Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Stix als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kralik, Dr.Vogel, Dr.Kropfitsch und Dr.Zehetner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Manfred W***, Berufsfotograf, 8010 Graz, Nibelungengasse 22, vertreten durch Dr.Rainer Cusculeca, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1.) Karl K***, Angestellter, 1120 Wien,
Jägerhausgasse 58/2/4, 2.) I*** UNFALL- UND
S***-AG, 1031 Wien, Ghegastraße 3, vertreten durch
Dr.Hermann Rieger, Rechtsanwalt in Wien, wegen 255.264,40 S und Feststellung (Feststellungsstreitwert 40.000 S), infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 8.Jänner 1986, GZ 16 R 324/85-47, womit infolge Berufung der klagenden Partei und der beklagten Parteien das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 30.August 1985, GZ 35 Cg 704/83-42, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, dem Kläger die mit 9.681,07 S (darin 960 S Barauslagen und 792,82 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger wurde am 15. Juli 1981 als Beifahrer des Dr. Peter W*** auf der Kreuzung Prinz-Eugen-Straße/Gürtel in Wien bei einem vom Erstbeklagten mit seinem PKW polizeiliches Kennzeichen W 567.609 verschuldeten Verkehrsunfall verletzt. Gleichzeitig wurde ein Aktenkoffer des Klägers samt 80 Kunstfotos beschädigt. Für den PKW des Erstbeklagten besteht bei der Zweitbeklagten eine Haftpflichtversicherung.
Der Kläger begehrte von den Beklagten zuletzt die Bezahlung von 255.264,40 S s.A. sowie die Feststellung, daß die Beklagten ihm für alle zukünftigen Schäden aus dem Unfall zu haften haben. Für die beim Unfall erlittenen Verletzungen habe er 11.264,40 S an Behandlungskosten aufwenden müssen. Als Unfallsfolgen sei ein schief zusammengewachsener Schlüsselbeinbruch, der das äußere Erscheinungsbild des Klägers beeinträchtige, zurückgeblieben. Der Kläger sei künstlerischer Fotograf. Bei den beschädigten Fotos habe es sich um aus dem Jahr 1979 und 1980 stammende "Vintage Prints" gehandelt. Es handle sich dabei um Abzüge, die unmittelbar nach der Herstellung des Negativs erstellt werden, weshalb eine Wiederherstellung derartiger Fotografien auch dann nicht möglich sei, wenn die Negative noch vorhanden seien. Der Kläger verkaufe derartige fotografische Kunstwerke um den Preis von 3.000 S pro Stück. Die 80 beim Unfall zerknitterten Fotos seien nunmehr unverkäuflich. Begehrt werden daher aus diesem Titel 240.000 S. Beim Unfall sei auch der Aluminiumkoffer des Klägers zerstört worden, hiefür werde ein Betrag von 1.200 S begehrt, für eine ebenfalls beschädigte Fotomappe 600 S und für die Armbanduhr des Klägers
2.200 S.
Die Beklagten beantragten Klagsabweisung. Der durch die Knitterung der Fotos dem Kläger erwachsene Schaden belaufe sich nur auf 24.000 S. Dem Kläger wäre auch im Rahmen der Schadensminderungspflicht zumutbar gewesen, an Stelle der beschädigten Fotos gleichwertige Abzüge herzustellen. Die Wiederherstellungskosten für eine derartige Maßnahme überstiegen nicht 24.000 S. Bei dem vom Kläger begehrten Preis von 3.000 S pro künstlerischem Foto handle es sich um einen Preis der besonderen Vorliebe.
Das Erstgericht sprach dem Kläger 133.664,40 S s.A. zu und gab dem Feststellungsbegehren statt; das Mehrbegehren von 121.600 S s.A. wurde abgewiesen.
Das Gericht zweiter Instanz gab der Berufung der Beklagten nicht Folge; hingegen wurde der Berufung des Klägers teilweise Folge gegeben und das angefochtene Urteil, das im übrigen bestätigt wurde, in seinem klagsabweisenden Teil dahin abgeändert, daß dem Kläger insgesamt 253.664,40 S s.A. zugesprochen und das Mehrbegehren von 1.600 S s.A. abgewiesen wurde.
Das Berufungsgericht sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden hat, 300.000 S nicht übersteigt und die Revision zulässig sei.
Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes, soweit dem Kläger ein höherer Betrag als 39.264,40 S s.A. zugesprochen wurde, wendet sich die Revision der Beklagten aus den Anfechtungsgründen nach § 503 Abs 1 Z 2 und 4 ZPO mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne der Abweisung des Leistungsmehrbegehrens; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Der Kläger beantragt in seiner Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig (§ 502 Abs 4 Z 1 ZPO), aber nicht berechtigt.
Im Revisionsverfahren ist nur mehr die Berechnung des Wertes der bei dem Unfall beschädigten Kunstfotos strittig. Diesbezüglich hat das Erstgericht im wesentlichen folgende Feststellung getroffen:
Der zum Kreise der führenden künstlerischen Fotografen Österreichs gehörende Kläger transportierte zum Zwecke einer Ausstellung 80 Fotos in einem PKW. Er verwahrte sie unter dem Beifahrersitz in einem Aluminiumkoffer. Bei dem gegenständlichen Unfall wurden die Fotos durch leichte Knicke im oberen Bereich beschädigt. Die beschädigten Fotos können nur mehr als Presseaufnahmen verwendet werden, ihr Restwert ist mit 20 S pro Bild, insgesamt daher mit 1.600 S gegeben. Bei den Fotos handelt es sich um Vintage-Prints, das sind Erstabzüge, die in einem relativ kurzen Zeitraum nach Abfertigung der Aufnahme hergestellt werden und den gewünschten künstlerischen Eindruck vermitteln. Bei einem später gemachten Abzug handelt es sich um einen Re-Print, der dem Erstabzug nicht voll entspricht, da sich oft in kurzer Zeit Papierchemikalien, aber auch die Einstellung des Künstlers ändern. Der Verkaufswert von Re-Prints liegt wesentlich niedriger und ist für die Bilder des Klägers mit 1.500 S anzunehmen. Auch werden Re-Prints nicht von Galerien erworben. Der Kläger verwendete für seine Aufnahmen ein Weitwinkelobjektiv und Blitzlicht, er benötigt für seine Abzüge grundsätzlich nur ein Negativ. Er hat die gegenständlichen Serien in den Jahren 1979 bis 1981 hergestellt und von den Fotos mehrere Abzüge in den Formaten 30x50, 50x60 und wie klagsgegenständlich 30x40 gemacht. Er verfügt auch von dem Format 30x40 über weitere, allerdings nicht so gute Abzüge. Bei der Herstellung der Abzüge wurde Ilford-Galeriepapier verwendet. Dieses wurde in der Qualität verbessert und ist in der damaliegen Ausführung kaum mehr erhältlich. Der Kläger erzielte im Jahre 1981 für seine Schwarz-Weiß-Fotos regelmäßig einen Verkaufspreis von 3.000 Stück exklusive der Mehrwertsteuer. Der Verkaufswert einer größeren Anzahl von Bildern ist um 50 % niedriger anzusetzen. Der Kläger hat in den Jahren 1980 und 1981 etwa 300 verkaufsfertige Bilder hergestellt und davon etwa 20 - 50 Bilder, also maximal 1/6 verkauft. Zur Rechtsfrage führte das Erstgericht aus, daß eine Wiederherstellung der beschädigten als Kunstwerke einzustufenden Fotos des Klägers nicht mehr möglich sei. Wenn auch der vom Kläger erzielbare Einzelpreis von 3.000 S pro Stück betrage, könne er für eine größere Anzahl von Bildern nur die Hälfte dieses Preises verrechnen, sodaß ihm für die beschädigten 80 Kunstfotos nur ein Betrag von 120.000 S zuzusprechen gewesen sei.
Das Berufungsgericht übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes als unbedenklich, gelangte aber zu einer abweichenden rechtlichen Beurteilung. Da keineswegs feststehe, daß die beim Unfall beschädigten 80 Bilder nur als Serie d.h. en bloc verkauft hätten werden können, sei grundsätzlich davon auszugehen, daß es dem Kläger in der Vergangenheit bzw. in der Zukunft gelungen wäre, all diese Bilder auch einzeln zu verkaufen.
Nach den Feststellungen sei davon auszugehen, daß der Kläger zu denjenigen Fotokünstlern zähle, deren Werke im Kunsthandel bereits gefragt und auch umgesetzt werden. Aus dieser Tatsache folge, daß sich für fotografische Kunstwerke des Klägers auch ein Marktpreis und damit ein bestimmter Verkehrswert pro Stück gebildet habe. Voraussetzung für einen Handel mit fotografischen Kunstwerken nach der Art, wie sie der Kläger herstelle, sei nicht, daß alle vom Künstler hergestellten Produkte zu dem Marktpreis, den der Künstler erzielen könne, auch sofort verkauft werden könnten. Bei Kunstwerken von der Art, wie sie der Kläger herstelle, handle es sich erfahrungsgemäß nicht um Gebrauchsgegenstände, die jederzeit umgesetzt werden, für die Annahme eines Marktes genüge es vielmehr, daß es dem Kläger grundsätzlich möglich gewesen wäre, wenn auch nach mehreren Jahren Käufer für seine Kunstwerke zu finden. Für die Berechnung des Verkehrswertes könne auch nicht ein vom Künstler geforderter Preis, der unter dem Marktwert liege, herangezogen werden, weil es bekannt sei, daß gerade von nicht bekannten Künstlern Kunstwerke immer wieder aus einer Notlage zu einem wesentlich niedrigeren Preis abgegeben werden. Bei der Zerstörung eines Kunstwerkes könne daher der Anschaffungspreis eines Ersatzstückes nicht mit jenem Preis, den der Künstler gegenüber einer Kommerzgalerie beim Verkauf seiner Kunstwerke erziele, gleichgestellt werden. Der vom Kläger gegenüber der L*** eingeräumte Vorzugspreis könne daher aus den vom Erstgericht festgestellten Gründen, die den Kläger zu einem Entgegenkommen gegenüber der L*** verpflichtet haben, nicht für die Festsetzung des Marktpreises herangezogen werden, Maßgebend sei daher allein, was ein Geschädigter aufwenden hätte müssen, um sich von Privatpersonen oder von Galerien den beschädigten gleichwertige Kunstwerke wiederzubeschaffen. Für die Schadensberechnung sei daher ein Preis von 3.000 S pro Stück zugrundezulegen gewesen. Der Revisionsgrund nach § 503 Abs 1 Z 2 ZPO liegt nicht vor, was nicht weiter zu begründen ist (§ 510 Abs 3 ZPO). In der Rechtsrüge der Revision führen die Beklagten aus, für die Ermittlung des gemeinen Wertes der Fotos sei nicht der Einkaufswert heranzuziehen; bei unvertretbaren, zum Verkauf bestimmten Sachen sei vielmehr unter der Voraussetzung eines entsprechenden Verkaufsmarktwertes von diesem auszugehen. Der Verkaufswert einer größeren Anzahl von Fotos sei aber nur mit 1.500 S pro Stück anzusetzen, überdies habe der Kläger in den Jahren 1980 und 1981 nur 1/6 der von ihm hergestellten Fotos vekauft. Hätte der Kläger nur 1/6 der beschädigten Fotos verkaufen können, wäre ihm selbst bei Annahme eines Verkaufspreises von 3.000 S pro Stück nur ein Schaden von etwa 40.000 S entstanden.
Diesen Ausführungen ist folgendes zu erwidern: Bei Zerstörung von Kunstwerken, bei denen wie im vorliegenden Fall die Anschaffung von Ersatzgegenständen nicht in Betracht kommt, ist der vom Künstler erzielbare Verkaufserlös als jener Wert, den die zerstörte Sache im Vermögen des Geschädigten hatte, der Schadensberechnung zugrundezulegen (vgl. SZ 56/12 u.a., Reischauer in Rummel ABGB Rdz 10 zu § 1332, Koziol, Haftpflichtrecht 2 I, 194 f). Dieser ausschließlich dem Tatsachenbereich zuzuordnende Verkaufsmarktwert betrug aber nach den Feststellungen zum maßgebenden Zeitpunkt der Beschädigung 3.000 S pro Foto. Ohne Rechtsirrtum hat daher das Berufungsgericht dem Kläger als Ersatzbetrag für die zerstörten Fotos 240.000 S, abzüglich des Restwertes von 1.600 S zugesprochen. Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.
Anmerkung
E08284European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1986:0080OB00029.86.0526.000Dokumentnummer
JJT_19860526_OGH0002_0080OB00029_8600000_000