TE OGH 1986/2/13 6Ob700/84

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Veröffentlicht am 13.02.1986
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Resch, Dr. Schobel, Dr. Riedler und Dr. Schlosser als Richter in der Rechtssache der antragstellenden Parteien Hilde S*****, und DI Jörg S*****, beide vertreten durch Dr. Tilman Luchner, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Bewilligung der Annahme an Kindesstatt infolge Revisionsrekurses der antragstellenden Parteien gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 31. August 1984, GZ 2 b R 162/84-6, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Innsbruck vom 9. August 1984, GZ 3 Nc 102/84-3, bestätigt wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben. Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und die Rechtssache an das Rekursgericht zur neuerlichen Entscheidung zurückverwiesen.

Text

Begründung:

Mit dem beim Erstgericht eingebrachten Antrag begehrten die Antragsteller die Bewilligung des am 30. 3. 1984 zwischen Hilde S*****, geborene M*****, und DI Jörg S*****, abgeschlossenen Adoptionsvertrags mit folgendem Inhalt: „Vorausgeschickt wird, dass Frau Hilde S***** seit 3. 3. 1983 verwitwet und ohne leibliche Nachkommen ist. Weiters wird vorausgeschickt, dass Herr DI Jörg S***** der Neffe der Frau Hilde S*****, nämlich Sohn der Frau Emilia S*****, geborene M*****, eine Schwester der Frau Hilde S*****, ist. Schließlich erklärt Frau Hilde S*****, dass sie ihren Neffen DI Jörg S***** als ihren Erben vorgesehen hat und für ihre Nichten Legate auszusetzen beabsichtigt. Herr DI Jörg S***** ist verheiratet und hat selbst Kinder. Sein Vater ist verstorben. Dies vorausgeschickt, nimmt Frau Hilde S*****, geborene M*****, ihren Neffen, Herrn DI Jörg S*****, hiemit an Kindesstatt iSd §§ 179 a ff ABGB an, während Herr DI  Jörg S***** zu dieser Adoption sein Einverständnis erteilt. Es wird festgehalten, dass das Vermögen der Frau Hilde S***** per 31. 12. 1983 vom Steuerberater mit 3.837.000 S, errechnet wurde. Es wird festgestellt, dass sich der Familienname des Herrn DI Jörg S***** gemäß § 183 Abs 1 ABGB nicht ändert, da seine Gattin einer Änderung nicht zustimmt ...“. Diesem Adoptionsvertrag stimmten Emilia S*****, geborene M***** als leibliche Mutter des DI Jörg S***** nach § 181a ABGB und Sivvy S*****, geborene F*****, als Ehegattin des DI Jörg S***** gemäß § 181 Abs 1 ABGB zu, wobei die Ehegattin jedoch mit einer Änderung des gemeinsamen Familiennamens nicht einverstanden ist. Als Anliegen der Annehmenden und des Anzunehmenden gaben die Antragsteller an, dass einerseits eine bessere Absicherung des Unterhalts für die kinderlose und verwitwete Wahlmutter, andererseits eine beträchtliche Erbschaftssteuerersparnis im Falle ihres Ablebens erreicht werden solle. Das Erstgericht wies den Antrag auf Bewilligung des vorgelegten Adoptionsvertrags im Wesentlichen mit der Begründung ab, ein gerechtfertigtes Anliegen der Annehmenden oder des Anzunehmenden iSd § 180a Abs 1 ABGB liege nicht vor. Das im Adoptionsvertrag bezifferte Vermögen der Wahlmutter sei vollkommen ausreichend, ihre Versorgung auch für einen längeren Zeitraum zu sichern. Die Spekulation mit einer allfälligen Erbschaftssteuerersparnis könne ebenfalls nicht als gerechtfertigtes Anliegen betrachtet werden. Es handle sich dabei um wirtschaftliche Belange, die gemäß § 180a Abs 2 ABGB nicht beachtlich seien.

Der dagegen erhobene Rekurs der Antragsteller blieb erfolglos. Das Rekursgericht führte aus:

Nach ihren eigenen – durch Vorlage einer Fotokopie aus dem Reisepass bescheinigten – Angaben sei die Antragstellerin Hilde S*****, geborene M*****, italienische Staatsangehörige. Beide Antragsteller hätten ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Innsbruck. In diesem Zusammenhang habe das Erstgericht zwar zutreffend die inländische Gerichtsbarkeit und die örtliche Zuständigkeit des Bezirksgerichts Innsbruck bejaht (§§ 113a, 113b JN), sich mit der Frage des anzuwendenden Rechts jedoch nicht auseinandergesetzt. Gemäß § 26 IPR-Gesetz seien die Voraussetzungen der Annahme an Kindesstatt, der Beendigung der Wahlkindschaft und die Wirkungen der Annahme an Kindesstatt nach dem Personalstatut jedes Annehmenden zu beurteilen. Sei nach dem Personalstatut des Kindes die Zustimmung des Kindes oder eines Dritten, zu dem das Kind in einem familienrechtlichen Verhältnis stehe, erforderlich, so sei insoweit auch dieses Recht maßgebend. Das Personalstatut einer natürlichen Person sei gemäß § 9 IPR-Gesetz das Recht des Staates, dem die Person angehöre. Aufgrund der italienischen Staatsangehörigkeit der Wahlmutter seien die Voraussetzungen der Annahme an Kindesstatt daher nach italienischem Recht zu beurteilen. Eine Genehmigung des vorgelegten Adoptionsvertrags nach den Bestimmungen der §§ 180a ff ABGB könne schon aus diesen Gründen nicht erfolgen. Die Adoption sei im italienischen Recht im VIII. Titel des Codice Civile (Art 291 bis 314) geregelt. Gemäß Art 299 CC erhalte der Adoptierte den Zunamen des Adoptierenden und füge ihm seinen eigenen Namen hinzu. Die Weiterführung des bisherigen Familiennamens des verheirateten Adoptivkindes iSd § 183 Abs 1 ABGB sei dem italienischen Adoptionsrecht fremd. Gemäß Art 311 CC müssten die Einwilligung des Adoptierenden und des Adoptivkindes persönlich vor Gericht erklärt werden, in dessen Bezirk der Adoptierende seinen gewöhnlichen Aufenthalt habe. Das Erstgericht habe daher
– wenn auch aus anderen Erwägungen – im Ergebnis zu Recht dem Adoptionsvertrag vom 30. 3. 1984 die Bewilligung versagt.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen den rekursgerichtlichen Beschluss erhobene Rekurs ist zulässig und berechtigt.

Da eine bestätigende Entscheidung des Rekursgerichts vorliegt, kann sie nur aus den Gründen des § 16 Abs 1 AußStrG nämlich wegen offenbarer Gesetz oder Aktenwidrigkeit oder einer begangenen Nullität angefochten werden.

Die Rechtsmittelwerber machen von diesen Anfechtungsgründen jenen der offenbaren Gesetzwidrigkeit geltend. Dabei bekämpfen sie nicht, dass die Voraussetzungen der Annahme an Kindesstatt gemäß § 26 IPR Gesetz nach italienischem Recht als dem nach dem Personalstatut der Annehmenden heranzuziehenden Recht zu beurteilen sind. Sie bezeichnen aber zu Recht die Auffassung des Rekursgerichts, wonach für die Namensfrage des Angenommenen und für die Einwilligungserklärung der Annehmenden und des Anzunehmenden italienisches Recht anzuwenden sei, als offenbar gesetzwidrig.

Was zunächst die Frage der Einwilligungserklärung anlangt, hat das Rekursgericht die Vorschrift des § 8 IPR Gesetz unbeachtet gelassen, wonach (zwar) die Form einer Rechtshandlung nach demselben Recht zu beurteilen ist wie die Rechtshandlung selbst, wonach aber auch die Einhaltung der Formvorschriften des Staates, in dem die Rechtshandlung vorgenommen wird, genügt. Die vom Rekursgericht zur Abweisung des Antrags herangezogene Bestimmung des Art 311 CC, wonach die Einigung des Annehmenden und des Anzunehmenden oder seines gesetzlichen Vertreters persönlich vor dem Präsidenten des Gerichts, in dessen Bezirk der Annehmende seinen Aufenthalt hat, zu erklären ist, stellt eine Formvorschrift dar, weil sie den typischen Formzwecken, insbesondere der Beweissicherung und dem Schutz vor unüberlegten Geschäften (vgl Koziol-Welser, Grundriss des bürgerlichen Rechts7 I. 137), Schwimann, Grundriss des internationalen Privatrechts, 96) dient und keinen Entscheidungscharakter hat (vgl Schwimann aaO 96 und 233). Letzteres ergibt sich schon daraus, dass die Erklärung der Einigung gemäß Art 311 CC vor dem Präsidenten des Gerichts abzugeben ist, Während gemäß Art 312 CC das Gericht über die Stattgebung oder Nichtstattgebung der Annahme an Kindesstatt zu entscheiden hat. Die italienische Formvorschrift ist daher gemäß § 8 IPR Gesetz nicht maßgebend, wenn der dem Antrag zugrundeliegende Vertrag über die Annahme an Kindesstatt den österreichischen Formvorschriften genügt, weil unter den beiden Anknüpfungsmöglichkeiten des § 8 IPR Gesetz keine Rangordnung besteht, sondern die lex loci aktus und die lex causae gleichberechtigt nebeneinander stehen (Ducheck-Schwind, Internationales Privatrecht, Anm 4 zu § 8 IPR Gesetz; Schwimann aaO 96). Da der ebenfalls eine Formvorschrift darstellenden Bestimmung des § 179a ABGB, wonach ein schriftlicher Vertrag vorliegen muss, Genüge getan ist, schadet es nicht, dass der italienischen Formvorschrift nicht Genüge getan wurde. Es braucht daher zur Frage, ob und in welcher Form der Vorschrift des Art 311 CC mit Rücksicht darauf, dass die Annehmende in Österreich ihren Aufenthaltsort hat, zu entsprechen wäre, nicht Stellung genommen werden. Hier ist anzumerken, dass hinsichtlich der Zustimmungsberechtigten gemäß § 26 Abs 1 IPR Gesetz nicht nur das italienische Recht (erster Satz der genannten Bestimmung), sondern gemäß Satz zwei dieser Bestimmung auch das österreichische Recht als jenes des Personalstatuts des Anzunehmenden maßgebend ist. Daher sind sowohl die Vorschriften des Art 297 CC als auch jene des § 181 ABGB zu beachten. Während nach italienischem Recht unter anderem die Eltern und der Ehegatte des Anzunehmenden zustimmungsberechtigt sind, sind nach österreichischem Recht bei einem volljährigen Wahlkind – wie hier – die Eltern desselben nur anhörungsberechtigt, der Ehegatte desselben aber zustimmungsberechtigt. Bezüglich der Form der Erklärungen des im Art 297 CC genannten zustimmungsberechtigten Ehegatten und der Eltern des Anzunehmenden bewirkt § 8 IPR Gesetz, dass die im Anschluss an den Adoptionsvertrag von der Mutter und der Gattin des Anzunehmenden abgegebenen Erklärungen genügen, weil das österreichische Recht, das zwar ein Einwilligungsrecht (Zustimmungs- bzw Anhörungsrecht) dieser Personen kennt (§§ 181 Abs 1 Z 3 und 181 a Abs 1 Z 3 ABGB) hiefür keine bestimmte Form vorschreibt, weshalb die Form der Erklärungen dieser Personen jedenfalls ausreicht (vgl Schwimann aaO 97).

Eine offenbare Gesetzwidrigkeit liegt auch insoweit vor, als die Namensregelung für den Anzunehmenden vom Rekursgericht nach italienischem Recht beurteilt wurde. § 13 Abs 1 IPR Gesetz bestimmt nämlich, dass die Führung des namens einer Person nach dem jeweiligen Personalstatut zu beurteilen ist, auf welchem Grund auch immer der Namenserwerb beruht. Es sind daher die Namensfolgen der Adoption nicht nach § 26 Abs 2 IPR Gesetz, sondern getrennt davon nach § 13 Abs 1 IPR Gesetz zu beurteilen (Schwimann aaO, 76 f, 237; Duchek-Schwind aaO, S 42 und 69). Das ist im vorliegenden Fall das österreichische Recht, da der Anzunehmende österreichischer Staatsbürger ist. Dem somit anzuwendenden § 183 Abs 1 ABGB entspricht aber die im Adoptionsvertrag gewählte Namensregelung.

Die vom Berufungsgericht gebrauchten Abweisungsgründe waren somit offenbar gesetzwidrig im Sinne des § 16 Abs 1 AußStrG.

Diese Erwägungen ermöglichen aber noch keine abschließende Entscheidung in der Sache selbst. Der Oberste Gerichtshof darf nämlich nicht die Entscheidung über Fragen an sich ziehen, die er unter Umständen nur unter den eingeschränkten Überprüfungsvoraussetzungen des § 16 Abs 1 AußStrG zu erledigen hätte, weil sonst der gesetzliche Instanzenzug verändert würde. eine solche Frage stellt es aber dar, ob die von den Antragstellern mit der beabsichtigten Annahme an Kindesstatt verfolgten Zwecke die Bewilligung der Annahme an Kindesstatt rechtfertigen. Da das Rekursgericht sich mit dieser Frage überhaupt noch nicht befasst hat, musste seine Entscheidung aufgehoben und ihm eine neuerliche Entscheidung aufgetragen werden.

Textnummer

E115687

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0060OB00700.840.0213.000

Im RIS seit

26.09.2016

Zuletzt aktualisiert am

26.09.2016
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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