TE OGH 1986/5/28 1Ob20/86

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Veröffentlicht am 28.05.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schubert, Dr.Gamerith, Dr.Hofmann und Dr.Schlosser als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dipl.Ing.Dr.Franz A***, Techniker, Wien 23., Plattlgasse 12, vertreten durch Dr.Monika Pitzlberger, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei R*** Ö***, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien I., Singerstraße 17-19, wegen S 1,319.576,60 s.A. und Feststellung (Gesamtstreitwert S 1.969,576,--) infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 27. Jänner 1986, GZ.14 R 285/85-25, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Zwischenurteil des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 19.August 1985, GZ.1 Cg 715/84-18, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 17.716,50 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger erlitt am 14.9.1978 im Kreuzungsbereich der Bundesstraße 7 mit der Landesstraße 3094 im Gemeindegebiet von Kettlasbrunn einen Verkehrsunfall, an dem er als Lenker des Personenkraftwagens pol.Kennzeichen Nr.W 673.612, zugelassen auf die Firma Cincinnati Milacron Austria AG, und der Bedienstete der Post- und Telegraphenverwaltung Martin R*** als Lenker des auch zur Postbeförderung eingesetzten Postautobusses PT 12.318 beteiligt waren. Das alleinige Verschulden am Unfall trifft Martin R***. Der Kläger trug beim Unfall schwere Verletzung davon, der im Personenkraftwagen mitgeführte Ing.Stefan K*** wurde getötet. Als Spätfolge der Verletzungen traten beim Kläger eine Beeinträchtigung des Frischzeitgedächtnisses, mangelnde Konzentrationsfähigkeit, erhöhte cerebrale Ermüdbarkeit und eine partielle Kritikschwäche auf. Der Kläger war im Unfallszeitpunkt Vorstandsdirektor der Firma Cincinnati Milacron Austria AG. Er befand sich vom 14.9.1978 bis zum 1.9.1979 im Krankenstand. Im September 1979 nahm er seine frühere Berufstätigkeit bei der Firma Cincinnati Milacron Austria AG wieder auf, war jedoch durch die unfallskausalen Dauerfolgen so behindert, daß das Dienstverhältnis zum 31.3.1980 gekündigt wurde. Vom Jänner 1981 bis Juni 1981 war der Kläger ohne Arbeit, in der Folge war er im Büro des Zivilingenieurs Dipl.Ing.Peter R*** beschäftigt. Nach einer weiteren Arbeitslosigkeit vom März 1982 bis August 1982 wurde er ab September 1982 vom Stadtschulrat für Wien als Lehrbeauftragter an einer Höheren Technischen Lehranstalt verpflichtet. Die Allgemeine Unfallversicherungsanstalt erkannte ihm mit Bescheid vom 14.8.1979 eine vorläufige Rente und mit Bescheid vom 19.6.1980 eine Dauerrente von 80 % der Vollrente mit Zusatzrente und zwei Kinderzuschüssen zu. Der Kläger hätte auf Grund des Dienstvertrages mit der Firma Cincinnati Milacron Austria AG vom 1.4.1980 bis 15.2.1984 ein Nettoeinkommen von S 2,528.871,-- erzielt. Der Vertreter des Klägers Rechtsanwalt Dr.Herbert S*** forderte mit Schreiben vom 21.4.1980 die Finanzprokuratur zur Zahlung eines Schmerzengeldes von S 800.000,--, zum Ersatz weiterer Schäden (Fahrtkosten, Mehraufwand der Familie des Klägers, Pflegekosten etc.) sowie zum "Abschluß eines Feststellungsbegehrens für alle unfallskausalen Folgen, Verschlechterungen und Schmerzengeldforderung ab dem 7.2.1980" auf. Darüber hinaus machte er Forderungen namens der Witwe des beim Verkehrsunfall getöteten Ing.Stefan K*** und der Firma Cincinnati Milacron Austria AG geltend. Bei einer Besprechung am 4.2.1981 teilte der Vertreter der Finanzprokuratur dem Rechtsanwalt Dr.Herbert S*** mit, daß der von der Firma Cininnati Milacron Austria AG geltend gemachte Schaden zum größten Teil als mittelbarer Schaden anzusehen sei und ein Schmerzengeld in der Höhe von S 220.000,-- angemessen erscheine. Der Vertreter der Finanzprokuratur betonte, "daß die R*** Ö*** an einer vergleichsweisen Regelung, soweit entsprechende Unterlagen zur Schadenshöhe vorliegen, durchaus interessiert sei". Mit Schreiben Dris.Herbert S*** vom 1.4.1981 an die Finanzprokuratur wurden die Forderungen des Klägers aus dem Verkehrsunfall vom 14.9.1978 präzisiert, u.a. wurde (neuerlich) "der Abschluß eines Feststellungsbegehrens" über die Haftung der R*** Ö*** für alle zukünftigen Schäden, die aus dem Verkehrsunfall resultieren, begehrt. Der Anspruch auf Schmerzengeld wurde mit

S 900.000,-- beziffert, zum Verdienstentgang wurde festgehalten, daß diese Position noch konkretisiert werden werde. Die Finanzprokuratur wurde zur Anerkennung einer Reihe weiterer Schäden (Punkte 3, 5, 6 bis 13 des Schreibens) aufgefordert. Abschließend ersuchte Dr.Herbert S*** die Finanzprokuratur, die Versicherungsanstalt der österr.B*** Versicherungs AG anzuweisen, auf die "bezeichneten Beträge" bis zum Abschluß eines Generalvergleichs einen Betrag von S 200.000,-- zu akontieren. Mit Schreiben vom 20.5.1981 teilte die Finanzprokuratur Rechtsanwalt Dr.Herbert S*** mit, daß sie umgehend die Überweisung der Akontozahlung von S 200.000,-- veranlassen werde. Das Aufforderungsschreiben vom 1.4.1981 sei von der Finanzprokuratur an das zuständige Bundesministerium für Verkehr mit dem Ersuchen weitergeleitet worden, die Finanzprokuratur zu ermächtigen, "ernste Vergleichsgespräche" zu führen. Das Ergebnis einer weiteren Besprechung Dris.Herbert S*** mit einem Vertreter der Finanzprokuratur wurde im Schreiben der Finanzprokuratur an Dr.Herbert S*** vom 16.12.1981 wie folgt festgehalten:

"1) Die von der Witwe des Stefan K*** gegenüber der B***versicherung geltend gemachten Forderungen aus dem Verkehrsunfall vom 14.9.1978 sind verjährt. Allfällige Ansprüche werden daher nicht anerkannt.

2) Bezüglich der Forderungen des Dienstgebers des Dipl.Ing.Dr.A***, der Fa.Cincinnati, wird festgehalten, daß die geltend gemachten Sachschäden, soweit es sich um unmittelbare Schäden handelt, von der B***versicherung reguliert werden. In diesem Zusammenhang darf auf das Schreiben der Versicherung vom 26.11.1981 verwiesen werden.

Die Forderung der Fa.Cincinnati betr.des Verdienstentganges Dr.A*** in der Höhe von S 347.418,54 stellt einen mittelbaren Schaden dar und wird daher nicht anerkannt. Diese Position wird nicht mehr weiter geltend gemacht.

3) Bezüglich der fachärztlichen Begutachtung des Dipl.Ing.Dr.A*** ist die Prokuratur damit einverstanden, daß nicht nur Univ.Prof.Dr.S***, sondern auch Dr.S*** ein abschließendes Gutachten erstellen wird, wobei Dr.S*** die gesamten Schmerzperioden (sowohl auf dem nervenärztlichen als auch auf dem unfallchirurgischen Sektor) zusammenfassen wird.

Was die geltend gemachten Sachschäden des Dr.A*** anlangen, werden auch diese - soweit sie zu Recht bestehen - mit der B***versicherung direkt verhandelt werden.

Bezüglich der Forderung von S 300.000,-- (Verzögerung beim Hausbau infolge des Unfalles) wird ein entsprechender Nachweis zu erbringen sein, da ansonsten diese Position von der Prokuratur nicht anerkannt werden kann. Dies gilt auch für die Behandlungskosten für Dipl.Ing.A***."

Mit Schreiben vom 5.7.1982 teilte die Finanzprokuratur Rechtsanwalt Dr.Herbert S*** mit, daß auf Grund der vorliegenden ärztlichen Gutachten das Schmerzengeld mit dem Betrag von S 505.000,-- als angemessen anerkannt werde. Im Schreiben vom 4.1.1983 teilte Rechtsanwalt Dr.Herbert S*** der Finanzprokuratur mit, daß die Firma Cincinnati Milacron Austria AG eine Reihe von Rechnungen betreffend Behandlungskosten (im Krankenhaus Neunkirchen, an der Universitätsklinik Innsbruck etc.) dem Kläger angelastet habe; er ersuche um Klärung, ob diese Leistungen durch die Gebietskrankenkasse refundiert würden, weil sonst ein Direktanspruch des Klägers gegeben wäre. Abschließend wird festgehalten, daß Rechtsanwalt Dr.Herbert S*** die Schmerzengeldforderung mit Schreiben vom 3.1.1983 bekanntgegeben habe, "geklärt werden müssen noch die übrigen Forderungen, die ich in allernächster Zeit bekanntgeben werde". Mit Schreiben vom 11.2.1983 teilte die Finanzprokuratur Rechtsanwalt Dr.Herbert S*** mit, daß ihrer Ansicht nach ein Schmerzengeld von S 505.000,-- durchaus angemessen sei. Die Finanzprokuratur sei an einer außergerichtlichen Einigung interessiert, weshalb Rechtsanwalt Dr.Herbert S*** nochmals mit seinem Mandanten Rücksprache nehmen möge. Was die Kosten des Krankenhausaufenthalts betreffe, so seien die Rechnungen des Krankenhauses Neunkirchen von der B***versicherung bezahlt worden. Zu den übrigen Rechnungen könne die Finanzprokuratur nach der Aktenlage nicht exakt angeben, ob diese Rechnungen bereits im Wege des Regresses der Wiener Gebietskrankenkasse bezahlt worden seien. Es falle auf, daß die Rechnungen vom ehemaligen Dienstgeber Dris.Franz A***, der Firma Cincinnati Milacron Austria AG, bezahlt wurden. Es werde um Aufklärung, gegebenenfalls unter Übermittlung einer Fotokopie des seinerzeit mit Dr.Franz A*** abgeschlossenen Dienstvertrages, ersucht. In dem an den Kläger gerichteten Schreiben Dris.Herbert S*** vom 3.3.1983 nimmt dieser den vom Kläger ausgesprochenen Widerruf der Vollmacht zur Kenntnis. Rechtsanwalt Dr.Herbert S*** weist darauf hin, daß bei der weiteren Bearbeitung der Unfallsache Leistungen, die der Kläger vom Gerling-Konzern erhalten habe, zu berücksichtigen sein werden. Durch Kontaktnahme mit der Kanzlei der Rechtsanwälte Dr.Kurt H***, Dr.Heinz H.L*** und DDr.Georg B*** und Partner wäre zu klären, welche Leistungen noch von der V*** Lebensversicherungs-Aktien-Gesellschaft zu erwarten seien, damit beurteilt werden könne, ob diese Leistungen auf den Verdienstentgang anzurechnen seien. Die Finanzprokuratur habe erklärt, auf die Einrede der Verjährung zu verzichten, doch wären zügige Verhandlungen aufzunehmen, um die Angelegenheit zu finalisieren.

Mit Schreiben vom 12.4.1983 ersuchte Rechtsanwalt Dr.Roland H*** als neuer Vertreter des Klägers unter Bezugnahme auf die Mitteilung des Rechtsanwaltes Dr.Herbert S*** um schriftliche Bestätigung seitens der Finanzprokuratur, daß auf die Einrede der Verjährung verzichtet werde, damit weiterhin außergerichtliche Vergleichsgespräche geführt werden können. Die Forderung des Klägers an Schmerzengeld werde mit S 600.000,-- zuzüglich 4 % Zinsen beziffert, an Verdienstentgang werde bis einschließlich März 1983 ein Betrag von S 2,300.000,-- geltend gemacht. Die übrigen Forderungspositionen blieben aufrecht. Die Finanzprokuratur nahm zu diesem Schreiben am 13.5.1983 dahin Stellung, sie habe niemals die Erklärung abgegeben, auf die Einrede der Verjährung zu verzichten. Sie habe sich lediglich an einer vergleichsweisen Regelung des Schmerzengeldanspruchs interessiert erklärt. Zu den anderen Forderungen hätten schon deshalb keine Vergleichsgespräche geführt werden können, weil der Finanzprokuratur keine Unterlagen übermittelt worden seien. Dies treffe insbesondere auch für den behaupteten Verdienstentgang zu, der auch entgegen der Bestimmung des § 8 AHG ziffernmäßig niemals konkretisiert worden sei. In seinem Schreiben vom 16.6.1983 präzisierte Rechtsanwalt Dr.Roland H*** seinen Standpunkt dahin, daß die R*** Ö*** die Haftung für den vom Kläger erlittenen Verdienstentgang niemals bestritten habe und durch die Weiterführung der Vergleichsgespräche zumindest konkludent anerkannt habe, wenn auch nunmehr Verjährung der Ansprüche, ausgenommen das Schmerzengeld, geltend gemacht werde. Mit Schreiben vom 30.6.1983 übermittelte die Finanzprokuratur Rechtsanwalt Dr.Roland H*** eine Abfindungserklärung betreffend den mit S 550.000,-- anerkannten Schmerzengeldanspruch. Es wurde auch um Aufschlüsselung der von Rechtsanwalt Dr.Herbert S*** mit S 112.066,01 bezifferten Kosten ersucht. Die detaillierte Kostennote Dris.Herbert S*** und eine Kostennote Dris.Roland H*** wurden der Finanzprokuratur am 21.10.1983 übermittelt. Im Schreiben vom 27.10.1983 wies die Finanzprokuratur darauf hin, daß allfällige Vergleichskosten erst am Ende der endgültigen Bereinigung der Angelegenheit verrechnet werden. Da die Schmerzengeldansprüche verglichen, alle anderen Ansprüche aber verjährt seien, ersuche die Finanzprokuratur um Mitteilung, ob bei Bezahlung der zur Rechtsverfolgung notwendigen Kosten der Schadensfall als endgültig abgeschlossen angesehen werden könne; in diesem Fall werde im Einvernehmen mit der B***versicherung zur Höhe der begehrten Kosten Stellung genommen werden.

Mit der am 23.2.1984 eingebrachten Klage begehrt der Kläger, gestützt auf die Bestimmungen des Amtshaftungsgesetzes, den zufolge des Unfalls vom 14.9.1978 erlittenen Verdienstentgang von S 1,319.576,60 s.A. sowie die Feststellung, daß die beklagte Partei verpflichtet sei, ihm künftig ab 15.2.1984 erwachsenden Verdienstentgang zu ersetzen.

Die beklagte Partei wendete Verjährung des geltend gemachten Anspruchs ein. Der Kläger replizierte, daß die R*** Ö*** gegenüber seinem seinerzeitigen Vertreter einen Verjährungsverzicht abgegeben habe, der sich auf sämtliche Ansprüche aus dem Unfallereignis vom 14.9.1978 bezogen habe.

Das Erstgericht erkannte mit Zwischenurteil das Begehren des Klägers als dem Grunde nach zu Recht bestehend. Der aus Verdienstentgang resultierende Schaden sei erst mit der Kündigung des Dienstverhältnisses am 31.3.1980 eingetreten. Am 21.4.1980 habe der damalige Vertreter des Klägers Rechtsanwalt Dr.Herbert S*** die Finanzprokuratur zur Anerkennung eines Feststellungsbegehrens für alle unfallskausalen Folgen aufgefordert. Die sodann geführten Vergleichsverhandlungen seien durch die beklagte Partei verzögert worden. Dem Kläger komme zugute, daß durch die Dauer der Vergleichsverhandlungen der Ablauf der Verjährungsfrist gehemmt worden sei. Die am 23.2.1984 eingebrachte Klage sei somit rechtzeitig erhoben worden.

Das Berufungsgericht änderte das angefochtene Urteil dahin ab, daß es das Klagebegehren abwies. Ernstzunehmende Vergleichsverhandlungen bewirkten nach Lehre und Rechtsprechung nur unter der Voraussetzung baldiger Klage nach dem Scheitern der Vergleichsverhandlungen eine Hemmung der Verjährung. Die beklagte Partei habe mit dem Schreiben vom 13.5.1983 dem Vertreter des Klägers Rechtsanwalt Dr.Roland H*** zum Ausdruck gebracht, daß sie niemals auf die Einrede der Verjährung verzichtet habe, und damit zu erkennen gegeben, daß sie im Falle eines Prozesses die eingetretene Verjährung geltend machen werde. Die beklagte Partei habe sich an der vergleichsweisen Regelung des Schmerzengeldanspruches interessiert gezeigt und darauf hingewiesen, daß über den Verdienstentgang keine Vergleichsgespräche hätten geführt werden können, weil der Kläger seine Ansprüche nicht beziffert und keine Unterlagen vorgelegt habe. Trotzdem sei in der Folgezeit über einen Kostenbeitrag weiter verhandelt worden. Aus dem Schreiben der beklagten Partei vom 30.6.1983 an den Vertreter des Klägers ergebe sich auch deutlich, daß die Rechtsanwaltskosten des Klägers erst nach endgültiger Bereinigung des Schadensfalles berechnet werden sollten. Daraus ergebe sich, daß bis zum Schreiben der beklagten Partei vom 27.10.1983 sämtliche offenen Schadenersatzforderungen doch noch eine Einheit gebildet hätten und daß über alle Teilforderungen bis zu diesem Zeitpunkt noch verhandelt worden sei. Eine vergleichsweise Regelung, wie sie die beklagte Partei angestrebt habe, hätte zur Voraussetzung gehabt, daß alle noch offenen Fragen geregelt werden, also der Kläger nicht mit einem einzelnen Anspruch den Klagsweg beschreite. Mit dem Schreiben vom 27.10.1983 sei aber klar zum Ausdruck gebracht worden, daß die beklagte Partei die Bezahlung irgendeines Betrages als Ersatz für den Verdienstentgang endgültig ablehne. Mit dem Eingang dieses Schreibens am 3.11.1983 seien die Vergleichsverhandlungen endgültig gescheitert, so daß der Kläger nunmehr verhalten gewesen wäre, unverzüglich seinen Anspruch geltend zu machen. Da er im Hinblick auf die jahrelangen Vergleichsverhandlungen alle für seine Forderung bedeutsamen Umstände erhoben haben mußte, sei ihm für die Überreichung der Klage kein längerer Zeitraum als ein solcher von maximal eineinhalb Monaten zuzubilligen. Die Klage sei aber erst am 23.2.1984, somit nach drei Monaten und 20 Tagen, überreicht worden. Diese Frist sei im Falle eines bereits hinreichend gesicherten Sachverhaltes für eine unverzügliche Klagserhebung zu lange. Demnach sei die dreijährige Verjährungsfrist selbst dann, wenn man sie erst mit der Kündigung des Dienstverhältnisses des Klägers zu seinem früheren Dienstgeber beginnen lasse, abgelaufen gewesen. Im Hinblick auf die eingetretene Verjährung sei das Klagebegehren nicht gerechtfertigt.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen das Urteil des Berufungsgerichtes erhobenen Revision des Klägers kommt Berechtigung nicht zu.

Das von Rechtsanwalt Dr.Herbert S*** begehrte Anerkenntnis der Schadenersatzforderungen des Klägers dem Grunde nach wurde nach den Verfahrensergebnissen von der beklagten Partei nicht abgegeben, eine geäußerte Vergleichsbereitschaft stellt kein Anerkenntnis im Sinne des § 1497 ABGB dar (SZ 44/115; SZ 40/40; JBl.1960,640). Die Vorinstanzen beriefen sich jedoch zu Recht auf die herrschende Rechtsprechung und Lehre, daß der Ablauf der Verjährungsfrist durch Vergleichsverhandlungen gehemmt wird. Wenn Vergleichsverhandlungen bis an das Ende der Verjährungsfrist oder über diese hinaus gedauert haben, wird der Ablauf der Verjährungsfrist hinausgeschoben. Verjährung tritt dann nicht ein, wenn nach Abbruch der Vergleichsverhandlungen unverzüglich, also in angemessener Frist, die Klage eingebracht wird (MietSlg.35.280, 33.181; ZVR 1979/287; SZ 48/33; EvBl.1974/158; SZ 38/72 ua; Koziol-Welser, Grundriß 7 I 171). Nichts anderes gilt im Amtshaftungsrecht (Loebenstein-Kaniak, AHG 2 205).

Die geleisteten Teilzahlungen betrafen nur den Anspruch auf Schmerzengeld, der Gegenstand der Verhandlungen zwischen der beklagten Partei und dem Vertreter des Klägers war. Wenngleich daher konkrete Vergleichsverhandlungen über den Anspruch des Klägers auf Verdienstentgang nicht stattgefunden haben und auch ein Anerkenntnis seiner Forderung (dem Grunde nach) nicht erklärt wurde, so wurde doch vom Kläger im Aufforderungsschreiben vom 21.4.1980 das Verlangen auf Anerkennung des Anspruchs auf Ersatz aller ihm künftig erwachsenden Schäden gestellt, dieser Anspruch im Aufforderungsschreiben vom 1.4.1981 wiederholt und zugleich darauf verwiesen, daß der Verdienstentgang ziffernmäßig noch konkretisiert werde. Die beklagte Partei hat gegenüber dem Vertreter des Klägers betont, an einer vergleichsweisen Regelung, soweit entsprechende Unterlagen zur Schadenshöhe vorliegen, durchaus interessiert zu sein, sie stellte im Schreiben vom 20.5.1981 "ernste Vergleichsgespräche" in Aussicht. Die Bereitschaft zur vergleichsweisen Regelung sollte offensichtlich eine Prozeßführung auch nur über einen Teilanspruch verhindern. Eine Einschränkung dahin, daß die Vergleichsbereitschaft nur für den zunächst geltend gemachten Anspruch auf Schmerzengeld und die Sachschäden zu gelten hätte, wurde nicht gemacht. Der Kläger konnte daher das Verhalten der Finanzprokuratur, auch wenn eine ausdrückliche Erklärung, auf den Einwand der Verjährung zu verzichten, nicht abgegeben wurde, redlicherweise zunächst dahin verstehen, daß sich die Bereitschaft zur vergleichsweisen Regelung auch auf die wegen der Schwierigkeit der Ermittlung der Schadenshöhe zunächst in Schwebe gelassene Forderung auf Verdienstentgang bezieht und die beklagte Partei diesen Anspruch, falls eine vergleichsweise Regelung nicht erfolgt, im Prozeßweg nur mit sachlichen Einwendungen bekämpfen werde (vgl. SZ 38/72; SZ 47/17; SZ 40/100).

Wenn die beklagte Partei dann aber ihre Zusage, über die Ansprüche des Klägers zu verhandeln, um sie nach Möglichkeit einer vergleichsweisen Regelung zuzuführen, auf den Schmerzengeldanspruch beschränkte und sich darauf berief, daß die Ansprüche des Klägers im übrigen verjährt seien, mußte es dem Vertreter des Klägers klar sein, daß der Verdienstentgang nicht mehr Gegenstand von Vergleichsverhandlungen war. Diese Erkenntnis erlangte er mit dem ihm zugekommenen Schreiben der Finanzprokuratur vom 13.5.1983. Er war dann nicht mehr berechtigt, das Verhalten der beklagten Partei dahin zu verstehen, sie werde sich im Falle einer späteren Prozeßführung auch bei Forderungen auf Verdienstentgang auf sachliche Einwendungen beschränken. Der Vertreter des Klägers hat dies auch in diesem Sinne verstanden, wies er doch in seinem an die Finanzprokuratur gerichteten Schreiben vom 16.6.1983 darauf hin, daß die Finanzprokuratur, entgegen ihrem bisher eingenommenen Standpunkt, nunmehr Verjährung der Ansprüche seines Mandanten - ausgenommen den Anspruch auf Schmerzengeld - behaupte. Erkannte der Vertreter des Klägers aber, daß die beklagte Partei sich nunmehr auf eine Verjährung der übrigen Ansprüche berufen werde, so durfte er nicht untätig bleiben. Er mußte vielmehr, um sich die Replik der Arglist gegen das Verhalten der beklagten Partei zu wahren, innerhalb angemessener Frist Klage erheben. Verfehlt war es, wenn der Vertreter des Klägers, statt Klage zu erheben, darauf hinwirkte, die beklagte Partei von ihrem Standpunkt, sie werde dem Anspruch des Klägers auf Verdienstentgang den Verjährungseinwand entgegensetzen, abzubringen, weil selbst eine ausdrückliche Erklärung, auf die Einrede der Verjährung zu verzichten, zurückgenommen werden kann (SZ 47/104; SZ 47/17). Die vom Kläger erst am 23.2.1984 nach neun Monaten eingebrachte Klage war dann aber jedenfalls verspätet erhoben, so daß der Anspruch auf Verdienstentgang verjährt ist.

Demzufolge ist der Revision der Erfolg zu versagen.

Anmerkung

E08362

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0010OB00020.86.0528.000

Dokumentnummer

JJT_19860528_OGH0002_0010OB00020_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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