TE OGH 1986/3/13 7Ob8/86

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Veröffentlicht am 13.03.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr. Petrasch und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch, Dr. Warta und Dr. Egermann als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Herbert T***, Kaufmann, Wiener Neustadt, Rudolf Götz-Gasse 13/2/22, vertreten durch Dr. Karl Muzik, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei V*** J*** Allgemeine Versicherungs-AG, Wien 1., Stubenbastei 2, vertreten durch Dr. Otto Philp und Dr. Gottfried Zandl, Rechtsanwälte in Wien, wegen restl. S 133.300,-- s.A., infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 5.Dezember 1985, GZ 1 R 227/85-28, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 16.August 1985, GZ 28 Cg 357/84-21 abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 6.617,85 (darin S 514,35 an Umsatzsteuer und S 960,-- an Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger begehrte die Zahlung von S 171.764,17 s.A. und brachte vor, er habe mit der Beklagten über deren hiezu befugten Vertreter Josef K*** am 24.Jänner 1984 Feuer- und Einbruchsdiebstahlsversicherungen betreffend seinen Würstelstand abgeschlossen. Josef K*** habe eine Angabe von S 400,-- kassiert und dem Kläger noch am selben Tag mitgeteilt, daß die Versicherungsverträge perfekt seien und die Beklagte Deckung gegeben habe. Am 28.Jänner 1984 sei in den Würstelstand eingebrochen worden; der Schaden des Klägers betrage S 171.764,17. Der Kläger habe der Beklagten den Vorfall gemeldet. Mit Schreiben vom 3.Februar 1984 habe die Beklagte dem Kläger mitgeteilt, daß sie den Abschluß der Versicherungsverträge aus risikotechnischen Gründen nicht akzeptiere. Die Beklagte hafte jedoch für den Schaden auf Grund der dem Kläger gegebenen mündlichen vorläufigen Deckungszusage. Die Beklagte beantragte die Abweisung der Klage und wendete ein, es bestünden bei ihr keine Versicherungen des Klägers. Die vom Kläger am 24.Jänner 1984 überreichten Versicherungsanträge seien von der Beklagten nicht angenommen worden. Die Beklagte habe auch keine Deckungszusage gegeben. Josef K*** sei nur mit der Vermittlung von Verträgen betraut und nicht ermächtigt, besondere Zusagen abzugeben. Auf diesen Umstand werde im Versicherungsantrag ausdrücklich hingewiesen. An eine von Josef K*** dennoch abgegebene Erklärung, wie sie der Kläger behaupte, sei die Beklagte nicht gebunden, da Josef K*** die ihm erteilte Vollmacht überschritten hätte. Die Beklagte habe keinen äußeren Tatbestand gesetzt, aus dem der Kläger nach Treu und Glauben hätte erkennen können, daß Josef K*** bevollmächtigt sei, besondere Zusagen zu machen. Die Beklagte habe derartige Zusagen auch nicht nachträglich genehmigt. Der Kläger habe vorvertragliche Anzeigepflichten iS des § 16 VersVG arglistig verletzt, da er die Frage nach Vorschäden verneint habe, obwohl es zu derartigen Schäden gekommen sei; die Beklagte sei auch aus diesem Grund leistungsfrei. Der Kläger habe überdies die Schadensanzeige nicht vollständig erstattet, weil er die Frage nach einem Auftrag zur Behebung des Schadens nicht beantwortet und die in den Allgemeinen Feuerversicherungsbedingungen vorgesehene Frist von drei Tagen zur Überreichung einer Aufstellung der abhanden gekommenen Sachen an die Sicherheitsbehörde nicht eingehalten habe.

Außer Streit gestellt wurde, daß der Schaden des Klägers S 134.100,-- beträgt, und daß im Fall der Zusicherung einer vorläufigen Deckung ohne nachfolgenden Vertragsabschluß eine Prämie von S 800,-- vorgeschrieben worden wäre.

Das Erstgericht erkannte die Beklagte schuldig, dem Kläger S 133.300,-- s.A. zu zahlen, und wies das Mehrbegehren - rechtskräftig - ab. Es traf folgende Feststellungen:

Der Kläger betrieb seit Oktober 1981 in Wiener Neustadt einen Würstelstand, bestehend aus einem fahrbaren Verkaufswagen. Wenige Tage vor dem 24.Jänner 1984 versuchten unbekannte Täter, in diesen Wagen einzubrechen. Auf Grund dieses Vorfalles und des Umstandes, daß bereits ein Jahr vorher ein Einbruch stattgefunden hatte, entschloß sich der Kläger zum Abschluß einer Einbruchsdiebstahls- und Feuerversicherung. Er trat an den ihm als regelmäßigen Gast seines Standes gut bekannten Außendienstmitarbeiter der Beklagten Josef K*** heran und erzählte von dem Einbruchsversuch wenige Tage zuvor. Von dem etwa ein Jahr davor erfolgten Einbruch machte der Kläger dem Josef K*** keine Mitteilung, da er annahm, K*** wisse darüber ohnehin Bescheid, weil er ihm seinerzeit davon berichtet hatte und der Vorfall auch in der Zeitung gestanden war.

Am 24.Jänner 1984 unterfertigte der Kläger die von Josef K*** ausgefüllten Anträge auf Abschluß von Einbruchsdiebstahls- und Feuerversicherungsverträgen. Der Kläger teilte Josef K*** mit, er wolle diese Versicherungsverträge mit sofortigem Versicherungsbeginn abschließen und ab sofort versichert sein. Josef K*** sagte dem Kläger zu, daß dies möglich sei, und nahm aus diesem Grund auch das Antragsdatum 24.Jänner 1984, null Uhr, als gewünschten Versicherungsbeginn in den Antrag auf. Er war selbst der Meinung, daß der Versicherungsbeginn unabhängig von einer allenfalls eingeräumten vorläufigen Deckung der in den Versicherungsantrag eingesetzte Tag sei, und daß der Kläger somit ab diesem Zeitpunkt versicherungsrechtlich gedeckt sei. K*** sagte dem Kläger aus diesem Grund auch zu, daß er ab 24.Jänner 1984, null Uhr, gedeckt sei, und kassierte sofort ein Prämienaconto von S 400,--. Hätte der Kläger nicht eine sofortige Deckungnahme gewünscht, hätte Josef K*** den Ersten des Folgemonats als Versicherungsbeginn in den Antrag aufgenommen.

Josef K*** (gemeint wohl: der Kläger) beantragte in dem Versicherungsantrag nicht eine vorläufige Deckung. Eine solche wurde von der beklagten Partei auch nicht eingeräumt.

Josef K*** ist bei der Beklagten als Versicherungsvertreter angestellt. Er ist nicht ermächtigt, Deckungszusagen zu erteilen. Der von der Beklagten ausgestellte Ausweis, wonach Josef K*** berechtigt ist, Versicherungsanträge für die Beklagte entgegenzunehmen und Anzahlungen und Prämien einzuheben, nicht jedoch berechtigt ist, Nebenabreden zu treffen, war dem Kläger nicht bekannt.

Die Versicherungsanträge wurden von Josef K*** ausgefüllt. Die Fragen in den Antragsformularen, ob sich an den zur Versicherung beantragten Risken bereits Schäden ereignet haben, wurden von K*** mit "nein" angekreuzt. Im Antrag auf Abschluß einer Feuerversicherung hat K*** hinsichtlich des Kiosks nicht vermerkt, ob Neuwert- oder Zeitwertversicherung gewünscht werde. Hinsichtlich der Einrichtungsgegenstände wurde eine Versicherung zum Neuwert gewünscht.

Der Kläger unterfertigte die von K*** ausgefüllten Versicherungsanträge. Oberhalb der für die Unterschrift vorgesehenen Stelle befindet sich in den Versicherungsanträgen der Hinweis, daß Versicherungsanträge sowie sämtliche Anzeigen und Erklärungen des Versicherungsnehmers schriftlich erfolgen müssen, und die mit der Vermittlung von Versicherungsgeschäften betrauten Personen nicht bevollmächtigt sind, mündliche Erklärungen für den Versicherer abzugeben. Ferner, daß der Antragsteller bestätigt, daß keine mündlichen Nebenabreden getroffen wurden und er durch seine Unterschrift die Verantwortung für Richtigkeit und Vollständigkeit aller Angaben auch dann übernimmt, wenn er diese nicht eigenhändig geschrieben hat.

Josef K*** gab die vom Kläger unterfertigten Anträge noch am 24. Jänner 1984 in der Filiale der Beklagten in Wiener Neustadt ab und überbrachte dem Kläger noch am selben Tag Kopien dieser Anträge, wobei er bemerkte, es sei alles in Ordnung, der Kläger sei nun versichert. Die Polizzierung derartiger Anträge erfolgt in der Direktion der Beklagten in Wien. Die Anträge langten dort am 30. Jänner 1984 ein und wurden zunächst mit einer Polizzennummer versehen.

In der Nacht vom 27. auf den 28.Jänner 1984 ereignete sich ein Einbruch in den Kiosk des Klägers. Die Täter steckten den Kiosk in der Folge in Brand, wodurch der Wagen samt Einrichtungsgegenständen und Lebensmitteln vollständig ausbrannte. Restwerte sind nicht mehr vorhanden. Der Kläger informierte noch im Verlauf des Wochenendes - der Vorfall fand in der Nacht von Freitag auf Samstag statt - Josef K*** telefonisch und verfaßte am 30.Jänner 1984 gemeinsam mit dem Filialdirektor der Beklagten in Wiener Neustadt die Schadensmeldung. Bei der Ausfüllung des Schadensformulares übersah der Kläger die Frage "Wurde Auftrag zur Behebung des Schadens erteilt, an wen?" und kreuzte dort weder "ja" noch "nein" an. Der Filialdirektor machte den Kläger auch nicht darauf aufmerksam, daß diese Frage nicht beantwortet worden sei. Tatsächlich hatte der Kläger weder zu diesem Zeitpunkt noch auch später einen Antrag zur Schadensbehebung erteilt, da er erst abwarten wollte, in welcher Höhe er Ersatz von der Beklagten erhalte. In der Folge fand ein Telefonat zwischen der Filiale der Beklagten in Wiener Neustadt und der Direktion in Wien statt, bei welchem die Direktion vom Schadensfall in Kenntnis gesetzt wurde. Die für die Polizzierung zuständige Stelle teilte daraufhin der Filiale in Wiener Neustadt mit, daß der Versicherungsantrag nicht angenommen werde, worauf die Filiale in Wiener Neustadt ersuchte, diesen Umstand dem Antragsteller persönlich mitzuteilen. Die Direktion in Wien vermerkte daraufhin auf den Anträgen selbst "annulliert" und teilte dem Kläger mit Schreiben vom 3.Februar 1984 mit, sie könne die Versicherungsanträge aus risikotechnischen Gründen nicht akzeptieren und habe dies der Geschäftsstelle Wiener Neustadt mit Schreiben vom 30.Jänner 1984 mitgeteilt. Der vernichtete Kiosk repräsentiert einen Zeitwert von S 85.500,--, die vernichtete Geschäftseinrichtung und die Warenvorräte einen solchen von S 48.600,--. Der Kläger hat am Tage nach der Schadensmeldung der Beklagten in Wiener Neustadt eine Schadensaufstellung sowie Kopien von Ankaufsrechnungen aus seiner Buchhaltung überbracht. In der Schadensaufstellung gab er den Kaufpreis des Verkaufsanhängers im September 1981 mit S 115.000,-- an. Er führte ferner Waren und Einrichtungsgegenstände im Gesamtwert von S 56.764,17 an und berücksichtigte dabei die Anschaffungspreise ohne Abstriche für bereits erfolgte Verkäufe. Der Polizei gegenüber machte der Kläger keine Schadensaufstellung, er gab den Schaden lediglich pauschal bekannt. Der Kläger wurde von Polizeibeamten darauf aufmerksam gemacht, daß er der Versicherung den Schaden nachzuweisen habe.

Gemäß Art.4 Abs 1 litc der AFB hat der Versicherungsnehmer der Sicherheitsbehörde innerhalb dreier Tage, nachdem er den Verlust von versicherten Sachen festgestellt hat, eine Aufstellung der fehlenden Gegenstände einzureichen. Nach litd dieser Bestimmung hat er dem Versicherer in einer angemessenen Frist ein Verzeichnis der am Schadenstag vorhandenen, vom Schaden betroffenen und der abhanden gekommenen Sachen vorzulegen. Verletzt der Versicherungsnehmer eine dieser Obliegenheiten, ist der Versicherer von der Verpflichtung zur Leistung frei, es sei denn, daß die Verletzung weder auf Vorsatz, noch auf grober Fahrlässigkeit beruht. Bei grob fahrlässiger Verletzung bleibt der Versicherer zur Leistung insoweit verpflichtet, als die Verletzung keinen Einfluß auf die Feststellung des Schadensfalles sowie den Umfang der Entschädigungsleistung gehabt hat.

In seiner rechtlichen Beurteilung vertrat das Erstgericht die Ansicht, ein Versicherungsunternehmen hafte für das Verhalten eines für sie als Erfüllungsgehilfe tätigen Angestellten bei schuldhafter Verletzung vorvertraglicher Aufklärungs- und Sorgfaltspflichten, und zwar unabhängig davon, ob es später zu einem Vertrag komme. Dem Vertragspartner sei hiebei der Vertrauensschaden zu ersetzen. Josef K*** habe dem Kläger Deckung ab dem Zeitpunkt der Antragstellung zugesagt, ohne ihn darauf aufmerksam zu machen, daß eine solche Deckung nur dann bestehe, wenn die Beklagte den Antrag vollinhaltlich annehme (und also eine Rückwärtsversicherung vornehme) oder eine vorläufige Deckungszusage erteile. Bei entsprechender Aufklärung durch den Versicherungsangestellten hätte der Kläger die vorläufige Deckung ausdrücklich beantragen können. Dem Kläger sei der außer Streit stehende Schaden abzüglich des Betrages von S 800,--, den er als Prämie für die Zusicherung vorläufiger Deckung zu zahlen gehabt hätte, zu ersetzen. Der Hinweis auf dem Versicherungsantrag, daß sämtliche Erklärungen und Anzeigen des Versicherungsnehmers schriftlich erfolgen müßten und mit der Vermittlung betraute Personen nicht bevollmächtigt seien, mündliche Erklärungen für den Versicherer abzugeben, begründe kein Mitverschulden des Klägers, da der Kläger habe annehmen müssen, das Erfordernis der Schriftlichkeit werde dadurch gewahrt, daß im Antrag als Versicherungsbeginn der Tag der Antragstellung angeführt werde. Die Frage, ob er einen Auftrag zur Behebung des Schadens erteilt habe, habe der Kläger nur fahrlässig nicht beantwortet. Der Kläger habe auch die Obliegenheit, der Sicherheitsbehörde innerhalb dreier Tage eine Liste der abhanden gekommenen Gegenstände zu übergeben, im äußersten Fall grob fahrlässig verletzt. Beide Unterlassungen hätten keinen Einfluß auf die Feststellung des Schadensfalles und auf die Feststellung oder den Umfang der Entschädigungsleistung gehabt. Die Beklagte bleibe daher zur Leistung verpflichtet. Richtig sei, daß der Kläger entgegen der ihn nach § 16 VersVG obliegenden vorvertraglichen Anzeigepflicht im Versicherungsantrag einen Einbruch, der etwa ein Jahr vor Antragstellung erfolgt sei, trotz ausdrücklicher Frage nicht angegeben habe. Dieser Umstand hätte es der Beklagten ermöglicht, bei Erkennen der Vorschäden vom Vertrag zurückzutreten. Sie hätte jedoch auch im Falle eines Rücktritts für den gegenständlichen Schadensfall Deckung zu gewähren gehabt, da der Umstand, in Ansehung dessen die Anzeigepflicht verletzt wurde, keinen Einfluß auf den Eintritt des Versicherungsfalles und auf den Umfang der Leistung des Versicherers gehabt hätte (§ 21 VersVG). Hinsichtlich des festgestellten Einbruchsversuches liege eine Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht nicht vor, weil er keine Schäden verursacht habe.

Das Berufungsgericht wies die Klage ab und sprach aus, daß die Revision zulässig sei. Es stellte ergänzend fest, daß der Würstelstand des Klägers dreimal aufgebrochen, und daß mehrmals versucht worden sei, in den Stand einzubrechen. Das Berufungsgericht führte in seiner rechtlichen Beurteilung aus, der Kläger habe in seinem Antrag die Frage, ob sich an den zur Versicherung beantragten Risken bereits Schäden ereignet hätten, wahrheitswidrig mit "nein" beantwortet. Zweck der Vorschriften der §§ 16 ff VersVG sei es, dem Versicherer durch eine richtige und vollständige Gefahrbeschreibung alle Informationen zu geben, die er für die Beurteilung des von ihm zu übernehmenden Risikos brauche, um insbesondere Risiko und Prämie im Gleichgewicht zu halten. Dem Kläger komme die Bestimmung des § 21 VersVG nicht zugute. Der Ansicht, die Obliegenheitsverletzung des Klägers habe keinen Einfluß auf den Eintritt des Versicherungsfalles und auf den Umfang der Leistung des Versicherers gehabt, könne nicht beigetreten werden. Die Beklagte sei daher leistungsfrei.

Der Kläger bekämpft das Urteil des Berufungsgerichtes mit Revision aus den Revisionsgründen des § 503 Abs 1 Z 2 bis 4 ZPO mit dem Antrag, es dahin abzuändern, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte beantragt, die Revision als unzulässig zurückzuweisen oder sie abzuweisen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist im Ergebnis nicht berechtigt.

Die geltend gemachte Mangelhaftigkeit und die behauptete Aktenwidrigkeit (§ 503 Abs 1 Z 2 und 3 ZPO) liegen nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

Der rechtlichen Beurteilung der Sache durch das Berufungsgericht vermag der Oberste Gerichtshof allerdings nicht beizutreten. Mit Recht hat das Erstgericht ausgeführt, daß auch bei einem berechtigten Vertragsrücktritt des Versicherers dessen Leistungsverbindlichkeit dann bestehen bleibt, wenn der Umstand, in Ansehung dessen die vorvertragliche Anzeigepflicht verletzt wurde, keinen Einfluß auf den Eintritt des Versicherungsfalles und den Umfang der Leistungen des Versicherers gehabt hat (§ 21 VersVG). Es kommt auf einen Kausalzusammenhang zwischen dem nicht oder falsch angezeigten Gefahrenumstand einerseits und dem Eintritt des Versicherungsfalles oder dem Umfang der Leistung des Versicherers andererseits an. § 21 VersVG stellt nicht darauf ab, ob durch die Nicht- oder Falschanzeige der Vertragsabschluß oder der Vertragsinhalt beeinflußt wurde. Nur die Vertragsgefahr berührende Umstände beeinflussen den Eintritt des Versicherungsfalles in der Regel nicht (Bruck-Möller, VersVG 8 I 350 ff; Prölss/Martin, VersVG 23 161; Messiner in ZVR 1978, 38 f; VersR 1984, 900; 7 Ob 44/80; VersR 1980, 449). Ohne Einfluß auf den Eintritt des Versicherungsfalles sind im allgemeinen Vorschäden (Prölls/Martin aa0 162, Messiner aa0, VersR 1980, 449). Es ist daher für die Entscheidung des gegenständlichen Rechtsstreites unerheblich, daß der Kläger im Versicherungsantrag die ausdrückliche Frage nach Vorschäden verneint hat, obwohl es bereits zu Einbrüchen und Einbruchsversuchen in den Würstelstand gekommen war. Es ist durchaus wahrscheinlich, daß diese Vorschäden den Vertragsabschluß oder den Vertragsinhalt beeinflußt hätten; sie waren aber nicht kausal für den Eintritt des Versicherungsfalles.

Mit Recht weist allerdings die Beklagte darauf hin, daß es zum Abschluß eines Versicherungsvertrages zwischen den Streitteilen gar nicht gekommen ist, weil die Beklagte den Antrag des Klägers abgelehnt hat und der Versicherungsagent zum Abschluß eines Vertrages und zur Erklärung einer Deckungszusage nicht ermächtigt war (§ 43 VersVG; Prölss/Martin, VersVG 23 243).

Zwar entsprechen die Ausführungen des Erstgerichtes über eine Haftung des Versicherers für die schuldhafte Verletzung vorvertraglicher Aufklärungs- und Sorgfaltspflichten der Lehre und Rechtsprechung. Hat eine Versicherungsgesellschaft durch ihren Vertreter Vertragsverhandlungen mit dem Ziel des Abschlusses eines Versicherungsvertrages mit einem Interessenten angebahnt, treffen sie vorvertragliche Aufklärungs- und Sorgfaltspflichten gegenüber dem in Aussicht genommenen Vertragspartner. Die schuldhafte Verletzung vorvertraglicher Pflichten, die als "culpa in contrahendo" bezeichnet wird, macht schadenersatzpflichtig (Bruck-Möller aa0 1025, Koziol-Welser, Grundriß 7 I 187, Prölls/Martin aa0 248, RdW 1984, 370). Dabei ist es für die Haftung des Versicherers aus culpa in contrahendo unerheblich, ob letztlich ein Versicherungsvertrag zustandekommt (Bruck-Möller aa0 1026). Für die Verletzung vorvertraglicher Sorgfaltspflichten durch einen Erfüllungsgehilfen haftet der Geschäftsherr. Erfüllungsgehilfe ist auch, wer für den Geschäftsmann einen Geschäftsabschluß vorbereitet. Die zu erfüllenden besonderen Verbindlichkeiten ergeben sich aus dem vorvertraglichen Schuldverhältnis (RdW 1984, 370; SZ 51/111, Koziol-Welser aa0 416). Bei der versuchten Anbahnung des Abschlusses eines Versicherungsvertrages tritt der Versicherungsagent gegenüber dem in Aussicht genommenen Versicherungsnehmer als Erfüllungsgehilfe des Versicherers auf (RdW 1984, 370). Die Aufklärungspflicht ist vor allem dann gegeben, wenn der Antragsteller eine unzutreffende Meinung äußert. Diesfalls muß der Versicherer, bzw. sein Agent als Erfüllungsgehilfe diese unrichtige Ansicht des Antragstellers richtigstellen (Bruck-Möller aa0 1030, RdW 1984, 370). Nicht weniger deutlich ist der Verstoß gegen die vorvertraglichen Sorgfaltspflichten, wenn die unrichtige Ansicht des Antragstellers durch eine unzutreffende Belehrung des Versicherungsvertreters hervorgerufen, jedenfalls aber bekräftigt wurde.

Wie aber die Beklagte bereits in ihrer Berufung geltend gemacht hat, hat der Kläger seine Ansprüche ausschließlich darauf gestützt, daß ihm die Beklagte eine Deckungszusage gegeben habe. Der Kläger hat ausdrücklich aus einem behaupteten Vertrag geklagt. Er hat niemals als Rechtsgrund Schadenersatz geltend gemacht und hat dem Gericht auch nicht einen Sachverhalt unterbreitet, der die rechtliche Beurteilung als Schadenersatzanspruch gestattete. Das Gericht hat nur jenen Sachverhalt zu beurteilen, den ihm die Parteien unterbreiten (SZ 42/138). Wird die Klage lediglich auf einen bestimmten Rechtsgrund gestützt, ist das Gericht daran gebunden und darf dem Begehren nicht aus einem anderen Rechtsgrund stattgeben (JBl1962, 510, mit zustimmender Besprechung von Novak). Die in der deutschen Lehre und Rechtsprechung vertretene Auffassung einer gewohnheitsrechtlichen Vertrauenshaftung des Versicherers in der Richtung, daß auch Zusagen des nicht zum Abschluß befugten Agenten für den Versicherer verbindlich seien (vgl. Prölss/Martin VersVG 23 243 f, Bruck-Möller, VersVG 8 I 1029), ist von der österreichischen Rechtsprechung nicht übernommen worden (so ausdrücklich 7 Ob 23/84); sie wird vom Kläger auch gar nicht geltend gemacht. Ein Vorbringen, das eine Beurteilung der geltend gemachten Ansprüche aus dem Grunde des Schadenersatzes rechtfertigte, fehlt in der Klage gänzlich. Es wird insbesondere auch weder behauptet, daß die Beklagte dem Kläger, wäre er entsprechend belehrt worden, vorläufige Deckung zugesagt hätte, noch auch, daß dem Kläger ein anderes Versicherungsunternehmen - bei Ablehnung eines entsprechenden Antrages durch die Beklagte - vor dem Schadensfall eine Deckungszusage gegeben hätte.

Die Entscheidung 7 Ob 23/84 = RdW 1984, 370 unterscheidet sich in ihren Voraussetzungen insoferne vom gegenständlichen Verfahren, als dort der Versicherungsantrag eines Interessenten angenommen wurde, wogegen es hier schon zufolge der Nichtannahme der Anträge des Klägers durch die Beklagte zu einem Vertragsabschluß nicht gekommen ist. Vertragliche Ansprüche stehen dem Kläger aber nicht zu. Im Ergebnis zur Recht hat deshalb das Berufungsgericht das Klagebegehren abgewiesen, so daß der Revision ein Erfolg zu versagen war.

Die Kostenentscheidung erfolgte nach den §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E08258

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0070OB00008.86.0313.000

Dokumentnummer

JJT_19860313_OGH0002_0070OB00008_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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