TE OGH 1986/6/12 13Os54/86

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Veröffentlicht am 12.06.1986
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Der Oberste Gerichtshof hat am 12.Juni 1986 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, Dr. Schneider, Dr. Felzmann und Dr. Brustbauer (Berichterstatter) als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Steinberger als Schriftführers in der Strafsache gegen Franz Xaver M*** und andere wegen des Verbrechens des Menschenhandels nach § 217 Abs. 1 StGB. über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Annemarie B*** und Johann F*** gegen das Urteil des Kreisgerichts Wels als Schöffengerichts vom 15.Jänner 1986, GZ. 11 Vr 1260/83-102, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalts Dr. Gehart, und des Verteidigers Dr. Kunze, jedoch in Abwesenheit der beiden Rechtsmittelwerber, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden verworfen.

Die Berufung des Angeklagten Johann F*** wird zurückgewiesen. Der Berufung der Angeklagten Annemarie B*** wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO. fallen den Angeklagten Annemarie B*** und Johann F*** die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Franz Xaver M***, Annemarie B*** und Johann F***

wurden des Verbrechens des Menschenhandels nach § 217 Abs. 1 StGB. schuldig erkannt. Nach den wesentlichen Urteilsannahmen führte M*** mit seiner damaligen Gattin Annemarie B*** seit Herbst 1978 in der Linzerstraße in Wels das Speiselokal "S***-S***-H***", dem Fremdenzimmer angeschlossen sind. Johann F*** arbeitete dort seit Jänner 1982 als Aushilfskellner. Im April 1982 planten M*** und B***, die das Speiselokal auch nach ihrer Ehescheidung gemeinsam weiterführten, einen "Club" zu eröffnen, in dem auch afrikanische Mädchen als Animierdamen und Prostituierte beschäftigt werden sollten. Von diesem Vorhaben unterrichteten M*** und B***, die mit den Gegebenheiten und dem Prostitutionsmilieu in Kenia auf Grund eines früheren Aufenthalts in Afrika vertraut waren, Johann F***. Gemeinsam beschlossen sie, daß M*** und F*** eine Reise nach Mombasa (Kenia) unternehmen, um dort "schwarze Prostituierte" anzuwerben. Annemarie B*** gab dazu nicht nur Ratschläge, sondern half auch bei den Reisevorbereitungen (A 2). Absprachegemäß flogen im Mai 1982 M*** und F*** nach Mombasa. Dort lernten sie in einem Nachtlokal die keniatischen Staatsangehörigen Anastasia G*** und Amina T*** kennen, die als Tänzerinnen und Animiermädchen beschäftigt waren und der Prostitution nachgingen. Sie überredeten beide, nach Österreich zu kommen und dort - zumindest bis Jänner 1983 - der Prostitution nachzugehen, weil diese in Europa besser bezahlt sei. Da M*** und F*** meinten, eine Ausreise der beiden Mädchen aus Kenia sei nur möglich, wenn diese österreichische Staatsbürgerinnen seien, stellten sie den Mädchen eine Heirat in Kenia in Aussicht, ließen dieses Versprechen jedoch fallen, als sie erfuhren, daß eine Heirat für die Ausreise nicht erforderlich sei. Dann besorgten M*** und F*** für die beiden Keniatinnen die für die Einreise und den Aufenthalt in Österreich erforderlichen Papiere und die Flugtickets (A 1 a bis c). Am 28.Mai 1982 trafen G*** und T*** mit einem Linienflug von Mombasa in Frankfurt ein, wo sie von B*** abgeholt und mit einem Kraftwagen nach Wels gebracht wurden. Dort wurden die beiden Mädchen auf Kosten von M*** und B*** im

"S***-S***-H***" untergebracht. Nachdem die Versuche der Angeklagten, für den beabsichtigten "Club" ein Lokal zu beschaffen, gescheitert waren, beschlossen sie auf Vorschlag der Angeklagten B***, die Prostitution der beiden Keniatinnen im "S***-S***-H***" selbst aufzuziehen. Zur Abdeckung der aufgelaufenen Spesen für den Flug und den Aufenthalt in Wels sollten M*** und F*** je 50 % der Einnahmen der beiden Mädchen aus der Prostitution erhalten.

Um die drohende Ausweisung der beiden Tänzerinnen aus Österreich nach Ablauf der mit drei Monaten befristeten Aufenthaltsbewilligung zu verhindern, beschlossen die Angeklagten, die Mädchen zu verheiraten. So schlossen am 7.August 1982 F*** mit Amina T*** und der von M*** angeworbene Karl Peter P*** mit Anastasia G*** vor dem Standesamt Wels die Ehe. F*** und B*** waren den der deutschen Sprache nicht mächtigen Keniatinnen in der Folge bei der Erlangung der österreichischen Staatsbürgerschaft behilflich, B*** beantragte für Amina F*** auch das "Gesundheitsbuch". Auf Drängen der Angeklagten begannen Amina F*** und Anastasia P*** ab Anfang September 1982 mit der Ausübung der Prostitution im "S***-S***-H***", wobei die Angeklagten M*** und B*** für Unterkunft und Verpflegung ortsübliche Entgelte verlangten. Aus den ihnen zur Verfügung bleibenden Einnahmen deckten die beiden Prostituierten in der Folge die für sie aufgelaufenen Spesen aus der Zeit von Mai 1982 bis September 1982 ab. M*** vermittelte ihnen wiederholt Gäste des "S***-S***-H***" als Kunden, sowohl er als auch B*** waren ihnen beim Anbieten ihrer Dienste in Zeitungen behilflich (B).

Noch im September 1982 zog Anastasia P*** nach einem Streit mit dem Angeklagten M*** von Wels nach Linz, im Spätherbst 1982 verließ auch Amina F*** das "S***-S***-H***".

Diesen Sachverhalt stützte das Erstgericht auf die im wesentlichen geständige Verantwortung der Angeklagten vor der Sicherheitsdirektion für Oberösterreich vom November 1982 und erachtete ihre abschwächenden Angaben bei späteren Vernehmungen und ihre leugnende Verantwortung in der Hauptverhandlung für unwahr. Den entlastenden Angaben der Zeuginnen Anastasia P*** und Amina F*** schenkte das Erstgericht insbesondere deshalb keinen Glauben, weil diese um ihren weiteren Aufenthalt in Österreich fürchteten. Die eine "Liebesheirat" bestätigenden Angaben des Zeugen P*** vermochten das Gericht auf Grund des schlechten Eindrucks, den dieser Zeuge hinterließ, nicht zu überzeugen.

Den Schuldspruch bekämpfen B*** und F*** mit Nichtigkeitsbeschwerden, die sie jeweils auf § 281 Abs. 1 Z. 5 und 9 lit. a StPO., Johann F*** überdies auf die Z. 4, stützen.

Zur Beschwerde der Angeklagten B***:

Mängelrüge (Z. 5)

Rechtliche Beurteilung

Mit der Behauptung, aus der Aussage der Zeugin K*** könne nicht abgeleitet werden, daß sie der Amina T*** das Gesundheitsbuch verschaffte, vernachlässigt die Beschwerdeführerin zusätzliche Beweisergebnisse. Das Erstgericht stützte diese Konstatierung nämlich nicht nur auf die Aussage der Zeugin K*** (S. 536 Band II), sondern auch auf die Angaben der Angeklagten vor der Sicherheitsdirektion und teilweise auch vor Gericht (S. 541 ff., 548 Band II).

Von Unvollständigkeit, Mangelhaftigkeit oder unzureichender Begründung kann keine Rede sein, wenn der Schöffensenat seine Feststellung, daß B*** bei der Abfassung von Inseraten behilflich war (S. 538 Band II), auf das summarische und diesbezüglich unwidersprochene Zugeständnis dieser Angeklagten stützt (S. 548 Band II). Der Frage, ob der Mitangeklagte M*** mit der Beschwerdeführerin von Kenia mehrmals (S. 533 Band II) oder bloß einmal telefoniert hat, kommt keine entscheidungswesentliche Bedeutung zu.

Mit der Behauptung, die Feststellung, wonach auch B*** "maßgeblich daran beteiligt war", daß die Staatsbürgerschaftsehen der Zeuginnen T*** und G*** mit dem Mitangeklagten F*** und mit P*** zustandekamen (S. 536 Band II), sei unzureichend begründet, wendet sich die Beschwerdeführerin einerseits gegen eine nicht entscheidungswesentliche Urteilskonstatierung, weil diese Eheschließungen nicht Gegenstand des Schuldspruchs sind. Andererseits bekämpft sie damit bloß in unzulässiger Weise die schöffengerichtliche Beweiswürdigung, zumal sie selbst einräumen muß, daß für diese Urteilsannahme im Akt immerhin ein "Anhaltspunkt" zu finden sei, nämlich die Angaben des Mitangeklagten M***. Gleichfalls auf das Gebiet der Beweiswürdigungsbekämpfung begibt sich die Angeklagte mit dem Einwand, die Urteilskonstatierung, derzufolge alle Angeklagten die Tänzerinnen zur Ausübung der Prostitution gedrängt haben (S. 536 Band II), sei unzureichend begründet. Das Erstgericht ließ nämlich auch insoweit keinen Zweifel, daß es den Angaben des Angeklagten F*** (S. 245 ff. Band I) im Zusammenhalt mit den Verantwortungen der Angeklagten M*** und B*** vor der Sicherheitsdirektion folgte, und legte ausführlich die Gründe dar, weshalb es diese Angaben für glaubwürdiger hielt als die leugnenden Verantwortungen der Angeklagten in der Hauptverhandlung (S.540 ff. Band II), wobei auch die entlastenden Angaben der farbigen Prostituierten ausreichende Berücksichtigung fanden (S. 545 Band II).

Ob die Beschwerdeführerin, die nach den Urteilsannahmen jedenfalls den gesamten Tatplan kannte und an dessen Ausführung durch Ratschläge und Vorbereitung der Reise der Mitangeklagten M*** und F*** aktiv mitgewirkt hatte, die beiden Keniatinnen sodann vom Frankfurter Flughafen auf Grund "eines vorbesprochenen Planes" oder infolge einer "überraschenden" Bitte des Mitangeklagten M*** abholte (S. 533 Band II), ist weder für die Unterstellung der Tat unter das Gesetz noch für die Wahl des anzuwendenden Strafsatzes von Bedeutung. Der Einwand betrifft sohin keine entscheidende Tatsache.

Mit der Behauptung, die Urteilsfeststellung, wonach sie M*** und F*** in ihrem Tatentschluß durch Ratschläge und Mitwirkung an den Reisevorbereitungen bestärkt habe, seien "aktenwidrig", verkennt die Beschwerdeführerin das Wesen der Aktenwidrigkeit, wie es § 281 Abs. 1 Z. 5 StPO. im dritten Teilsatz klar umschreibt. Dabei setzt sie sich ihrerseits über die Aktenlage hinweg und übergeht ihre eigenen Angaben vor der Sicherheitsdirektion vom 15.November 1982 (S. 189 ff. Band I), in denen sie sogar eine finanzielle Unterstützung des Plans der Mitangeklagten M*** und F*** zugestanden hatte (S. 193, 195 Band I). Daß die Bezugnahme auf ihre Depositionen vor der Sicherheitsdirektion "nicht genüge", ist ein Vorbringen der Nichtigkeitswerberin, das wiederum außer acht läßt, daß das Erstgericht die Glaubwürdigkeit dieser Angaben gegenüber der leugnenden Verantwortungen der Angeklagten in der Hauptverhandlung ausführlich begründete.

Rechtsrüge (Z. 9 lit. a)

Mit Beziehung auf Pallin im Wiener Kommentar meint die Angeklagte, "Zuführen" im Sinn des § 217 StGB. sei "eine gezielte Einflußnahme auf das Schutzobjekt in Richtung einer Umwandlung der gesamten Lebensführung in jene einer Prostituierten in einem fremden Staat". Hiezu genüge ein bloßes Verleiten ebensowenig wie die bloße Unterstützung einer zur gewerbsmäßigen Unzucht in einem fremden Staat bereits entschlossenen Person. "Anwerben" bedeute demgegenüber die vertragliche Verpflichtung des Schutzobjekts zur Ausübung der gewerbsmäßigen Unzucht in einem fremden Staat. Übe nun das Schutzobjekt den Beruf einer Prostituierten in einem fremden Land bereits aus, so sei das Zuführen abgeschlossen. Weitere Unterstützungshandlungen könnten dem § 217 StGB. nicht mehr unterstellt werden. Die bloße Unterstützung ohne subjektive Einflußnahme auf das Schutzobjekt sei weder als "Zuführen" noch als "Anwerben" zu beurteilen. Daraus ergäbe sich, daß Amina T*** und Anastasia G*** von M*** und F*** bereits in Mombasa zur Prostitution in Österreich überredet worden seien. Die beiden Mitangeklagten hätten in der Folge auch die für die Reise und für die Ausübung der Prostitution in Österreich erforderlichen Maßnahmen getroffen und damit "beide Aspekte des Zuführens verwirklicht", sodaß für die "gesonderte Annahme der zweiten Begehungsform des Anwerbens" kein Raum bleibe. Die beiden Tänzerinnen seien schon beim Antritt ihrer Reise zur Prostitution in Österreich entschlossen gewesen, sodaß eine Einflußnahme der Beschwerdeführerin "weder nötig war noch erfolgte"; keine der ihr zugeschriebenen Unterstützungshandlungen könne daher dem Begriff des Zuführens unterstellt werden.

Diesem Vorbringen ist entgegenzuhalten:

Nach § 217 Abs. 1 StGB. macht sich schuldig, wer eine Person, mag sie auch bereits der gewerbsmäßigen Unzucht ergeben sein, dieser Unzucht in einem anderen Staat als in dem, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt oder in dem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat, zuführt oder sie hiefür anwirbt. Zuführen (§ 217 StGB.) besteht nicht in einer gezielten Einflußnahme zwecks Umwandlung der gesamten Lebensführung in jene der Prostitution (§ 215 StGB.). Vielmehr zielt, wie Pallin in dem von der Beschwerdeführerin zitierten Wiener Kommentar für § 217 StGB. modifiziert (dort Rz. 5), die Handlungweise des zuführenden Täters auf die Lebensführung einer Prostituierten in einem anderen Staat ab; denn nach den Eingangsworten des § 217 StGB. kann Schutzobjekt dieser Bestimmung auch eine Person sein, welche die gewerbsmäßige Unzucht bereits ausübt. Der Begriff des "Zuführens" im Sinn des § 217 StGB. - der allerdings die Entfaltung einer über die bloße Erteilung eines Ratschlags oder die Leistung von Hilfsdiensten hinausgehenden Mittlertätigkeit erfordert - setzt demnach nicht voraus, daß der Täter den Willen des Schutzobjekts beeinflußt, also dieses erst dazu veranlaßt, in einem Land, dessen Staatsangehörigkeit es nicht besitzt und wo es sich bisher nicht aufhielt, der Prostitution nachzugehen (SSt. 50/59 = EvBl. 1980/108, 9 Os 189/85). Es genügt das Schaffen der Voraussetzungen für die Ausübung der Prostitution in dem anderen Staat.

Zutreffend beurteilte das Kreisgericht aber auch die im Mai 1982 in Mombasa gesetzten Tathandlungen der Mitangeklagten M*** und F*** als Anwerben in der Bedeutung des § 217 Abs. 1 StGB. Hatten doch beide Amina T*** und Anastasia G*** zur Ausübung der Prostitution in Österreich überredet und mit ihnen vereinbart, diese in Österreich "zumindest bis Jänner 1983" auszuüben (siehe Pallin im WK., Rz. 6 zu § 217 StGB.).

Gleichfalls rechtsrichtig erblickte der Schöffensenat die Täterschaft der Beschwerdeführerin in dem gemeinsam mit M*** und F*** gefaßten Entschluß, einen "Club" zu eröffnen, in dem "afrikanische Mädchen als Animierdamen und Prostituierte beschäftigt werden sollten", in der gemeinsamen Planung des Flugs der Mitangeklagten nach Kenia zum Zweck der Anwerbung von Afrikanerinnen für diesen Club und im Beistand der Rechtsmittelwerberin bei den Reisevorbereitungen mit Rat und Tat (S. 529 ff. Band II). Dies ist nach § 12, dritter Fall, StGB. zu beurteilen, weil B*** dadurch M*** und F*** bei der Ausführung ihrer Tat sowohl physisch als auch psychisch unterstützte.

Verfehlt ist auch, wie schon ausgeführt, die Ansicht der Beschwerdeführerin, das Zuführen in der Bedeutung des § 217 Abs. 1 StGB. sei abgeschlossen, wenn das Schutzobjekt "den Beruf einer Prostituierten im fremden Land" (gemeint: in Kenia) "bereits ausübe". § 217 Abs. 1 StGB. stellt darauf ab, daß jemand "eine Person, mag sie auch bereits der gewerbsmäßigen Unzucht ergeben sein, dieser Unzucht in einem anderen Staat als in dem, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt oder in dem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat, zuführt oder sie hiefür anwirbt". Diesen Gesetzeswortlaut vor Augen, kann nicht in Zweifel gezogen werden, daß die Beschwerdeführerin die beiden mittellosen und der deutschen Sprache nicht mächtigen Keniatinnen durch Abholen vom Flughafen Frankfurt, durch Gewährung von Kost und Quartier im "S***-S***-H***", durch die Beschaffung eines Gesundheitsbuchs und Drängen der beiden Tänzerinnen, die Prostitution in Österreich aufzunehmen, endlich durch ihre Mithilfe ein Zeitungsinserat aufzugeben, eine Mittlertätigkeit entfaltet hat, welche die Lebensführung der Afrikanerinnen auf die Ausübung der gewerbsmäßigen Prostitution in Österreich ausrichtete. Der Schuldspruch der Zweitangeklagten ist sonach irrtumsfrei.

Zur Beschwerde des Angeklagten F***:

Verfahrensrüge (Z. 4)

Gegenstand ist die Abweisung des in der Hauptverhandlung vom 15. Jänner 1986 gestellten Antrags auf Vernehmung der Zeuginnen Amina F*** und Anastasia P*** unter Zuziehung eines Dolmetsch für Suaheli zum Beweis dafür, daß sie von F*** "in keiner Weise zur Prostitution gezwungen worden sind, er sie dazu auch nicht angeworben hat" bzw. ihnen keine Kunden zuführte (S. 515 Band II). Das abweisliche Zwischenerkenntnis (im Urteil ergänzt: S. 544 f. Band II) geht dahin, daß die Zeuginnen F*** und P*** nach der Überzeugung des Gerichts auch ohne Dolmetsch für Suaheli in der Lage waren, an sie gestellte Fragen (unter Beiziehung eines Dolmetsch für die englische Sprache) zu verstehen und ausreichend zu beantworten. Dem ist noch hinzuzufügen, daß die beiden Zeuginnen ohne Heranziehung eines Dolmetsch für Suaheli, wohl aber eines solchen für Englisch, durchaus entlastende Angaben im Sinn des gestellten Beweisantrags gemacht haben. Daß das Erstgericht diesen Depositionen allerdings den Glauben versagte, weil die Zeuginnen ein persönliches Interesse an der Verschleierung der Wahrheit hatten, um ihren weiteren Aufenthalt in Österreich nicht zu gefährden (S. 544 Band II), sowie auch deshalb, weil sie ihre mittlerweile gemäß § 23 EheG. für nichtig erklärten (s. Akten 3 Cg 81/84 und 5 Cg 66/84 des Kreisgerichts Wels) Ehen weiterhin als "reine Liebesheiraten" darstellten (S. 545 Band II), verschlägt der damit offenkundigen Entbehrlichkeit der verlangten neuerlichen Einvernahme nichts. Soweit in der Beschwerde vermeint wird, es hätte geklärt werden können, ob G*** und T*** "als Touristinnen mit Rückreisevisa nach Österreich gekommen sind" und "warum sie sich im Herbst 1982 entschlossen haben, in Österreich der Prostitution nachzugehen", überschreitet das Rechtsmittel unzulässig das in der Hauptverhandlung angegebene Beweisthema. Gleiches gilt für die Behauptung des Beschwerdeführers, er habe "in der Hauptverhandlung den Antrag gestellt", die "auf die Staatsbürgerschaft von Anastasia und Amina bezughabenden Akten des Magistrats Wels" beizuschaffen. Ein derartiger Antrag ist dem Hauptverhandlungsprotokoll vom 15. Jänner 1986 nicht zu entnehmen.

Mängelrüge (Z. 5)

Unrichtig ist zunächst die Beschwerdebehauptung, daß im Urteil Tatsachen als nebeneinander bestehend festgestellt wurden, die nach den Gesetzen logischen Denkens nicht nebeneinander bestehen können. Indes befindet sich die Urteilskonstatierung, daß "sich im Beweisverfahren keine sicheren Anhaltspunkte dafür ergaben, daß die Angeklagten von den beiden Mädchen Geld gefordert hätten, ohne hiefür eine entsprechende Gegenleistung geboten zu haben" (S. 548 Band II), mit der Feststellung, derzufolge die Angeklagten die keniatischen Tänzerinnen drängten, "zur Abdeckung angelaufener Kosten" (für Reise und Aufenthaltsspesen: S. 534 Band II) mit der Prostitution zu beginnen, logisch durchaus im Einklang. Aus beidem folgt die Urteilsannahme, es könne nicht festgestellt werden, daß die Angeklagten "ihren Unterhalt ganz oder auch nur teilweise aus der Prostitution der Keniatinnen durch deren Ausbeutung zu gewinnen suchten" (S. 537 Band II). Davon abgesehen, ist für ein Zuführen im Sinn des § 217 Abs. 1 StGB. nicht notwendig, daß dies um eines Vermögensvorteils des Täters willen geschieht (Pallin im WK., Rz. 5 zu § 217 StGB.).

Unzutreffend ist auch der Einwand, das Gericht habe nicht festgestellt, wann die Zeuginnen Amina F*** und Anastasia P*** die österreichische Staatsbürgerschaft erhielten und ob sie "zum Beginn der Ausübung der Prostitution Österreicherinnen waren oder nicht". Das Erstgericht konstatierte ausdrücklich, daß unmittelbar nach der Eheschließung am 7.August 1982 vor dem Standesamt Wels für die Mädchen Anträge zum Erhalt der österreichischen Staatsbürgerschaft gestellt wurden (S. 535, 536 Band II) und diese mit der Ausübung der Prostitution erst nach dem Erhalt der österreichischen Staatsbürgerschaft begannen (S. 537 Band II). Damit ist für den Beschwerdeführer allerdings - worauf bei Behandlung seiner Rechtsrüge zurückzukommen sein wird - nichts gewonnen.

Rechtsrüge (Z. 9 lit. a)

Zutreffend bemerkt der Beschwerdeführer (ersichtlich mit Beziehung auf Pallin im WK., Rz. 8 zu § 217 StGB.), daß das Verbrechen des Menschenhandels mit dem Beginn der gewerbsmäßigen Unzuchtshandlungen im anderen Staat, fallbezogen "ab September 1982" (S. 552 Band II), vollendet ist, zu denen "das Schutzobjekt durch die tatbestandlichen Mittel veranlaßt wurde". In der Folge setzt sich aber der Nichtigkeitswerber über jene Urteilskonstatierungen hinweg, wonach er mit M*** die Reisekosten der Zeuginnen von Mombasa nach Frankfurt bevorschußte und mit den beiden anderen Mitangeklagten die Zeuginnen ("zur Abdeckung angelaufener Kosten") drängte, mit der Prostitution zu beginnen (II. Bd. S. 535 ff.). Feststellungswidrig bringt der Beschwerdeführer vor, in Österreich außer der - im Schuldspruch gar nicht enthaltenen und darum auch nicht unrichtig als Tätigkeit im Sinn des § 217 StGB. beurteilten - Eheschließung mit Amina T*** keine Tathandlungen gesetzt zu haben. Solcherart wird der angerufene materielle Nichtigkeitsgrund, der ein Festhalten am gesamten, im Urteil festgestellten Sachverhalt verlangt, nicht zur gesetzmäßigen Darstellung gebracht.

Gleiches gilt für die Behauptung des Beschwerdeführers, er habe "die Zeuginnen nicht angeworben", sondern bloß die Möglichkeit "freiwilliger" Prostitutionsausübung in Österreich aufgezeigt und mit Amina T*** keine Vereinbarung getroffen. Insoweit übergeht er die Urteilsfeststellungen, daß er mit M*** in Mombasa T*** und G*** zur Ausübung der gewerbsmäßigen Unzucht in Österreich mit dem Argument überredete, daß die Prostitution in Europa besser bezahlt sei, daß er ihnen den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft durch Heirat in Aussicht stellte, weil sie damit in Österreich "leichter" als Prostituierte arbeiten könnten (S. 531 Band II), und daß er mit ihnen vereinbarte, sie sollten "zumindest bis Jänner 1983" in Österreich bleiben (S. 532 Band II) und als Prostituierte arbeiten (A 1).

Verfehlt ist des weiteren der Einwand des Beschwerdeführers, er habe nicht mittels einer gezielten Einflußnahme auf Amina T*** deren gesamte Lebensführung umgewandelt und sie so der Prostitution zugeführt. In Erwiderung hierauf ist der Beschwerdeführer, um Wiederholungen zu vermeiden, auf die im Rahmen der Erledigung der Beschwerde der Zweitangeklagten dargelegte Abgrenzung der Begriffe des "Zuführens" in den §§ 215 und 217 StGB. zu verweisen. Schließlich geht der Beschwerdeführer auch mit der Behauptung, "bei richtiger Würdigung der Ergebnisse des Beweisverfahrens hätte das Erstgericht zum Schluß kommen müssen", die beiden Zeuginnen hätten als österreichische Staatsbürgerinnen erst fünf Monate nach ihrer Einreise in Österreich (ohne sein Zutun) den Entschluß gefaßt, der Prostitution nachzugehen, vom Urteilssachverhalt ab. Er bekämpft auch insoweit nur in unzulässiger Weise die schöffengerichtliche Beweiswürdigung. Den Urteilsfeststellungen zufolge hat der Beschwerdeführer (im Zusammenwirken mit den Mitangeklagten) die als "Anwerben" und "Zuführen" im Sinn des § 217 Abs. 1 StGB. zu beurteilenden Tathandlungen zu einer Zeit gesetzt, als Amina T*** und Anastasia G*** noch keniatische Staatsangehörige waren. Daß der Erfolg der Tat, nämlich die Aufnahme der gewerbsmäßigen Unzucht in Österreich (und damit die Tatvollendung) erst eintrat, nachdem die Genannten die österreichische Staatsbürgerschaft erlangt hatten, vermag an der Strafbarkeit der Angeklagten nichts zu ändern. Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher zu verwerfen.

Zu den Berufungen:

Die Berufung des Angeklagten F*** war gemäß §§ 294 Abs. 2, 296 StPO. zurückzuweisen, weil bei ihrer Anmeldung kein Berufungspunkt bezeichnet und eine Berufungsausführung nicht erstattet worden ist. Die Angeklagte B*** begehrt eine Herabsetzung der über sie gemäß § 217 Abs. 1 StGB. verhängten und gemäß § 43 Abs. 1 StGB. bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von sieben Monaten. Der Berufungseinwand, der vom Schöffengericht einzig angenommene Erschwerungsgrund, nämlich die Tatbegehung in beiden Begehungsformen des § 217 Abs. 1 StGB. liege nicht vor, scheitert am Schuldspruch. Die in erster Instanz angenommenen Milderungsgründe, nämlich die bisherige Unbescholtenheit, das lange Zurückliegen der Tat, verbunden mit dem seitherigen Wohlverhalten, und die nur untergeordnete Beteiligung an der Begehungsform des Anwerbens überwiegen den Erschwerungsgrund schon deshalb nicht, weil von der strafbaren Handlung zwei, noch dazu der Sprache in dem fremden Land völlig unkundige Opfer betroffen waren.

Die knapp an der gesetzlichen Untergrenze bemessene Freiheitsstrafe ist vielmehr durchaus der Tatschuld der Berufungswerberin angemessen, sodaß auch dieses Rechtsmittel erfolglos bleiben mußte.

Anmerkung

E08853

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0130OS00054.86.0612.000

Dokumentnummer

JJT_19860612_OGH0002_0130OS00054_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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