TE OGH 1986/6/3 14Ob72/86

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Veröffentlicht am 03.06.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuderna und Dr. Gamerith sowie die Beisitzer Dr. Martin Mayr und Dr. Walter Geppert als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Johann B***, Angestellter, Wien 16., Brunnengasse 46/18, vertreten durch Dr. Michael Stern und Dr. Peter Stern, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei C***-B*** in Wien 1., Schottengasse 6, vertreten

durch Dr. Robert Amhof und Dr. Heinz Damian, Rechtsanwälte in Wien, wegen S 116.174,34 brutto und S 100,- netto jeweils sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Ureil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes in arbeitsgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten vom 21. November 1985, GZ 44 Cg 199/85-24, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeitsgerichtes Wien vom 10. August 1984, GZ 4 Cr 1141/83-11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 7.577,85 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin sind S 1.920,- Barauslagen und S 514,35 Umsatzsteuer enthalten) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger behauptet, von der beklagten Partei ungerechtfertigt entlassen worden zu sein. Er begehrt die Zahlung eines der Höhe nach außer Streit stehenden Betrages von S 116.174,34 brutto und S 100,-

netto, jeweils sA, an Kündigungsentschädigung, anteiligen Sonderzahlungen, Abfertigung und restliche Urlaubsentschädigung (nach Abzug der erhaltenen Urlaubsabfindung).

Die beklagte Partei beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Die Entlassung sei gerechtfertigt erfolgt, weil der Kläger einige Zigarettenpäckchen aus dem versperrten Kasten des Vorsitzenden des Aufsichtsrates der beklagten Partei gestohlen oder dies zumindest versucht habe. Er sei daher vertrauensunwürdig.

Der Kläger bestritt diesen Vorwurf.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es traf folgende für das Revisionsverfahren noch wesentliche Feststellungen:

Der Kläger war vom 1.5.1979 bis zu seiner am 20.6.1983 erfolgten Entlassung im Sicherheitsdienst der beklagten Partei als Gruppenführer tätig. Zu seinen Aufgaben gehörte es ua., im Rahmen von Kontrollgängen durch das Haus der Zentrale der beklagten Partei auch den Büroraum des Vorsitzenden des Aufsichtsrates, Vizekanzlers a.D. Dr. B***, zu betreten und nachzusehen, ob die Fenster geschlossen sind, ob der in einem Wandverbau befindliche Wasserhahn abgedreht ist und ob sich allenfalls jemand im Zimmer aufhält. Diese Inspektion durfte nur vom Gruppenführer vorgenommen werden. Der Schlüssel zu diesem Zimmer wird abends im Zimmer des Sicherheitsdienstes auf dem hiefür vorgesehenen Platz aufgehängt. In einem der beiden im Zimmer befindlichen Kästen befindet sich unter anderem eine Schachtel in der Größe einer Schuhschachtel mit Zigaretten. Dieser Kasten durfte vom Kläger nicht geöffnet werden; der Schlüssel wurde im unversperrten Schreibtisch Dr. B*** verwahrt. Im Frühjahr 1983 stellte der bei Dr. B*** seinen Dienst versehende Manipulant Erwin D*** mehrmals das Fehlen von Zigarettenpackungen fest. Als ihm am Morgen des 13.6.1983 erneut das Fehlen von sieben solcher Packungen aus der Schachtel auffiel, meldete er dies dem Leiter des Sicherheitsdienstes der beklagten Partei, der am 15.6.1983 in der vom Erstgericht näher festgetellten Weise eine Diebsfalle errichtete. Die vorerwähnte Schachtel wurde ua mit einem pulverartigen Spray besprüht, der, wenn er mit einem Körperteil oder mit einem Gegenstand in Berührung kommt, daran haften bleibt und mehrere Tage lang trotz Reinigung nicht ganz entfernt werden kann.

In der Nacht vom 15. auf den 16.6.1983 verrichtete der Kläger seinen Dienst. Er unternahm zwischen 22 Uhr und 23 Uhr einen Kontrollgang, der ihn auch in das Zimmer Dr. B*** führte. Er entnahm, obwohl dies verboten ist, dem unversperrten Schreibtisch den Kastenschlüssel und sperrte den Kasten auf, um der Schachtel Zigaretten zu entnehmen. Nachdem er mit dem Spray in Berührung gekommen war, erkannte er die Diebsfalle, verwischte die Spuren auf der Schachtel und legte den Kastenschlüssel in den auf dem Schreibtisch befindlichen Aschenbecher, wobei er Pulverspuren hinterließ. Er verließ dann das Zimmer, indem er die Türe mit dem Ellbogen öffnete.

Nachdem am nächsten Morgen eine Veränderung der Lage der Schachtel festgestellt worden war, wurden die Personen, die zu dem Zimmer Zugang hatten, mit der Fluor-Testlampe abgeleuchtet. Hiebei wurden an den Händen des Klägers sowie an seiner Diensttaschenlampe und an seiner Dienstpistole Pulverspuren festgestellt. Er wurde am 17.6.1983 vom Dienst freigestellt und am 20.6.1983 entlassen. Diesen Sachverhalt beurteilte das Erstgericht im Sinne einer die Entlassung nach dem dritten Tatbestand des § 27 Z 1 AngG rechtfertigenden Vertrauensunwürdigkeit des Klägers. Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Es führte das Verfahren gemäß dem § 25 Abs. 1 Z 3 ArbGG neu durch, traf die gleichen Feststellungen wie das Erstgericht und billigte dessen rechtliche Beurteilung.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene Revision des Klägers mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinn des Klagebegehrens abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Die beklagte Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Der Kläger vertritt die Auffassung, die Entlassung sei ungerechtfertigt ausgesprochen worden, weil er nur ein einziges Mal eine geringfügige Verfehlung, nämlich das Öffnen des Kastens, begangen habe; dies rechtfertige nicht die Annahme einer Vertrauensunwürdigkeit.

Dieser Auffassung kann nicht beigestimmt werden. Der Kläger weicht von den für den Obersten Gerichtshof bindenden Feststellungen insofern ab, als er die Diebstahlsabsicht übergeht und das Erkennen der Diebsfalle in Abrede stellt. Der gegen ihn erhobene Vorwurf beschränkt sich nicht allein auf das Öffnen der Kastentüre, sondern umfaßt auch die damit im Zusammenhang stehende, von den Vorinstanzen festgestellte Absicht des Klägers, aus der im Kasten verwahrten Schachtel Zigaretten zu stehlen. Dieser Sachverhalt rechtfertigt jedoch, wie die Vorinstanzen richtig erkannt haben, die Annahme der Vertrauensunwürdigkeit im Sinne des dritten Tatbestandes des § 27 Z 1 AngG. Unter diesen Tatbestand fällt jede Handlung oder Unterlassung eines Angestellten, die mit Rücksicht auf ihre Beschaffenheit und die Rückwirkung auf das Arbeitsverhältnis den Angestellten des dienstlichen Vertrauens seines Arbeitgebers unwürdig erscheinen läßt, weil dieser befürchten muß, der Angestellte werde seine Pflichten nicht mehr getreulich erfüllen, so daß dadurch die dienstlichen Interessen des Arbeitgebers gefährdet sind. Entscheidend ist, ob das Verhalten des Angestellten nach objektiven Grundsätzen als so schwerwiegend angesehen werden muß, daß das Vertrauen des Arbeitgebers derart heftig erschüttert wird, daß ihm eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr zugemutet werden kann. Schädigungsabsicht oder ein Schadenseintritt sind nicht erforderlich. Entscheidend ist das Vorliegen der Vertrauensverwirkung (Arb. 10072 mwH).

Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Gerade der Umstand, daß der Kläger Angehöriger des Sicherheitsdienstes der beklagten Partei und daher für die Sicherheit im Betrieb mitverantwortlich war, läßt sein Verhalten besonders schwerwiegend und im besonderen Maße vertrauensverwirkend erscheinen, so daß der beklagten Partei eine Weiterbeschäftigung nicht zugemutet werden konnte. Daß es sich (möglicherweise) um einen einmaligen Vorfall handelte, fällt angesichts der besonderen Vertrauensstellung des Klägers und seines Handelns in Diebstahlsabsicht nicht ins Gewicht. Auch ein einmaliges Verhalten kann, wenn es schwerwiegend ist, Vertrauensunwürdigkeit im dargelegten Sinn begründen (Kuderna, Das Entlassungsrecht, 89). Da die Entlassung somit gerechtfertigt erfolgt ist, fehlt den von der Annahme einer ungerechtfertigten Entlassung ausgehenden Klagsansprüchen die Berechtigung.

Die Kostenentscheidung ist in den §§ 41 und 50 ZPO begründet.

Anmerkung

E08188

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0140OB00072.86.0603.000

Dokumentnummer

JJT_19860603_OGH0002_0140OB00072_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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