TE OGH 1986/3/19 9Os43/86

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Veröffentlicht am 19.03.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 19.März 1986 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak, Dr. Lachner, Dr. Kuch sowie Dr. Massauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Enzenhofer als Schriftführer in der Strafsache gegen Udo K*** wegen des Verbrechens der Brandstiftung als Beteiligter nach §§ 12 (dritter Fall), 169 Abs. 2 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 30.November 1984, GZ 3 a Vr 11582/83-133, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

1. Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben und im übrigen auch gemäß § 290 Abs. 1 StPO das angefochtene Urteil, das ansonsten unberührt bleibt, in den Schuldsprüchen wegen des Verbrechens der Brandstiftung nach §§ 12 (dritter Fall), 169 Abs. 2 StGB und des Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs. 1 StGB (Punkt 1 und 5 des Urteilssatzes) sowie demgemäß im gesamten Strafausspruch aufgehoben und die Sache an das Erstgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung zurückverwiesen.

2.

Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen.

3.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf die zu Pkt 1) getroffene Entscheidung verwiesen.

              4.              Gemäß § 390 a StPO fallen ihm auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der 49-jährige Udo K*** (1.) des Verbrechens der Brandstiftung als Beteiligter nach §§ 12 (dritter Fall), 169 Abs. 2 StGB, (2.) des Vergehens des Versicherungsmißbrauches nach § 151 Abs. 1 Z 1 StGB, (3.) des Vergehens der Entziehung von Energie nach § 132 Abs. 1 und Abs. 2, erster Fall, StGB, (4.) des Vergehens der versuchten Urkundenfälschung als Beteiligter nach §§ 12 (zweiter Fall), 15, 223 Abs. 1 StGB und (5.) des Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs. 1 StGB schuldig erkannt.

Rechtliche Beurteilung

Die vom Angeklagten allein gegen die Schuldsprüche zu den Punkten 1, 2 und 5 des Urteilssatzes gerichtete, auf die Z 5 und 9 lit a des § 281 Abs. 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde ist in Ansehung des Verbrechens der Brandstiftung und des Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht begründet; zusätzlich haften diesen beiden Schuldsprüchen auch von Amts wegen wahrzunehmende materiellrechtliche Nichtigkeiten an. Hingegen enbehrt die Beschwerde gegen den Schuldspruch wegen des Vergehens des Versicherungsmißbrauches zur Gänze einer prozeßordnungsgemäßen Darstellung.

Räumt doch das Rechtsmittel im zuletzt angeführten Punkt (zutreffend) selbst ein, "die vorgenommene Konstruktion" - nach dem Gesamtzusammenhang gemeint: die tatrichterlichen Feststellungen, betreffend die Mitwirkung des Angeklagten am Inbrandsetzen seiner Villa und an der Beschädigung eines Tresors - sei als eine von zahlreichen Varianten "durchaus möglich" und fuße unter anderem auf den im Zuge des Vorverfahrens deponierten Angaben des Stefan S*** jun.

Da nun vom Gesetz nicht gefordert wird, daß die vom Gericht aus den Verfahrensergebnissen gezogenen Schlußfolgerungen denkgesetzlich die einzig möglichen wären und nicht nur zwingende, sondern auch Wahrscheinlichkeitsschlüsse das Gericht nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung zu Tatsachenfeststellungen berechtigen (vgl Mayerhofer-Rieder StPO 2 , § 258 Nr 22 und 26) und die in der Beschwerde bezogenen Angaben des Stefan S*** jun vor der Polizei (vgl Band III, S 473 ff des Aktes 3 a Vr 3339/79 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien) und vor dem Untersuchungsrichter (Band IV, ON 121 des genannten Aktes), auf die das Erstgericht unter Zitierung des betreffenden Aktes als Beweisgrundlage Bezug nahm (vgl Band V, S 271 des gegenständlichen Aktes), lebensnahe und logische Konklusionen in Richtung der erstinstanzlichen Konstatierungen gewiß zulassen, erweist sich die Mängelrüge der Sache nach als unzulässige Bekämpfung der erstinstanzlichen Beweiswürdigung und muß darauf nicht weiter eingegangen werden. Daß Stefan S*** jun in der Hauptverhandlung nicht als Zeuge vernommen wurde, verschlägt nichts, weil seine Vernehmung nicht beantragt wurde und damit eine Geltendmachung der Z 4 des § 281 Abs. 1 StPO von vornherein nicht in Betracht kommt.

Von welchem Motiv der Angeklagte bei der Brandstiftung und Sachbeschädigung beseelt war, kann an sich dahingestellt bleiben, weil die Beweggründe eines Verhaltens nicht zu den für die rechtliche Subsumtion einer Tat und die Wahl des anzuwendenden Strafsatzes maßgeblichen Tatsachen zählen. Daß er aber bei der Brandstiftung und der Beschädigung des Tresors mit dem Vorsatz handelte, sich eine Versicherungsleistung zu verschaffen, konnte aus dem äußeren Verhalten und den oben zitierten Bekundungen des Stefan S*** jun im Zusammenhalt mit dem bestehenden Versicherungsvertrag denkrichtig abgeleitet werden, wobei nur der Vollständigkeit halber bemerkt sei, daß die Beschwerde bei ihren hypothetischen Überlegungen über die Sinnlosigkeit eines Versicherungsbetruges die im Urteil (vgl Bd V S 272 ff im Zusammenhalt mit Bd I, 1. Halbband S 173 f) konstatierte Differenz zwischen hypothekarischer Gesamtbelastung und Versicherungssumme außer Acht läßt. Nicht aktengetreu wird in der Beschwerde in diesem Zusammenhang auch die Deposition des Referenten der B*** V***

wiedergegeben, der keineswegs erklärte, für den Tresor habe überhaupt keine Versicherungsdeckung bestanden, sondern lediglich bekundete, es habe keine separate Safeversicherung existiert (vgl Band V, S 260).

Insoweit war also die Nichtigkeitsbeschwerde gemäß § 285 d Abs. 1 Z 1 StPO in Verbindung mit § 285 a Z 2 StPO schon bei einer nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.

Hingegen sind die Schuldsprüche wegen des Verbrechens der Brandstiftung und wegen des Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht mit gravierenden Feststellungsmängeln behaftet, die teilweise von der Beschwerde aufgezeigt, zum Teil im Zuge der von Amts wegen wahrzunehmenden Prüfung auf materiellrechtliche Richtigkeit des Urteils vom Obersten Gerichtshof wahrgenommen wurden. In Ansehung des bezeichneten Verbrechens betreffen diese Konstatierungsmängel bereits das Tatbild, also die äußere Tatseite; denn die tatrichterlichen Annahmen - der Brand habe die Nachbarn erheblich gefährdet, weil durch die Explosion eine mit Beton gefüllte Eisenstange, welche die Treppenkonstruktion trug, barst, wobei Betonbrocken und Teile der Treppenkonstruktion durch die Plexiglaskuppel des Stiegenhauses bis zu 30 m weit in die Nachbargärten geschleudert wurden und es auch zu reichlichem Funkenflug auf die benachbarten Objekte gekommen sei (Band V, S 286) - genügen nicht, um überprüfen zu können, inwieweit durch die verursachte Feuersbrunst eine (konkrete) Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) oder für das Eigentum eines Dritten in großem Ausmaß bewirkt wurde (vgl zu diesen Begriffen Leukauf-Steininger, Komm 2 , § 169, RN 9 ff). Von tragender Bedeutung ist aber insbesondere, daß das Urteil keinerlei Feststellungen zur inneren Tatseite, also darüber enthält, inwieweit sich der dolus (eventualis) des Angeklagten auf die einzelnen Tatbildmerkmale - siehe den vorangegangenen Absatz - erstreckte (vgl hiezu Leukauf-Steininger aaO, RN 15).

Da - wie sich der Oberste Gerichtshof überzeugen konnte - auch in Ansehung des Vergehens nach § 198 StGB jedwede Konstatierungen zur inneren Tatseite mangeln - zur Erfüllung dieses Deliktes ist subjektiv erforderlich, daß sich der Vorsatz nicht nur auf die gröbliche Pflichtverletzung, sondern auch auf die Herbeiführung der Gefährdung des Unterhaltes bzw der Erziehung des Unterhaltsberechtigten erstreckt (vgl Leukauf-Steininger, aaO § 198, RN 35) - und die aufgezeigten Gebrechen vom Obersten Gerichtshof nicht saniert werden können, was die Durchführung einer neuen Hauptverhandlung unumgänglich macht, waren die beiden in Rede stehenden Schuldsprüche (inklusive des gesamten Strafausspruchs) teilweise in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde, teilweise gemäß § 290 Abs. 1 StPO bereits bei einer nichtöffentlichen Beratung sofort zu kassieren (§ 285 e StPO), ohne daß es erforderlich gewesen wäre, auf das weitere, diese Schuldsprüche betreffende Beschwerdevorbringen näher einzugehen.

Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf die Behebung des Strafausspruchs zu verweisen.

Die Kostenentscheidung fußt auf der bezogenen Gesetzesstelle.

Anmerkung

E07940

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0090OS00043.86.0319.000

Dokumentnummer

JJT_19860319_OGH0002_0090OS00043_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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