TE OGH 1986/5/26 8Ob569/86

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Veröffentlicht am 26.05.1986
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Stix als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Kropfitsch und Dr. Zehetner als Richter in der Vormundschaftssache der mj.Sabine K***, geboren am 27.12.1978, infolge Revisionsrekurses der Mutter Roswitha K***, Raumpflegerin, Dr. Gmelinstraße 72, 5020 Salzburg, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Salzburg als Rekursgerichtes vom 27.März 1986, GZ 33 R 107/86-32, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Salzburg vom 16.Jänner 1986, GZ 3 P 138/80-28, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß der letzte Absatz des Spruches der Entscheidung des Erstgerichtes ersatzlos behoben wird.

Im übrigen wird der Revisionsrekurs zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die am 27.12.1978 geborene Sabine K*** ist ein

uneheliches Kind der Roswitha K***. Das Stadtjugendamt Salzburg ist Amtsvormund dieses Kindes. Nach der Aktenlage (ON 15) ist das Kind seit 1982 bei den Pflegeeltern Erich und Ingeborg D*** untergebracht.

Am 21.8.1984 stellte die Mutter den Antrag, ihr ein Besuchsrecht zu ihrer Tochter Sabine in der Weise einzuräumen, daß sie das Kind an jedem Wochenende von Samstag früh bis Sonntag abends zu sich nehmen kann.

Mit Beschluß vom 16.1.1986 (ON 28) bestellte das Erstgericht Prof.Dr.Werner L*** zum Sachverständigen aus dem Fachgebiet der Psychiatrie und beauftragte ihn, unter Einbeziehung der Mutter, des Kindes und der Pflegemutter Befund und Gutachten darüber zu erstatten, ob bzw. in welchem Umfang der Mutter das von ihr begehrte Besuchsrecht eingeräumt werden könne, ohne daß dadurch das Wohl des Kindes gefährdet oder dessen Beziehung zu seiner Pflegemutter unerträglich gestört werde. Es trug den genannten Personen auf, der Vorladung des Sachverständigen zum Zweck der Befundaufnahme Folge zu leisten und ersuchte den Sachverständigen, die Befundaufnahme mit der Mutter zu beginnen. Im letzten Absatz des Spruches seiner Entscheidung ordnete das Erstgericht an, daß die Fortsetzung des Verfahrens und die Entscheidung über den Antrag der Mutter auf Regelung ihres Besuchsrechtes in Anwendung des § 176 ABGB ausschließlich dann zu erfolgen habe, wenn die Mutter der Vorladung des Sachverständigen zum Zweck der Befundaufnahme Folge leiste und sich der Befundaufnahme durch ihn unterziehe; ansonsten unterbleibe eine Entscheidung.

Das Erstgericht stellte im wesentlichen fest, daß die Mutter anläßlich einer Vorsprache am 7.1.1986 keine bzw. kaum eine Bereitschaft zeigte, auf an sie gestellte Fragen konkret einzugehen. Am 9.1.1986 teilte sie dem Erstgericht fernmündlich mit, daß sie die für den 16.1.1986 anberaumte Tagsatzung nicht besuchen werde, sie werde sich nun an andere Stellen wenden. Es sei ihr egal, ob das Erstgericht über ihr Besuchsrecht entscheide oder nicht. Sie werde sich jedenfalls an diesem Verfahren nicht mehr beteiligen. Sie fühle sich auch an den Inhalt des am 7.1.1986 mit ihr aufgenommenen Protokolles nicht gebunden, weil sie dieses nicht unterschrieben habe. Anläßlich dieses Telefonates zeigte sich wieder, daß die Mutter offensichtlich nicht in der Lage ist, auf konkrete Fragen oder Vorhalte einzugehen, weil sie hierauf stets mit stereotypen Antworten reagierte, die in keinem bzw. nur in einem entfernten Zusammenhang mit der Fragestellung standen. Der am 16.1.1986 durchgeführten Tagsatzung blieb die Mutter fern. Bereits anläßlich ihrer Vorsprache am 7.1.1986 äußerte sie sich dahingehend, daß sie sich im Rahmen des Verfahrens zur Entscheidung über ihren Besuchsrechtsantrag einer psychologischen Begutachtung jedenfalls nicht unterziehen werde. Die Mutter befand sich bereits in Behandlung der Landesnervenklinik Salzburg. Ihr Verhalten anläßlich ihrer Vorsprache vom 7.1.1986 läßt jedenfalls nicht ausschließen, daß sie an psychischen Problemen leidet, die für die Frage, inwieweit Besuche bei ihrem Kind im Interesse des Kindeswohles vertretbar erscheinen, von Bedeutung sind. Zur näheren Abklärung dieser Frage sei die Erstellung eines entsprechenden Gutachtens durch einen Sachverständigen aus dem Fachgebiet der Psychiatrie unerläßlich, um erforderlichenfalls einer Gefährdung des Kindeswohles hinreichend begegnen zu können. Das persönliche Erscheinen der Mutter beim Sachverständigen sei unabdingbar, da es sich bei dem von ihm zu erstattenden Gutachten um eine für die Entscheidung unverzichtbare Grundlage handle.

Dem gegen diese Entscheidung gerichteten Rekurs der Mutter gab das Rekursgericht mit dem angefochtenen Beschluß keine Folge. Das Rekursgericht führte im wesentlichen aus, nach der Aktenlage hätten die Besuche der Mutter das Kind zuletzt verunsichert und deutlich verstört. Es bestünden Zweifel an der psychischen Gesundheit der Mutter. Das Besuchsrecht stehe nach § 148 Abs.1 ABGB der antragstellenden Mutter nicht jederzeit und unter allen Umständen zu, sondern hänge nach Zeit, Ort, Art und Weise von seiner gerichtlichen Bestimmung ab. Das Gericht habe die Ausübunng dieses Rechtes in einer dem Wohl des Kindes gemäßen Weise zu regeln und im vorliegenden Fall, da hier Zweifel bestünden, zu erforschen, ob überhaupt und wenn ja in welcher Weise und in welchem Umfang Besuche der Mutter dem Kindeswohl dienten. Dazu diene das vom Erstgericht angeordnete Sachverständigengutachten, dessen Voraussetzung die Einbeziehung der Mutter in die Befunderstellung und damit selbstverständlich auch ihr Erscheinen zur Befundaufnahme beim Sachverständigen sei. Zu dieser Anordnung sei das Erstgericht nach § 2 Abs.2 Z 5 AußStrG verpflichtet.

Auch die Vorgangsweise des Erstgerichtes, den Fortgang des Verfahrens über den Antrag auf Besuchsrechtsregelung und die Entscheidung von der Teilnahme der Mutter an der psychiatrischen Untersuchung abhängig zu machen, sei zu billigen. Das außerstreitige Verfahren, in dem über das Besuchsrecht der Mutter entschieden werde, kenne einen faktischen Stillstand, wenn die tatsächlichen Voraussetzungen einer Entscheidung nicht geklärt werden könnten. Das betreffe an sich nur Amtssachen; hier liege dagegen ein Antragsverfahren vor. Soweit sich das Besuchsrecht der Eltern am Wohl des Kindes zu orientieren habe, überwiege im Verfahren über den Antrag auf Besuchsrechtsregelung der Grundsatz der Amtswegigkeit. Eine Sachentscheidung dürfe nicht ergehen, solange die tatsächlichen Voraussetzungen nicht voll geklärt seien. Daraus folge, daß eine verfahrensrechtliche Regelung durch das Pflegschaftsgericht, die den Antrag nicht abweise, sondern den Fortgang des Verfahrens von der Mitwirkung der Antragstellerin abhängig mache, zulässig sei. Da das Besuchsrecht der Mutter in seiner konkreten Gestalt von der Bestimmung durch das Gericht abhänge, bedeute dies praktisch, daß die Mutter (von einvernehmlichen Regelungen abgesehen) das Kind so lange nicht besuchen könne, als ihr Besuchsrecht gerichtlich noch nicht festgesetzt sei. Die Mutter wäre daher gut beraten, ihre ablehnende Haltung aufzugeben und sich der in Aussicht genommenen Untersuchung zu unterziehen.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der Revisionsrekurs der Mutter mit dem erkennbaren Antrag, die Entscheidungen der Vorinstanzen zu beseitigen.

Rechtliche Beurteilung

Diesem Rechtsmittel kommt teilweise Berechtigung zu. Vorwegzunehmen ist, daß gemäß § 170 ABGB die Pflege und Erziehung eines unehelichen Kindes zunächst der Mutter allein zusteht. Im vorliegenden Fall wurde der Mutter nach der Aktenlage die Pflege und Erziehung des Kindes nicht entzogen. Wenn die Mutter anstrebt, das (offenbar mit ihrem Willen) auf einem Pflegeplatz untergebrachte Kind an jedem Wochenende von Samstag früh bis Sonntag abends zu sich nehmen zu dürfen, macht sie damit nichts anderes geltend als einen (zeitlich umschriebenen) Teil des ihr ex lege zukommenden Rechtes auf Pflege und Erziehung ihres Kindes. Diesem Begehren der Mutter müßte nur dann ein Erfolg versagt bleiben, wenn mit seiner Erfüllung eine besondere Gefährdung des Kindes verbunden wäre, sodaß sich ihr Verlangen im Hinblick auf eine dem Kind drohende Schädigung geradezu als Rechtsmißbrauch darstellen würde (vgl.EFSlg.38.353, 38.356, 45.836, 45.837 ua.).

Wenn nun im vorliegenden Fall die Vorinstanzen im Hinblick auf die Persönlichkeit der Mutter und des Kindes zur Beurteilung dieser Frage übereinstimmend die Einholung eines Gutachtens eines Sachverständigen aus dem Fachgebiet der Psychiatrie nach entsprechender Befundaufnahme mit der Mutter, der Pflegemutter und dem Kind für erforderlich hielten und anordneten, kann diese Anordnung jedenfalls nicht im Wege eines außerordentlichen Revisionsrekurses nach § 16 Abs.1 AußStrG mit Erfolg bekämpft werden. Es muß dabei nicht zur Frage Stellung genommen werden, ob derartige Anordnungen im Außerstreitverfahren überhaupt bekämpft werden können (EFSlg.37.240, 37.241, 44.495, 44.496 ua.). Jedenfalls liegt im Hinblick auf die Vorschrift des § 2 Abs.2 Z 5 AußStrG insoweit ein im § 16 Abs.1 AußStrG normierter Rechtsmittelgrund nicht vor.

Wohl aber kann dem Rechtsmittel der Mutter Berechtigung nicht aberkannt werden, soweit es sich gegen die im letzten Absatz des Spruches der Entscheidung des Erstgerichtes getroffene Anordnung handelt.

Anfechtbare Verfügungen im Sinne des § 9 Abs.1 AußStrG sind unter anderem auf die Erzeugung von Rechtswirkungen gerichtete prozessuale Willenserklärungen des Gerichtes (SZ 50/41 mit weiteren Nachweisen). Darum handelt es sich bei der im letzten Absatz des Spruches der Entscheidung des Erstgerichtes getroffenen Anordnung, daß die Fortsetzung des Verfahrens über den Antrag der Mutter nur dann zu erfolgen habe, wenn sich die Mutter der Befundaufnahme durch den Sachverständigen unterziehe; andernfalls unterbleibe eine Entscheidung.

Diese Anordnung des Erstgerichtes ist durch keine verfahrensrechtliche Gesetzesbestimmung gedeckt. Es obliegt ihm, im Sinne des § 2 Abs.2 Z 5 AußStrG vorzugehen und dabei, soweit erforderlich, die ihm zu Gebote stehenden zulässigen Zwangsmittel auszuschöpfen. Dabei ist es durchaus denkbar, daß der Antrag einer Partei abgewiesen werden muß, wenn diese Partei selbst erfolgreich die Klarstellung jener Umstände verhindert, die Voraussetzung für die Stattgebung ihres Begehrens wären. Es geht aber nicht an und es ist durch keine verfahrensrechtliche Gesetzesbestimmung gedeckt, die Fortsetzung des gerichtlichen Verfahrens über einen bestimmten Antrag und die Entscheidung hierüber von einem Verhalten einer Partei abhängig zu machen, das allenfalls durch dem Gericht zur Verfügung stehende Zwangsmittel nicht erzwungen werden kann. Eine solche Vorgangsweise kommt einer Rechtsverweigerung gleich, weil damit der Partei die Sachentscheidung über ihren Antrag überhaupt verweigert bzw. von einem allenfalls nicht erzwingbaren Verhalten abhängig gemacht wird.

Es wurde schon wiederholt entschieden, daß insbesondere dann ein Verfahrensverstoß vom Gewicht einer Nullität im Sinne des § 16 Abs.1 AußStrG vorliegt, wenn eine verfehlte prozessuale Anordnung geradezu eine Rechtsverweigerung zur Folge hat (EFSlg.44.684, 47.265 ua.). Dies trifft im vorliegenden Fall für die im letzten Absatz des Spruches der Entscheidung des Erstgerichtes getroffene Anordnung, die vom Rekursgericht bestätigt wurde, zu. In diesem Umfang waren daher die Entscheidungen der Vorinstanzen in teilweiser Stattgebung des Revisionsrekurses der Mutter im Sinne der ersatzlosen Beseitigung dieser Anordnung abzuändern.

Anmerkung

E08635

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0080OB00569.86.0526.000

Dokumentnummer

JJT_19860526_OGH0002_0080OB00569_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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