TE OGH 1986/2/19 1Ob687/85

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Veröffentlicht am 19.02.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Gamerith, Dr. Hofmann und Dr. Schlosser als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei ABV Allgemeine Baumaschinen-Verleihgesellschaft mbH, Wien 5., Hamburgerstraße 8, vertreten durch Dr. Ernst Schnatke, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Dr. Hans L***, Rechtsanwalt, Wien 1., Wollzeile 36, wegen S 71.780,-- samt Anhang infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 27.Juni 1985, GZ 14 R 9/85-8, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 12.September 1984, GZ 22 Cg 13/84-4, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben. Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 6857,50 bestimmten Kosten der Rechtsmittelverfahren) darin enthalten S 532,50 Umsatzsteuer und S 1000 Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Firma Otto K*** Gesellschaft mbH (im folgenden Gemeinschuldnerin genannt) schuldete der klagenden Partei auf Grund des vollstreckbaren Versäumungsurteiles des Handelsgerichtes Wien vom 10.12.1979, 21 Cg 1331/79, den Betrag von S 294.915,49 samt Anhang. Zur Hereinbringung dieser Forderung wurde der klagenden Partei gegen die Gemeinschuldnerin mit Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 24.1.1980 die Pfändung der der Gemeinschuldnerin gegen die Firma S***-D***-P*** AG für Bauleistungen angeblich zustehenden Forderung von S 200.000 mehr oder weniger bewilligt. In der Folge wurde von der Firma S***-D***-P*** AG der Betrag von S 71.780 an die klagende Partei überwiesen.

Mit Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 4.3.1980, S 29/80-1, wurde über das Vermögen der Gemeinschuldnerin der Konkurs eröffnet. Der Beklagte wurde zum Masseverwalter bestellt. Über Antrag des Beklagten vom 20.8.1980 stellte das Exekutionsgericht Wien mit Beschluß vom 29.10.1980 gemäß § 12 Abs.2 KO das die Forderungspfändung betreffende Verwertungsverfahren ein. Über Aufforderung des Beklagten überwies die klagende Partei am 28.11.1980 den vom Drittschuldner erhaltenen Betrag von S 71.780 an die Masse. Der Vertreter der klagenden Partei wies darauf hin, daß das Pfandrecht nicht endgültig erloschen sei, es lebe im Falle einer Aufhebung des Konkurses gemäß § 166 KO wieder auf. Außer dem Betrag von S 71.780 bestand die Masse aus dem von einem Gläubiger erlegten Kostenvorschuß von S 15.000, aus dem Verkaufserlös von Fahrnissen im Betrag von S 10.540, einem Guthaben bei einem Bankinstitut von S 7.577 und einem Zinsertrag von S 3555, insgesamt also aus S 108.452. Mit Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 20.6.1980, ON 19, wurde dem Beklagten gemäß § 125 Abs.3 KO gegen spätere Verrechnung ein Kostenvorschuß von S 12.000 bewilligt. Nach der Zwischenabrechnung des Beklagten vom 19.3.1981 betrugen seine Barauslagen S 5458,99, einen Betrag von S 1726,24 hatte er an einen Aussonderungsberechtigten überweisen müssen. Am 23.6.1982 legte der Beklagte als Masseverwalter Schlußrechnung. Nach seinem Entwurf sollte der vorhandene Saldo von S 89.266,77 wie folgt verteilt werden: S 15.000 Rücküberweisung des für die Konkurseröffnung erlegten Kostenvorschusses an den Einzahler, restliche Kosten des Beklagten bei Anerkennung eines Betrages von S 27.000 für Mühewaltung S 26.002,09, noch anfallende Einschaltungsgebühren S 1793,60; den Restbetrag von S 46.471,08 sollte die Finanzprokuratur gemäß § 11 Ab.2 IESG zur teilweisen Abgeltung der Masseforderungen von Ansprüchen der Dienstnehmer erhalten. Mit Beschluß des Konkursgerichtes vom 20.7.1982 wurden die Ansprüche des Beklagten antragsgemäß festgestellt; mit Beschluß vom 28.10.1982 wurden seine Verwaltungsschlußrechnung und der Verteilungsentwurf gemäß §§ 122, 130 KO genehmigt. Am 1.12.1982 teilte der Beklagte mit, daß er den genehmigten Verteilungsentwurf erfüllt habe. Mit Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 22.2.1983 wurde der Konkurs mangels Deckung der Kosten des Verfahrens gemäß § 166 Abs.2 KO aufgehoben.

Die klagende Partei begehrt den Zuspruch des Betrages von S 71.780 samt Anhang. Der Beklagte habe als Masseverwalter in seinem Verteilungsentwurf ihr infolge der Konkursaufhebung wieder auflebendes Absonderungsrecht nicht berücksichtigt, der Erlös wäre ihr rückzuüberweisen gewesen.

Der Beklagte wendete ein, es sei zwar richtig, daß er anläßlich seines Verteilungsentwurfes den Vorbehalt der klagenden Partei anläßlich der Überweisung des Betrages von S 71.780, daß das Wiederaufleben des Pfandrechtes bei Aufhebung des Konkursverfahrens gemäß § 166 KO zu beachten sein werde, übersehen habe, er sei aber als Masseverwalter nicht verpflichtet gewesen, dafür eine Sondermasse zu bilden. Nach Verteilung des Massevermögens hätte das Handelsgericht Wien den Konkurs nicht mehr gemäß § 166 Abs.2 KO aufheben dürfen. Komme es zu einer Verteilung auch nur von Masseforderungen, sei der durch § 12 KO gegebene Schwebezustand beendet, so daß das Pfandrecht nicht mehr aufleben könne. Die im § 12 KO normierte Möglichkeit des Wiederauflebens eines Pfandrechtes hindere den Masseverwalter nicht, über die gepfändete Sache zu verfügen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die Möglichkeit des Wiederauflebens eines Absonderungsanspruches äußere keine Vorwirkungen derart, daß der Masseverwalter über die gepfändete Sache oder deren Erlös nicht verfügen dürfe. Der Masseverwalter habe die Verteilung nach den Vorschriften der Konkursordnung vorzunehmen. Dadurch gingen die genannten Absonderungsansprüche dem Absonderungsgläubiger verloren, da nach Beginn der Verteilung ein Konkurs nach § 166 KO nicht mehr aufgehoben werden könne. Habe das Konkursgericht dessen ungeachtet den Konkurs gemäß § 166 Abs.2 KO aufgehoben, liege ein Verschulden des Beklagten als Masseverwalters nicht vor. Eine teilweise Befriedigung von Masseforderungen sei als Verteilung anzusehen. Darüber hinaus wäre dem Beklagten auch kein schuldhaftes Verhalten vorzuwerfen, wenn die Aufhebung des Konkurses nach § 166 Abs.2 KO unter der Annahme, die bloß teilweise Befriedigung von Masseforderungen sei keine Verteilung, zu Recht erfolgt wäre, da gemäß §§ 124 ff. KO Massegläubiger ohne Rücksicht auf den Verfahrensstand zu befriedigen seien, sobald ihre Ansprüche feststünden und fällig seien. Dies habe der Beklagte getan, bevor es zur Konkursaufhebung und somit gemäß § 12 Abs.1 KO zum Wiederaufleben des Pfandrechtes der klagenden Partei gekommen wäre. Über Berufung der klagenden Partei änderte das Berufungsgericht die Entscheidung des Erstgerichtes im Sinne der Stattgebung des Klagebegehrens ab. Die Revision erklärte es für zulässig. Gemäß Art.XI § 2 Abs.1 IRÄG seien dessen Vorschriften auf den vorliegenden Fall noch nicht anzuwenden. Soweit nicht Weisungen des Konkursgerichtes vorlägen, habe der Masseverwalter keine hoheitlichen Aufgaben zu erfüllen, er sei kein Organ des Staates. Bei der mit Beschluß des Konkursgerichtes vom 28.10.1982 genehmigten Schlußrechnung und Verteilung handle es sich um keine Verteilung der Masse, die eine Aufhebung des Konkurses im Sinne des § 166 Abs.2 KO unzulässig machen würde. Es müsse daher von der Möglichkeit eines Wiederauflebens der Forderung der klagenden Partei im Sinne des § 12 Abs.1 KO ausgegangen werden. In diesem Fall sei der Zweck der Bestimmung des § 12 KO, die Begünstigung der Konkursgläubiger, um derentwillen allein ein Eingriff in bestehende Absonderungsrechte gerechtfertigt gewesen sei, nicht erreichbar. Hinreichendes Vermögen sei nur dann vorhanden, wenn der Masseverwalter eine Abschlagszahlung an die Konkursgläubiger vornehme oder das Vorhandensein eines derartigen Vermögens in einem Bericht ausdrücklich feststelle. Im vorliegenden Fall seien lediglich die Kosten des Konkursverfahrens, mit der Erhaltung und Verwaltung der Masse verbundene Auslagen und Arbeitnehmerforderungen für die Zeit nach der Konkurseröffnung, die gemäß § 11 Abs.1 IESG auf den Insolvenzausfallsfonds übergegangen seien, somit Forderungen berichtigt worden, bei denen es sich um Masseforderungen im Sinn des § 46 Abs.1 KO gehandelt habe. Mit der Überweisung des in der Masse vorhandenen Betrages von S 46.471,08 an die Finanzprokuratur zur Abgeltung dieser Dienstnehmermasseforderungen sei die Masse erschöpft gewesen. Alle anderen Masseforderungen und die Konkursgläubiger aller drei Klassen seien leer ausgegangen. Bei dieser Sachlage sei einer Aufhebung des Konkurses im Sinn des § 166 Abs.2 KO nichts im Wege gestanden. Mit der Aufhebung des Konkurses gemäß § 166 Abs.2 KO wäre aber auch die Voraussetzung für das Wiederaufleben des Absonderungsrechtes der Klägerin gegeben gewesen. Ein Wiederaufleben von Absonderungsrechten könne allerdings nur unter der Vorausssetzung stattfinden, daß sich die belastete Sache oder ihr Erlös bei Aufhebung des Konkurses noch in der Masse befänden. Haben inzwischen Verteilungen stattgefunden, bei denen solche Absonderungsrechte nicht berücksichtigt worden seien, so seien die Verteilungen dadurch nicht berührt. Die Gläubiger, die etwas vom Erlös erhalten hätten, seien nicht grundlos bereichert und daher nicht zur Herausgabe des Erlöses verpflichtet. Daraus lasse sich jedoch nichts zugunsten des Beklagten ableiten, weil er mit der Aufhebung des Konkurses gemäß § 166 Abs.2 KO und damit auch mit dem Wiederaufleben dieser Forderung zu rechnen gehabt hätte und, wie sein Schreiben an das Konkursgericht vom 19.3.1981 (S.117 des Konkursaktes) zeige, auch tatsächlich gerechnet habe. Er hätte diesen Betrag eben nicht zur Befriedigung von Masseforderungen verwenden dürfen. Die Erwägung des Erstgerichtes, daß im Sinne der §§ 124 ff. KO Massegläubiger ohne Rücksicht auf den Verfahrensstand zu befriedigen seien, sobald ihre Ansprüche feststünden und fällig seien, lasse außer Betracht, daß diese Befriedigung nur aus der eigentlichen Konkursmasse zu erfolgen habe, nicht aber aus einem Vermögen, das im Hinblick auf § 12 KO nur als bedingter Massebestandteil angesehen werden könne. Diese Vorgangsweise sei dem Beklagten als Verschulden anzurechnen, so daß das Zahlungsbegehren der klagenden Partei berechtigt sei.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Beklagten ist berechtigt.

Soweit der Masseverwalter, dem die wirtschaftliche Abwicklung des Konkursverfahrens obliegt, für die Konkursmasse tätig wird, sind jedenfalls dann, wenn er dabei nicht gerichtliche Weisungen befolgte, nicht die Vorschriften des Amtshaftungsgesetzes anzuwenden; der Masseverwalter haftet vielmehr nach § 81 Abs.3 KO nach bürgerlichem Recht allen Beteiligten für Vermögensnachteile, die er ihnen durch pflichtwidrige Führung seines Amtes verursachte (ÖBl.1976, 97; EvBl.1965/420; SZ 36/57; Bartsch-Heil, Grundriß des Insolvenzrechts 4 Rz 267; Loebenstein-Kaniak, AHG 2 50 f.; Welser, Sachverständigenhaftung und Insolvenzverfahren, NZ 1984, 96 f.; aM Vrba-Zechner, Komm. zum Antshaftungsrecht 109 f.)

Beteiligte im Sinn des § 81 Abs.3 KO sind unter anderem Absonderungsberechtigte (Petschek-Reimer-Schiemer, Das österreichische Insolvenzrecht, 171). Gemäß § 81 Abs.1 KO hat der Masseverwalter die durch den Gegenstand seiner Geschäftsführung gebotene Sorgfalt im Sinn des § 1299 ABGB anzuwenden. Der Sorgfaltsmaßstab nach dieser Gesetzesstelle wird an den objektiv bestimmten Fähigkeiten, dem Leistungsstandard seines Berufsstandes, gemessen (JBl.1985, 625; SZ 54/13 mwN; Petschek-Reimer-Schiemer aaO 170; Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht 2 II 182 f). Für den Sachverständigen ist daher der Kunstfehler ein gewöhnliches Versehen (JBl.1985, 625; MietSlg.32.228 ua). Ob der Beklagte als Masseverwalter der klagenden Partei durch eine pflichtwidrige Führung seines Amtes schuldhaft einen Schaden verursachte, ist, da der Konkurs vor dem 31.12.1982 eröffnet wurde, nach den Vorschriften der Konkursordnung vor Inkrafttreten des Insolvenzrechtsänderungsgesetzes 1982 zu beurteilen (Art.XI § 2 Abs.1 IRÄG).

§ 12 Abs.3 KO gilt auch bei Überweisung gepfändeter Geldforderungen. Auch hier hat der Grundsatz Anwendung zu finden, daß jene Gläubiger, die ein richterliches Pfandrecht in den letzten sechzig Tagen vor der Konkurseröffnung erworben haben, rechtlich nicht anders als die übrigen Konkursgläubiger gestellt sein sollen. Der Drittschuldner hat den von der Pfändung und Überweisung betroffenen Betrag nicht an den Gläubiger, sondern an den Masseverwalter zu zahlen (SZ 49/108; Heller-Berger-Stix 126 f. unter Hinweis auf SZ 32/126; Petschek-Reimer-Schiemer aaO 264; Petschek in ZBl.1932, 803 FN 6). Hat der Drittschuldner den Überweisungsgläubiger bereits befriedigt, hat dieser den Betrag als Erlös in die Masse zu zahlen (SZ 32/126); dies ist hier geschehen. Nach herrschender Ansicht erlöschen Absonderungsrechte nach § 12 Abs.1 KO nicht endgültig, sondern nur bedingt. Die Bedingung für das Wiederaufleben tritt ein, wenn der Konkurs gemäß § 166 KO aufgehoben wird (SZ 49/108; SZ 43/94; SZ 33/24; SZ 32/126; Heller-Berger-Stix 126; Wegan, Österreichisches Insolvenzrecht 45 f; Holzhammer, Österreichisches Insolvenzrecht 2 16). Bei einem aufschiebend bedingten Recht besteht bis zum Eintritt der Bedingung eine Anwartschaft auf die künftige Erwerbung des Rechtes (SZ 34/192; SZ 15/247; Rummel, ABGB, Rdz 4 zu § 897; Koziol-Welser 7 I 145). Ein Wiederaufleben des nach § 12 Abs.1 KO erloschenen Rechtes ist erst dann ausgeschlossen, wenn es zu einer Aufhebung des Konkurses nach § 166 Abs.2 KO, etwa nach Vornahme von Abschlagszahlungen an die Konkursgläubiger (SZ 32/126; Bartsch-Pollak, Konkursordnung 3 I 96), nicht mehr kommen kann (EvBl.1971/322; SZ 43/94; SZ 32/126; 3 Ob 48/85; Petschek-Reimer-Schiemer aaO 265 FN 53). Es ist dann das erklärte Ziel des Konkursverfahrens, die Verteilung eines Erlöses aus der Konkursmasse unter die Konkursgläubiger (Bartsch-Heil, Grundriß des Insolvenzrechts 4 Rz 10), das allein den Eingriff in bestehende Absonderungsrechte rechtfertigt (Bartsch-Pollak aaO 96), erreicht.

Anwartschaftsrechte zeigen Vorwirkungen. Gegen ein Anwartschaftsrecht verstößt jedes Verhalten, durch das der Anspruch des bedingt Berechtigten vereitelt oder beeinträchtigt wird (Gschnitzer in Klang 2 IV/1, 321; Larenz, Allgemeiner Teil des deutschen bürgerlichen Rechts 6 493; 1 Ob 531/84; 3 Ob 596/83). Schuldhaftes Zuwiderhandeln gegen diese Verpflichtung führt zur Schadenersatzpflicht (Larenz aaO). Hat ein Masseverwalter gemäß § 12 Abs.3 KO einen Geldbetrag eingenommen, so darf er ihn, um das Anwartschaftsrecht des Absonderungsgläubigers nicht zu beeinträchtigen, erst dann ausschütten, wenn er sicher ist, daß es zu einer Aufhebung des Konkurses nach § 166 Abs.2 KO nicht mehr kommt (Petschek-Reimer-Schiemer aaO 265). Der Spruch 26 = SZ 9/308, wonach die Möglichkeit des Wiederauflebens der Absonderungsrechte in keinem Fall die Verwertung und Verteilung der Konkursmasse hindert, ging von der in der Folge vielfach (vgl. SZ 49/108 mwN) abgelehnten Rechtsansicht aus, daß Absonderungsrechte nach § 12 Abs.1 KO nicht bedingt, sondern unbedingt erlöschen. In der grundlegenden Entscheidung SZ 32/126 stellte der Oberste Gerichtshof klar, daß wegen des bloß bedingten Erlöschens der Absonderungsrechte der Masseverwalter bei Verwendung des Erlöses zu bedenken hat, daß ein darauf haftendes und gemäß § 12 KO erloschenes Absonderungsrecht wieder aufleben könne. Der Masseverwalter darf daher einen Erlös nicht in einer Weise verwenden, die dem Zweck der Bestimmung des § 12 KO widersprechen würde, was etwa bei einer Unterhaltsgewährung nach § 5 Abs.2 KO der Fall wäre. Ein Wiederaufleben ist, wie erwähnt, erst dann ausgeschlossen, wenn mit der Verteilung der Masse an die Konkursgläubiger begonnen wurde, weil nur dann der Konkurs nicht mehr nach § 166 KO aufgehoben werden darf. Hat der Masseverwalter aber zuvor auf die Vorwirkungen des bedingten Rechtes bei Ausschüttung der Masse Bedacht zu nehmen, darf er Beträge, die nur gemäß § 12 Abs.3 KO in die Masse gelangt sind, niemandem zukommen lassen und daher auch nicht für Kosten und zur Befriedigung von Masseforderungen verwenden. Es ist daher auch § 124 Abs.1 und 2 KO einschränkend dahin auszulegen, daß eine Befriedigung fälliger Masseforderungen aus der Masse nur insoweit erfolgen darf, als damit nicht auch über nur gemäß § 12 Abs.3 KO in die Masse gelangte Beträge verfügt wird und eine Aufhebung des Konkurses nach § 166 KO noch möglich ist. In diesem Fall hat der Masseverwalter entgegen den Ausführungen in der Revision vielmehr den ihm übergebenen Erlös als Sondermasse zu verwalten.

Nach § 166 Abs.2 KO - nur dieser Aufhebungsgrund kam im vorliegenden Fall in Betracht - ist der Konkurs aufzuheben, wenn im Verlauf des Konkursverfahrens hervorkommt, daß das Vermögen zur Deckung der Kosten des Konkursverfahrens nicht hinreicht. Die Aufhebung unterbleibt, wenn ein angemessener Kostenvorschuß geleistet wird. Diese Vorschrift korrespondiert mit § 73 Abs.2 KO, wonach Konkurshindernis das Fehlen eines zur Deckung der Kosten hinreichenden Vermögens ist. Aus der gleichen Formulierung in den §§ 73 Abs.2, 166 Abs.2 und 46 Abs.1 Z 1 KO folgt, daß eine solche Aufhebung dann zu erfolgen hat, wenn die Kosten des Konkursverfahrens und die ihnen gleichgestellten Auslagen nicht gedeckt werden können (Bartsch-Pollak aaO 675;

Petschek-Reimer-Schiemer aaO 535 FN 25, 701; Hoyer in JBl.1981, 441). Im vorliegenden Fall hätte der Beklagte als Masseverwalter mit der Schlußrechnung vom 23.2.1982 den von ihm immer noch als Sondermasse zu behandelnden Betrag von S 71.780 nicht zur Ausschüttung bringen dürfen. Zu diesem Zeitpunkt stand bereits fest, daß bei antragsgemäßer Bestimmung seiner Kosten für Mühewaltung mit S 27.000 selbst dann, wenn die vom Insolvenzausfallfonds angemeldeten Beträge - was aber nicht erwiesen ist - zur Gänze in die dritte Klasse der Masseforderungen nach § 47 Abs.2 KO gefallen wären, die Kosten des Verfahrens nach § 46 Abs.1 Z 1 KO nicht mehr gedeckt waren. Die Aktivmasse (einschließlich des erlegten Kostenvorschusses) betrug ohne die zu bildende Sondermasse S 36.672. Von diesem Betrag waren für Barauslagen, für eine Ersatzaussonderung und für einen dem Masseverwalter gegen spätere Verrechnung gewährten Kostenvorschuß bereits S 19.185,23 verwendet worden. Damit stand fest, daß aus dem Restbetrag von S 17.486,77 die weiteren Kosten des Verfahrens, die von ihm verzeichneten Kosten von weiteren S 26.002,09 und der ihm im Range zwar nachfolgende, aber zur zweiten Klasse der Masseforderungen (und damit zu den Kosten des Konkursverfahrens) zählende Rückersatzanspruch des den Kostenvorschuß erlegenden Konkursgläubigers von S 15.000, nicht mehr gedeckt werden konnten. Der Beklagte hätte bei dieser Sachlage die Aufhebung des Konkurses gemäß § 166 Abs.2 KO anregen, jedenfalls aber eine solche berücksichtigen müssen. Wäre ein weiterer Kostenvorschuß nicht erlegt worden, was nach vollständiger Verwertung der Masse zu erwarten war, wäre die Bedingung für das Entstehen des Rückforderungsanspruches der klagenden Partei für den von ihr an den Beklagten überwiesenen Betrag von S 71.780 eingetreten.

Obwohl der Beklagte damit rechtswidrig den Anspruch der bedingt berechtigten klagenden Partei vereitelt hat, ist das Klagebegehren mangels eines dem Beklagten vorzuwerfenden Verschuldens dennoch nicht berechtigt. Auch von einem Rechtsanwalt können nur der Fleiß und die Kenntnisse verlangt werden, die Rechtsanwälte im allgemeinen gewöhnlich haben (SZ 54/98; NZ 1980, 187; SZ 34/153 uva). Wird das schadenstiftende Verhalten darauf zurückgeführt, daß der Rechtsanwalt bei seiner Tätigkeit gesetzliche Vorschriften unrichtig auslegte, ist daher zu prüfen, ob sich zu einer bestimmten Rechtsfrage bereits eine Spruchpraxis gebildet hat (NZ 1980, 187; EvBl.1977/238; JBl.1972, 426; EvBl.1963/336); ist dies nicht der Fall und sind die gesetzlichen Bestimmungen nicht vollkommen eindeutig, sondern enthalten sie Unklarheiten über die Tragweite des Wortlautes, so ist dem Rechtsanwalt ein Verschulden nur dann anzulasten, wenn bei pflichtgemäßer Überlegung die von ihm eingehaltene Vorgangsweise nicht mehr als vertretbar bezeichnet werden kann. Die Fehlbeurteilung einer komplizierten Materie kann nicht ohne weiteres als Sorgfaltsverletzung angelastet werden. Eine unrichtige, aber vertretbare Rechtsansicht führt daher, auch wenn sie in der Folge von der Rechtsprechung nicht geteilt wird, nicht zur Haftung wegen Verschuldens (SZ 52/56; JBl.1972, 426; JBl.1959, 416; Reischauer in Rummel, ABGB, Rdz 15 zu § 1299). Erst in der nunmehrigen Entscheidung wird deutlich die Rechtsansicht ausgesprochen, daß der Masserverwalter mit den nur gemäß § 12 Abs.3 KO in die Konkursmasse geflossenen Beträgen so lange eine Sondermasse zu bilden und nicht zu verteilen hat - auch nicht zur Deckung von Kosten oder Masseforderungen - , als nicht feststeht, daß auch Forderungen von Konkursgläubigern befriedigt werden können und damit eine Aufhebung des Konkurses gemäß § 166 Abs.2 KO wegen Unerreichbarkeit dieses einzigen Zieles jedes Konkurses ausgeschlossen ist. Die gegenteilige Auffassung, die er auch noch in der Revision mit Entschiedenheit vertritt, war damit nicht unvertretbar; sie wurde immerhin auch vom Konkursgericht und vom Erstgericht geteilt. Mangels Verschuldens des Beklagten - das Berufungsgericht setzte sich mit dieser Frage nicht näher auseinander - erweist sich damit das Klagebegehren als unberechtigt. Der Revision ist Folge zu geben und die Entscheidung des Erstgerichtes wieder herzustellen.

Die Entscheidung über die Kosten der Rechtsmittelverfahren gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E08106

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0010OB00687.85.0219.000

Dokumentnummer

JJT_19860219_OGH0002_0010OB00687_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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