September 1985), dem am 13.September 1985 Akteneinsicht gewährt wurde, worauf er für die Zweitverpflichtete am 16.September 1985 ein als "Widerspruch/Rekurs" bezeichnetes Rechtsmittel gegen die in der öffentlichen Versteigerung am 18.Juli 1985 beschlossene Erteilung des Zuschlages an Josef B*** zur Post gab.

In diesem Rechtsmittel wird geltend gemacht, daß entgegen dem Inhalt des Protokolls über die öffentliche Versteigerung auch noch die Bieter N.N*** und N.DUBRONIG erschienen seien; obwohl sich auch diese Bieter durch einen Führerschein ausgewiesen hätten und keine Ausschließungsgründe vorgelegen hätten, seien diese beiden Bieter mit Unrecht zurückgewiesen worden. Gegen das diesbezüglich unvollständige Protokoll werde Widerspruch erhoben. Die Zweitverpflichtete habe schon in der Tagsatzung "gegen die Nichtzulassung dieser Bieter protestiert". Der Rechtsmittelantrag lautet: Die beschlossene Erteilung des Zuschlages "in Stattgebung dieser Anfechtung" aufzuheben und einen neuerlichen Versteigerungstermin anzuordnen.

Das Gericht zweiter Instanz wies dieses Rechtsmittel, das im Spruch nur als Rekurs bezeichnet wird, mit folgender Begründung zurück:

Soweit das Rechtsmittel einen Widerspruch gegen den Zuschlag darstelle, sei darauf hinzuweisen, daß ein Widerspruch nur beim Versteigerungstermin selbst erhoben werden könne. Zu einer Rekurserhebung wegen des Widerspruchsgrundes nach § 184 Abs.1 Z.5 EO sei aber die Verpflichtete gemäß § 187 Abs.1 EO nicht befugt, weil sie beim Versteigerungstermin einen Widerspruch unterlassen habe, was sich unwiderlegt aus dem über den Versteigerungsvorgang vom Erstgericht aufgenommenen Vollschriftprotokoll ergebe. Der Verfahrenshelfer, welcher gleichzeitig mit der Erhebung des Rechtsmittels auch einen Antrag auf Erlöschen der Verfahrenshilfe wegen Aussichtslosigkeit des Rechtsstandpunktes der Zweitverpflichteten gestellt hatte, über den noch nicht entschieden wurde, bestätige den Inhalt des Protokolls. Als Protokollberichtigungsantrag könne das Rechtsmittel nicht aufgefaßt werden, zumal auch kein diesbezüglicher Antrag enthalten sei und ein solcher Antrag auch verspätet wäre.

Gegen diesen Zurückweisungsbeschluß erhebt die Zweitverpflichtete Rekurs mit dem Antrag, ihn dahin abzuändern, daß dem Rekurs der Zweitverpflichteten an die zweite Instanz stattgegeben werde oder ihn aufzuheben.

Rechtliche Beurteilung

Dem Rekurs kommt Berechtigung zu.

Zutreffend geht das Gericht zweiter Instanz davon aus, daß gemäß §§ 78 EO, 212 Abs.1 ZPO ein Berichtigungsantrag der Partei hinsichtlich eines in Vollschrift aufgenommenen Tagsatzungsprotokolls sofort gestellt werden muß (EvBl. 1956/10, Arb. 10.115). Das ändert aber nichts daran, daß ein Protokoll vom Gericht selbst gemäß §§ 78 EO, 212 Abs.5 ZPO bei Vorliegen einer offenbaren Unrichtigkeit auch nachträglich jederzeit berichtigt werden kann (Fasching II 1004). Und trotz der Vorschrift des § 215 Abs.1 ZPO ist gemäß § 292 Abs.2 ZPO auch bei Unterlassung eines Widerspruches gegen ein Protokoll der Gegenbeweis gegen die Richtigkeit des Protokolles möglich (SZ 53/94). Die Beweislast dafür trifft allerdings die Zweitverpflichtete (Fasching II, 998). Dies bedeutet, daß das Gericht zweiter Instanz nicht einfach ohne jede Prüfung davon ausgehen durfte, daß der Inhalt des Protokolls über die Versteigerung vom 18.Juli 1985 richtig sei. Die für einen Widerspruch angeführten Gründe sind gemäß § 184 Abs.2 EO vom Amts wegen festzustellen. Und auch das Vorliegen der Rechtsmittelbefugnis nach § 187 Abs.1 EO, nämlich, ob die Rekurswerberin überhaupt wegen der behaupteten Mängel im Versteigerungstermin erfolglos Widerspruch erhoben hat, ist von Amts wegen festzustellen.

In diesem Zusammenhang ist zwischen dem vor Schluß der Versteigerung stattfindenden Verfahrensstadium des § 180 EO (Klärung der Frage, wer zum Bieten zugelassen wird) und dem nach Schluß der Versteigeurng stattfindenden Verfahrensstadium des § 182 EO (Belehrung über Widerspruchsmöglichkeiten und allfällige Erhebung eines Widerspruches gegen die Erteilung des Zuschlages zu unterscheiden. Nur ein in diesem zweitgenannten Versfahrensstadium erfolglos erhobener Widerspruch ist in § 187 Abs.1 EO gemeint. Der an die zweite Instanz gerichtete Rekurs der Zweitverpflichteten ist nun in dieser Hinsicht sicherlich nicht besonders klar und deutlich. Die Behauptung, es sei gegen die Nichtzulassung von Bietern protestiert worden, kann auf den ersten Blick auch so verstanden werden, als beträfe sie nur Aktionen der Zweitverpflichteten vor Schluß der Versteigerung. Da die Zweitverpflichtete aber in ihrem Rechtsmittel nicht präzisierte, zu welchem Zeitpunkt sie gegen die Nichtzulassung von Bietern protestiert habe, kann dieser "Protest" doch auch im Verfahrensstadium des § 182 EO erhoben worden sein und müßte dann als Widerspruch im Sinne des § 187 Abs.1 EO aufgefaßt werden. Der Beschluß des Gerichtes zweiter Instanz war daher aufzuheben und diesem eine Ergänzung des Verfahrens durch Veranlassung geeigneter Erhebungen im Sinne der §§ 78 EO, 526 Abs.1 Satz 2 ZPO aufzutragen. Durch Vernehmung aller beim Versteigerungstermin anwesender Personen wird festzustellen sein, ob wirklich die von der Zweitverpflichteten erwähnten zwei Bieter nicht zugelassen wurden und in welcher Form und zu welchem Zeitpunkt des Versteigerungstermines die Zweitverpflichtete gegen eine allfällige Nichtzulassung von Bietern bzw. in weiterer Folge gegen die Erteilung des Zuschlages "protestierte" und wie dieser Protest vom Exektuionsgericht behandelt wurde.

Nur wenn der Protest der Zweitverpflichteten im Sinne der obigen Ausführungen dem Verfahrensabschnitt nach § 182 EO zugeordnet werden müßte, läge eine erfolglose Erhebung eines Widerspruches nach § 184 Abs.1 Z.5 EO vor. Sollte dies der Fall sein, müßte über den Rekurs der Zweitverpflichteten unter Abstandnahme vom bisher gebrauchten Zurückweisungsgrund entschieden werden. Wenn sich hingegen die Behauptungen der Zweitverpflichteten im Rekurs als unrichtig herausstellen sollten oder wenn sich der Protest der Zweitverpflichteten nicht dem mehrfach erwähnten Verfahrensstadium nach § 182 EO zuordnen ließe, müßte es wieder zur Zurückweisung des Rekurses gemäß § 187 Abs.1 EO kommen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf §§ 78 EO, 52 Abs.1 ZPO.

Anmerkung

E07472

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0030OB00125.85.0212.000

Dokumentnummer

JJT_19860212_OGH0002_0030OB00125_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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