TE OGH 1986/3/25 4Ob137/84

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Veröffentlicht am 25.03.1986
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr. Friedl und Dr. Kuderna sowie die Beisitzer Dipl.Ing.Otto Beer und Johann Friesenbichler als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Kurt E***, Handelsvertreter, Wien 23., Putzendoplergasse 16/32/12, vertreten durch Dr. Werner Masser und Dr. Ernst Grossmann, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei I*** S.A., Fabrique de bas et tricots in Renens/VD, Schweiz, vertreten durch Dr. Robert Siemer, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 254.130,- sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes in arbeitsgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten vom 29. Mai 1984, GZ 44 Cg 71/83-56, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Zwischenurteil des Arbeitsgerichtes Wien vom 8. Oktober 1982, GZ 2 Cr 2237/80-34, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird aufgehoben und die Rechtssache zur ergänzenden Verhandlung und neuen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Der Kläger begehrt von der beklagten Partei "I*** S.A., Fabrique de bas et tricots" in Renens/VD, Schweiz, die Zahlung von S

254.130 sA. Er sei auf Grund einer Vereinbarung vom 21.2.1973, bei deren Abschluß die "E***"-Anstalt in Vaduz (im folgenden: E***) als Bevollmächtigte der beklagten Partei aufgetreten sei, in der Zeit von 15.3.1973 bis 31.12.1978 ausschließlich für die beklagte Partei als selbständiger Handelsvertreter tätig gewesen. Mit Schreiben vom 22.12.1978 habe die E*** namens der beklagten Partei diese Vereinbarung mit Wirkung vom 31.12.1978 aufgehoben. Der Kläger habe zu einer solchen Vertragsauflösung keinen begründeten Anlaß gegeben, so daß ihm gemäß § 25 HVG eine angemessene Entschädigung in der Höhe des eingeklagten Betrages gebühre. Die beklagte Partei hat das Klagebegehren dem Grunde und der Höhe nach bestritten. Zwischen den Parteien habe nie ein Vertragsverhältnis bestanden; der Kläger sei vielmehr Handelsvertreter der E*** gewesen, welche auf Grund eines Vertrages mit der beklagten Partei berechtigt sei, deren Produkte in Österreich zu vertreiben. Die Vereinbarung vom 21.2.1973 sei auf dem Briefpapier der E*** verfaßt und von Frau R.B***, welche dem Aufsichtsrat der E*** angehöre, unterfertigt worden; sie enthalte keinen Hinweis darauf, daß die E*** dabei nur als Bevollmächtigte der beklagten Partei aufgetreten wäre. Der Kläger habe die Auflösung seines Handelsvertretervertrages selbst verschuldet und deshalb keinen Anspruch auf eine Entschädigung nach § 25 HVG. Ein solcher Anspruch wäre im übrigen bereits verjährt. Das Erstgericht schränkte das Verfahren auf den Grund des Anspruches ein und erkannte mit Zwischenurteil zu Recht, daß der Anspruch des Klägers auf Zahlung einer angemessenen Entschädigung gemäß § 25 HVG gegenüber der beklagten Partei dem Grunde nach zu Recht bestehe. Auf Grund der Ergebnisse des Beweisverfahrens sei davon auszugehen, daß die E*** beim Abschluß des Vertrages vom 21.2.1973 nur zum Schein als Vertragspartner des Klägers aufgetreten sei; in Wahrheit habe das Vertragsverhältnis zwischen dem Kläger und der beklagten Partei bestanden. Da der Kläger die Auflösung seines Handelsvertretervertrages nicht verschuldet habe und die beklagte Partei aus seiner Tätigkeit auch weiterhin Nutzen ziehe, bestehe sein - innerhalb der dreijährigen Ausschlußfrist des § 25 Abs.4 HVG erhobener - Entschädigungsanspruch dem Grunde nach zu Recht. Das Berufungsgericht wies das Klagebegehren ab. Es führte die Verhandlung gemäß § 25 Abs.1 Z 3 ArbGG von neuem durch und nahm - teilweise abweichend vom Ersturteil - folgenden Sachverhalt als erwiesen an:

Auf Grund eines Zeitungsinserates kam der Kläger mit einem Herrn M*** von der Kleiderfabrik A*** & Co in Bludenz in Verbindung. M*** machte den Kläger darauf aufmerksam, daß für einen großen Schweizer Konzern der Damenoberbekleidungsbranche Vertreter gesucht würden. Da sich der Kläger dafür interessierte, wurde er von M*** nach Bludenz eingeladen. Bei diesem Zusammentreffen, welches Ende 1972 oder im Jänner 1973 stattfand, zeigte M*** dem Kläger einen Katalog der beklagten Partei; er legte ihm auch einen Vertragsentwurf vor, welcher jedoch von der E*** stammte. Als der Kläger dies bemängelte, wurde er von M*** mit den Worten beruhigt, daß die E*** nur die Verrechnungsstelle der beklagten Partei in Vaduz sei; der Vertragsinhalt beweise, daß der Kläger die Vertretung für die beklagte Partei übernehmen könne. Er verwies darauf, daß die E*** aus steuerlichen Gründen gegründet worden sei, und nannte als Bedingung für eine Tätigkeit des Klägers für die beklagte Partei, daß er auch die Fa.A*** mit vertreten müsse. Schließlich kam es zwischen M*** und dem Kläger zu einer Einigung über die Provisionszahlungen und über die Arbeit des Klägers für die beklagte Partei. In Wien erhielt der Kläger den Vertrag zur Unterschrift, und er begann am 1.3.1973 mit seiner Tätigkeit für die beklagte Partei.

In der mit 21.2.1973 datierten, auf dem Geschäftspapier der E*** festgehaltenen Vereinbarung (Blg./B) werden als Vertragspartner die E*** und der Kläger genannt. Die wesentlichen Punkte dieses Vertrages lauten:

"1.) Herrn E*** wird von der Firma I*** SA. Fabrique de Bas et Tricots, 1020 Renens-Suisse die Vertretung und Repräsentanz für Steiermark, Kärnten, Osttirol, Lungau und südliches Burgenland lt. Abgrenzung (Bernstein-Lockenhaus) übergeben.

2.) Der Provisionssatz für Herrn E*** als selbständiger Handelsvertreter beträgt 5 %, auch auf Rabattverkäufe und Sonderverkäufe. Falls bei Rabatt- und Sonderverkäufen nicht etwas anderes vereinbart wird, erhält Herr E*** den vollen vorerwähnten Provisionssatz.

3.) Das in Punkt 1 angegebene Verkaufsgebiet fällt unter Gebietsschutz von Herrn E***, was sich in der Form auswirkt, daß sämtliche Bestellungen direkter und indirekter Art, auch Aufträge ohne Mitwirkung von Herrn E***, diesem automatisch gemäß Punkt 2 voll verprovisioniert werden. Bei Großversandhäusern und Kettengeschäften, die zu stark reduzierten Preisen vom Hause I*** bedient werden, steht Herrn E*** eine Anerkennungsprovision, die jeweils mitgeteilt wird, zu.

4.) Die Provisionsabrechnungen erfolgen monatlich, spätestens innerhalb 30 Tagen des darauffolgenden Monates von allen herausgegangenen Fakturen.

5.) Über die gesamte Korrespondenz einschließlich aller Rechnungen erhält Herr E*** entsprechende Kopien zur Orientierung jeweils am Mittwoch zugesandt. Die Aufträge und das direkte Geschäft betreffende Berichte gehen an die Firma I***, die Vertreter-Tagesberichte gehen direkt an die Firma A*** & Co.

6.) Herr E*** hat besonders auf die Bonität der Kunden zu achten und dabei mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes vorzugehen.

..............

8.) Diese Vereinbarung wird auf unbestimmte Zeit abgeschlossen.

9.) Diese Vereinbarung kann nur gelöscht werden, bei nicht

zufriedenstellendem bzw nicht im Rahmen der Gesetze liegenden

Arbeiten seitens eines der beiden Partner.

10.) Punkte dieser Vereinbarung können nur mit Zustimmung beider

Teile geändert bzw ergänzt werden.

11.) Es wird ausdrücklich festgehalten, daß Herr E*** nur

die Firma I*** SA, Fabrique de Bas et Tricots, 1020 Renens-Suisse

und die Firma Kleiderfabrik A*** & Co., 6700 Bludenz vertritt.

............"

Die vom Kläger vorgelegte Vertragsurkunde trägt am Ende des Vertragstextes unter den mit Maschine geschriebenen Worten "I*** S.A." den Namenszug "R.B***". Wie das Berufungsgericht annimmt, hat Hilda B*** - einzelzeichnungsberechtigter Verwaltungsrat und Repräsentant der E*** - diese Vertragsurkunde auch tatsächlich selbst unterschrieben. Sie war nicht berechtigt, die beklagte Partei beim Abschluß des Handelsvertretervertrages mit dem Kläger zu vertreten; sie hat bei der beklagten Partei keine Organstellung inne.

Der Kläger schickte ein ihm übermitteltes Exemplar dieses Vertrages - gemeint offenbar: eines weiteren, mit 1.8.1973 datierten Entwurfes - welches schon von Hilda B*** unterfertigt worden war, der E*** nach Vaduz zurück und nahm dabei auf dem Originalvertrag verschiedene Korrekturen vor; so führte er ua. an, daß der Gerichtsstand Wien gelten solle. In ihrem Antwortschreiben vom 3.11.1973 rügte die E*** diese Änderungen, billigte aber den Gerichtsstand Wien. Andere vom Kläger vorgeschlagene Änderungen, insbes. bei den Punkten 9) und 11) des Vertrages, wurden von der E*** ausdrücklich abgelehnt.

Die beklagte Partei hat der E*** die Generalvertretung für das Gebiet der Republik Österreich übertragen.

Die erste Kollektion von Waren der beklagten Partei wurde mit der Bahn express übermittelt und vom Kläger selbst übernommen. Die nächste Kollektion übernahm der Kläger etwa im Juli 1973 am Sitz der beklagten Partei in Renens. Einmal - 1977 oder 1978 - übernahm der Kläger eine Kollektion der beklagten Partei bei Siegfried A*** in Dornbirn; sonst wurden ihm die Kollektionen durch ein Speditionsunternehmen übermittelt. Der Kläger hatte alle Erzeugnisse der beklagten Partei, und zwar Kleider, Blusen, Röcke und Strickwaren, zu vertreten. Anläßlich des Besuches in Renens wurden ihm in allen Abteilungen der beklagten Partei deren jeweilige Produkte vorgeführt.

Die Aufträge für I***-Produkte sandte der Kläger nie an die E***, sondern immer direkt an die beklagte Partei, wobei er sich der gedruckten Auftragsformulare der beklagten Partei bediente. Die Provisionsabrechnungen erhielt er stets über die E***. Bei Beanstandungen, die seine Provisionen betrafen, wandte er sich immer sogleich an Direktor NUßB*** von der beklagten Partei; er erhielt dann immer sehr rasch sein Geld. Die Provisionszahlungen wurden im bargeldlosen Verkehr von der E*** auf das Konto des Klägers bei der Ersten Österreichischen Spar-Casse in Wien unter der Bezeichnung "I*** Prov." überwiesen. In Form interner Noten übermittelte die beklagte Partei dem Kläger nicht nur bloße Mitteilungen über die Lieferung bestimmter I***-Produkte, sondern auch regelrechte Weisungen für seine Vertretertätigkeit. Von der beklagten Partei bekam der Kläger auch Visitenkarten, welche ihn als ihren Vertreter auswiesen. Die beklagte Partei bezeichnete den Kläger auch in wiederholten Schreiben an ihn selbst oder an ihre Kunden als "ihren" Vertreter. Zu wiederholten Malen hat sich die beklagte Partei auch beim Kläger für seine Mitarbeit und seine Anstrengungen bedankt. Am Beginn der Tätigkeit des Klägers war die beklagte Partei mit ihren Produkten in Österreich noch nicht eingeführt. Der Kläger hat den Vertrieb dieser Erzeugnisse im Lauf der Zeit bis zu einem Jahresumsatz von mehreren Millionen Schilling gesteigert. Er hat von der beklagten Partei im Jahr 1976 S 388.088, im Jahr 1977 S 460.949 und im Jahr 1978 S 167.483 an Provisionen ausgezahlt erhalten. Eine Umsatzverringerung hat sich bei der Tätigkeit des Klägers aus folgenden Umständen ergeben: Anfang 1977 ordnete Direktor NUßB*** an, daß der Kläger nur noch Röcke und Strickwaren vertreten sollte, während der Vertrieb von Kleidern und Blusen einem anderen Vertreter obliegen solle. Zum Ausgleich dafür wurde das Vertretungsgebiet des Klägers erweitert, was sich jedoch nicht auswirkte. Später, aber noch im Jahr 1977, wurden die gutgehenden Artikel, nämlich die klassischen Strickwaren, aus der Vertretung des Klägers herausgenommen; mit diesen Erzeugnissen reiste in der Folge Rainer S*** im Vertretungsgebiet des Klägers, ohne daß dieser hiefür eine Entschädigung erhielt. Weitere Schwierigkeiten ergaben sich bei der Tätigkeit des Klägers später auch dadurch, daß die beklagte Partei kleinere Kunden nicht so gut belieferte wie große und daß auch Reklamationen nicht mehr anerkannt wurden. In einem Schreiben der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Wien vom 2.11.1978 ließ der Kläger die E*** auffordern, sich innerhalb von 14 Tagen dazu zu äußern, in welcher Form sie seine Gesamtforderung an zu Unrecht nicht ausgezahlten Provisionen und Kursdifferenzen im Gesamtbetrag von S 302.763 regulieren wolle. In ihrem von Hilda Batliner unterfertigten Antwortschreiben vom 22.12.1978 teilte die E*** dem Kläger mit, daß sie die Vertretungsvereinbarung vom 21.2.1973 per 31.12.1978 aufhebe, weil der Kläger Punkt 6 des Vertrages überhaupt nicht eingehalten, vielmehr der beklagten Partei unvertretbar hohen Schaden verursacht habe; auch habe er gegen Punkt 11 des Vertrages verstoßen und ohne Zustimmung der E*** andere Vertretungen übernommen, wodurch der Umsatz mit I***-Erzeugnissen in seinem Gebiet stark gefallen sei. Nach dieser Kündigung seines Vertragsverhältnisses wies der Kläger in einem an die E*** gerichteten Schreiben vom 27.12.1978 die gegen ihn erhobenen Vorwürfe zurück und machte einen Entschädigungsanspruch geltend. Erst mit einem Schreiben seiner Rechtsanwälte erhob der Kläger Ansprüche gegen die beklagte Partei. Nicht erwiesen ist, daß der Kläger Aufträge von Kunden trotz mangelnder Bonität entgegengenommen hätte. In einem Schreiben vom 8.3.1976 teilte er der beklagten Partei mit, daß er wegen ihrer Lieferschwierigkeiten gezwungen sei, auch für andere Unternehmen tätig zu sein. Bis zum Schreiben vom 22.12.1978 hat die beklagte Partei dies nicht beanstandet. Tatsächlich ergibt sich aus wiederholten internen Noten der beklagten Partei an den Kläger, daß die beklagte Partei bei einzelnen Produkten Lieferschwierigkeiten hatte oder einzelne Erzeugnisse aus dem Vertrieb herausnahm. Während seiner Vertretertätigkeit für die beklagte Partei hat der Kläger seinen Haupterwerb aus dieser Vertretung bezogen; seine Tätigkeit für die Kleiderfabrik A*** & Co. war nur von untergeordneter Bedeutung. Er arbeitete auch für ein Unternehmen, das Trainingsanzüge vertrieb; dort verdiente er aber nur S 12.000 bis S 14.000. Danach, aber erst im Jahr 1978, arbeitete er für eine Firma F***, von welcher er eine Jahresprovision von S 100.000 bezog.

Rechtlich ging das Berufungsgericht davon aus, daß der vom Kläger abgeschlossene Handelsvertretervertrag gemäß § 36 IPRG nach österreichischem Recht zu beurteilen sei. Von einem Scheingeschäft könne entgegen der Meinung des Erstgerichtes keine Rede sein; Vertragspartner des Klägers sei die E*** gewesen, welche als Generalvertreterin der beklagten Partei berechtigt gewesen sei, diese Vertretung für das aus Punkt 1 des Vertrages ersichtliche Gebiet an den Kläger weiterzuübertragen. Für die beklagte Partei sei daraus keine vertragliche Verpflichtung entstanden, weil das Verfahren keinen Hinweis darauf ergeben habe, daß Hilda B*** zur Vertretung der beklagten Partei berechtigt gewesen wäre. Ebenso fehle es an einem Verhalten der beklagten Partei, aus dem der Kläger auf eine Bevollmächtigung der E*** zum Abschluß seines Handelsvertretervertrages hätte schließen können. Auch die Korrespondenz, welche sogar zu einer teilweisen Vertragsänderung geführt habe, sei zwischen dem Kläger und der E*** geführt worden. Demgegenüber komme der Tatsache, daß der Kläger Produkte der beklagten Partei verkaufte, welcher er auch seine Berichte übermittelte, und daß die Ware unmittelbar von der beklagten Partei ausgeliefert wurde, keine entscheidende Bedeutung zu, weil alle diese Umstände letztlich darauf zurückzuführen seien, daß die beklagte Partei der E*** die Generalvertretung für Österreich übertragen und der Vertrieb ihrer Produkte in Österreich eine Zusammenarbeit und einen Informationsaustausch zwischen der Erzeugerin und dem Kläger notwendig gemacht habe. Daß auch der Kläger die E*** als seine Vertragspartnerin angesehen habe, ergebe sich aus dem Schreiben der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Wien vom 2.11.1978 und aus der schriftlichen Reaktion des Klägers auf seine - von der E*** ausgesprochene - Kündigung. Sei aber der Handelsvertretervertrag zwischen dem Kläger und der E*** zustande gekommen, dann bestehe der gegen die beklagte Partei erhobene Entschädigungsanspruch nicht zu Recht. Das Urteil des Berufungsgerichtes wird vom Kläger mit Revision aus dem Grund des § 503 Abs 1 Z 4 ZPO bekämpft. Der Kläger beantragt, die angefochtene Entscheidung im Sinne der Wiederherstellung des erstgerichtlichen Zwischenurteils abzuändern; hilfsweise stellt er einen Aufhebungsantrag.

Die beklagte Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist berechtigt.

Das Berufungsgericht hat seine Auffassung, daß der Handelsvertretervertrag des Klägers nach österreichischem Recht zu beurteilen sei, mit einem Hinweis auf § 36 IPRG begründet. Es hat dabei - abgesehen davon, daß die mit einer Vertretung der Beklagten durch die E*** zusammenhängenden Fragen nicht nach dem für das Ausführungsgeschäft maßgebenden Recht (§ 36 IPRG), sondern nach dem Stellvertretungsstatut des § 49 IPRG zu beurteilen

wären - übersehen, daß das IPR-Gesetz erst am 1.1.1979 in Kraft getreten und daher auf die hier zu beurteilende, 1973 abgeschlossene und schon 1978 wieder aufgehobene Vereinbarung noch nicht anzuwenden ist (SZ 52/10; SZ 52/163; SZ 53/31; EvBl 1984/111 uva). Die an seiner Stelle heranzuziehenden Verweisungsnormen der §§ 33 ff ABGB aF führen jedoch zu keinem anderen Ergebnis. Auch im Geltungsbereich der Kollisionsnormen des ABGB war die Vollmacht nach herrschender Auffassung einem Sonderstatut unterworfen, nämlich - mangels einer für den Dritten erkennbaren abweichen Absicht des Vollmachtgebers - nach dem Recht des "Wirkungslandes", also des Staates, in welchem von ihr tatsächlich Gebrauch gemacht wurde (sogenannter "realer Gebrauchsort"; siehe dazu bes Raape, IPR 5 , 503; Hausmann in Reithmann, Internationales Vertragsrecht 3 , 585 f Rdz 585; Ferid, IPR Rdz 5-153; von Caemmerer, Die Vollmacht für schuldrechtliche Geschäfte im deutschen internationalen Privatrecht, Rabels 1959, 201 ff, 207; Soergel-Lüderitz, Kommentar zum BGB 11 VIII Rdz 293 ff vor Art.7 EGBGB; vgl. auch Kegel, IPR 4 , 277; Firsching, Einführung in das IPR 193; ähnlich auch SZ 42/ 103). Nach diesem Statut sind im Außenverhältnis, also gegenüber dem Vertragspartner des Vertreters, nicht nur die Fragen der Erteilung, des Bestehens, der Auslegung und des Umfanges der Vollmacht zu beurteilen, sondern besonders auch die weitere Frage, ob trotz des Fehlens einer ausdrücklich oder stillschweigend erteilten Vollmacht der Vertretene sich aus Gründen des Verkehrsschutzes so behandeln lassen muß, als hätte er Vollmacht erteilt (Hausmann aaO 584, 594 f; Ferid aaO RZ 5-140; von Caemmerer aaO 203 f). Mit dieser Anknüpfung an das Recht des "realen Gebrauchsortes" werden vor allem die Interessen des Drittkontrahenten gewahrt, welcher sich bei der Prüfung der Wirksamkeit und des Umfanges der Vollmacht an das ihm in der Regel vertraute materielle Vertretungsrecht halten kann; sein Bedürfnis, den Umfang der Vollmacht leicht prüfen und zuverlässig feststellen zu können, genießt den Vorrang vor dem Interesse des Vollmachtgebers, welcher das Risiko der Stellvertretung eingegangen ist (Hausmann aaO 586 Rdz 677). Hat aber das vom Vertreter abgeschlossene Rechtsgeschäft seinen Schwerpunkt in einem bestimmten Land, dann liegt der "Gebrauchsort" in diesem Land, und das dortige Recht bestimmt - als Vollmachtsstatut - auch über die mit der Vertretung zusammenhängenden Fragen (Staudinger-Firsching, Komm zum BGB 10/11 , 314 f Rdz 230 f vor Art 12 EGBGB; Hausmann aaO 591 Rdz 687; Soergel-Lüderitz aaO Rdz 296).

Im vorliegenden Fall hat die Beklagte der E*** die Generalvertretung für Österreich übertragen. Da der von der E*** in dieser Eigenschaft mit dem Kläger abgeschlossene Vertrag vom 21.2.1973 die "Vertretung und Repräsentanz" der Beklagten auf einem Teil des österreichischen Marktes zum Gegenstand hatte, war der Schwerpunkt seiner Auswirkungen eindeutig in diesem örtlichen Bereich gelegen. Nach den oben angeführten Grundsätzen müssen dann aber auch die mit einer allfälligen Vertretung der Beklagten durch die E*** beim Abschluß des Vertrages zusammenhängenden Fragen gegenüber dem Kläger nach österreichischem Recht - als dem im konkreten Fall maßgebenden

Vollmachtsstatut - beurteilt werden.

Damit erweist sich aber die Rechtsrüge des Klägers als begründet: Nach dem das Stellvertretungsrecht beherrschenden Offenlegungsgrundsatz muß derjenige, der nicht im eigenen Namen, sondern als Vertreter eines anderen abschließt, dies nach den Grundsätzen von Treu und Glauben eindeutig zum Ausdruck bringen, falls es dem anderen Teil nicht ohne weiteres erkennbar ist.

Maßgebend sind dabei die Umstände, unter denen der Vertreter dem

Kontrahenten gegenübertritt; sie sind unter Berücksichtigung der

Verkehrssitte (§ 863 Abs 2 ABGB) und einer natürlichen Auffassung

der dem Rechtsverkehr zugrunde liegenden Lebensverhältnisse zu

würdigen. Da für den Dritten Klarheit darüber bestehen muß, daß sein

Partner nicht im eigenen Namen, sondern im Namen eines anderen

handelt, muß der Zuordnungswille des Handelnden - und sei es auch

nur aus den Umständen, unter denen die Handlung vorgenommen

wird - klar erkennbar sein. Entscheidend ist letztlich, wie sein

Verhalten nach der Verkehrssitte von dem Dritten verstanden werden

muß; der Wille des Handelnden tritt demgegenüber in den Hintergrund

und kann unter Umständen sogar völlig bedeutungslos sein. Die

Behauptungs- und Beweislast dafür, daß jemand nicht im eigenen

Namen, sondern im Namen eines anderen als dessen direkten

Stellvertreter aufgetreten ist, trifft allerdings denjenigen, der

daraus Rechte ableitet (Arb 9973 = EvBl 1981/168 mwN;

SZ 50/119 = GesRZ 1977, 140;

SZ 51/102 = EvBl 1979/12 = GesRZ 1979, 39;

SZ 53/138 = GesRZ 1981, 42; JBl 1980, 535;

JBl 1983, 97 = GesRZ 1982, 54 = RZ 1982/36;

JBl 1985, 616 = RdW 1985, 211; RdW 1985, 337 ua;

Koziol-Welser 7 I 149; Strasser in Rummel, ABGB, Rdz 50 zu § 1002).

Nach den Feststellungen der Vorinstanzen hatte die beklagte

Partei der E*** die Generalvertretung ihrer Erzeugnisse für das

Gebiet der Republik Österreich übertragen. Mit Vertrag vom 21.2.1973

übertrug die E*** diese "Vertretung und Repräsentanz" für den

in Punkt 1) angeführten Teil des österreichischen Bundesgebietes dem

Kläger. Daß die E*** zu einer solchen (teilweisen) Weitergabe

ihrer Vertretungsbefugnis an einen Untervertreter (§ 1010 ABGB)

nicht berechtigt gewesen wäre, hat die beklagte Partei nie

behauptet. Dem Kläger stand also beim Abschluß der Vereinbarung vom

21.2.1973 tatsächlich die E*** gegenüber. Daß diese dabei nicht

im eigenen Namen, sondern als Bevollmächtigte der beklagten Partei

aufgetreten ist, war allerdings dem Wortlaut des Vertrages selbst

noch nicht eindeutig zu entnehmen. Dessen Punkt 2), wonach dem

Kläger "von der Firma I***... die Vertretung und

Repräsentanz...übertragen" wurde, deutete zwar in diese Richtung;

auch die im Briefkopf der E*** angeführte Tätigkeitsbezeichnung

"Internationale Vertretungen, Vermittlungen und Beratungen" sowie

die in Punkt 5) des Vertrages normierte Verpflichtung des Klägers,

die Aufträge und die das direkte Geschäft betreffenden Berichte der

beklagten Partei zu übermitteln, konnten vom Kläger in diesem Sinn verstanden werden. Daß die dem Vertragsabschluß folgende, zu einer teilweisen Änderung des Vertrages führende Korrespondenz zwischen dem Kläger und der E*** geführt wurde, stand einer solchen Annahme nicht entgegen, war es doch nur folgerichtig, daß sich der Kläger mit derartigen Wünschen an jene Rechtsperson wandte, die auch den ursprünglichen Vertretungsvertrag unterzeichnet hatte. Unter dem gleichen Gesichtspunkt muß auch die Tatsache gesehen werden, daß der Kläger auf die schriftliche Kündigung zunächst gleichfalls nur gegenüber der E*** reagiert hat.

Damit waren freilich noch nicht alle objektiven Zweifel über den Zuordnungswillen der E*** beseitigt; die von der Rechtsprechung hierüber geforderte Klarheit wurde aber durch das nachfolgende Verhalten der beklagten Partei geschaffen, welches nicht nur zweifelsfrei erkennen ließ, daß die E*** beim Abschluß des Vertrages tatsächlich als Vertreterin der beklagten Partei aufgetreten war, sondern zugleich auch vom Kläger nur als Genehmigung dieser Vertretungshandlung der E*** im Sinne des § 1016 ABGB aufgefaßt werden konnte: Wie die Vorinstanzen als erwiesen angenommen haben, sandte der Kläger die ihm von seinen Kunden erteilten Aufträge nie an die E***,

sondern - entsprechend seiner vertraglichen Verpflichtung - immer an die beklagte Partei; bei der Entgegennahme dieser Aufträge bediente er sich der ihm von der beklagten Partei zur Verfügung gestellten, ausschließlich die Firmenbezeichnung der beklagten Partei tragenden Auftragsformulare. Daß der Kläger seine Provisionsabrechnungen immer über die "E*** erhielt und auch die Provisionszahlungen selbst von ihr überwiesen wurden, konnte ihn nicht weiter überraschen, war ihm doch schon vor dem Abschluß seines Vertrages die E*** als "Verrechnungsstelle" der beklagten Partei bezeichnet worden. Bei Beanstandungen, die seine Provisionen betrafen, wandte er sich dann aber immer - und zwar mit Erfolg - an Direktor NUßB*** von der beklagten Partei. Wird überdies berücksichtigt, daß die beklagte Partei dem Kläger in Form interner Noten nicht nur Mitteilungen über die Lieferung bestellter I***-Produkte, sondern auch regelrechte Weisungen betreffend seine Vertretertätigkeit übermittelte und ihm überdies auch Visitenkarten ausfolgte, die ihn als ihren Vertreter auswiesen, dann kann das entgegen der Meinung des angefochtenen Urteils nicht mehr allein damit erklärt werden, daß die Verkaufstätigkeit des Klägers in Österreich eben zwangsläufig eine Zusammenarbeit und einen Informationsaustausch mit der beklagten Partei mit sich brachte. Das von den Vorinstanzen festgestellte Verhalten der beklagten Partei konnte vielmehr vom Kläger nur dahin verstanden werden, daß die beklagte Partei das von der E*** für sie abgeschlossene Rechtsgeschäft und damit das Zustandekommen unmittelbarer Vertragsbeziehungen zwischen ihr und dem Kläger zumindest genehmigte. Hatte sie damit aber beim Kläger den Eindruck erweckt, mit den von der E*** für sie vorgenommenen Vertretungshandlungen einverstanden zu sein, dann muß sie auch das Kündigungsschreiben der E*** vom 22.12.1978 gegen sich gelten lassen.

Auch der Verjährungseinwand der beklagten Partei ist nicht berechtigt: Gemäß § 25 Abs 4 HVG ist ein Anspruch auf Entschädigung bei sonstigem Ausschluß innerhalb von drei Jahren nach der Lösung des Vertragsverhältnisses geltend zu machen. Da der von den Parteien abgeschlossene Vertretungsvertrag mit Wirkung vom 31.12.1978 aufgehoben wurde, war diese Fallfrist weder bei Überreichung der - zunächst nur auf Zahlung von S 250.000,- gerichteten - Klage am 9.8.1979 noch bei der späteren Ausdehnung dieses Begehrens auf Zahlung von S 254.130,- am 19.3.1981 abgelaufen.

Das Erstgericht hat ein schuldbares Verhalten des Klägers, welches der beklagten Partei begründeten Anlaß zur Kündigung des Vertragsverhältnisses gegeben hätte, verneint und zugleich als erwiesen angenommen, daß die beklagte Partei aus der Tätigkeit des Klägers auch nach dessen Ausscheiden fortbestehende Vorteile erlangt hat (§ 25 Abs 1 HVG). In ihrer Berufung hat die beklagte Partei die entsprechenden Sachverhaltsfeststellungen des Ersturteils wegen unrichtiger Beweiswürdigung und unrichtiger Tatsachenfeststellung bekämpft. Da sich das Berufungsgericht - von seiner unrichtigen Rechtsansicht über die Passivlegitimation der beklagten Partei ausgehend - mit dieser Beweisrüge nicht beschäftigt hat, kann über das Entschädigungsbegehren auch nur dem Grunde nach noch nicht abgesprochen werden. Das angefochtene Urteil war vielmehr aufzuheben und die Rechtssache zur ergänzenden Verhandlung und neuen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

Anmerkung

E08156

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0040OB00137.84.0325.000

Dokumentnummer

JJT_19860325_OGH0002_0040OB00137_8400000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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