TE OGH 1986/6/12 6Ob586/86

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Veröffentlicht am 12.06.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch, Dr. Schobel, Dr. Riedler und Dr. Schlosser als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei George D***, Kaufmann, Viktorgasse 14/9, 1040 Wien, vertreten durch Dr. Nikolaus Lehner, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Gerhard B***, Schriftsteller und Kabarettist, Schloßallee 10, 2385 Breitenfurt, vertreten durch Dr. Karl Leutgeb, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung (Streitwert S 300.000,--), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien als Berufungsgerichtes vom 18. Dezember 1985, GZ 41 R 1104/85-18, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 18. Juni 1985, GZ 48 C 917/84-12, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 10.294,65 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 927,15 Umsatzsteuer und S 96,-- Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Vertrag vom 18. September 1981 verpachtete der Beklagte dem Kläger seinen unter der Bezeichnung "Fledermausbar" geführten gastronomischen Betrieb in der Spiegelgasse 2 in Wien-Innere Stadt ab 1. Oktober 1981. Das Pachtverhältnis sollte zwei Jahre dauern, wurde jedoch mit Zusatzvereinbarung vom 9. Mai 1983 um weitere zwei Jahre - bis 1. Juli 1985 - verlängert.

Die streitwesentlichen Bestimmungen des Pachtvertrags lauten:

"...

3. Nach Schluß der Vorstellung (spätestens 22,30 Uhr) steht das Lokal zur uneingeschränkten Verfügung des Herrn D***. Sämtliche ab diesem Zeitpunkt anfallende Spesen und Ausgaben sind von ihm zu tragen ...

4. Die Konzession des Unternehmens bleibt in den Händen des Herrn B*** .... Die Bezahlung des Herrn P*** geht nominell weiter zu Lasten des Herrn B***, doch verpflichtet sich Herr D***, die Hälfte seines Gehaltes Herrn B*** zu ersetzen.

5. Als Pachtsumme wird eine monatliche Bezahlung von S 20.000 incl. MWSt vereinbart, doch vor Inkrafttreten dieses Abkommens wird Herr D*** die Summe von S 120.000 bei Herrn B*** hinterlegen. Sollte Herr D*** aus irgendwelchen Gründen seinen Verpflichtungen nicht nachkommen können, verfällt dieses Geld, und Herr B*** ist berechtigt, den Vertrag sofort zu lösen.

6.

...

7.

Die laufenden Unkosten des Betriebes werden zwischen den beiden Kontrahenten folgendermaßen aufgeteilt: Die Hauptmiete an die Hausverwaltung sowie die Stromkosten an die Wiener Stadtwerke zahlt Gerhard B***, die Heizungskosten sowie Gas zahlt Georges D***. Herr D*** wird einen Zähler zum Telefon installieren lassen und übernimmt auch die Kosten an das Telefonamt ...

              8.              Das vorhandene Warenlager wird zur Gänze von Herrn D*** übernommen - zum Stand zum 30. 9. 1981 - und im Laufe von 30 Tagen zum Einkaufspreis bezahlt ...." (Beilage A).

Der Einstandspreis des Warenlagers betrug S 55.813,80 (netto); trotz wiederholter Mahnungen leistete der Kläger jedoch auf diesen Betrag nicht einmal Teilzahlungen. Den Pachtzins für November 1984 zahlte der Kläger am 7. Dezember 1984. Der Zins für Dezember 1984 war am 15. Dezember 1984 noch nicht beglichen. Auf die Gasrechnungen, die der Kläger zur Gänze zu tragen hatte, hat er für die Jahre 1981 bis 1984 (1984 S 2.237,91) keinerlei Zahlungen geleistet. Von den Telefongebühren, die der Kläger dem Beklagten nach dem Vertrag zur Gänze zu ersetzen hat, haftete für das Jahr 1983 am 15. Dezember 1984 noch ein Betrag von S 6.441,71 aus; die Telefonkosten für das Jahr 1984 waren noch zur Gänze zu ersetzen. Nachdem der Buchhalter des Beklagten, Walter P***, und dessen Ehegattin laufend Zahlungen urgiert hatten, stellte der Beklagte dem Kläger das Ultimatum, bis 15. Dezember 1984 zumindest eine Teilzahlung von S 40.000 zu leisten. Dieser Betrag sollte als Akontozahlung auf den Gesamtrückstand angerechnet werden. Als der Kläger trotzdem bis nach der Vorstellung am 15. Dezember 1984 nichts zahlte, schaltete der Beklagte den Strom ab und änderte am nächsten Tag das Schloß zur Eingangstür, so daß der Kläger das Lokal seither nicht mehr benützen kann.

Der Kläger begehrte die Verurteilung des Beklagten, die Störung des Betriebes des gepachteten Unternehmens, insbesondere durch Versperren, Anbringen eines neuen Schlosses und durch Abschaltung des elektrischen Stromes, zu unterlassen, und dem Kläger einen Schlüssel auszuhändigen.

Der Beklagte wendete insbesondere ein, er sei, da der Kläger die übernommenen Verpflichtungen nicht erfüllt habe, zur sofortigen Auflösung des Pachtvertrages berechtigt gewesen; das habe er dem Kläger auch angedroht und am 15. Dezember 1984 vollzogen. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es vertrat die Ansicht, der Beklagte sei zur sofortigen Aufhebung des Pachtvertrages berechtigt gewesen, weil der KLäger trotz Androhung der Auflösung die geforderten Teilzahlungen nicht zeitgerecht geleistet habe. Da der Kläger somit nicht mehr Pächter sei, stünden ihm die geltend gemachten Ansprüche aus dem Pachtvertrag nicht mehr zu.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes zwar S 60.000, nicht aber S 300.000 übersteige, und ließ die Revision zu. Es führte aus, die vom Beklagten gewählte Art der Entfernung des Klägers aus dem Pachtlokal stehe mit der Rechtsordnung insofern nicht im Einklang, als der Beklagte dem Kläger durch einen Akt der von ihr nicht geschützten Selbsthilfe den Besitz an den Pachträumlichkeiten entzogen habe. Der Kläger habe diese Vorgangsweise jedoch nicht zum Anlaß einer Besitzstörungsklage genommen, sondern an deren Stelle den Anspruch geltend gemacht, daß er im bedungenen Gebrauch der Bestandsache nicht gestört werde. Zu prüfen sei deshalb, ob das Bestandverhältnis noch aufrecht sei. Gemäß § 863 Abs 1 ABGB könne man seinen Willen auch durch schlüssige Handlungen erklären. Die Lehre verstehe daher auch sogenannte Willensbetätigungen als Rechtsgeschäft. Der Beklagte habe durch sein Vorgehen nach dem am 8. Dezember 1984 erklärten "Ultimatum" seinen Willen zur Auflösung des Bestandverhältnisses unzweifelhaft zum Ausdruck gebracht; hiezu sei er nach dem Vertragsinhalt angesichts der vom Kläger nicht erfüllten Verpflichtungen auch berechtigt gewesen. Daran ändere nichts, daß das als Vertragsauflösung zu beurteilende Verhalten aus besitzrechtlicher Sicht einem Akt unerlaubter Selbsthilfe gleichkomme.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers ist zwar zulässig, weil zur Frage, ob auch Akte unzulässiger Selbsthilfe wirksame Willenserklärungen im Sinne des § 863 ABGB sein können, Rechtsprechung fehlt; sie ist aber nicht berechtigt.

Der Kläger befaßt sich in seinem Rechtsmittel nur mehr mit dieser Frage und vertritt hiezu die Auffassung, es gehe nicht an, den Pachtvertrag allein dadurch aufzulösen, daß der Bestandnehmer ausgesperrt werde.

Die Vorinstanzen haben richtig erkannt, daß der Kläger zu den von ihm geltend gemachten Ansprüchen, ihn im bedungenen Gebrauch nicht zu stören (§ 1096 Abs 1 ABGB), nur dann legitimiert wäre, wenn er noch Bestandnehmer ist. Daß der Beklagte gemäß Punkt 5. des Pachtvertrages (Beilage A) berechtigt war, den Vertrag sofort zu lösen, wenn der Kläger seinen vertraglichen Verpflichtungen aus welchem Grunde immer nicht nachkommen sollte, und dieser mit einer Reihe von Zahlungsverpflichtungen trotz wiederholter Mahnung in Verzug war, haben die Vorinstanzen festgestellt. Das bestreitet auch der Kläger nicht mehr. Der Beklagte hat ihm am 8. Dezember 1984 ein "Ultimatum", also eine letztmalige Frist gesetzt, am 15. Dezember 1984 eine Teilzahlung von 40.000 S zu leisten, und, als der Beklagte wiederum nicht zahlte, durch sein Verhalten nach Ablauf der Frist unzweifelhaft zum Ausdruck gebracht, daß er von seinem vertraglichen Recht somit Gebrauch mache und das Pachtverhältnis mit sofortiger Wirkung aufhebe. Damit war das Bestandverhältnis beendet, so daß der Kläger zur unverzüglichen Räumung verpflichtet gewesen wäre.

Nun ist es richtig, daß der Beklagte gemäß § 19 ABGB zur Selbsthilfe nicht berechtigt war. Gründe, daß richterliche Hilfe zu spät gekommen wäre (§ 344 ABGB), hat er weder behauptet noch sind sie im Verfahren hervorgekommen. Die Selbsthilfe des Beklagten war somit unzulässig. Da der Beklagte dem Kläger auch den Besitz an den Pachträumlichkeiten durch die Aussperrung eigenmächtig entzogen hat, hätte sich dieser dagegen durch Besitzstörungsklage zur Wehr setzen können. Dies ändert aber nichts daran, daß der Beklagte berechtigt war, den Pachtvertrag aufzuheben; das konnte auch durch konkludentes Verhalten geschehen (§ 863 Abs 1 ABGB). Der Aussperrung konnte vom Kläger im Hinblick auf das "Ultimatum" vom 8. Dezember 1984 und die Änderung des Schlosses gar kein anderer Erklärungswert als der Wille des Beklagten, das Bestandverhältnis zu beenden, beigemessen werden. Daß es sich dabei um einen Akt rechtswidriger Selbsthilfe handelte, kann kein anderes rechtliches Ergebnis zeitigen. Das Verbot unzulässiger Selbsthilfe soll den Gegner vor eigenmächtiger Besitzentziehung (oder Besitzstörung) und vor Schaden bewahren, nimmt der Selbsthilfehandlung aber nicht den ihr beizumessenden Erklärungswert; insoweit fehlte es am Rechtswidrigkeitszusammenhang.

Ist die Aussperrung des Klägers als wirksame Vertragsaufhebungserklärung des Beklagten zu beurteilen, war der Pachtvertrag im maßgeblichen Zeitpunkt (Schluß der Verhandlung erster Instanz) bereits aufgehoben, so daß der Kläger zu den geltend gemachten vertraglichen Ansprüchen nicht mehr berechtigt war. Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

Anmerkung

E08434

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0060OB00586.86.0612.000

Dokumentnummer

JJT_19860612_OGH0002_0060OB00586_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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