TE OGH 1986/2/20 7Ob47/85

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 20.02.1986
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr. Petrasch und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta und Dr. Egermann als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R*** Ö***

(H***), vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1,

Singerstraße 17-19, wider die beklagte Partei V***

DER Ö*** B***, Wien 2, Praterstraße 1-7,

vertreten durch Dr. Ferdinand Neundlinger, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 39.971,26 s.A., infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 25. September 1985, GZ 16 R 200/85-11, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 29. Mai 1985, GZ 28 Cg 743/84-6, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt wird. Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 5.035,70 (darin S 428,70 an Umsatzsteuer und S 320,- an Barauslagen) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit S 3.789,75 (darin S 257,25 an Umsatzsteuer und S 960,- an Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 20.9.1981 kam Manfred K***, der damals Präsenzdiener des Ö*** B*** war, als Teilnehmer an einer Motocross-Meisterschaft in Aich zu Sturz und wurde dabei verletzt. Die klagende Partei bezahlte die durch den Unfall verursachten Heilungs- und Transportkosten von S 39.971,26. Manfred K*** war Inhaber einer nationalen Motorradfahrer-Lizenz. Zwischen der ÖAMTC-B*** G*** MBH und der beklagten Partei war - auch für den Unfallszeitpunkt - eine Kollektivgruppenunfallversicherung für Lizenzfahrer abgeschlossen.

Die klagende Partei begehrt von der Beklagten die Bezahlung von S 39.971,26 s.A. und bringt vor, sie habe die Heilungs- und Transportkosten in Erwartung des Rückersatzes durch die Beklagte vorgestreckt. Manfred K*** habe mit Schreiben vom 7.5.1984 seine Ansprüche gegen den Unfallversicherer an die klagende Partei abgetreten. Der Versicherungsnehmer habe nachträglich iS des § 75 Abs. 2 VersVG zugestimmt, daß Manfred K*** über seine aus der Unfallversicherung resultierenden Rechte verfügen und diese auch gerichtlich geltend machen könne. Sei der Klageanspruch nicht auf Legalzession des § 17 a Heeresgebührengesetz zu stützen, so stehe er der klagenden Partei zumindest nach § 1042 ABGB, subsidiär aber auch nach den §§ 1358 und 1422 ABGB zu. Der Anspruch werde auf alle nach dem Sachverhalt in Betracht kommenden Rechtsgründe gestützt. Ein Ausschluß der Ansprüche gemäß Art. 8 IV Z 2 AUVB sei nicht gegeben. Die klagende Partei habe weder als Sozialversicherer, noch als Privatversicherer gezahlt.

Die beklagte Partei bestreitet das Klagebegehren dem Grund nach und beantragt die Abweisung der Klage. Sollte die klagende Partei die begehrten Kosten in Erwartung des Rückersatzes vorgestreckt haben, sei dies ein rechtlich unbeachtliches Motiv. Alfred K*** stehe aus der Unfallversicherung kein Anspruch zu, weil er nicht Vertragspartner der Beklagten sei. Er könne daher auch keine Ansprüche zedieren, sodaß der klagenden Partei die Aktivlegitimation mangle. Überdies erfolge gemäß Art. 8 IV Z 2 AUVB kein Ersatz, wenn Heilungskosten von einem Privat- oder Sozialversicherer beansprucht oder geleistet würden. Ein Anspruch des Präsenzdieners habe auf Grund des § 14 HeeresgebührenG bestanden. Die R*** Ö*** sei daher zur unentgeltlichen Behandlung des Wehrpflichtigen verpflichtet gewesen. Auch stünde jedem Rechtsträger nur bei Vorliegen einer Legalzession ein Rückersatz zu. Die im Heeresgebührengesetz vorgesehene Legalzession beziehe sich nur auf Schadenersatzansprüche gegenüber Dritten. Allfällige vertragliche Ansprüche seien keine Schadenersatzforderungen. Da die klagende Partei keine fremden Schulden bezahlt habe, komme auch die Bestimmung des § 1422 ABGB nicht in Betracht. Die Beklagte erhob keinen Einwand aus dem Umstand, daß die Zession der Ansprüche des Manfred K*** aus der Unfallversicherung vom ÖAMTC und nicht von der ÖAMTC-B***-G*** MBH erfolgte.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab und stellte im wesentlichen noch folgendes fest:

Die klagende Partei erbrachte die Leistungen nach den Kostensätzen der Krankenversicherungsanstalt der Bundesangestellten. Manfred K*** war Inhaber einer Motorradfahrer-Lizenz. Es bestand "damals" zwischen der beklagten Partei und der ÖAMTC-B***-G*** MBH eine Kollektivgruppenunfallversicherung für OSK-Lizenzfahrer. Nach den Allgemeinen Bedingungen für die Unfallversicherung standen den Lizenzfahrern keine direkten Ansprüche gegen die Beklagte zu. Sie waren auch nicht Vertragspartner.

In seiner rechtlichen Beurteilung vertrat das Erstgericht die Ansicht, daß der klagenden Partei die Aktivlegitimation fehle. Vertragspartner sei der ÖAMTC gewesen, sodaß Manfred K***, der keinen Versicherungsschein gehabt habe, keine Ansprüche habe zedieren können. Die klagende Partei habe ihre Leistungen als Sozialverischerungsleistungen erbracht; damit liege der Ausschluß nach Art. 8 IV Z. 2 AUVB vor. § 17 HeeresgebührenG normiere eine Legalzession, wenn der Wehrpflichtige gegen einen Dritten Schadenersatzansprüche habe. Gegenüber der Beklagten habe Manfred K*** jedoch keine Schadenersatzforderung gehabt. Die klagende Partei könne sich auch nicht darauf berufen, daß sie in Erfüllung ihrer gesetzlichen Verpflichtungen fremde Schulden bezahlt oder für einen anderen einen Aufwand gemacht habe. Dem stehe auch der klare Wortlaut des § 1422 ABGB entgegen.

Das Berufungsgericht gab der Klage statt und sprach aus, daß die Revision zulässig sei. Es stellte ergänzend fest, daß der ÖAMTC als Versicherungsnehmer der mit der Beklagten abgeschlossenen Lizenzunfallversicherung Manfred K*** mit Schreiben vom 4.9.1984 die Zustimmung erteilte, iS des § 75 Abs. 2 VersVG über seine aus dem Unfall vom 20.9.1981 resultierenden Rechte zu verfügen und diese auch gerichtlich geltend zu machen. Am 7.5.1984 trat Manfred K*** seine Ansprüche gegenüber der Beklagten auf Ersatz der Transport- und Heilungskosten aus dem Unfall vom 20.9.1981 an die R*** Ö*** zwecks Berichtigung der von der R***

Ö*** vorgestreckten Transport- und Heilungskosten ab. In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Berufungsgericht aus, daß die Leistungen der klagenden Partei an Manfred K*** nach den Bestimmungen des Heeresgebührengesetzes erfolgt seien, das ein "Vorstrecken", also eine subsidiäre Zahlungspflicht, nirgends normiere. Die R*** Ö*** sei vielmehr gegenüber

Präsenzdienern bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen zum Ersatz der Heilungs- und Transportkosten schlechthin, ohne jede Einschränkung, verpflichtet. Die klagende Partei habe sohin nicht für jemand anderen geleistet, sondern sei ihrer primären gesetzlichen Pflicht nachgekommen. Die in § 17 HeeresgebührenG vorgesehene Legalzession betreffe ausschließlich Schadenersatzforderungen, die dem Wehrpflichtigen gegen einen Dritten zustehen, nicht aber Forderungen gegen eine Privatversicherung. Allfällige Forderungen des Manfred K*** gegen die Beklagte seien daher von der Legalzession nicht betroffen. Da die Leistung der Klägerin in Erfüllung einer öffentlich-rechtlichen gesetzlichen eigenen Pflicht erfolgt sei, kämen auch die Bestimmungen der §§ 1042, 1358 und 1422 ABGB nicht in Betracht. Manfred K*** sei jedoch als Versicherter nach Vorliegen der Zustimmungserklärung des Versicherungsnehmers iS des § 75 Abs. 2 VersVG zur Geltendmachung seiner Rechte befugt. Diese Rechte habe Manfred K*** schon vor Vorliegen der Zustimmungserklärung abtreten können. Die klagende Partei sei daher aktiv legitimiert und es stehe ihr auch ein Anspruch auf Ersatz der von ihr geleisteten Heilungs- und Transportkosten zu. Ein Leistungsausschluß nach Art. 8 IV Z 2 AUVB liege nicht vor. Nach der genannten Vertragsbestimmung erfolge nur dann kein Ersatz auf Grund der Unfallversicherung, wenn Heilungskosten von einem anderen Sozial- oder Privatversicherer beansprucht oder geleistet werden. Die klagende Partei sei weder Sozial-, noch Privatversicherer. Habe sie auf Grund der Verpflichtung des Heeresgebührengesetzes Heilungs- und Transportkosten geleistet, möge dies dem Präsenzdiener wirtschaftlich einer Versicherungsleistung, wie sie üblicherweise die Krankenversicherung erbringe, gleichartig erschienen sein. Rechtlich jedoch sei eine Gleichsetzung derartiger Leistungen mit einer Sozial- oder Privatversicherungsleistung nicht haltbar. Die Revision sei zuzulassen gewesen, da eine Rechtsprechung zu Art. 8 IV Z 2 AUVB im Zusammenhalt mit den Bestimmungen des Heeresgebührengesetzes fehle.

Der Beklagte bekämpft das Urteil des Berufungsgerichtes mit Revision aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung und beantragt, es dahin abzuändern, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt werde; hilsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die klagende Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist berechtigt.

Nicht beizupflichten vermag der Oberste Gerichtshof der Ansicht der Beklagten über die mangelnde Wirksamkeit der von Manfred K*** vorgenommenen Zession. Nach einhelliger Ansicht von Lehre und Rechtsprechung können auch befristete, aufschiebend oder auflösend bedingte Rechte und künftige Forderungen abgetreten werden, soferne sie ausreichend individualisiert sind (Ertl in Rummel, ABGB, Rdz 4 zu § 1393). Wenn auch gemäß § 75 Abs. 2 VersVG bei der Versicherung für fremde Rechnung der Versicherte ohne Zustimmung des Versicherungsnehmers über seine Rechte nur dann verfügen und diese Rechte nur dann gerichtlich geltend machen kann, wenn er im Besitz eines Versicherungsscheines ist, ist doch die vor dem Vorliegen dieser Zustimmung erfolgte Abtretung seiner Rechte aus dem Versicherungsvertrag zwischen dem ÖAMTC und der Beklagten mit dem Vorliegen der Zustimmung wirksam geworden. Richtig ist allerdings, daß eine Legalzession von Ansprüchen des Manfred K*** gegen die Beklagte an die Klägerin nicht erfolgt ist. Nach § 17 a Abs. 1 HeeresgebührenG gehen, wenn der Bund infolge eines Ereignisses, das die Gesundheitsschädigung oder den Tod eines Wehrpflichtigen bewirkt hat, Leistungen ... erbracht oder

Kosten ... getragen hat und dem Wehrpflichtigen ... auf Grund dieses Ereignisses Schadenersatzansprüche gegen einen Dritten zustehen, diese Ansprüche bis zur Höhe des dem Bund erwachsenen Aufwandes auf den Bund über. Bei allfälligen Ansprüchen des Manfred K*** gegen die Beklagte aus dem zwischen dem ÖAMTC und der Beklagten abgeschlossenen Unfallversicherungsvertrag handelt es sich um vertragliche, keinesfalls um schadenersatzrechtliche Ansprüche. Der gesetzliche Übergang vertraglicher Ansprüche eines Wehrpflichtigen aber ist im Heeresgebührengesetz nicht vorgesehen.

Der Oberste Gerichtshof teilt dagegen die in der Revision vertretene Ansicht, daß der im Art. 8 IV Z 2 der AUVB vorgesehene Risikoausschluß gegeben ist.

Art. 8 IV der AUVB hat folgenden Wortlaut:

"1.) Aufgewendete Heilkosten, die innerhalb eines Jahres nach dem Unfall zur Behebung seiner Folgen nach ärztlicher Verordnung notwendig waren, werden bis zu der hiefür vorgesehenen Versicherungssumme für jeden Versicherungsfall ersetzt; hiezu zählen auch die notwendigen Kosten des Krankentransports ...

2.) Insoweit Heilkosten von einem Sozial- oder Privatversicherer (zB auf Grund einer Krankenversicherung oder weiteren Unfallversicherung) beansprucht und geleistet werden, erfolgt auf Grund dieser Unfallversicherung kein Ersatz. Der Leistungsanspruch ist insgesamt mit dem Betrag begrenzt, der tatsächlich für Heilkosten aufgewendet worden ist."

Den Ausführungen des Berufungsgerichtes, Manfred K*** seien die Heilkosten von der klagenden Partei nicht als von einem "Sozial- oder Privatversicherer" geleistet worden, kann in dieser Form nicht zugestimmt werden. Es darf nicht übersehen werden, daß eine im Zeitpunkt des Antritts des Präsenzdienstes bestehende Pflichtversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung für die Dauer des ordentlichen oder außerordentlichen Präsenzdienstes zwar aufrecht erhalten wird, daß aber der Anspruch des Wehrpflichtigen auf Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung für seine Person ruht (vgl. die §§ 1 und 2 des Bundesgesetzes vom 18.7.1956 über den sozialversicherungsrechtlichen Schutz der Präsenzdienst leistenden Wehrpflichtigen, BGBl. Nr. 153, und die an die Stelle dieses Gesetzes getretenen Bestimmungen, wie insbesondere

§ 8 Abs. 1 Z 1 lit. c, § 56 a und § 89 a ASVG - "Das österreichische Wehrrecht" von Ermacora-Kopf-Neisser 2 II, 214), und daß an seine Stelle die Ansprüche des Wehrpflichtigen gemäß den §§ 13 ff Heeresgebührengesetz treten. Die Ansprüche eines Wehrpflichtigen auf Grund der §§ 13 ff HeeresgebührenG sind daher solchen gegen einen Sozial- oder Privatversicherer iS des Art. 8 IV Z 2 AUVG gleichzuhalten, mag auch die R*** Ö*** weder Sozial-, noch Privatversicherer sein. Insoweit daher dem Präsenzdiener Manfred K*** die Heilkosten durch die Klägerin geleistet worden sind, gebührt ihm aus der zwischen dem ÖAMTC und der Beklagten abgeschlossenen Unfallversicherung kein Ersatz. Die gegenteilige Ansicht würde zu einem Verstoß gegen das im § 55 VersVG normierte Bereicherungsverbot (vgl. Prölls-Martin, VersVG 23 , 322) führen. Könnte nämlich Manfred K*** ungeachtet der Leistungen, die er von der Klägerin nach dem Heeresgebührengesetz erhalten hat, mit Erfolg auch Ansprüche auf Grund der mehrfach genannten Unfallversicherung geltend machen, würde er die auf Grund seines Unfalls aufgelaufenen Heilkosten in der bereits von der Klägerin geleisteten Höhe ein weiteres Mal vergütet erhalten, was auch dem letzten Satz der Vertragsbestimmung Art. 8 IV Z 2 der AUVB (Bereicherungsverbot) zuwiderlaufen würde. Der Umstand, daß Manfred K*** diese Ansprüche an die Klägerin zediert hat, kann an dem aufgezeigten Ergebnis im Hinblick auf § 1394 ABGB (Verschlechterungsverbot) nichts ändern.

Die klagende Partei kann daher den Ersatz der von ihr geleisteten Heilungskosten von der Beklagten nicht mit Erfolg verlangen.

Im Ergebnis zu Recht hat deshalb das Erstgericht die Klage abgewiesen, sodaß der Revision Folge zu geben und das angefochtene Urteil dahin abzuändern war, daß das Ersturteil wiederhergestellt wird.

Die Kostenentscheidung erfolgte nach den §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E08043

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0070OB00047.85.0220.000

Dokumentnummer

JJT_19860220_OGH0002_0070OB00047_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten