TE OGH 1986/5/15 7Ob564/86

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Veröffentlicht am 15.05.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz als Vorsitzenden und durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Petrasch und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Warta und Dr. Egermann als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Josef S***, Pensionist, Straßwalchen, Forellenweg 1, vertreten durch Dr. Harald Heinrich, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei Rosa K***, Hausfrau, Straßwalchen, Steindorf 155, vertreten durch Dr. Christoph Koller, Rechtsanwalt in Seekirchen am Wallersee, wegen Feststellung (Streitwert S 100.000,--) infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 14. Jänner 1986, GZ 4 R 244/85-20, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 30. Mai 1985, GZ 5 Cg 443/84-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 4.243,80 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 385,80 an Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Streitteile waren vom 2.6.1962 bis 23.10.1980 miteinander verheiratet und haben einen gemeinsamen Sohn. Ihre Ehe wurde im Verfahren AZ 8 Cg 257/80 des Landesgerichtes Salzburg gemäß § 55 a EheG geschieden. Im Verlauf dieses Verfahrens haben die Streitteile für den Fall der Scheidung folgenden Vergleich geschlossen:

"1. Die Streitteile verzichten wechselseitig für Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft auf jedweden Unterhalt, und zwar auch für den Fall der Not, Krankheit oder geänderter Verhältnisse.

2. Der eheliche Sohn Josef S***, geboren 24.8.1963, ist bereits selbsterhaltungsfähig....

3. Festgestellt wird, daß zwischen den Antragstellern am 5.9.1978 ein Notariatsakt abgeschlossen wurde mit einem wechselseitigen Testament. Die Antragsteller kommen überein, diesen damaligen Ehepakt zur Gänze, soweit er sie selbst betrifft, aufzuheben, so daß daraus keinerlei wechselseitigen Ansprüche mehr bestehen mit Ausnahme des Punktes 1 d, in welchem Rechte des ehelichen Sohnes Josef S***, geboren 24.8.1963, begründet und zum Teil schon bücherlich sichergestellt wurden. Eine Fotokopie des Notariatsaktes wird zu diesem Zweck dem Vergleich angeschlossen.

4.

......

5.

Festgestellt wird, daß mit diesem Vergleich sämtliche wie immer Namen habenden familien- und vermögensrechtlichen Ansprüche zwischen den Antragstellern verglichen sind, ausgenommen jenen Rechtsstreit wegen eines behaupteten Schadenersatzanspruches ....". In dem Notariatsakt vom 5.9.1978 (Erbvertrag samt wechselseitigem Testament) heißt es unter anderem:

              "1.              .....

              c)              Ich, Rosa S***, vermache die mir gehörige Liegenschaft in Straßwalchen, Forellenweg 1, und die mir gehörige Waldparzelle meinem Sohn Josef S***, geboren am 24.8.1963.....

              d)              Gleichzeitig vorausvermache ich meinem Mann Josef S*** das lebenslängliche und unentgeltliche Fruchtgenußrecht an der Liegenschaft im Grundbuch Straßwalchen, Forellenweg 1, und an der mir gehörigen Waldparzelle. Dieses Fruchtgenußrecht ist im Abhandlungsverfahren nach mir grundbücherlich sicherzustellen ....". Der Kläger stellt das Begehren, es werde der am 23.10.1980 im Verfahren 8 Cg 257/80 des Landesgerichtes Salzburg zwischen den Streitteilen abgeschlossene Vergleich aufgehoben. Die Beklagte, bzw. ihr Rechtsvertreter Dr. Peter J*** hätten den Kläger bei Abschluß des Vergleiches insoferne listig in Irrtum geführt, als der Kläger - als juristischer Laie - mit keinem Wort darauf hingewiesen worden sei, daß der Vergleich zur Folge habe, daß er die Liegenschaft räumen müsse, bzw. Benützungsentgelt zu zahlen habe. Auch der Verhandlungsrichter Dr. G*** habe den Kläger nicht auf diesen Umstand aufmerksam gemacht, obwohl der Kläger unvertreten gewesen sei. Der Kläger sei bei Abschluß des Vergleiches der Meinung gewesen, er dürfe die Liegenschaft Straßwalchen, Forellenweg 1, unentgeltlich und lebenslänglich weiterbenützen. Er habe diese Liegenschaft vorerst auch tatsächlich unentgeltlich weiterbenützt. Im Oktober 1982 jedoch habe die Beklagte zu 8 Cg 493/82 des Landesgerichtes Salzburg von ihm die Bezahlung von Benützungsentgelt begehrt, da er die Liegenschaft seit Vergleichsabschluß titellos benütze. Der Kläger sei entsprechend dieser Klage zur Zahlung eines Entgelts von S 2.000,-- monatlich für die Zeit vom 1.11.1980 bis 31.8.1983 verurteilt worden. Zu C 137/82 des Bezirksgerichtes Neumarkt begehre die Beklagte die Räumung der Liegenschaft durch den Kläger.

Das Erstgericht wies die Klage ab und traf folgende Feststellungen:

Die zwischen den Streitteilen am 2.6.1962 vor dem Standesamt Straßwalchen geschlossene Ehe wurde mit rechtskräftigem Beschluß des Landesgerichtes Salzburg vom 23.10.1980, 8 Cg 257/80-9, gemäß § 55 a EheG geschieden. Der Umstellung auf eine Scheidung im Einvernehmen ging ein streitiges Verfahren vor dem Landesgericht Salzburg voraus, wobei zunächst eine Einigung über die Scheidungsfolgen zwischen den Streitteilen nicht zu erwarten war.

Erst anläßlich der mündlichen Verhandlung vom 23.10.1980 erklärten beide Teile, die Ehescheidung nunmehr nach § 55 a EheG zu beantragen. Für den Fall der rechtskräftigen Scheidung ihrer Ehe haben die Streitteile den eingangs wiedergegebenen Vergleich geschlossen.

Vor der mündlichen Verhandlung vom 23.10.1980 wurden zwischen den Streitteilen bzw. dem Rechtsvertreter der Beklagten und dem Kläger keine Vergleichsverhandlungen geführt. Die Umstellung auf eine einvernehmliche Scheidung und Einigung über die Scheidungsfolgen erfolgte in der Verhandlung vom 23.10.1980. In dieser Verhandlung wurde der Notariatsakt vom Verhandlungsrichter Dr. G*** Punkt für Punkt vorgelesen und auch erörtert.

Dr. G*** hat auch Belehrungen erteilt. Insbesonders war es ein Anliegen des Klägers, daß die Liegenschaft für den Sohn verbleibt, andernfalls er einer Einigung nicht zugänglich gewesen wäre. Dr. G*** hat den Streitteilen auch die Belehrung erteilt, daß bei dem gewählten Text des Vergleiches vom Notariatsakt nur das übrig bleiben würde, was den Sohn betrifft, daß also der Restinhalt aufgehoben und wirkungslos wird. Der Kläger hat sich während der Verhandlung vom 23.10.1980 an den Gesprächen aktiv beteiligt. Er war mit dem ausgearbeiteten Vergleich voll einverstanden und hat dies auch zweifelsfrei mitgeteilt. Es wurde auch erörtert, daß der Kläger durch den Text der Vereinbarung sein Benützungsrecht verlieren würde, was ihm auch klar war. Es ging ihm nur darum, daß die Rechte seines Sohnes aufrecht bleiben.

Aus der Gesamtheit der mündlichen Verhandlung vom 23.10.1980 mußte es dem Kläger klar gewesen sein, welche Folgen ein Vergleichsabschluß nach sich ziehen, insbesonders, daß er sein Fruchtgenußrecht verlieren würde. Es kann allerdings nicht mehr festgestellt werden, ob auch darüber gesprochen wurde, daß der Kläger die gegenständliche Liegenschaft räumen müsse bzw. für die Benützung ein Entgelt zu bezahlen habe. Aus dem Zusammenhalt der Verhandlung mußte dies dem Kläger jedoch auffallen, weil jedenfalls die Belehrung erteilt wurde, daß er sein Benützungsrecht verlieren werde, wenn auch unklar verbleibt, ob ihm die Räumungspflicht gesondert bekanntgegeben wurde oder nicht.

In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Erstgericht aus, dem Kläger seien die erforderlichen Belehrungen erteilt worden, insbesondere, daß er das Benützungsrecht an der Liegenschaft verliere. Es sei unerheblich, ob der Kläger auch auf seine Räumungsverpflichtung hingewiesen worden sei. Es sei auch für einen juristischen Laien klar, daß er eine Liegenschaft räumen müsse, wenn er das Benützungsrecht verliert.

Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichtes und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden hat, S 300.000,-- übersteigt. Es führte bei Behandlung der Beweisrüge aus, der Kläger stelle nur die Glaubwürdigkeit des Zeugen Dr. Peter J***, nicht auch jene des seinerzeitigen Verhandlungsrichters Dr. Walter G*** in Frage.

Als unbestritten könne daher gelten, daß dem Kläger in der Tagsatzung vom 23.10.1980 Belehrungen über Inhalt und Tragweite des Vergleiches gegeben wurden, und zwar insoweit, als ihm klargelegt worden sei, daß er alle Rechte aus dem Notariatsakt vom 5.9.1979 verliere. Die vom Erstgericht festgestellte ausdrückliche Belehrung des Klägers über den Verlust seines Benützungsrechtes an der Liegenschaft in Straßwalchen finde sich nur in der Aussage des Zeugen Dr. Peter J***. Sollten sich die Bedenken des Klägers gegen die Glaubwürdigkeit dieses Zeugen bewahrheiten, wäre allerdings nur die Annahme des Erstgerichtes widerlegt, der Kläger habe sich nicht im Irrtum über Inhalt und Tragweite des Vergleiches vom 23.10.1980 befunden, weil ihm der Verlust seines Benützungsrechtes an der strittigen Liegenschaft zumindest habe klar sein müssen. Der Nachweis eines Irrtums reiche jedoch nicht aus, um einen Vergleich anzufechten. Solange nicht die übrigen Voraussetzungen der Irrtumsanfechtung eines Vergleiches erfüllt seien, könne dahingestellt bleiben, ob der Kläger ausdrücklich über die Rechtsfolge des Verlustes seines Benützungsrechtes an der Liegenschaft aufgeklärt worden sei oder nicht.

In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Berufungsgericht aus, ein Irrtum sei beachtlich, wenn er den Vergleichsgegenstand selbst betreffe. Dem Kläger sei zuzubilligen, daß der von ihm behauptete Irrtum diese Voraussetzung erfüllt. Aus § 55 a Abs 2 EheG iVm § 81 Abs 1 und 2 und § 82 Abs 2 EheG sei nämlich zu schließen, daß die Zuteilung der Ehewohnung zum notwendigen Inhalt eines Vergleiches gehöre, der die Scheidung im Einvernehmen ermöglichen soll. Ein allfälliger Irrtum des Klägers über Fortbestand oder Verlust seines Benützungsrechtes an der Ehewohnung könnte daher den Vergleich ungültig machen. Auch ein Rechtsfolgenirrtum berechtige nämlich zur Vertragsanfechtung, wenn eine bestimmte Rechtsfolge noch zum Inhalt des Geschäfts gehört.

Dazu müßte allerdings der Irrtum vom anderen Vertragspartner listig herbeigeführt oder wenigstens iS des § 871 ABGB veranlaßt worden sein. Auch Schweigen könne einen Irrtum veranlassen, wenn der Schweigende eine ihm obliegende Aufklärungspflicht verletzt. Die Verheimlichung einer Tatsache könne sogar den Tatbestand der listigen Herbeiführung eines Irrtums erfüllen, wenn ein Vertragspartner die Unwissenheit des anderen erkenne und zu seinem Vorteil nütze. Es bestehe jedoch keine Verpflichtung, den Vertragspartner "über alles Wissenswerte" aufzuklären. Auch die vorvertragliche Aufklärungspflicht gehe nicht so weit, daß man den Geschäftspartner über alle Umstände aufklären müsse, die seine Entscheidung beeinflussen können. Maßgebend sei, ob der Vertragspartner nach den Grundsätzen des redlichen Verkehrs vom anderen eine besondere Aufklärung erwarten dürfe. Im gegenständlichen Fall sei der Kläger darüber aufgeklärt worden, daß er aus dem Notariatsakt vom 5.9.1978 keine Rechte mehr ableiten könne. Eine weitergehende Aufklärung, insbesondere über die Tragweite des Vergleichspunktes 5, der bewirkt habe, daß die Ehewohnung faktisch der Beklagten zugewiesen wurde, habe der Verhandlungsrichter offensichtlich für entbehrlich gehalten, zumal der diesbezügliche Vertragswortlaut leicht verständlich sei. Unter diesen Umständen habe von der Beklagten und ihrem Anwalt keine weitere Aufklärung erwartet werden können, da sich der Kläger ohnehin unter der Obhut richterlicher Anleitungs- und Belehrungspflichten befunden habe.

Der Kläger bekämpft das Urteil des Berufungsgerichtes mit Revision aus dem Revisionsgrund des § 503 Abs 1 Z 2 ZPO mit dem Antrag, es im klagestattgebenden Sinn abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Der Kläger macht geltend, das Berufungsgericht habe sich mit der Aussage des Zeugen Dr. J*** nicht auseinandergesetzt, sei aber auch im übrigen auf die in der Berufung erhobene Beweisrüge nicht eingegangen. Hätte es dies getan, wäre es zum Ergebnis gekommen, daß den Rechtsvertreter der Beklagten eine Aufklärungspflicht getroffen hätte.

Die Entscheidung des Berufungsgerichtes über eine Beweisrüge ist nach der Rechtsprechung schon dann mangelfrei, wenn sich das Berufungsgericht mit dieser Rüge überhaupt befaßt, die Beweiswürdigung des Erstgerichtes überprüft und nachvollziehbare Überlegungen über die Beweiswürdigung anstellt und in seinem Urteil festhält (EFSlg. 34.489, 7 Ob 28/78 ua.).

Das Erstgericht hat sich mit der in der Berufung des Klägers erhobenen Beweisrüge befaßt und die vom Erstgericht auf Grund der Aussage des Verhandlungsrichters Dr. G*** getroffenen Feststellungen ausdrücklich übernommen. Ein Eingehen auf jene Feststellungen, die auf Grund der Aussage des Zeugen Dr. J***

getroffen wurden, erachtete das Berufungsgericht aus rechtlichen Erwägungen als entbehrlich. Die rechtliche Beurteilung der Sache durch die zweite Instanz aber wird vom Kläger nicht bekämpft. Der Revision mußte deshalb ein Erfolg versagt bleiben. Die Kostenentscheidung erfolgte nach den §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E08594

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0070OB00564.86.0515.000

Dokumentnummer

JJT_19860515_OGH0002_0070OB00564_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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