TE OGH 1986/4/3 7Ob508/86

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Veröffentlicht am 03.04.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Flick als Vorsitzenden und durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Petrasch sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr.Friedl, Dr.Warta und Dr.Egermann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.) Petra O***, Firmenteilhaberin, Ziersdorf, Kirchengasse 2, vertreten durch Dr.Johannes Nino Haerdtl, Rechtsanwalt in Wien, 2.) Dr. Monika S***, Firmenteilhaberin, Wien 18., Gersthoferstraße 146, vertreten durch Dr.Harald Posch, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Ing. Walter O***, Kaufmann, Wien 6., Esterhazygasse 34/8, vertreten durch Dr.Johannes Hock, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung und Zustimmung infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 24.Oktober 1985, GZ 1 R 189/85-10, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Versäumungsurteil des Handelsgerichtes Wien vom 26.Juli 1985, GZ 29 Cg 400/85-4, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, jeder der klagenden Parteien 7.360,65 S an Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 669,15 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Nach der gemäß § 396 ZPO für die rechtliche Beurteilung maßgeblichen Tatsachengrundlage war die am 8.Juli 1979 verstorbene Mutter der Klägerinnen, Dkfm. Maria O***, Alleineigentümerin des unter der Firma Franz W***'S Tochter, Dkfm. Maria O***, protokollierten Einzelhandelsunternehmens. Testamentserbe nach Dkfm. Maria O*** war der Beklagte, den Klägerinnen kam nur ein Pflichtteilsanspruch zu. Im Verlaufe des Verlassenschaftsverfahrens schlossen die Streitteile ein "Erbübereinkommen", das unter anderem folgende Bestimmung enthält: "Die erblasserischen Töchter .....

erhalten ihren Pflichtteil im jeweiligen Betrage von S 158.464,92 im

Wege einer Beteiligung an der erblasserischen protokollierten Firma

.... Das Ausmaß dieser Beteiligung erfolgt entsprechend dem

Verhältnis des vorgenannten jeweiligen Pflichtteilsanspruches zu dem

per 8.7.1979 festgestellten Gesamtwert der erblasserischen Firma,

das sind S 743.241. Gleichzeitig geht der verbleibende Anteil an der

erblasserischen Firma auf den Alleinerben .... über. Die konkrete

rechtliche Form und der nähere Inhalt dieser jeweiligen Beteiligung an der erblasserischen Firma, insbesondere die jeweilige Beteiligung am Gewinn und Verlust, welche den Kapital- und Arbeitseinsatz des jeweiligen Beteiligten gerecht zu berücksichtigen hat, unterliegt einer noch gesondert zu treffenden, außergerichtlichen Vereinbarung." Am 29.August 1980 wurde der Nachlaß nach Dkfm. Maria O*** dem Beklagten eingeantwortet. Zum Jahresende 1980 erklärte er den Klägerinnen, daß ihr Anteil an dem Unternehmen je 1/3 betrage, was die Klägerinnen akzeptierten. Im Auftrag des Beklagten schrieb dessen Steuerberater den jeweiligen jährlichen Unternehmensgewinn zu je 1/3 den Klägerinnen und dem Beklagten zu. Der Beklagte und die Erstklägerin, die im Unternehmen mittäig ist, erhielten ein sogenanntes Präzipum. Der Erstklägerin gegenüber erklärte der Beklagte, daß ihre Anmeldung zur Sozialversicherung nicht möglich sei, weil sie Firmenmitinhaberin sei. In der Folge vertrat der Beklagte den Klägerinnen gegenüber die Auffassung, daß beide nur stille Gesellschafter seien. Zu Beginn des Jahres 1983 erwirkte er die Eintragung im Handelsregister, daß das Unternehmen auf ihn übergegangen sei.

Nach dem Standpunkt der Klägerinnen liegt eine offene Handelsgesellschaft, allenfalls eine atypische stille Gesellschaft, vor. Die Klägerinnen begehren die Feststellung, daß zwischen den Streitteilen eine offene Handelsgesellschaft unter der Firma Franz W***'S Tochter, Dkfm. Maria O*** begründet worden sei. Die Beteiligung der Streitteile am Unternehmen sowie am Gewinn und Verlust sei mit je 1/3 gegeben. Der Beklagte sei schuldig, in die Anmeldung der offenen Handelsgesellschaft zum Handelsregister unter der bisherigen Firma mit dem Zusatz OHG zuzustimmen. Mit Eventualbegehren beantragen die Klägerinnen die Feststellung, daß sie an der protokollierten Firma als atypische stille Gesellschafter beteiligt seien, und den Beklagten schuldig zu erkennen, ihnen volle Bucheinsicht zu gewähren.

Auf der Grundlage des eingangs dargestellten Sachverhaltes fällte das Erstgericht, da die erste Tagsatzung vom Beklagten unbesucht blieb, ein Versäumungsurteil nach § 396 ZPO im Sinne des Hauptbegehrens.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 300.000 S übersteigt. Nach der Rechtsansicht des Berufungsgerichtes hätten sich die Streitteile nach dem Erbübereinkommen zum Fortbetrieb des Unternehmens unter der bisherigen Firma vereinigt. Es sei daher unerheblich, daß nicht auch den Klägerinnen Erbenstellung zugekommen sei. Das Unternehmen sei auch tatsächlich mehrere Jahre in gemeinsamer Mitunternehmerschaft fortgeführt worden. Die affectio societatis sei demnach deutlich zum Ausdruck gebracht worden. Da das Unternehmen ein Vollhandelsgewerbe sei und eine haftungsbeschränkende Gesellschaftsform nicht vereinbart worden sei, sei wegen des numerus clausus der Gesellschaftsformen eine OHG gegeben.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes erhobene Revision des Beklagten ist nicht berechtigt.

Beizupflichten ist dem Revisionswerber lediglich darin, daß hier nicht der Fall der Fortführung eines Vollhandelsgewerbes eines Einzelunternehmers durch die Erben unter gemeinschaftlicher Firma gegeben ist, der nach ständiger Rechtsprechung in der Regel die schlüssige Gründung einer offenen Handelsgesellschaft darstellt (JBl. 1968, 154; SZ 23/150; SZ 21/135 uva). Richtig ist auch, daß eine OHG nur auf der Grundlage eines Gesellschaftsvertrages zustandekommen kann, wobei allerdings der Abschluß des Gesellschaftsvertrages auch schlüssig erfolgen kann (Kastner 4 69; Hämmerle-Wünsch 3 2, 55; Aicher-Ostheim, OHG und Erbengemeinschaft in ÖJZ 1981, 257; Hueck, Das Recht der OHG 4 58). Nach herrschender Auffassung entsteht eine offene Handelsgesellschaft auch ohne den rechtsgeschäftlichen Willen der Gesellschafter, eine OHG gründen zu wollen, soferne nur die Voraussetzungen einer solchen vorliegen (Aicher-Ostheim aaO; Hueck aaO 14; Jud-Nitsch GesRZ 1976, 88; Schlegelberger-Geßler 4 Rdz 3 zu § 105 HGB). Gegen die Annahme einer schlüssigen Gründung einer offenen Handelsgesellschaft ohne einen darauf gerichteten Rechtsgeschäftswillen der Beteiligten har zwar Bydlinski (Privatautonomie 31 f) Bedenken erhoben. Demgegenüber weisen aber Aicher-Ostheim (aaO 255) zutreffend darauf hin, daß nicht alle durch ein rechtsgeschäftliches Verhalten ausgelösten Rechtsfolgen von den Parteien tatsächlich auch gewollt sein müssen (vgl. Koziol-Welser 7 I 78; Rummel in Rummel, ABGB, Rdz 6 zu § 869; Bydlinski aaO 7 f; Gschnitzer in Klang 2 IV/1 8). Liegen die Voraussetzungen einer offenen Handelsgesellschaft - Abschluß eines Gesellschaftsvertrages, gerichtet auf den Betrieb eines Vollhandelsgewerbes unter gemeinsamer Firma zum Zwecke der Gewinnerzielung bei fehlender Haftungsbeschränkung der Beteiligten gegenüber den Gesellschaftsgläubigern - vor, kommt es auch ohne den Willen der Beteiligten, eine OHG gründen zu wollen, zur Entstehung einer OHG (Aicher-Ostheim aaO; Jud-Nitsch aaO; Schlegelberger-Geßler aaO). Nach Aicher-Ostheim folgt dies aus dem numerus clausus im Gesellschaftsrecht und der Einrichtung der offenen Handelsgesellschaft als gesetzlicher Auffangtatbestand. Nach dem Prinzip des numerus clausus sind der Privatautonomie im Gesellschaftsrecht Grenzen gesetzt. Durch Parteienvereinbarungen können keine neuen Gesellschaftsformen geschaffen werden. Es ist auch anerkannt, daß der gemeinsame Betrieb eines vollkaufmännischen Handelsgewerbes nicht in der Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechtes erfolgen kann, die Beteiligten müssen eine Organisationsform wählen, die Trägerin einer Firma sein kann, also eine OHG, KG, GesmbH, AG oder Genossenschaft. Nach der Ansicht des Gesetzgebers sollte die OHG der gesellschaftsrechtliche Auffangtatbestand und überall dort eine OHG gegeben sein, wo sich die Gesellschafter nicht in einer anderen zulässigen Rechtsform vereinigen (Aicher-Ostheim aaO 258 mwN). Dem entspricht es, wenn die Rechtsprechung bei nicht bloß zu Liquidationszwecken erfolgter Fortführung eines vollkaufmännischen Handelsgewerbes durch die Erben das Vorliegen einer OHG annimmt, wenn sich die Erben nicht über eine andere Rechtsform geeinigt haben (SZ 23/150; SZ 21/135) oder wenn nach herrschender Lehre eine Gesellschaft bürgerlichen Rechtes, die bisher ein Minderhandelsgewerbe betrieben hat, zur OHG wird, wenn sich ihr Betrieb so ausweitet, daß er nach Art und Umfang eine kaufmännische Einrichtung erfordert, ohne daß dazu ein Umwandlungswille der Gesellschafter notwendig wäre (Aicher-Ostheim aaO mwN).

Im vorliegenden Fall war die Firma des erblasserischen Unternehmens im Handelsregister eingetragen, sodaß am vollkaufmännischen Geschäftsbetrieb ebensowenig wie am Vorhandensein einer gemeinschaftlichen Firma ein Zweifel sein kann. Ebensowenig kann es nicht zweifelhaft sein, daß der Betrieb zum Zwecke der Gewinnerzielung beabsichtigt war. Aus der gemeinschaftlichen Verfolgung dieses Zieles durch Beiträge aller Beteiligten und durch entsprechende Gewinnverteilung ergibt sich die Absicht des gemeinschaftlichen Unternehmensbetriebes als Mitunternehmer. Diese Absicht schließt die Annahme einer stillen Gesellschaft aus, weil eine solche in der Regel eine andere Rechtsstellung für den Beteiligten bedeutet. Einer weiteren Vereinbarung ausdrücklich vorbehalten wurde allerdings die Rechtsform. Diesem Vorbehalt kommt aber hier deshalb keine Bedeutung zu, weil der gemeinschaftliche Unternehmensbetrieb tatsächlich aufgenommen wurde. Dies ergibt sich - entgegen der Meinung des Beklagten - aus dem Klagsvorbringen, wonach die Erstklägerin im Unternehmen mittätig war, vom Beklagten selbst als Firmenmitinhaberin bezeichnet wurde und die Gewinnzuweisung an die Beteiligten entsprechend dem OHG-Recht zu je 1/3 erfolgte. Dem Umstand, daß nicht auch die Zweitklägerin mittätig war, kommt keine Bedeutung zu, weil eine Mitarbeit aller Gesellschafter für eine OHG nicht wesentlich ist. Die Haftungsbeschränkung den Gesellschaftsgläubigern gegenüber kann bei einer Handelsgesellschaft, die nicht Kapitalgesellschaft ist, lediglich dadurch erfolgen, daß der betreffende Gesellschafter die Stellung eines Kommanditisten erhält. Die unbeschränkte Haftung gegenüber den Gesellschaftsgläubigern ist überdies nicht Voraussetzung, sondern Folge einer OHG. Denjenigen, der sich auf das Vorliegen einer OHG beruft, trifft daher in dieser Richtung keine Behauptungs- und Beweislast. Es ist Sache des Gegners, das Vorliegen einer Kommanditgesellschaft darzutun (vgl. Hueck aaO 13 f). Liegen demnach die Voraussetzungen einer OHG vor und wurde der gemeinschaftliche Geschäftsbetrieb auch aufgenommen, ist unbeschadet des vereinbarten Vorbehaltes der Rechtsform nach den oben dargelegten Grundsätzen eine offene Handelsgesellschaft gegeben. Demgemäß ist der Revision ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E08231

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0070OB00508.86.0403.000

Dokumentnummer

JJT_19860403_OGH0002_0070OB00508_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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