TE OGH 1986/6/12 6Ob592/86

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Veröffentlicht am 12.06.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch, Dr. Schobel, Dr. Riedler und Dr. Schlosser als Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1./ Justine R***, Angestellte, Wien 23, Schwarzwaldgasse 39, 2./ Gerwin R***, Lehrer, Wien 23., Stenographengasse 2/5/6, 3./ Johanna W***, Angestellte, Wien 18., Martinstraße 28/6, alle vertreten durch Dr. Wolfgang Lenneis, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei T***-CLUB "BLAU-WEISS", Wien 13., Geylinggasse 24, vertreten durch Dr. Willibald Hauer, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufkündigung der Miete einer Sportanlage infolge Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes vom 21. Dezember 1985, GZ 41 R 1257/85-24, womit infolge Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Bezirksgerichtes Liesing vom 3. Oktober 1985, GZ 2 C 615/85-19, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht stattgegeben.

Die klagenden Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der beklagten Partei die mit S 5.240,37 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 360 an Barauslagen und an Umsatzsteuer S 443,67) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die beklagte Partei ist ein Verein; seine Mitglieder bilden einen Tennisclub. Dieser Sportverein mietete vom Liegenschaftseigentümer im März 1957 eine in Festbauweise ausgeführte Tennishalle (mit einer Grundfläche von 16 m x 30,3 m) samt Betriebseinrichtungen, im März 1964 zwei im rechten (West-)Trakt gelegene Räume, fünf (Freiluft-)Tennisplätze und weitere Freiflächen sowie mit einer weiteren Vereinbarung für die Zeit ab 1. Januar 1969 zusätzlich ein aus zwei Zimmern und Nebenräumen bestehendes Objekt im rechten (West-)Trakt. Die Tennishalle und die Plätze im Freien stehen nach den Vereinsstatuten der beklagten Partei ihren spielberechtigten Mitgliedern zur Sportausübung zur Verfügung, die für die (geselligen) Clubveranstaltungen bestimmten Räumlichkeiten, insbesondere das Buffet, das in einem 1964 zugemieteten Raum eingerichtet wurde, stehen auch den nicht spielberechtigten, unterstützenden Clubmitgliedern offen. Das vom Verein seit 1969 in Bestand genommene, aus zwei Zimmern und Nebenräumen bestehende Objekt dient ganzjährig als Platzwartwohnung.

Der beklagte Verein unterhält an einem anderen Standort eine weitere Spielanlage. Auf der oben beschriebenen Anlage sind derzeit etwa hundert spielende Mitglieder und etwa 120 spielende jugendliche Mitglieder spielberechtigt; weitere rund 90 unterstützende Mitglieder nehmen zwar nicht an den sportlichen, wohl aber an den geselligen Clubveranstaltungen teil.

Der ersten Klägerin wurde der Nachlaß nach dem Liegenschaftseigentümer zur Gänze eingeantwortet, der zweite Kläger und die dritte Klägerin wurden als Vermächtnisnehmer Eigentümer je eines Viertelanteiles der Liegenschaft.

Die klagenden Parteien kündigten dem beklagten Verein die Miete der Freiflächen, der Halle, des Bade-, Umkleide- und Duschraumes sowie des Buffetraumes zum 31. März 1987 gerichtlich auf. Dabei formulierten sie ihr Kündigungsbegehren derart, daß nichts auf eine Mehrheit von Bestandobjekten und eine Mehrheit von Mietverhältnissen oder auf eine Teilkündigung hinwies. Bei der Umschreibung des Bestandobjektes unterblieb sowohl in der Kündigungserklärung als auch in der Kündigungserzählung die Anführung der Platzwartwohnung. Die klagenden Parteien drückten in ihrer Aufkündigung die Ansicht aus, daß das Mietverhältnis zwar den Kündigungsbeschränkungen des Mietengesetzes, nicht aber denen des Mietrechtsgesetzes unterliege, weil im wesentlichen eine reine Flächenmiete vorliege. Im zweiten Rechtsgang änderten die klagenden Parteien ihren Rechtsstandpunkt über die Unterworfenheit des Bestandverhältnisses unter die Kündigungsbeschränkungen des Mietengesetzes und machten geltend, daß das Bestandobjekt ausschließlich der Benützung durch Vereinsmitglieder und damit rein privaten Zwecken des mietenden Vereines diene.

Der über die Aufkündigung ergangene Gerichtsbeschluß vom 5. September 1983 wurde dem beklagten Verein am 9. September 1983 zugestellt. In seinen Einwendungen machte der beklagte Verein außer einer aus den Übergangsvorschriften des § 49 Abs 1 MRG abgeleiteten, bereits verworfenen Ansicht (6 Ob 672/84; ON 16), einen Kündigungsverzicht der Bestandgeber für die Dauer des Bestehens der beklagten Partei, eine vertragliche Beschränkung des Kündigungsrechtes der Bestandgeber auf die Fälle mietengesetzlich anerkannter Kündigungsgründe, unrichtige und unvollständige Bezeichnung des Bestandgegenstandes, verfehlte Kündigungsfrist und Fehlen der Klagsbefugnis der klagenden Parteien, vor allem die Unterworfenheit des - wie in der Aufkündigung als Einheit betrachteten - Bestandverhältnisses unter die Kündigungsbeschränkungen des Mietrechtsgesetzes geltend, weil die Eigenart des gesamten Bestandgegenstandes nicht durch die Tennisplätze im Freien, sondern durch die festgemauerte Tennishalle samt Nebenräumen und Platzwartwohnung geprägt werde. Zum sondergesetzlichen Begriffsmerkmal der Geschäftsräumlichkeit wies der beklagte Verein lediglich auf die statutenmäßigen Vereinszwecke hin, die neben der Sportausübung auch die Pflege geselliger Zusammenkünfte umfaßten.

Das Erstgericht hob die Aufkündigung als rechtsunwirksam auf. Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Dazu sprach es aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 60.000 S, nicht aber 300.000 S übersteigt und die Revision zulässig ist. Das Erstgericht wertete einerseits die Tennishalle als eine Räumlichkeit und andererseits die statutenmäßige Sportausübung durch die Vereinsmitglieder als geschäftliche Tätigkeit des beklagten Vereines und nahm daher eine auch nach § 1 Abs 1 MRG geschützte Miete von Geschäftsräumlichkeiten an.

Das Berufungsgericht beurteilte das aufgekündigte Bestandverhältnis ungeachtet der Mehrheit von Vertragsabschlüssen nach den von beiden Parteien in erster Instanz eingenommenen Standpunkten als ein einheitliches Mietverhältnis. Dabei maß das Berufungsgericht nach dem festgestellten Sachverhalt der zeitlich zuerst gemieteten, festgemauerten Tennishalle gegenüber den später hinzugemieteten Tennisplätzen im Freien die funktionell überwiegende Bedeutung bei. Eine Verwendung des Bestandgegenstandes durch die Mitglieder des Bestandnehmervereines zur statutengemäßen Sportausübung erachtete das Berufungsgericht nicht als "private", sondern als geschäftliche Tätigkeit. Dazu führte das Berufungsgericht aus, zur Annahme einer Geschäftsräumlichkeit im Sinne des § 1 MRG müsse in ihr keine auf Gewinn ausgerichtete Tätigkeit entfaltet werden, eine Tätigkeit zur Erreichung des statutengemäßen Vereinszieles reiche im Sinne der zu übernehmenden Rechtsprechung zu § 1 MG hin.

Die klagenden Parteien fechten das bestätigende Berufungsurteil wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit einem Abänderungsantrag im Sinne der Wirksamerklärung der Aufkündigung und einem hilfsweise gestellten Aufhebungsantrag an.

Der beklagte Verein strebt die Bestätigung der angefochtenen Entscheidung an.

Das Berufungsgericht hatte zur Entscheidung des Rechtsstreites die Rechtsfrage zu lösen, ob eine nach dem Bestandvertrag widmungsgemäße Verwendung einer als Räumlichkeit zu wertenden Sportanlage zu einer auf die Vereinsmitglieder beschränkten Sportausübung den Bestandgegenstand zu einer Geschäftsräumlichkeit im Sinne des § 1 Abs 1 MRG mache oder die auf Vereinsmitglieder beschränkte Benützungswidmung zu einer den sondergesetzlichen Kündigungsschutz ausschließenden, rein privaten Zweckwidmung führe. Diese Frage ist auch zentraler Inhalt der Revisionsausführungen. Insoweit ist die Zulässigkeitsvoraussetzung nach § 502 Abs 4 Z 1 ZPO erfüllt und die Revision auch auf einen auf § 503 Abs 2 ZPO qualifizierten Anfechtungsgrund gestützt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig. Sie ist aber nicht berechtigt. Vorweg sei zugunsten des Standpunktes der Revisionswerber unterstellt, daß der Ausschluß von Personen, die nicht Vereinsmitglieder sind, von der Sportanlagenbenützung auch Inhalt der Bestandverträge wurde. (Mangels diesbezüglicher Parteienbehauptungen fehlen Feststellungen dazu). Unter dieser Voraussetzung ist grundsätzlich zu erwägen:

Ein nicht untersagter Verein genießt gemäß § 26 ABGB Rechtspersönlichkeit und ist daher ein von der Summe seiner Mitglieder zu unterscheidendes Rechtsobjekt. Die Tätigkeit einzelner Vereinsmitglieder oder ihrer Gesamtheit darf zivilrechtlich, auch soweit sie sich als Erfüllung der Vereinszwecke darstellt, nicht unmittelbar dem Verein als eigene Tätigkeit zugerechnet werden. Die Beschaffung der materiellen Voraussetzungen für eine statutengemäße Betätigung der Vereinsmitglieder durch den Verein ist von der Ausübung dieser Gelegenheit durch die Vereinsmitglieder zu trennen. So betrachtet ist grundsätzlich jedes Handeln des durch seine Organe vertretenen Vereines, das zur Schaffung der Voraussetzungen für die Erreichung der Vereinszwecke bestimmt ist, eine geschäftliche Tätigkeit, auch die Anmietung von Räumlichkeiten im Interesse der Vereinszwecke. Eine in dieser vorwiegend wirtschaftlichen Sicht als geschäftlich zu wertende Tätigkeit ist aus demselben Grund, wie es in der Rechtsprechung zu § 1 MG dargestellt wurde, auch im Sinne des § 1 Abs 1 MRG grundsätzlich erheblich. Wenn sich allerdings im tatsächlichen Verhältnis zwischen dem Verein und seinen Mitgliedern der eigene Wille der einzelnen Mitglieder durch Ausschluß der organschaftlichen Willensbildung oder Beschränkung dieses Vorganges auf einen bloßen Formalakt unmittelbar durchzusetzen vermöchte, wird man mangels einer echten rechtserheblichen Beziehung zwischen den einzelnen Mitgliedern und dem Verein keine bestandsonderrechtlich anzuerkennende wirtschaftliche Beziehung annehmen dürfen. Zutreffend hebt Bernat im Handbuch zum MRG S 91 ff, 105, für den Begriff der Geschäftsraummiete das Erfordernis einer auf Dauer angelegten Organisation des Mieters hervor. Es ist überflüssig, bei der Tätigkeit eines Sportvereines auf dessen humanitäre, kulturelle oder geistigen Zwecke abzustellen und einen derartigen Zweck in der Erziehungsaufgabe des Sportvereines finden zu wollen (SZ 7/19). Die Tätigkeit eines nicht untersagten Vereines ist schlechthin als geschäftliche Tätigkeit zu werten (vgl. MietSlg. 21.267/34). Die Tätigkeit eines Sportvereines macht dabei keine Ausnahme. Die Unterscheidung danach, ob nur Mitglieder des Vereines oder auch vereinsfremde Personen zur Sportausübung zugelassen werden (MietSlg. 19.177; ähnlich 3 Ob 576, 577/84), ist nach der Ansicht des erkennenden Senates nicht gerechtfertigt. Ob eine bloß "private", im Gegensatz zu einer geschäftlichen, Nutzung einer gemieteten Sportanlage anzunehmen ist, hängt vom Verhältnis der Benützungsberechtigten zum Mieter ab. Nur unter diesem Gesichtspunkt sind die Entscheidungen EvBl 1964/143 und MietSlg. 34.373 zu sehen. Soweit eine Vereinstätigkeit vorliegt, bedarf es nicht des weiteren in der Rechtsprechung herausgearbeiteten Kriteriums, daß die im Bestandgegenstand auszuübende Tätigkeit humanitären, geistigen oder kulturellen Zwecken diente (zutreffend nebeneinandergestellt in ImmZ 1971, 251). Eine private Nutzung könnte bei der Vermietung einer Sportanlage an einen Sportverein zur Ausübung seiner satzungsgemäßen Ziele nur dann angenommen werden, wenn wegen geschlossener Mitgliederzahl oder aus sonstigen besonderen Umständen, für deren Vorliegen denjenigen die Behauptungs- und Beweislast träfe, der daraus rechtliche Folgerungen für sich abzuleiten suchte, in einer wirtschaftlich nicht zu rechtfertigenden Weise der Verein als Bestandnehmer zwischen Benützer und Vermieter eingeschaltet erschiene.

Zu der in der Revision weiters behandelten Teilkündigungsproblematik führten die Rechtsmittelwerber keinen nach § 503 Abs 2 ZPO qualifizierten Anfechtungsgrund aus. Der Revision war aus diesen Erwägungen ein Erfolg zu versagen. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

Anmerkung

E08436

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0060OB00592.86.0612.000

Dokumentnummer

JJT_19860612_OGH0002_0060OB00592_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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