TE OGH 1986/4/3 7Ob528/86

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Veröffentlicht am 03.04.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Petrasch, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr. Friedl, Dr. Warta und Dr. Egermann als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Friedrich M***, Landwirt, Graz, Hohenberg 1, vertreten durch Dr. Siegfried Leitner, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagten Parteien 1.) Margarete T***, Landwirtin, und 2.) Josef T***, Landwirt und Maurer, beide wohnhaft in Graz, Schöcklstraße 51, beide vertreten durch Dr. Franz Kodolitsch, Rechtsanwalt in Graz, wegen Rechnungslegung und Zahlung (Streitwert S 120.000,--) infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 2. Oktober 1985, GZ 4 R 159/85-23, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Graz vom 10. Mai 1985, GZ 14 Cg 21/84-18, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Kläger ist schuldig, den Beklagten die mit S 8.143,64 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 565,79 an Umsatzsteuer und S 1.920,-- an Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Der Kläger ist Eigentümer des Grundstückes 23 der KG Weinitzen. Dieses Grundstück wird im Westen von dem den Beklagten gehörigen Grundstück 20 KG Weinitzen begrenzt. Beide Grundstücke sind seit alters her mit Wald bestanden, der in gewissen Zeitabständen von den jeweiligen Eigentümern der Nutzung durch Schlägerung unterzogen wurde. Die von den Beklagten seit 1978 vorgenommenen Schlägerungen hielten sich nicht an die Grenze der Katastralmappe zwischen beiden Grundstücken, sondern überschritten diese nach Osten auf das Grundstück 23.

Der Kläger begehrt die Verurteilung der Beklagten zur Rechnungslegung über die Nutzung des Grundstückes 23 seit 1978 und über den Erlös der dort seit 1978 vorgenommenen Schlägerungen, weiters zur Zahlung dieses Erlöses. Für den Fall der Abweisung dieses Begehrens verlangt der Kläger die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von S 80.000,-- s.A.

Die Beklagten beantragen die Abweisung der Klage und wenden ein, sie und ihre Rechtsvorgänger hätten das Grundstück 20 seit dem Erwerb im Jahre 1926 stets so wie seit 1978 genutzt, in der Meinung, die nunmehr laut Katastralmappe als zum Grundstück 23 zugehörig ausgewiesene Teilfläche sei Teil des seinerzeit erworbenen Grundstückes 20. Durch diese Nutzungshandlungen, denen der Kläger und seine Rechtsvorgänger bis 1983 nicht widersprochen hätten, sei Ersitzung der strittigen Fläche zugunsten der Beklagten eingetreten. Das Erstgericht wies das Haupt- und das Eventualbegehren ab. Es traf im wesentlichen folgende Feststellungen:

Der Kläger hat das Grundstück 23 von seiner Mutter im Jahre 1966 geerbt.

Der Zweitbeklagte hat im Jahre 1970 den elterlichen Grundbesitz, darunter auch das Grundstück 20, zur Hälfte und 1979, nach dem Tod seiner Mutter, zur Gänze übernommen und noch 1979 der Erstbeklagten, seiner Gattin, zur Hälfte übergeben.

Seit dem Jahre 1926, als sie die Liegenschaft unter anderem mit dem Grundstück 20 erworben haben, wurde von den Rechtsvorgängern der Beklagten auch ein Teil des Grundstückes 23, der in der Skizze Beilage I durch die Punkte A, B, C und D begrenzt wird, in der Weise genutzt, daß sie in diesem Schlägerungen entweder selbst durchführten oder hiefür den Auftrag erteilten, daß sie den Wald ausputzten, Brennholz und Laub sammelten und Streu rechten. Die Beklagten setzten diese Nutzung in gleicher Weise fort. Von der Nutzung des streitgegenständlichen Bereiches durch die Beklagten und deren Rechtsvorgänger hatten der Kläger und seine Rechtsvorgänger Kenntnis, ohne sich bis zum Oktober 1983 dagegen auszusprechen. Im Jahre 1950 oder 1951 wurde Windbruchholz, das unter anderem auch auf dem gegenständlichen Bereich anfiel, teils vom Vater des Beklagten, teils in dessen Auftrag von einem Friedrich K***, aufgearbeitet. In den Jahren Anfang 1951 bis Anfang 1956 hat Peter H***, der Halbbruder des Zweitbeklagten, seinem Stiefvater bei Schlägerungsarbeiten auf dem streitgegenständlichen Bereich geholfen. Bei diesen Schlägerungen wurden der Vater des Zweitbeklagten und Peter H*** vom Vater des Klägers gesehen, ohne daß dieser etwas dagegen gesagt hätte.

Im Jahre 1960 hat der Vater des Zweitbeklagten im strittigen Bereich Lärchen, die er für den Bau eines Schweinestalles benötigte, geschlägert. Zumindest seit 1959 hatte der Vater des Zweitbeklagten in eben diesem Bereich eine kleine Rindenhütte, die als Unterstand dienen sollte, aufgestellt. Sie verfiel nach dem Tode des Vaters des Zweitbeklagten im Jahre 1960.

Die Mutter des Zweitbeklagten hat in dem strittigen Bereich die Nutzung insbesondere durch Laubsammeln und Streurechen duchgeführt; sie wurde dabei wiederholt von Anrainern gesehen.

Der Zweitbeklagte, der schon seit 1970 in dem gegenständlichen Bereich Brennholz gesammelt hatte, schlägerte dort 1978 mit Unterstützung von Peter H***, Friedrich Z*** und Hermann L*** 35 bis 40 Festmeter Fichtenholz, entsprechend etwa 40 Bäumen, als Bauholz für einen Dachstuhl. Er wurde dabei vom Kläger gesehen. Der Kläger sagte nicht, daß der Zweitbeklagte in diesem Bereich nicht schlägern dürfe.

Nach 1978 hat der Zweitbeklagte in dem strittigen Bereich laufend Brennholz geschlägert. Es handelte sich um nicht lebensfähige Bäume mit einem Durchmesser von 10 - 12 cm. Friedrich Z*** und Hermann L*** halfen ihm dabei.

Daß der Kläger und seine Rechtsvorgänger jemals den strittigen Bereich durch Schlägerungen, Brennholzentnahmen, Laubsammeln oder dergleichen genutzt hätten, kann nicht festgestellt werden. Bei einer gemeinsamen Grenzbegehung Mitte oder Ende Oktober 1983 warf der Kläger dem Zweitbeklagten unter Hinweis auf einen Lageplan (wie Beilage A) vor, er habe auf seinem, des Klägers, Grund Holz geschlägert. Der Zweitbeklagte erwiderte, daß dies nicht richtig sein könne; die Beklagten hätten immer dort geschlägert. Vor dieser Grenzbegehung war zwischen den Streitteilen nie die Rede davon, daß der Zweitbeklagte über die Grundgrenze hinübergeschlägert habe. In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Erstgericht aus, daß die Rechtsvorgänger der Beklagten den Besitz der strittigen Teilfläche des Grundstückes 23 auf echte Art erworben hätten und während der gesamten 30-jährigen Ersitzungszeit guten Glaubens gewesen seien, diese Teilfläche gehöre zu dem von ihnen erworbenen Grundstück 20. Eine Aufklärung, daß dies nicht der Katastralmappengrenze entspreche, hätten sie erst 1983 erhalten, als die Ersitzung längst vollendet gewesen sei. Die Beklagten und ihre Rechtsvorgänger hätten die strittige Teilfläche ständig allein und ohne Widerspruch des Klägers oder seiner Rechtsvorgänger genutzt. Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden hat, S 60.000,--, nicht aber S 300.000,-- übersteigt, und erklärte die Revision für zulässig. Das Berufungsgericht übernahm die Feststellungen des Erstgeriches als unbedenklich und billigte die rechtliche Beurteilung des Erstgerichtes. Tätigkeiten wie Abstocken, Einsammeln von Streu und Bruchästen seien nur dann mangels Besitzausschließlichkeitscharakters nicht als taugliche Besitzerwerbungsarten anzusehen, wenn verschiedene Besitzausübungshandlungen beider Seiten vorlägen, die sich gegenseitig nicht ausschlössen. Die Beklagten und ihre Rechtsvorgänger hätten jedoch zumindest seit 1930 allein Besitzausübungshandlungen auf der strittigen Grundfläche gesetzt. Eine solche, für jedermann deutlich in Erscheinung tretende alleinige Besitzausübung entfalte die erforderliche Ausschließlichkeitswirkung des § 312 ABGB, weil die Holzbewirtschaftung des Waldes heute die wesentlichste Nutzungsart geworden sei. Auch in der Rechtsprechung werde der Standpunkt vertreten, daß die Ausübung aller "bäuerlichen Nutzungen", wie Laubsammeln, Aufforsten und Holzschlägern im Rahmen des Möglichen, sichtbar zum Ausdruck bringe, daß die solcherart bearbeiteten Flächen von ihren Bearbeitern als ihnen gehörig angesehen werden und die Besitzausübung somit in einer Weise erfolge, die eine ebensolche an den Flächen durch andere für jedermann erkennbar nicht zulasse. Hätten daher die Beklagten und ihre Rechtsvorgänger seit spätestens 1930 auf der strittigen Fläche für Nachbarn erkennbar regelmäßig Laub eingebracht, nach Möglichkeit und Erforderlichkeit Holz geschlägert, den Baumbestand von Unterholz gesäubert und dabei Brennholz gewonnen, während der Kläger und seine Rechtsvorgänger im strittigen Bereich keinerlei Nutzungshandlungen gesetzt haben, lägen von der Beklagtenseite Besitzausübungshandlungen vor, denen Ausschließlichkeitscharakter zuzubilligen sei. Die Revision sei zuzulassen gewesen, da die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage, welche Besitzausübungshandlungen bei einem Waldgrundstück nach außen erkennbar Ausschließlichkeitscharakter aufweisen, widersprüchlich sei.

Der Kläger bekämpft das Urteil des Berufungsgerichtes mit Revision aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung und beantragt, es im klagestattgebenden Sinn abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagten beantragen, die Revision zurückzuweisen, da die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes nicht widersprüchlich sei und das Berufungsgericht dieser Rechtsprechung folge.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht zulässig.

Nach § 1460 ABGB wird zur Ersitzung nebst der Fähigkeit der Person und des Gegenstandes erfordert, daß jemand die Sache oder das Recht, die auf diese Art erworben werden sollen, wirklich besitze; daß sein Besitz rechtmäßig, redlich und echt sei, und durch die ganze von dem Gesetz bestimmte Zeit fortgesetzt werde. Zur Ersitzung des Eigentums ist Sachbesitz, und zwar Alleinbesitz erforderlich, das heißt, ein Besitz dergestalt, daß er anderen Besitz ausschließt. Alleinbesitz liegt nicht vor, wenn der Ersitzungsgegner während der Ersitzungszeit Handlungen setzt, die sich als Ausübung des Eigentumsrechts darstellen, wobei auch bloß einmalige Ausübung genügt. Nach Ablauf der Ersitzungszeit gesetzte Besitzhandlungen des Gegners sind ohne Bedeutung (Schubert in Rummel, ABGB, Rdz 2 zu § 1460; SZ 44/190).

Die Besitzausübung muß nach Inhalt und Umfang dem zu erwerbenden Recht entsprechen (Klang in Klang 2 VI 577, SZ 45/45, SZ 44/190). Die Besitzergreifungshandlungen bestimmen den Inhalt des Besitzes und damit jenen des zu erwerbenden Rechtes (EvBl 1978/165). Typische Arten der Ausübung des Sachbesitzes an unbeweglichen Sachen sind Betreten, Verräumung, Einzäunung, Bezeichnung oder Bearbeitung (§ 312 ABGB). Allen diesen Arten der Besitzausübung ist gemeinsam, daß sie die volle Zugehörigkeit der Sache zum Ausübenden sichtbar zum Ausdruck bringen (Schey, Klang in Klang 2 II 75 f, JBl. 1966, 564).

Besitzakte, die diese volle Zugehörigkeit nicht zum Ausdruck bringen, reichen zum Erwerb des Sachbesitzes nicht aus, wie etwa die Nutzung eines Waldgrundstückes durch Einsammeln von Streu und Bruchästen (SZ 25/76). Es genügt aber die Vornahme aller bäuerlichen (forstwirtschaftlichen) Nutzungen wie Laubsammeln, Aufforsten und im Rahmen des Möglichen Holzschlägern, da auf diese Weise sichtbar zum Ausdruck gebracht wird, daß die Grundstücke als den Nutzenden allein gehörig betrachtet und in Anspruch genommen werden und der Besitz in einer Weise ausgeübt wird, die eine Besitzausübung durch andere nicht zuläßt (4 Ob 609, 610/75, 6 Ob 600/82, 5 Ob 108/74, 5 Ob 82/75; Schubert a.a.O.). Es steht fest, daß die Beklagten und ihre Rechtsvorgänger keineswegs nur Streu und Bruchäste eingesammelt haben sondern, daß sie eine volle forstwirtschaftliche Bewirtschaftung, wie Eigentümer, durchgeführt haben. Insbesondere die festgestellten Schlägerungen und Durchforstungen sind dazu angetan, die ausschließliche Inanspruchnahme der in Betracht kommenden Nutzungen durch die Beklagten darzutun (6 Ob 600/82 u.a.). Die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes ist sohin keineswegs widersprüchlich, und das Berufungsgericht hat auch im Sinne dieser Rechtsprechung entschieden. Die Voraussetzungen für eine Zulässigkeit der Revision im Sinne des § 502 Abs. 4 Z 1 ZPO sind daher, worauf die Beklagten zutreffend hingewiesen haben, nicht gegeben.

Die Revision war deshalb zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung erfolgte nach den §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E08038

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0070OB00528.86.0403.000

Dokumentnummer

JJT_19860403_OGH0002_0070OB00528_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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