TE OGH 1986/2/20 12Os191/85

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 20.02.1986
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 20.Februar 1986 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, HONProf. Dr. Steininger, Dr. Hörburger und Dr. Kuch als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Gruber als Schriftführerin in der Strafsache gegen Jakob K*** wegen des Verbrechens der gleichgeschlechtlichen Unzucht mit Jugendlichen nach § 209 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten Jakob K*** und die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 6.November 1985, GZ 11 Vr 1188/85-23, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Über die Berufungen wird bei einem Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung entschieden werden.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der Angeklagte Jakob K*** des Verbrechens der gleichgeschlechtlichen Unzucht mit Jugendlichen nach § 209 StGB schuldig erkannt, weil er Ende April oder Anfang Mai 1984 in Graz mit dem am 27.September 1968 geborenen Hans Hermann T*** durch gegenseitigen Hand- und Oralverkehr gleichgeschlechtliche Unzucht getrieben hat.

Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Z 4, 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Der Verfahrensrüge (Z 4) - mit welcher die Nichterledigung der in der Hauptverhandlung am 22.Mai 1985 (S 241/242) sowie der in den Schriftsätzen vom 24.Juni 1985 (ON 17) und 20.August 1985 (ON 19) gestellten Beweisanträge releviert wird - fehlt es an den formalen Voraussetzungen, weil diese Anträge nicht in der (gemäß § 276 a StPO neu durchgeführten) Hauptverhandlung am 6.November 1985 wiederholt wurden, ihre Geltendmachung aber voraussetzt, daß über einen in der Hauptverhandlung gestellten Antrag des Beschwerdeführers nicht oder nicht im Sinne des Antrages entschieden worden ist. Das Erstgericht hielt die leugnende Verantwortung des Angeklagten durch die Aussage des Zeugen Hans Hermann T***, dem es Glauben schenkte, für widerlegt. Es nahm als erwiesen an, daß der Vorsatz des Angeklagten auch das unter 18 Jahre liegende Alter des genannten Zeugen erfaßt hat und begründete dies damit, daß dieser nach dem Gutachten des Sachverständigen Dr. Z*** "bei deutlicher charakterlicher Retardierung in den Gesichtszügen infantilen Einschlag" aufweise, daß der Beschwerdeführer nach dem Leumundszeugnis immer wieder Kontakt zu jugendlichen Personen suche und einvchlägig vorbestraft sei, daß weiters der Zeuge Dr. L*** deshalb mit T*** "sexuell nichts unternommen habe, weil er vom Angeklagten vorgewarnt worden sei, daß der Genannte möglicherweise noch nicht 18 Jahre alt sei" (S 279).

In seiner Mängelrüge (Z 5) behauptet der Angeklagte eine Aktenwidrigkeit, weil dem oben angeführten Sachverständigengutachten nur zu entnehmen sei, daß die Gesichtszüge des Zeugen T*** einen teilweisen infantilen Einschlag aufwiesen; die konstatierte "deutliche charakterliche Retardierung" finde dort überhaupt keine Deckung, jedenfalls nicht in Verbindung mit den Gesichtszügen des genannten Zeugen.

Richtig ist zwar, daß der Sachverständige in seinem Gutachten nur von einem solchen teilweisen infantilen Einschlag spricht (vgl. S 159). Durch die Übernahme des Begriffes "Einschlag" aus dem Gutachten wurde aber ohnedies dargetan, daß diese infantilen Gesichtszüge des Zeugen nur partiellen Charakter haben, sodaß durch die Nichterwähnung des Wortes "teilweise" der Sinngehalt des Gutachtens nicht verändert worden ist.

Wenn das Erstgericht in diesem Zusammenhang angeführt hat, es liege eine "deutliche charakterliche Retardierung" vor, so steht dies - wie die Beschwerde dazu zutreffend vorbringt - in keinem Zusammenhang mit den Gesichtszügen des genannten Zeugen und ist daher für die Frage, ob der Angeklagte das unter 18 Jahre liegende Alter des Zeugen erkannt hat oder nicht, ohne Bedeutung. Nur am Rande sei aber erwähnt, daß diese Annahme - entgegen dem Beschwerdevorbringen - im Gutachten Deckung findet (vgl. S 169, auch S 161).

Rechtliche Beurteilung

Unzutreffend ist die Behauptung der Mängelrüge, daß dieses Gutachten im Rahmen eines gegen Hans Hermann T*** durchgeführten Strafverfahren eingeholt wurde und nicht Gegenstand des Verfahrens war. Daß dieses genannte Gutachten in der Hauptverhandlung verlesen wurde, ergibt sich aus dem Hauptverhandlungsprotokoll vom 6. November 1985, nach dem auch der wesentliche Inhalt des Aktes GZ 12 Vr 4447/84 des Landesgerichtes für Strafsachen Graz verlesen wurde, somit auch das darin erstattete gegenständliche Gutachten. Dieser Akt 12 Vr 4447/84 des Landesgerichtes für Strafsachen Graz hat allerdings ursprünglich das Aktenzeichen 20 Vr 4447/84 getragen, die insoferne variierenden Aktenzeichen sind jedoch keineswegs zwei verschiedenen Akten zuzuordnen. Der Beschwerdeführer unterliegt daher einem Mißverständnis, wenn er behauptet, daß dieser Akt nicht beigeschafft worden war (siehe auch S 17 b verso über die verfügte Beischaffung des Akts).

Wenn unter diesem Nichtigkeitsgrund (und weiters in sachlicher Ausführung eines Begründungmangels auch zu Punkt a) des Vorbringens im Rahmen der Rechtsrüge) zur Urteilsfeststellung, der Beschwerdeführer habe auch das unter 18 Jahre liegende Alter des Zeugen T*** erfaßt, dargetan wird, daß für diese Annahme eine Begründung fehle, aus dem eingangs zitierten Gutachten lasse sich höchstens ableiten, daß die Gesichtszüge des Zeugen T*** teilweise infantilen Einschlag hatten, so ist die Beschwerde hier nicht prozeßordnungsgemäß ausgeführt, weil sie die oben wiedergegebenen Überlegungen des Urteils zu diesem Punkte gänzlich übergeht und somit nicht auf die tatsächlichen Entscheidungsgründe abstellt. Mit seiner Rechtsrüge (Z 9 lit a) macht der Angeklagte geltend, aus den Feststellungen des Urteils lasse sich nicht ableiten, daß das unter 18 Jahre liegende Alter des Zeugen T*** von seinem Vorsatz erfaßt war.

Das Erstgericht konstatierte dazu, daß der Beschwerdeführer "sehr wohl mit der Möglichkeit rechnete, daß T*** noch nicht 18 Jahre alt war und diesen Umstand auch in Kauf nahm" (S 279). Damit hat es aber - wenngleich trotz ständiger Hinweise in Judikatur (Z B. RZ 1978/74, LSK 1978/142) und Literatur (Leukauf-Steininger, Komm. 2 , § 5 RN 17, 18) nicht sehr glücklich formuliert - immerhin doch mit hinreichender Deutlichkeit zum Ausdruck gebracht, daß der Beschwerdeführer einerseits ein Alter des Zeugen unter 18 Jahre ernstlich für möglich gehalten, andererseits aber sich - wie sich aus der anschließenden, ersichtlich die Willenskomponente betreffenden Formulierung "und er habe diesen Umstand auch in Kauf genommen" in Verbindung mit der für diese Annahme gegebenen Begründung (S 279 f.) ergibt - damit auch abgefunden hat, sohin die Verwirklichung des in Rede stehenden Tatbildmerkmals hinzunehmen gewillt war. Insoweit die Beschwerde diese Feststellungen zum subjektiven Tatbestand negiert, bringt sie den geltend gemachten Nichtigkeitsgrund nicht zur prozeßordnungsgemäßen Darstellung. Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher teils als offenbar unbegründet (§ 285 d Abs 1 Z 2 StPO), teils als nicht gesetzmäßig ausgeführt (§§ 285 d Abs 1 Z 1, 285 a Z 2 StPO) schon bei einer nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.

Über die Berufungen (des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft) wird abgesondert bei einem Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung entschieden werden.

Anmerkung

E07964

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0120OS00191.85.0220.000

Dokumentnummer

JJT_19860220_OGH0002_0120OS00191_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten