TE OGH 1986/3/11 5Ob18/86

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Veröffentlicht am 11.03.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Marold als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes HONProf. Dr. Griehsler, Dr. Jensik, Dr. Zehetner und Dr. Klinger als Richter in der Mietrechtssache der Antragstellerin E***-L***, F*** & H***, Wien 7., Kaiserstraße 44-46, vertreten durch Rudolf D***, Sekretär der Mietervereinigung Österreichs, Wien 7., Bernardgasse 10, dieser vertreten durch Dr. Heinrich Keller, Rechtsanwalt in Wien, wider die Antragsgegner 1.) Max W***, Kaufmann, Wien 19., Langerstraße 24/6/26, 2.) Gertrude W***, Handelsfrau, ebendort, beide vertreten durch Dr. Theodor Strohal, Rechtsanwalt in Wien, wegen § 37 Abs 1 Z 8 MRG infolge Revisionsrekurses der Antragsgegner gegen den Sachbeschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Rekursgerichtes vom 10. Dezember 1985, GZ 41 R 1219/85-14, womit infolge Rekurses der Antragstellerin der Sachbeschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 3. Juli 1985, GZ 47 Msch 91/84-7, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Die Antragstellerin ist auf Grund des Mietvertrages vom 18. Oktober 1956 Mieterin des Gassenlokals top. Nr. 32 (und eines zur Aufstellung einer Kabine verwendeten Platzes) in dem den Antragsgegnern gehörenden Haus Wien 7., Kaiserstraße 44-46. Nach § 3 Z 1 des Mietvertrages besteht der Mietzins (für das Gassenlokal) während der Dauer der gesetzlichen Vorschriften über die Mietzinsbildung aus dem jeweils gesetzlich festgelegten oder durch Instandsetzungsarbeiten veranlaßten erhöhten Hauptmietzins sowie dem verhältnismäßigen Anteil an den Betriebskosten, sonstigen Aufwendungen für das Haus und den öffentlichen Abgaben. Die Grundlage der Mietzinsberechnung bildet der Jahresfriedenszins von 6.000 Kronen. Nach § 3 Z 3 des Mietvertrages ist nach Abänderung der gesetzlichen Vorschriften über die Mietzinsbildung ein neu zu vereinbarender Mietzins zu zahlen. Nach § 17 Abs 1 des Mietvertrages ist für den zur Aufstellung einer Kabine verwendeten (mieterschutzfreien) Platz ein Platzzins unter Zugrundelegung eines Jahresfriedenszinses von 1.200 Kronen zu zahlen. Nach § 17 Abs 2 des Mietvertrages wird auch der Platzzins entsprechend erhöht, wenn der Mietzins für das (mietergeschützte) Lokal im allgemeinen oder gesetzlich erhöht werden sollte.

Mit der am 1. Juni 1982 beim Erstgericht zu 42 C 380/82 (nunmehr 42 C 201/84) eingelangten Klage begehrten die Antragsgegner die Verurteilung der Antragstellerin, einer Abänderung des Mietvertrages vom 18. Oktober 1956 dahin zuzustimmen, daß für das Bestandobjekt top. Nr. 32 im Haus Wien 7., Kaiserstraße 44-46 mit Wirksamkeit ab 1. Jänner 1982 ein monatlicher Hauptmietzins von 45,-- S je m 2 zuzüglich Umsatzsteuer, Betriebskosten und öffentlichen Abgaben vereinbart wird. In diesem Verfahren hob der Oberste Gerichtshof mit Beschluß vom 29. Februar 1984, 2 Ob 513/84, die klageabweisenden Urteile der Untergerichte auf; von der Rechtsansicht ausgehend, daß der nach § 3 Z 3 des Mietvertrages neu abzuschließenden Vereinbarung der im Sinne des § 16 Abs 1 MRG (für Geschäftsräumlichkeiten) angemessene Hauptmietzins zugrundezulegen sei, trug er dem Erstgericht im fortzusetzenden Verfahren die Prüfung der Frage auf, ob der von den Antragsgegnern angeführte Betrag von 45,-- S je m 2 angemessen sei. Dieses Verfahren ist noch anhängig. Während der bisher vorgeschriebene monatliche Hauptmietzins 1.800,-- S betragen hatte, schrieben die Antragsgegner der Antragstellerin zum Zinstermin 1. August 1984 einen Hauptmietzins von 13.860,-- S vor. Da die Schlichtungsstelle über den Antrag der Antragstellerin festzustellen, um welchen Betrag diese Vorschreibung das gesetzlich zulässige Zinsausmaß überschritten habe, nicht binnen drei Monaten entschied, rief die Antragstellerin gemäß § 40 Abs 2 MRG das Erstgericht an.

Das Erstgericht stellte mit Sachbeschluß fest, daß die Antragsgegner durch die Vorschreibung eines monatlichen Hauptmietzinses von 13.860,-- S zum 1. August 1984 das gesetzlich zulässige monatliche Zinsausmaß um 1.460,-- S überschritten hätten. Es erachtete sich an die zu 2 Ob 513/84 ausgesprochene Rechtsansicht des Obersten Gerichtshofes für gebunden und legte seiner Entscheidung, daß der angemessene monatliche Hauptmietzins für das 310 m 2 große Geschäftslokal 12.400,-- S (= 40,-- S je m 2 ) betrage, das im Verfahren 42 C 201/84 des Erstgerichtes erstattete Sachverständigengutachten zugrunde.

Das nur von der Antragstellerin angerufene Rekursgericht stellte in Abänderung des abweisenden Teiles des erstgerichtlichen Sachbeschlusses mit Sachbeschluß fest, daß die Antragsgegner als Vermieter gegenüber der Antragstellerin als Mieterin des Gassenlokals top. Nr. 32 (E***-L***) im Haus Wien 7., Kaiserstraße 44-46, durch Vorschreibung eines Hauptmietzinses von 13.860,-- S zum Zinstermin 1. August 1984 das zulässige Zinsausmaß um 12.060,-- S überschritten hätten. Es führte aus:

Da das Verfahren 42 C 201/84 des Erstgerichtes noch nicht rechtskräftig beendet worden sei, habe es (das Rekursgericht) die Rechtsfrage ohne Bindung an die vom Obersten Gerichtshof in seinem Aufhebungsbeschluß vom 29. Februar 1984, 2 Ob 513/84, vertretene Rechtsansicht selber zu beurteilen. Dabei sei zu beachten, daß die im Mietvertrag vom 18. Oktober 1956 getroffene

Zinsvereinbarung - weil diesem Mietvertrag über ein Geschäftslokal ein Mietzins auf der Basis von 6.000 Kronen als Friedenskronenzins zugrundeliege - schon nach § 16 Abs 2 und 3 MG in der zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses geltenden Fassung von den Zinsbildungsvorschriften des Mietengesetzes ausgenommen gewesen sei. Hätte aber schon damals ein höherer als der gesetzliche Mietzins vereinbart werden können, so sei die formularmäßige "Anpassungsklausel" schon bei ihrem Abschluß jeden sinnvollen Parteiwillens entkleidet gewesen. Darüberhinaus fehle es überdies der im Mietvertrag verwendeten Anpassungsklausel an der für die Auslegung erforderlichen Bestimmbarkeit (MietSlg. 36.131/46 mwN). Gegen den abändernden Sachbeschluß des Rekursgerichtes richtet sich der Revisionsrekurs der Antragsgegner mit dem Antrag, den erstgerichtlichen Sachbeschluß wiederherzustellen.

Die Antragstellerin beantragt in ihrer Revisionsrekursbeantwortung, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.

Am 1. Jänner 1986 trat das Bundesgesetz vom 12. Dezember 1985, BGBl. 559, mit dem unter anderem das Mietrechtsgesetz geändert worden ist, in Kraft. Gemäß Abs 1 des durch dieses Gesetz in das Mietrechtsgesetz eingefügten § 16 a sind Vereinbarungen in einem vor dem 1. Jänner 1982 geschlossenen Vertrag, die eine Erhöhung des Hauptmietzinses für den Fall einer Änderung der gesetzlichen Vorschriften über die Höhe des Hauptmietzinses vorsehen, rechtsunwirksam, wobei unter diesen Vereinbarungen auch solche zu verstehen sind, in denen sich der Mieter für den Fall einer Änderung der gesetzlichen Vorschriften über die Höhe des Hauptmietzinses zum Abschluß einer neuen Mietzinsvereinbarung verpflichtet hat. Nach Art. IV Z 7 des Bundesgesetzes vom 12. Dezember 1985, BGBl. 559, ist § 16 a MRG auch auf die im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes noch nicht rechtskräftig abgeschlossenen streitigen und außerstreitigen Verfahren anzuwenden. Damit wird, wie der Oberste Gerichtshof bereits mehrmals entschieden hat (Entscheidung vom 16. Jänner 1986, 6 Ob 660/85; Entscheidung vom 11. Februar 1986, 5 Ob 112/85; Entscheidung vom 13. Februar 1986, 8 Ob 633/85 u.a.), in eindeutiger Weise eine Rückwirkung des § 16 a MRG auf die den genannten Verfahren zugrundeliegenden Sachverhalte angeordnet (ebenso Rieder in der 120. Sitzung des NR, Sten.Prot. der 16. GP.

10.626 rSp unten; ImmZ 1986, 28 Punkt 1 lit d; Würth-Zingher, MRG '86, 39 Anm. 3 zu § 16 a MRG). Die von den Antragsgegnern zitierten, Dauerrechtsverhältnisse betreffenden Entscheidungen (MGA 2 32 E. 13 und 14 zu § 5 ABGB) stehen dieser Auffassung nicht entgegen, weil sie nur in Ermangelung einer anderen Anordnung des Gesetzgebers gelten, die hier eben vorliegt. Auch die spezielle Regelung der Kostenfolgen in Art. IV Z 7 Satz 2 und 3 des Bundesgesetzes vom 12. Dezember 1985, BGBl. 559, vermag an der dargelegten Rückwirkungsanordnung nichts zu ändern (vgl. dazu den Bericht des Justizausschusses, 800 BlgNR 16. GP 3, welcher darauf hinweist, daß auch noch im Verfahren zweiter und dritter Instanz die Klage unter Verzicht auf den Anspruch zurückgenommen werden kann - § 483 Abs 3 Satz 2 und § 513 ZPO -, daß dies auch analog im Rekursverfahren gilt - Fasching, Lehrbuch Rdz 1250 - und daß auch im Außerstreitverfahren die Zurücknahme des verfahrenseinleitenden Antrages in jeder Lage des Verfahrens zulässig ist - 2 Ob 598/82). Die von Iro in RdW 1986, 37 f. geäußerte Rechtsansicht, Zinsanpassungsklauseln beziehungsweise daran anknüpfende Mietzinsvereinbarungen seien nach § 16 a MRG generell, also auch in am 1. Jänner 1986 noch nicht rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren, nur hinsichtlich der nach Inkrafttreten des Bundesgesetzes vom 12. Dezember 1985, BGBl. 559, liegenden Zinsperioden unwirksam, träfe nach Meinung des Obersten Gerichtshofes nur dann zu, wenn sich der Gesetzgeber auf die allgemeine Anordnung des Inkrafttretens des genannten Gesetzes mit 1. Jänner 1986 (Art. IV Z 1) beschränkt und die spezielle Anordnung für die am 1. Jänner 1986 noch nicht rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren (Art. IV Z 7) unterlassen hätte. Gegen diese spezielle Anordnung bestehen auch unter dem Gesichtspunkt des verfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes keine Bedenken; es ist nicht unsachlich, im Bereich noch nicht rechtskräftig abgeschlossener Verfahren die Rückwirkung zwingender gesetzlicher Vorschriften zu normieren, eine Rückwirkung solcher Vorschriften auf rechtskräftig entschiedene Fälle aber nicht vorzusehen. Die angefochtene Entscheidung ist daher schon im Hinblick auf die soeben dargelegte neue Rechtslage zu bestätigen, ohne daß es noch erforderlich wäre zu untersuchen, ob diese Entscheidung auch der alten Rechtslage entsprochen hätte. Eine Entscheidung über die Verfahrenskosten erster und zweiter Instanz im Sinne des dritten Satzes der Z 7 des Art. IV des Bundesgesetzes vom 12. Dezember 1985, BGBl. 559, wurde von den Antragsgegnern nicht begehrt. Eine Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens hatte mangels Kostenverzeichnung zu unterbleiben.

Anmerkung

E07785

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0050OB00018.86.0311.000

Dokumentnummer

JJT_19860311_OGH0002_0050OB00018_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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