TE OGH 1986/2/12 9Os195/85

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Veröffentlicht am 12.02.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 12.Februar 1986 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes HONProf. Dr. Steininger, Dr. Horak, Dr. Lachner und Dr. Massauer als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Hausmann als Schriftführerin in der Strafsache gegen Reinhold B*** wegen des Verbrechens des Beischlafes mit Unmündigen nach § 206 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB sowie anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Landesgericht Salzburg vom 12. September 1985, GZ 15 Vr 2868/84-50, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Rzeszut, und des Verteidigers Dr. Zimmeter jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem auf dem (einstimmigen) Wahrspruch der Geschwornen beruhenden angefochtenen Urteil wurde der am 15.November 1941 geborene Reinhold B*** (außer anderen strafbaren Handlungen) des Verbrechens des Beischlafs mit Unmündigen nach § 206 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB (Punkt 2 des Urteilssatzes) schuldig erkannt.

Darnach hat er in der Zeit von März bis Anfang September 1984 in ca. 10 bis 15 Angriffen mit der am 1.Jänner 1971 geborenen unmündigen Sonja R*** den außerehelichen Beischlaf unternommen, wobei die Tat deren Schwangerschaft zur Folge hatte.

Rechtliche Beurteilung

Der Sache nach nur den bezeichneten Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Z 6 des § 345 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der keine Berechtigung zukommt. Als Mangel der Fragestellung rügt er, daß den Geschwornen - obwohl er mit dem Hinweis darauf, daß seine zweite Ehe während des zehnjährigen Bestandes trotz dem Wunsch nach einem Kind und dem Umstand, daß seine Ehegattin in ihrer Vorehe fünf Kinder geboren habe, kinderlos geblieben sei, stets Zweifel an seiner Vaterschaft zum Ausdruck gebracht habe und auch nach dem Gutachten des Sachverständigen Dr. S*** vorliegend (biostatistisch) von einhundert Nichtvätern sechs als solche nicht erkannt werden könnten, demnach seine Vaterschaft nicht mit 100 %iger Sicherheit erwiesen sei - keine "Eventualfrage" in Richtung des (nicht qualifizierten) Verbrechens des Beischlafs mit Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB vorgelegt wurde.

Abgesehen davon, daß strafsatzändernde Erschwerungs- oder Milderungsumstände gemäß § 316 StPO nur Gegenstand einer Zusatzfrage nicht aber einer (Deliktsalternativen zur Hauptfrage vorbehaltenen) Eventualfrage (als Schuldfrage) sein können, ist es gemäß § 317 Abs 2 StPO der Beurteilung des Schwurgerichtshofes anheimgestellt, ob ein strafsatzändernder Umstand in die Hauptfrage aufzunehmen ("komplexe" Fragestellung) oder zum Gegenstand einer besonderen (Zusatz-) Frage zu machen ist. Auch § 316 StPO schreibt nicht zwingend vor, daß nach einem die Änderung des Strafsatzes begründenden Erschwerungs- (oder Milderungs-) Umstand eine selbständige (Zusatz-) Frage an die Geschwornen zu richten ist. Demzufolge ist es nicht nur zulässig, sondern mitunter sogar zweckmäßig, strafsatzändernde Umstände in die Hauptfrage aufzunehmen (vgl. 9 Os 172/85; Mayerhofer/Rieder StPO 2 ENr. 9 zu § 316). Der Nichtannahme des hier aktuellen strafsatzerhöhenden Umstandes (Schwängerung des unmündigen Tatopfers durch den Angeklagten) hätten die Geschwornen bei Beantwortung der Hauptfrage II durch einen einschränkenden Beisatz im Sinn des § 330 Abs 2 StPO Rechnung tragen können. Darauf waren sie nicht nur in der (im Beratungszimmer angeschlagenen) allgemeinen Rechtsbelehrung sowie im Vordruck für die an sie gerichteten Fragen, sondern auch in der besonderen Rechtsbelehrung (vgl. deren Seite 1) ausdrücklich hingewiesen worden. Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Geschwornengericht verurteilte den Angeklagten wegen des Verbrechens des Beischlafs mit Ummündigen nach § 206 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB (Punkt 2 des Urteilssatzes) sowie der ihm (aufgrund des insoweit unbekämpft gebliebenen Schuldspruchs) weiters zur Last liegenden strafbaren Handlungen, nämlich der Verbrechen der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB (Punkt 6) und der teils vollendeten, teils versuchten Nötigung zum Beischlaf nach § 202 Abs 1, 15 StGB (Punkt 4), des Vergehens der Nötigung zur Unzucht nach § 204 Abs 1 StGB (Punkt 3), des Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 erster Fall StGB (Punkt 1) und des Vergehens des Mißbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 erster Fall StGB (Punkt 5) nach §§ 28, 206 "Abs 1" (gemeint: Abs 2) erster Strafsatz StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von fünf Jahren.

Bei der Strafbemessung wertete es das Zusammentreffen von vier Verbrechen mit zwei Vergehen und die Tatwiederholung durch einen längeren Zeitraum als erschwerend, während es das "überwiegende" Geständnis (ausgenommen die Tathandlungen zu den Schuldsprüchen laut Punkt 1 und 6 des Urteilssatzes sowie die Schwangerschaftsfolge beim Verbrechen des Beischlafs mit Unmündigen), die intellektuelle Minderbegabung, den bisher ordentlichen Lebenswandel und den Umstand, daß es teilweise (in drei Fällen der Nötigung zum Beischlaf) beim Versuch blieb, als mildernd berücksichtigte. Mit den Berufungen strebt der Angeklagte eine Herabsetzung der über ihn verhängten Freiheitsstrafe (unter Anwendung der außerordentlichen Strafmilderung gemäß § 41 StGB) an, während die Staatsanwaltschaft deren Erhöhung begehrt.

Beiden Berufungen kommt keine Berechtigung zu.

Die vom Geschwornengericht mit fünf Jahren ausgemessene Freiheitsstrafe entspricht der gesetzlichen Strafuntergrenze des ersten Strafsatzes des § 206 Abs 2 StGB Ausgehend von der Vielzahl der dem Angeklagten zur Last liegenden Straftaten und deren wiederholter Begehung während eines längeren Zeitraumes, ergeben sich keine Aspekte für die Annahme eines jener atypisch leichten Fälle (vgl. Leukauf-Steininger Kommentar 2 § 41 RN 4), in denen (ua) die Milderungsgründe die Erschwerungsumstände beträchtlich überwiegen, sodaß für eine außerordentliche Strafmilderung schon deshalb kein Raum ist. Hinzu kommt, daß dem Angeklagten der besondere Milderungsgrund des bisher ordentlichen Lebenswandels im Hinblick auf seine im Jahr 1981 (wegen des Vergehens des Diebstahls nach §§ 127 Abs 1 und Abs 2 Z 3 StGB) erfolgte Verurteilung zu Unrecht zugebilligt wurde; nicht einschlägige Vorstrafen bilden zwar keinen Erschwerungsgrund nach § 33 Z 2 StGB, sie bringen jedoch den im § 34 Z 2 StGB angeführten mildernden Umstand zum Wegfall. Die Ausführungen der Staatsanwaltschaft hinwieder erschöpfen sich in einer Wiedergabe jener Begleitumstände, die zum einen ohnedies Tatbestandsmerkmal sind und zum anderen vom Erstgericht einer eingehenden Würdigung unterzogen wurden (vgl. S 299 f.). Unbeachtet gebliebene, zu Ungunsten des Angeklagten sprechende Umstände von solchem Gewicht, daß sie eine Änderung des Strafmaßes nach oben rechtfertigen könnten, vermag sohin nach Auffassung des Obersten Gerichtshofes auch die Anklagebehörde nicht aufzuzeigen. Nach dem Gewicht der demnach vorliegenden Strafzumessungsgründe wurde die Dauer der vom Geschwornengericht über den Angeklagten verhängten Freiheitsstrafe nach seiner tat- und persönlichkeitsbezogenen Schuld (§ 32 StGB) nicht zu gering, aber auch keineswegs zu hoch ausgemessen.

Den Berufungen mußte daher gleichfalls ein Erfolg versagt bleiben.

Anmerkung

E07556

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0090OS00195.85.0212.000

Dokumentnummer

JJT_19860212_OGH0002_0090OS00195_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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