TE OGH 1986/4/8 14Ob43/86 (14Ob44/86, 14Ob45/86, 14Ob46/86, 14Ob47/86, 14Ob48/86, 14Ob49/86, 14Ob50/

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 08.04.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes HONProf.Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuderna und Dr. Gamerith sowie die Beisitzer Dr. Anton Haschka und Franz E. Niemitz als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Reinhard B***, Fleischergehilfe, Wien 21, Siemensstraße 59, 2. Anton D***, Kraftfahrer, Wien 11, Lorystraße 40, 3. Josef F***, Fleischergehilfe, Wien 5, Margaretenstraße 123, 4. Walter H***, Fleischergehilfe, Wien 16, Ottakringerstraße 165-167, 5. Anton K***, Fleischergehilfe, Wien 10, Fingergasse 3, 6. Radu B***, Kraftfahrer, Wien 5, Diehlgasse 36, 7. Johann S***, Kraftfahrer, Wien 5, Reinprechtsdorferstraße 38, 8. Franz T***, Fleischergehilfe, Wien 3, Hohlweggasse 40, 9. Josef W***, Fleischergehilfe, Wien 21, Autokaderstraße 3-7, die 2. - 9.Kläger vertreten durch Franz S***, Gewerkschaftssekretär in Wien, dieser und der 1.Kläger vertreten durch Dr. Gustav Teicht, Rechtsanwalt in Wien, und des Nebenintervenienten auf seiten der klagenden Parteien Peter C***, Kaufmann, Biedermannsdorf, Ortsstraße 64, gegen die beklagte Partei Werner VOH-S***, Kaufmann, Wien 12, Schönbrunnerstraße 262/4, vertreten durch Dr. Gerhard R***, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 29.751,57, S 44.485,23, S 69.128,28, S 44.072,66, S 28.983,49, S 26.481,09, S 41.540,73, S 90.308,62 und S 73.318,55 je sA, infolge Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes in arbeitsgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten vom 16. September 1985, GZ 44 Cg 136/85-57, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeitsgerichtes Wien vom 8. September 1982, GZ 9 d Cr 1842/81-26, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagenden Parteien haben die Kosten ihrer Revision selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die neun Kläger begehren vom Beklagten die Zahlung von der Höhe nach außer Streit stehenden Abfertigungen. Zur Begründung brachten sie vor, sie seien vom Beklagten am 27.5.1981 gekündigt worden. Der Pächter des Unternehmens des Beklagten, Peter C***, habe am selben Tag erklärt, sie zu den gleichen Bedingungen zu übernehmen, jedoch mit Ausnahme der Abfertigungsansprüche.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Der Pächter habe sich verpflichtet, die Kläger zu den gleichen Bedingungen unter Wahrung aller ihrer Ansprüche zu übernehmen. Peter C*** trat als Nebenintervenient auf seiten der Kläger in den Prozeß ein. Er brachte vor, er habe mit dem Beklagten vereinbart, daß alle Abfertigungen vom Beklagten zu zahlen seien. Das Erstgericht gab den Klagebegehren statt. Es traf folgende wesentliche Feststellungen:

Die Kläger arbeiteten in dem Wurstwarenerzeugungsunternehmen des Beklagten. Nachdem dieser mit dem Nebenintervenienten über einen Verkauf des Unternehmens verhandelt hatte, vereinbarten sie schließlich, daß der Beklagte das Unternehmen an den Nebenintervenienten verpachtet. In einem Vertragsentwurf war vorgesehen, daß der Pächter das Personal des Verpächters zu den gleichen Bedingungen und unter Wahrung aller Ansprüche übernehme. Der Beklagte erklärte sich bereit, dem Pächter ein Drittel der mit S 300.000,- geschätzten Abfertigungssumme im Falle der tatsächlichen Zahlung der Abfertigung zu vergüten. Wenn auch dieser Vertragsentwurf nicht unterschrieben wurde, bestand doch Einverständnis über den Inhalt dieser im Entwurf vorgesehenen Bestimmung. Bei einer am 21.5.1981 erfolgten weiteren Besprechung wurde ein Aktenvermerk aufgenommen, in dem unter anderem festgehalten wurde, daß der Pächter das Personal des Verpächters "zu den gleichen Bedingungen und unter Wahrung aller ihrer Ansprüche" übernehme. Etwaige "Ablösen" waren in diesem Aktenvermerk nicht enthalten. In einem weiteren, von einem Hausverwalter entworfenen Vertragstext waren die gleiche Bestimmung sowie die Zahlung eines Betrages von S 166.000,- an den Pächter für die Übernahme der Abfertigungsansprüche vorgesehen. Am 11.6.1981 wurde zwischen dem Beklagten und dem Nebenintervenienten vor dem öffentlichen Notar Mag. Hugo J*** ein Pachtvertrag abgeschlossen, in dem der Beginn des Pachtverhältnisses mit 1.6.1981 festgesetzt wurde. Dieser Pachtvertrag enthält keine Bestimmungen über die Übernahme von Arbeitnehmern durch den Pächter, weil der Notar eine solche Bestimmung in einem Pachtvertrag für nicht üblich hielt. Am 21.5.1981 sprach der im Unternehmen des Beklagten als Buchhalter beschäftigte Walter P*** die Kündigung der Kläger mit Ausnahme des Siebent- und Achtklägers aus. Er teilte ihnen mit, daß sie vom Beklagten die Abfertigung erhalten würden. Der Beklagte bestätigte am 22.5.1981 die Kündigungen. Er rief die Kläger - mit Ausnahme des Siebent- und des Achtklägers - in sein Büro und stellte ihnen den Nebenintervenienten als neuen Chef vor. Von einer Übernahme der Kläger mit allen Rechten und Pflichten durch den Nebenintervenienten und über die Zahlung der Abfertigung wurde hiebei nicht gesprochen. Der Beklagte sagte aber zu den Klägern, es werde ihnen durch die Kündigung kein Schaden entstehen, sie würden um die Abfertigung "nicht umfallen". Als der Erstkläger zum Beklagten sagte, er könne ja, wenn er gekündigt sei, gehen, erwiderte der Beklagte, der Erstkläger werde ohnehin nicht mehr im Betrieb gebraucht, er, der Beklagte, würde ihm die Abfertigung zahlen. Zum Viertkläger sagte der Beklagte: "Solange ich Herr S*** bin, müßt ihr wegen der Abfertigung keine Angst haben." Zu dem formell nicht gekündigten Siebentkläger sagte der Beklagte, er werde die Abfertigung von ihm erhalten. Als der Achtkläger von seinem Urlaub zurückkehrte, sagte der Beklagte zu ihm, die Zahlung der Abfertigung an ihn mache ihm Sorgen, weil sie so hoch sei. Der Beklagte war schließlich mit dem Vorschlag des Achtklägers, er solle ihm die Abfertigung in drei Teilbeträgen zahlen, einverstanden. Ende Mai 1981 bereitete Walter P*** ohne jeden Auftrag drei Garnituren von Dienstzetteln vor. In der ersten Garnitur stand zu lesen, daß zwischen dem Nebenintervenienten und dem betreffenden Arbeitnehmer ein neues Arbeitsverhältnis beginne. Diese Dienstzettel wurden nicht ausgefolgt. In der zweiten Garnitur war festgehalten, daß der Arbeitnehmer unter Wahrung aller Rechte vom Pächter übernommen werde. Ein solcher Dienstzettel wurde dem Erstkläger von P*** am 17. oder 19.6.1981 übergeben, wenige Tage darauf aber mit dem Bemerken wieder weggenommen, er werde einen anderen Dienstzettel bekommen. Die anderen Kläger erhielten keine Dienstzettel und hatten auch keine Kenntnis vom Inhalt des dem Erstkläger übergebenen Dienstzettels. Die dritte Garnitur sah vor, daß der Arbeitnehmer zu denselben Bedingungen übernommen werde, ausgenommen die Abfertigungsansprüche. Walter P*** teilte diese vom Nebenintervenienten unterschriebenen Dienstzettel ebenfalls nicht aus. Alle Kläger sind seit 1.6.1981 beim Nebenintervenienten beschäftigt und üben dieselbe Tätigkeit aus wie früher. Der Nebenintervenient (selbst) hat keinem der Kläger die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu denselben Bedingungen und unter Anrechnung der beim Beklagten zurückgelegten Dienstzeit angeboten. Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, den Klägern stehe der Abfertigungsanspruch dem Beklagten gegenüber zu, weil dieser sie gekündigt habe und weil der Übernehmer des Betriebes, der Nebenintervenient, ihnen die vorerwähnte Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht angeboten habe und die Kläger ein solches Angebot nicht abgelehnt hätten.

Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung dahin ab, daß es die Klagebegehren zur Gänze abwies. Es führte das Verfahren gemäß dem § 25 Abs 1 Z 3 ArbGG neu durch und traf "mit folgenden Ausnahmen" die geichen Feststellungen wie das Erstgericht:

Es wird nicht festgestellt, daß der Beklagte die Arbeitsverhältnisse der Kläger gekündigt habe, daß er ihnen gegenüber erklärt habe, es werde ihnen durch die Kündigung kein Schaden entstehen, sie würden um die Abfertigung nicht umfallen. Ebenso wenig werden die vom Beklagten dem Erst-, Viert- und Achtkläger gegenüber abgegebenen Erklärungen betreffend die Zahlung einer Abfertigung festgestellt. Alle Kläger haben vom Nebenintervenienten unterschriebene Dienstzettel der zweiten Garnitur, wonach sie unter Wahrung aller Rechte ab 1.6.1981 vom Nebenintervenienten übernommen werden, erhalten. Die Feststellung des Erstgerichts, der Beklagte habe keinem der Kläger die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu den bisherigen Bedingungen und unter Anrechnung der beim Beklagten zurückgelegten Dienstzeit angeboten, ist dahin einzuschränken, daß den Klägern mit den Dienstzetteln eine derartige Übernahme ab 1.6.1981 vom Nebenintervenienten zugesichert worden ist. Die Kläger haben beim Nebenintervenienten ab 1.6.1981 auch dasselbe Arbeitsentgelt wie beim Beklagten erhalten.

Das Berufungsgericht vertrat die Rechtsauffassung, zwischen dem Beklagtn, dem Nebenintervenienten und den Klägern sei die für den Übergang von Arbeitsverhältnissen auf den Erwerber eines Unternehmens erforderliche Vertragsübernahme vereinbart worden. Den Klägern sei eine solche Übernahme mit den ihnen übergebenen Dienstzetteln zugesichert worden. Durch die Fortsetzung ihrer Arbeitsverhältnisse zu den bisherigen Bedingungen hätten die Kläger schlüssig zum Ausdruck gebracht, daß sie damit einverstanden seien. Der Abfertigungsanspruch stehe ihnen daher nicht zu. Da die Arbeitsverhältnisse der Kläger nicht aufgelöst worden seien, könnten sie ihre Abfertigungsansprüche auch nicht mit Erfolg auf den eine solche Auflösung voraussetzenden § 21 des Rahmenkollektivvertrages für die Nahrungs- und Genußmittelindustrie Österreichs stützen. Gegen diese Entscheidung richtet sich die aus den Gründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens, der Aktenwidrigkeit und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene Revision der Kläger mit einem auf die Wiederherstellung des erstgerichtlichen Urteils abzielenden Abänderungsantrag. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Beklagte hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Die Anfechtungsgründe der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der Aktenwidrigkeit liegen nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO). Der in der Rechtsrüge vertretenen Auffassung, der Abfertigungsanspruch der Kläger sei sowohl im § 23 AngG (in Verbindung mit dem Art. I § 2 Abs 1 ArbAbfG) als auch im § 21 des Rahmenkollektivvertrages für die Nahrungs- und Genußmittelindustrie Österreichs begründet, kann nicht zugestimmt werden. Wird ein Unternehmen durch Rechtsgeschäft - also vor allem durch Veräußerung oder Verpachtung - an einen anderen übertragen, so werden die betreffenden Arbeitsverhältnisse nur dann auf den Übernehmer mitübertragen, wenn eine entsprechende Vertragsübernahme ausdrücklich oder stillschweigend (§ 863 ABGB) vereinbart wurde. Eine solche Vertragsübernahme bewirkt, daß der bisherige Arbeitgeber aus dem Vertragsverhältnis ausscheidet und den Übernehmer mit allen Rechten und Pflichten an dessen Stelle tritt. In diesem Fall erwächst dem Arbeitnehmer kein Anspruch auf Abfertigung gegenüber dem früheren Unternehmer (Arb 10.223 mwH).

Auf der Grundlage der vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen ist aber eine Übertragung der Arbeitsverhältnisse der Kläger vom Beklagten auf den Nebenintervenienten durch Vertragsübernahme erfolgt, so daß entgegen der Meinung der Kläger deren Arbeitsverhältnisse nicht aufgelöst wurden (siehe dazu Arb. 9926; Martinek-Schwarz, AngG 6 , 470 f; Floretta in Arbeitsrecht I 186; Migsch, Abfertigung für Arbeiter und Angestellte, Rz 321, alle mit kritischen Bemerkungen zu den in der Revision zitierten Entscheidungen Arb. 5361 und 7031; ferner Schwarz - Löschnigg, Arbeitsrecht 2 , 173; Krejci, Betriebsübergang und Arbeitsvertrag, 209). Beide Parteien des Pachtvertrages haben vereinbart - das Unterbleiben der Aufnahme dieser mündlich vereinbarten Vertragsübernahme in den schriftlichen Pachtvertrag ist für den Bestand der Vereinbarung ohne rechtliche Bedeutung, zumal sie vom vertragsverfassenden Notar nur deshalb in den Vertrag nicht aufgenommen wurde, weil er sie in diesem Zusammenhang für "unüblich" hielt - , daß der Pächter die Kläger unter Wahrung aller Rechte und Anrechnung der beim Beklagten zurückgelegten Dienstzeiten auf die Abfertigungsansprüche übernimmt. Der Pächter hat den Klägern ein dementsprechendes Anbot durch die Übergabe der von ihm unterfertigten Dienstzettel gemacht und die Kläger haben es dadurch angenommen, daß sie ohne Vorbehalt zu den gleichen Bedingungen weitergearbeitet haben. Selbst wenn der Pächter solche Dienstzettel nicht übergeben hätte, wäre eine Vertragsübernahme stillschweigend (§ 863 ABGB) zustandegekommen, weil der Übernehmer eines Unternehmens, will er den Anschein der Übernahme der Arbeitnehmer mit den bisherigen Rechten vermeiden, bei Fortführung des Betriebes und Fortsetzung der Arbeitsverhältnisse zu denselben Bedingungen einen entsprechenden Vorbehalt machen muß (Arb. 10.223 mwH). Ein Vorbehalt wurde jedoch vom Pächter nicht gemacht. Da nach den für den Obersten Gerichtshof bindenden Feststellungen auch der Beklagte die Kläger nicht etwa gekündigt hat und als Folge der Vertragsübernahme anstelle des Beklagten der Pächter in die bestehen bleibenden Arbeitsverträge als Arbeitgeber eingetreten ist, steht den Klägern ein Abfertigungsanspruch gegenüber dem Beklagten nicht zu. Da die Bestimmung des § 21 KV eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses voraussetzt, versagt auch dieser Rechtsgrund schon infolge des Mangels einer solchen Auflösung.

Die Kostenentscheidung ist in den §§ 41 und 50 ZPO begründet.

Anmerkung

E07879

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0140OB00043.86.0408.000

Dokumentnummer

JJT_19860408_OGH0002_0140OB00043_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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