TE OGH 1986/4/8 10Os39/86

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Veröffentlicht am 08.04.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 8.April 1986 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich, Dr. Reisenleitner, Dr. Kuch sowie Dr. Massauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Jagschitz als Schriftführerin in der Strafsache gegen Raimund S*** wegen des Verbrechens nach § 12 Abs. 1 SuchtgiftG aF und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 24.Oktober 1985, GZ 8 Vr 1567/85-51, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Bassler, und des Verteidigers Dr. Witt, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben und das angefochtene Urteil, welches im Freispruch unberührt bleibt, im Schuldspruch laut Punkt I sowie im Strafausspruch (einschließlich des Ausspruchs nach § 38 StGB), nach § 290 Abs. 1 StPO aber auch im Schuldspruch laut Punkt II. - sohin zur Gänze - aufgehoben. Insoweit wird

1. gemäß § 288 Abs. 2 Z 3 StPO in der Sache selbst erkannt "Raimund S*** wird von der Anklage, er habe

I. ab einem nicht näher bezeichneten Zeitpunkt im Mai 1982 bis einschließlich Ende Juli 1982 in Peggau und Graz auch dadurch, daß er (ua) zwei Gramm Heroin den abgesondert verfolgten Ehegatten U*** überließ, vorsätzlich den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift in solchen Mengen in den Verkehr gesetzt, daß daraus in größerer Ausdehnung eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen entstehen konnte, sowie

II. in der Zeit von Ende August 1982 bis zum 19.März 1985 in Indien, Pakistan, Nepal und Deutschland mit Ausnahme der den Gegenstand der Verfahren vor dem Polizeigericht in Islamabad und des Amtsgerichtes Frankfurt am Main bildenden Straftaten nach dem SuchtgiftG dadurch, daß er in zahlreichen Einzelfällen nicht näher bekannte Mengen Heroin und Cannabisharz kaufte und konsumierte, Suchtgifte unberechtigt erworben und besessen,

und er habe (auch) hiedurch

zu I. das Verbrechen nach § 12 Abs. 1 SuchtgiftG aF sowie zu II. das Vergehen nach § 16 Abs. 1 Z. 2 dritter und vierter Deliktsfall SuchtgiftG aF

begangen, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen." und

2. gemäß § 288 Abs. 2 Z 1 StPO die Sache im übrigen Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit seiner Nichtigkeitsbeschwerde, soweit sie gegen den Schuldspruch laut Punkt II. gerichtet ist, und mit seiner Berufung wird der Angeklagte darauf verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem (auch einen unbekämpft gebliebenen Teilfreispruch enthaltenden) angefochtenen Urteil wurde Raimund S*** (I.) des Verbrechens nach § 12 Abs. 1 SuchtgiftG aF und (II.) des Vergehens nach § 16 Abs. 1 Z 2 dritter und vierter Fall SuchtgiftG aF schuldig erkannt.

Rechtliche Beurteilung

Der auf § 281 Abs. 1 Z 5 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten gegen dieses Urteil kommt teilweise Berechtigung zu. Der in Rede stehende Verbrechenstatbestand liegt dem Beschwerdeführer laut Punkt I. des Schuldspruchs wegen des Inverkehrsetzens von Heroin zur Last, und zwar von

a)

mindestens 1 g in zwei Vorgängen an Johann M***,

b)

mindestens 5 g in mehreren Vorgängen an Gerhard

N*** und Evelyne F***,

c)

mindestens 8 g in zahlreichen Einzelvorgängen an Reinhard S***,

d)

etwa 20 g an Werner H*** und

e)

1 g an Bernd P*** sowie

2 g an die Ehegatten U***.

Mit Recht bemängelt der Angeklagte die Urteilsbegründung zum Schuldspruch laut Punkt I.d in Ansehung des Überlassens von 13 g Heroin an Werner H*** als nur offenbar unzureichend. Zwar scheint er sich in seiner einleitenden Stellungnahme zur Anklage (§ 245 Abs. 1 StPO) nach dem Inhalt des Hauptverhandlungsprotokolls (S 309/II) formell zum Verbrechenstatbestand als schuldig und zum Vergehenstatbestand als "unschuldig" bekannt zu haben, doch ist seiner folgenden Verantwortung (S 310-314/II) - wie zum Teil auch das Erstgericht einräumt (US 4) - inhaltlich eher das Gegenteil zu entnehmen. So hat er jedenfalls ausdrücklich erklärt, seine Angaben vor dem Untersuchungsrichter in Graz (ON 39, S 256-263 p/II), auf die der Schuldspruch gestützt wird (US 3 vso), aufrecht zu erhalten (S 311/II); dort aber bekannte er sich in einer abschließenden

pauschalen Erklärung wohl "nochmals ... im Sinne des Auslieferungsbehelfes ... umfassend und voll schuldig", doch hatte

er zuvor bei weitem nicht eine Weitergabe von 20 g Heroin an H*** zugegeben (S 263 c/II), und auch dessen Angaben in ON 10, die er in der Folge als im wesentlichen richtig bestätigte (S 263 l/II), decken lediglich die Annahme, daß seine Gattin Wilma S*** und er jenem rund 7 g Heroin überlassen haben, aber keinesfalls wesentlich mehr (S 415-419, 423 b, f, p/I). Den Angaben der Wilma S*** in ON 8 schließlich, auf die er sich vor dem Untersuchungsrichter berief (S 263 j/II), ist gleichfalls nicht mehr zu entnehmen (S 369-371/I).

Ebenso beschwert sich der Angeklagte gegen den Schuldspruch laut Punkt I. wegen des Inverkehrsetzens der restlichen 24 g Heroin, die er in zahlreichen Einzelvorgängen an insgesamt (nur) 8 Personen weitergab, der Sache nach berechtigerweise deswegen, weil sich das Schöffengericht mit seiner den Verteilungsmodus betreffenden Verantwortung nicht auseinandersetzte, wonach alle Abnehmer schon einige Jahre in der Drogenszene sowie sicher süchtig gewesen seien und wonach der Heroin-Konsum mit zunehmender Abhängigkeit bis zu einem täglichen Verbrauch von 1 g ansteige (S 314/II). Diese der Urteilsfeststellung, dem Beschwerdeführer sei hinsichtlich aller Abnehmer bekannt gewesen, daß sie zur Aufbringung der Mittel für den eigenen Konsum das ihnen überlassene Suchtgift nach neuerlichem Strecken teilweise weiterverkaufen würden (US 3, 4 vso), tendenziell zuwiderlaufenden Angaben hätten in der Tat deswegen einer besonderen Erörterung bedurft, weil es bei der Prüfung der Frage, ob eine Verbreitung des Suchtgifts an letzten Endes etwa 30 bis 50 Verbraucher konkret zu besorgen war, nach § 12 Abs. 1 SuchtgiftG aF nicht auf theoretische Möglichkeiten, sondern auf das real in Betracht zu ziehende Folgeverhalten der unmittelbaren Abnehmer ankommt (vgl. RZ 1984/89 ua).

Schon aus diesen Erwägungen ist insoweit eine Verfahrenserneuerung in erster Instanz unumgänglich, ohne daß es einer Erörterung der weiteren Beschwerdeeinwände bedarf. Zugleich war nach § 290 Abs. 1 StPO von Amts wegen wahrzunehmen (§ 281 Abs. 1 Z 9 lit. b StPO), daß der Schuldspruch laut Punkt II. ebenso wie jener wegen des Überlassens von 2 g Heroin an die Ehegatten U*** in Punkt I.e der Spezialität der in Ansehung des Angeklagten erwirkten Auslieferung von der Bundesrepublik Deutschland her nach Österreich (§ 70 ARHE, Art. 14 Abs. 1 EurAuslÜbk.; der dieses Übereinkommen ergänzende Vertrag vom 31. Jänner 1972 zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland enthält keine Bestimmungen, die vorliegend von Relevanz wären) widersprach, die sich darauf nicht erstreckte (ON 36 iVm ON 32) und auch nicht nachträglich ergänzt wurde. In diesem Umfang war sogleich ein Freispruch zu fällen (vgl. EvBl. 1982/74 ua).

Dementsprechend war wie im Spruch zu erkennen.

Anmerkung

E07949

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0100OS00039.86.0408.000

Dokumentnummer

JJT_19860408_OGH0002_0100OS00039_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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