TE Vwgh Erkenntnis 2005/7/7 2002/07/0111

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Veröffentlicht am 07.07.2005
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
40/01 Verwaltungsverfahren;
83 Naturschutz Umweltschutz;

Norm

ABGB §309;
AWG 1990 §1 Abs1 Z1;
AWG 1990 §17 Abs3;
AWG 1990 §2 Abs8b Z2 idF 1998/I/151;
AWG 1990 §39 Abs1 litb Z11;
VStG §44a Z1 impl;
VStG §5 Abs1;
VStG §5 Abs2;
VwRallg;

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn): 2002/07/0112 E 7. Juli 2005

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Graf und die Hofräte Dr. Beck und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Chlup, über die Beschwerde des GH in S, vertreten durch Steger, Schilchegger & Partner, Rechtsanwälte in 5600 St. Johann i.P., Hauptstraße 12, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 1. August 2002, Zl. uvs-2002/K7/007-6, betreffend Übertretung des AWG, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 1. August 2002 wurde der Beschwerdeführer schuldig befunden, er habe es als handelsrechtlicher Geschäftsführer der H. GmbH und sohin als das gemäß § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung nach außen berufene Organ dieser Gesellschaft zu verantworten, dass von der H. GmbH an neun näher genannten Tagen im Jahre 1999 in jeweils näher umschriebenem Ausmaß gefährlicher Abfall, nämlich "Sandfanginhalte, ölhaltig", mit der Schlüsselnummer 54701 einem nicht entsprechend Befugten, nämlich an die L. Deponie R. GmbH & Co KG in W. zum Zwecke der Ablagerung auf der Deponie R. übergeben worden sei, obwohl die L. Deponie R. GmbH & Co KG keine Erlaubnis des Landeshauptmannes im Sinne des § 15 AWG besitze. Er habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 39 Abs. 1 lit. b Z. 11 AWG i.V.m.

§ 17 Abs. 3 AWG und § 9 Abs. 1 VStG begangen und werde hiefür mit einer Geldstrafe von EUR 1.000.-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 4 Tage) bestraft.

In der Begründung des angefochtenen Bescheides wird u. a. ausgeführt, es stehe fest, dass die H. GmbH der L. Deponie R. GmbH & Co KG die im Spruch angeführten Abfälle "Sandfanginhalte, ölhaltig" mit der Schlüsselnummer 54701 (gefährlicher Abfall gemäß Festsetzungsverordnung) in W. zum Zweck der Ablagerung auf der Deponie R. übergeben habe. Unbestritten sei auch, dass es sich bei den "Sandfanginhalten, ölhaltig" um gefährlichen Abfall handle. Ferner stehe fest, dass die H. GmbH Abfallbesitzer dieser Sandfanginhalte (ölhaltig) gewesen sei. Aus den im erstinstanzlichen Akt befindlichen Begleitscheinen gehe als "Abfallbesitzer" die "H. GmbH in S." hervor. Der gefährliche Abfall sei jeweils von der L. Deponie R. GmbH & Co KG übernommen worden (siehe auch näher genannte Begleitscheine). Es stehe ferner fest, das die L. Deponie R. GmbH & Co KG zu dem im Spruch angeführten Zeitraum über keine Bewilligung des Landeshauptmannes nach § 15 AWG verfügt habe. Die belangte Behörde verweist in diesem Zusammenhang auf einen näher genannten Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 14. Oktober 1988, in welchem die zulässigen Abfallarten näher genannt wurden, sowie auf einen näher genannten Bescheid des "Landeshauptmannes" (von Tirol) vom 1. Juli 1991 nach dem Tiroler AWG, nach dem die gegenständliche Deponie nicht für gefährliche Abfälle gemäß Art. 10 Abs. 1 Z. 12 B-VG, konkret festgelegt in der Verordnung BGBl. Nr. 49/1991, zugelassen wurde.

Gemäß dem Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 17. Dezember 1991 dürfen - so die Begründung des angefochtenen Bescheides weiter - nur solche Abfälle auf der Deponie R. übernommen und deponiert werden, die gemäß einem näher genannten Bescheid der "Tiroler Landesregierung" vom 1. Juli 1991 über eine Genehmigung der Errichtung der Deponie für die Deponie zugelassen sind.

Im Zuge der Beweiswürdigung wird u.a. ausgeführt, dass die Prüfberichte eines näher genannten technischen Büros vom 2. Februar 1999 und vom 16. September 1999 jeweils von der H. GmbH in Auftrag gegeben worden seien. Diese GmbH scheine darin als "Auftraggeber" auf. Der Übergeber der in Rede stehenden gefährlichen Abfälle sei die H. GmbH gewesen. In näher genannten Begleitscheinen scheine die H. GmbH ausdrücklich als "Abfallbesitzer" auf. Auch in den angeführten Begleitscheinen schienen die Abfallbesitzer-Nummer sowie der Firmenstempel der H. GmbH auf. Selbst die näher genannte Geschäftführerin der L. Deponie R. GmbH habe im Rahmen ihrer Einvernahme vor der belangten Behörde erklärt, dass im gegenständlichen Fall die H. GmbH Abfallbesitzerin gewesen sei.

Ferner verweist die belangte Behörde auf eine im Zuge des Berufungsverfahrens ergänzend eingeholte und dem Parteiengehör unterzogene Stellungnahme der A. GmbH, in der u.a. ausgeführt wird, dass die H. GmbH zum Zeitpunkt der Übergabe Abfallbesitzer gewesen sei. Die A. GmbH sei zivilrechtlicher Partner der Deponie R. Die A. GmbH erwerbe jährlich ein Deponiekontingent von der Deponie R., welches dann einzelnen Vertragspartnern der A. GmbH (Abfallentsorgern) zur Verfügung gestellt werde. Diese Abfallentsorger, wie auch die H. GmbH, würden ihre Abfälle selbst akquirieren und sammeln und sodann im eigenen Namen unter Ausnutzung des zivilrechtlich erworbenen Deponiekontingentes auf die Deponie R. bringen. Abfallrechtlich gehe der Abfall daher weder faktisch noch rechtlich in den Besitz oder gar das Eigentum der A. GmbH über, sondern verbleibe bei jenem Unternehmen, in diesem Fall der H. GmbH, das den Abfall im eigenen Namen sammle und auf die Deponie R. anliefere.

Die H. GmbH sei daher als "Abfallbesitzer" und nicht nur als "Transporteur" ausgewiesen. Die Behauptung des Beschwerdeführers, die L. Deponie R. GmbH & Co KG sei von der H. GmbH im Auftrag der A. GmbH beliefert worden, sei eine reine Schutzbehauptung, zumal dies nicht nur dem Inhalt der vorliegenden Begleitscheine widerspreche, sondern auch vollkommen der ausführlichen und schlüssigen Stellungnahme des Geschäftsführers der A. GmbH Nfg. GmbH & Co KG. Auch habe ein entsprechender schriftlicher (Transport-)Auftrag zwischen der H. GmbH und der A. GmbH vom Beschwerdeführer nicht vorgelegt werden können.

Die H. GmbH habe die in Rede stehenden Abfälle selbst gesammelt und sie - wie es sich aus den vorliegenden Begleitscheinen ergebe - im eigenen Namen auf die Deponie R. verbracht. Dies sei auch vom Beschwerdeführer in seiner Eingabe vom 29. Juli 2002 zugestanden worden. Zweck der Rechtsbeziehung zwischen der H. GmbH und der A GmbH sei demnach gewesen, dass die H. GmbH in Zwischenschaltung der A. GmbH aufgrund des von letzterer erworbenen Deponiekontingentes unter günstigen Bedingungen Abfälle bei der L. Deponie R. GmbH & Co KG deponieren könne. Insofern sei die Lagerung der Abfälle bei der L. Deponie R. GmbH & Co KG vor allem auch im Interesse der H. GmbH gelegen. Wenn der Beschwerdeführer behaupte, dass die in Rede stehenden Abfälle der A. GmbH (rechtlich) übergeben worden seien und die A. GmbH deshalb Abfallbesitzer geworden sei, so sei dies nicht nachvollziehbar. "Abfallbesitz" sei - jedenfalls nach dem äußeren Erscheinungsbild - bei der H. GmbH verblieben. Dies zeige sich auch an den Verrechnungen der Lagerungen. Die Anlieferungen der H. GmbH seien von der L. Deponie R. GmbH & Co KG über die A. GmbH aufgrund der zwischen ihnen abgeschlossenen zivilrechtlichen Verträge und dann weiter an die H. GmbH verrechnet worden. Im gesamten Verfahren seien keinerlei Anhaltspunkte dafür vorgelegen, dass die H. GmbH "nur" Transporteur gewesen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht wird.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und beantragte in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer wendet insbesondere ein, mit der AWG-Novelle 1998 sei eine Definition des Begriffes "Abfallbesitzer" aufgenommen worden. Gemäß § 2 "Abs. 8 lit. b" (richtig: Abs. 8b) Z. 2 AWG verstehe man unter Abfallbesitzer "die natürliche Person, in deren Besitz sich die Abfälle befinden". Aus den Erläuternden Bemerkungen zu dieser Bestimmung ergebe sich, dass für den Abfallbesitzer der Besitzwille des § 309 ABGB bestimmend sei. Unbestritten sei, dass der Begriff "Besitz" nach den zivilrechtlichen Vorschriften zu verstehen sei. § 309 ABGB bestimme, "wer eine Sache in seiner Macht oder Gewahrsam hat, heißt ihr Inhaber". Innehabung sei dabei nicht bloß räumlichkörperlich zu verstehen, sondern es könne der Besitz einerseits durch abhängige Gehilfen, sogenannte Besitzdiener, ausgeübt werden und andererseits auch durch Partner aus solchen Rechtsverhältnissen vermittelt werden, die eine Anerkennung der Oberherrschaft bedeuten.

Zum Besitzwillen wird in der Beschwerde ausgeführt, die A. GmbH erwerbe ein Deponiekontingent; sie bezahle dafür, dass die Abfälle von der Deponie übernommen würden. Die H. GmbH habe zwar die Abfälle körperlich inne, sie habe jedoch zum Zeitpunkt der Übergabe an die L. Deponie R. GmbH & Co KG keinen wie immer gearteten Besitzwillen mehr. Sie handle im Bewusstsein, dass ein vertragliches Verhältnis ausschließlich zwischen der Deponie und der A. GmbH bestehe und sie in Erfüllung des Übernahmeübereinkommens nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet sei, die Abfälle zur Deponie zu liefern. In diesem Sinne sei die H. GmbH lediglich "Besitzmittler" der A. GmbH. Seit der Neuformulierung des § 2 Abs. 9 AWG durch die AWG-Novelle 1998, BGBL. I Nr. 151, werde nämlich ausdrücklich nicht mehr nur darauf abgestellt, ob ein Abfall tatsächlich körperlich übernommen werde, sondern es werde die "rechtliche Verfügung" über den Abfall vom Sammlerbegriff ausdrücklich mitumfasst. Es solle nämlich sichergestellt werden, dass auch derjenige, der bloß rechtlich über Abfälle disponiere, sich seinen Verpflichtungen nach §§ 15 ff. AWG nicht durch die Zwischenschaltung eines Transporteurs entziehen könne. Die H. GmbH sei sohin bei Übergabe der Abfälle an die L. Deponie R. GmbH & Co KG nicht Abfallbesitzer im Sinne des AWG.

Erst durch den - rechtlichen - Übergang der Abfälle auf die A. GmbH werde es überhaupt möglich, dass die H. GmbH das von der A. GmbH erworbene Deponiekontingent ausnützen könne. Die A. GmbH - und nicht die H. GmbH - habe mit dem Erwerb des Deponiekontingentes das Recht erworben, eine bestimmte Menge Abfälle zu einem konkret bestimmten Preis auf der L. Deponie abzulagern. Die Deponiekosten würden dementsprechend auch ausschließlich gegenüber der A. GmbH verrechnet. Die A. GmbH handle nicht mit dem Deponieplatz, sondern erziele ihre Erträgnisse durch die Disposition von Abfällen. Sie werde von Privaten und auch von Abfallunternehmern dafür bezahlt, dass sie Abfälle übernehme, und bezahle im Gegenzug auch die - im Verhältnis günstigeren Preise - an die Deponie. Auch wenn die Abfälle körperlich nicht an die A. GmbH übergeben würden, so müssten sie doch zumindest gedanklich für "eine juristische Sekunde" in deren Weisungs- und Verfügungsmacht gestanden haben. Aus der Rahmenvereinbarung und dem Gesamtkonzept der geschäftlichen Vereinbarung zwischen der H. GmbH und der A. GmbH ergebe sich zweifelsfrei der Auftrag und die Anweisung der Übergabe von Abfällen in bestimmtem Ausmaß an die L. Deponie R. GmbH & Co KG. Durch das Übereinkommen sei die H. GmbH eben nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet, die von der A. GmbH erworbenen Kontingente auszunützen.

Unbestritten sei, dass die Abfälle von der H. GmbH gesammelt, auf ihrem Firmengelände verwogen und Mischproben gezogen worden seien und dass sie körperlich nicht an die A. GmbH übergeben worden seien. Aus der körperlichen Innehabung erkläre sich auch, dass die H. GmbH in den Begleitscheinen als Abfallbesitzer angeführt werde. Im Gegenstand seien von der A. GmbH Lieferscheine zur Verfügung gestellt worden; diese seien von der H. GmbH ausgefüllt und bei der Übergabe der Abfälle von der L. Deponie R. GmbH & Co KG bei der Übergabe bestätigt worden.

Der H. GmbH seien entsprechend dem Übernahmeübereinkommen von der A. GmbH die "Übernahme der Abfälle" zu einem fixen Satz von ATS 880.--/Tonne verrechnet worden. Es seien aber nicht die Deponiekosten weitergegeben worden. Die Höhe der von der A. GmbH zu entrichtenden Deponiekosten seien für die H. GmbH nicht von Interesse und es seien auch nicht allfällige Schwankungen dieser Kosten an die H. GmbH weiter gegeben worden. Es lasse sich daher festhalten, dass der Beschwerdeführer schon mangels "Abfallbesitzer-Eigenschaft" der H. GmbH die ihm vorgeworfene Verwaltungsübertretung nicht begangen habe.

Nach § 39 Abs. 1 lit. b Z. 11 des Abfallwirtschaftsgesetzes, BGBl. Nr. 325/1990 (kurz: AWG 1990), in der Fassung der Novellen BGBl. I Nr. 151/1998 und BGBl. I Nr. 108/2001, begeht, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet oder nach anderen Verwaltungsstrafbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist, eine Verwaltungsübertretung und ist zu bestrafen mit Geldstrafe von 360 EUR bis 7.270 EUR, wer gefährliche Abfälle oder Altöle entgegen den §§ 17 Abs. 3 oder 5 sowie 20 Abs. 3 nicht rechtzeitig einem entsprechend Befugten übergibt.

Gemäß § 2 Abs. 8b Z. 2 AWG 1990 i.d.F. der Novelle BGBl. I Nr. 151/1998 ist Abfallbesitzer die natürliche oder juristische Person, in deren Besitz sich die Abfälle oder Altöle befinden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 27. Juni 2002, Zl. 2001/07/0091, unter Bezugnahme auf die Erläuterungen zur AWG-Novelle 1998 zu § 2 Abs. 8b AWG ausgeführt, dass bei der Auslegung des Begriffes "Abfallbesitzer" die zivilrechtlichen Vorschriften heranzuziehen sind.

In dem (noch zur Rechtslage vor der AWG-Novelle 1998 ergangenen, jedoch im Hinblick auf die für die Auslegung heranzuziehenden zivilrechtlichen Vorschriften weiterhin anwendbaren) Erkenntnis vom 29. August 1995, Zl. 95/05/0005, in welchem es darum ging, ob auch ein Frächter des gefährlichen Abfalls Verpflichteter sein kann, wurde unter Hinweis auf den Besitzbegriff des § 309 ABGB auf den Besitzwillen Bedacht genommen, der beim Frächter im Regelfall auszuschließen sei.

Anhaltspunkte dafür, dass die A. GmbH Besitzer des in Rede stehenden gefährlichen Abfalls sein sollte, sind im Zuge des durchgeführten Verwaltungsstrafverfahrens nicht hervorgekommen. Es gehen daher auch die Ausführungen, dass die H. GmbH nur als "Besitzmittler" aufgetreten sei, ins Leere. Vielmehr wurde vom Geschäftsführer der A. Nachfolgegesellschaft m.b.H. im Zuge der durchgeführten ergänzenden Ermittlungen entschieden in Abrede gestellt, dass die A. GmbH jemals "Abfallbesitzer" der gegenständlichen gefährlichen Abfälle gewesen sei. Insbesondere ist nicht hervorgekommen, dass die A. GmbH den Willen gehabt habe, den Abfall als eigene Sache - durch die H. GmbH als Besitzdiener oder Besitzmittler - innezuhaben (vgl. in diesem Zusammenhang etwa Spielbüchler in Rummel, ABGB Kommentar3, Rz 3 zu § 309 ABGB), und somit bei ihr ein Besitzwille in Bezug auf diese Abfälle gegeben gewesen wäre. Vielmehr sollte aufgrund der gewählten vertraglichen Konstruktion der H. GmbH lediglich die Ausnützung des von der A. GmbH erworbenen Deponiekontingentes ermöglicht werden. Dass dies nur dann möglich wäre, wenn die A. GmbH auch Besitzer dieser Abfälle wäre, ist für den Verwaltungsgerichtshof nicht zu erkennen.

Ferner fehlt es an Anhaltspunkten, dass die H. GmbH - ähnlich wie im Falle des bereits zitierten hg. Erkenntnisses vom 29. August 1995 - lediglich als Frächter dieser gefährlichen Abfälle (etwa für die A. GmbH) aufgetreten ist. Die belangte Behörde ist daher im Rahmen der als unbedenklich zu erkennenden Würdigung der Verfahrensergebnisse zu Recht zur Auffassung gelangt, dass die H. GmbH während des Tatzeitraumes - vor Übergabe der gefährlichen Abfälle an die L. Deponie - aufgrund des gesamten Erscheinungsbildes (siehe insbesondere die von der H. GmbH ausgestellten Begleitscheine) "Abfallbesitzer" im Sinne des AWG war.

Zum Verschulden wird in der Beschwerde u.a. ausgeführt, es seien von den gegenständlichen Sandfanginhalten regelmäßig Mischproben gezogen und analysiert worden. In den bei der Anlieferung übergebenen Begleitscheinen seien die Sandfanginhalte nicht nur nach der Eluatklasse richtig deklariert, sondern auch mit der korrekten Schlüsselnummer bezeichnet worden. Die L. Deponie R. GmbH & Co KG selbst sei davon ausgegangen, aufgrund der wasserrechtlichen Bewilligungsbescheide zur Übernahme der Sandfanginhalte berechtigt zu sein. Erst nach Einleitung des Verwaltungsstrafverfahrens im Jahre 2000 sei der H. GmbH mit Schreiben vom 20. Dezember 2000 mitgeteilt worden, das die L. Deponie - zumindest bis zum Abschluss des Verwaltungsstrafverfahrens - keine Sandfanginhalte mit der Schlüsselnummer "54701m" mehr annehmen dürfe. Erst nachdem das Verwaltungsstrafverfahren gegen die Deponiebetreiber im letzten Rechtsgang vor dem Verwaltungsgerichtshof abgeschlossen worden sei (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. Februar 2002, Zl. 2001/07/0116), sei für die Deponiebetreiber selbst außer Zweifel gestanden, dass die von der H. GmbH im Auftrag der A. GmbH angelieferten Abfälle nicht hätten angenommen werden dürfen. Obwohl die Begleitscheine entsprechend der gesetzlichen Anordnung stets unverzüglich an das Amt der Tiroler Landesregierung weitergeleitet worden seien, sei es offensichtlich auch für die Behörde nicht so ohne weiters erkennbar gewesen, dass die L. Deponie R. GmbH & Co KG nicht über eine zur Annahme der gegenständlichen Materialien erforderliche Bewilligung verfügt habe. Immerhin seien bereits seit dem Jahre 1998 Sandfanginhalte zur L. Deponie verbracht worden. Eine Anzeige sei jedoch erst mit 1. November 2000 erfolgt.

Es sei im Geschäftsleben nicht üblich und würde dieses auch unverhältnismäßig erschweren, wenn die Geschäftspartner jeweils bis ins Detail wechselseitig überprüfen müssten, ob die notwendigen Gewerbe- und sonstigen Bewilligungen zur Ausübung der jeweiligen Tätigkeit vorlägen. Auch im Bereich des AWG sei es durchaus nicht gebräuchlich, dass die Kompetenzen eines Entsorgungsbetriebes derart im Detail kontrolliert würden. Für den Beschwerdeführer habe kein Grund bestanden, Zweifel am Bestehen der erforderlichen Bewilligung zu hegen. Sein Verhalten habe dem eines mit rechtlichen Werten verbundenen, besonnenen und einsichtigen Menschen entsprochen. Es könne auch von einem Kaufmann nicht verlangt werden, dass er generell fremdes Fehlverhalten einkalkuliere. Ihm die Pflicht aufzuerlegen, jedes Mal, bevor er Abfälle einer Deponie übergebe, in die Liste der hiezu Berechtigten Einsicht zu nehmen, würde ein krasse Überspitzung des Sorgfaltsmaßstabes bedeuten. Selbst wenn die H. GmbH bei der Übergabe der Sandfanginhalte an die L. Deponie noch Abfallbesitzer gewesen wäre - was ausdrücklich bestritten werde -, komme eine verwaltungsstrafrechtliche Verantwortung des Beschwerdeführers mangels Verschuldens nicht in Betracht.

Nach § 5 Abs. 2 VStG entschuldigt Unkenntnis der Verwaltungsvorschrift, der der Täter zuwidergehandelt hat, nur dann, wenn sie erwiesenermaßen unverschuldet ist und der Täter das Unerlaubte seines Verhaltens ohne Kenntnis der Verwaltungsvorschrift nicht einsehen konnte.

Dabei ist auch irrige Gesetzesauslegung ein Rechtsirrtum, die den Beschuldigten nicht zu entschuldigen vermag, wenn nach seinem ganzen Verhalten nicht angenommen werden kann, dass sie unverschuldet war und dass er das Unerlaubte seines Verhaltens nicht einsehen konnte. Es bedarf bei der Einhaltung der einem am Wirtschaftsleben Teilnehmenden obliegenden Sorgfaltspflicht vielmehr einer Objektivierung durch geeignete Erkundigungen. Wer dies verabsäumt, trägt das Risiko des Rechtsirrtums (vgl. zum Ganzen das hg. Erkenntnis vom 23. November 1991, Zl. 88/17/0010, m. w.N.).

Es ist im Zuge des Verwaltungsstrafverfahrens nicht hervorgekommen, dass die H. GmbH bzw. der Beschwerdeführer nähere Erkundigungen über den genauen Umfang der nach § 15 AWG 1990 erforderlich gewesenen Bewilligung zur Übernahme der in Rede stehenden gefährlichen Abfälle durch die L. Deponie eingeholt hätte.

Nach § 17 Abs. 3 erster Satz AWG 1990 sind gefährliche Abfälle oder Altöle, wenn der Besitzer derselben zu einer entsprechenden Behandlung nicht befugt oder imstande ist, soweit nicht anderes angeordnet ist, "einem zu einer entsprechenden Sammlung oder Behandlung Befugten" zu übergeben.

Da die Übergabe nur an einen "entsprechend Befugten" zulässig ist, gebietet es die einen Abfallbesitzer in einem solchen Fall der Übergabe von gefährlichen Abfällen und Altölen treffende Sorgfaltspflicht, durch geeignete (vorab einzuholende) Erkundigungen - zwecks Hintanhaltung von vermeidbaren Umweltbelastungen (vgl. § 1 Abs. 1 Z. 1 AWG 1990) - sicherzustellen, dass der Übernehmer dieser Abfälle über eine dem Gesetz entsprechende Befugnis verfügt.

Es kann daher im Hinblick auf die Ziele des AWG 1990 auch keine Rede davon sein, dass die Einholung von Erkundigungen über den tatsächlichen Umfang der abfallrechtlichen Befugnisse eines Übernehmers von gefährlichen Abfällen oder Altölen eine Überspitzung des Sorgfaltsmaßstabes bedeuten würde. Die schlichte Berufung auf den Inhalt einer Webseite der L. Deponie, in welcher lediglich allgemein jene Abfälle, zu deren Übernahme diese Deponie bereit war, angeführt wurden, ist jedoch zur Erfüllung der genannten Erkundigungspflicht nicht ausreichend.

Der Beschwerdeführer rügt ferner, die belangte Behörde ignoriere, dass ein Deponiebetreiber nach § 4a Abs. 5 AWG 1990 die Möglichkeit habe, bestimmte Abfälle anzunehmen und in der Folge für den Zweck der Deponierung auf seiner Deponie den Nachweis der Nichtgefährlichkeit anzuzeigen, womit dieser Abfall ab dem Zeitpunkt der Anzeige nicht mehr als gefährlich gelte. Nach § 15 Abs. 2 Z. 4 AWG 1990 unterlägen Deponiebetreiber in Bezug auf die Übernahme von Abfällen, für die sie gemäß § 4a AWG 1990 den Nachweis der Nichtgefährlichkeit anzeigten, nicht der Erlaubnispflicht des Abs. 1.

Selbst wenn man grundsätzlich davon ausginge, dass vor Übergabe gefährlicher Abfälle in die vom Landeshauptmann gemäß § 15 Abs. 9 AWG 1990 zu führende Liste der zur Sammlung und Behandlung Berechtigten Einsicht zu nehmen sei, könne nach Ansicht des Beschwerdeführers eine solche Verpflichtung jedenfalls im Rahmen der Geschäftsbeziehungen zu einer Deponie nicht bestehen. Wie in den Erläuternden Bemerkungen zu § 4a AWG 1990 ausgeführt werde, übernehme der Deponiebetreiber Abfälle, die de iure als gefährlich anzusehen seien. Er dürfe diese Abfälle jedoch unabhängig von einer Bewilligung nach § 15 AWG 1990 dennoch entgegennehmen, sofern er sie nach der Annahme ausstufe. In letzter Konsequenz bedeute dies, dass, selbst wenn die H. GmbH in die Liste der gemäß § 15 Abs. 1 zur Abfallsammlung und -behandlung Berechtigten Einsicht genommen und festgestellt hätte, dass die L. Deponie über keine solche Berechtigung verfüge, die L. Deponie die angelieferten Sandfanginhalte dennoch hätte entgegennehmen dürfen - sie hätte sie nur in der Folge ordnungsgemäß ausstufen müssen. Eine Verpflichtung in die Liste der zur Sammlung und Behandlung gefährlicher Abfälle Berechtigten Einsicht zu nehmen, könne sohin auch niemandem auferlegt werden. Ein Sorgfaltsverstoß der H. GmbH liege daher nicht vor.

Der Beschwerdeführer vermag auch mit diesem, erstmals im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vorgebrachten Argument keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen, zumal es während des gesamten Verwaltungsstrafverfahrens keine Anhaltspunkte für eine Ausstufung des in Rede stehenden gefährlichen Abfalls gab und darüber hinaus auch die rechtliche Zulässigkeit einer solchen Ausstufung nicht näher geprüft wurde. Ferner gibt es auch keine Hinweise darauf, dass etwa der erforderliche Nachweis der Nichtgefährlichkeit dieser Abfälle (vgl. § 4a Abs. 1 AWG 1990) erbracht worden wäre.

In der Beschwerde wird schließlich vorgebracht, dass der Übergeber gefährlicher Abfälle einen Begleitschein gemäß Abfallnachweisverordnung auszufüllen und diesen bei der Übergabe der Abfälle dem Übernehmer auszuhändigen habe. Mit der Übergabe des korrekt und vollständig ausgefüllten Begleitscheines gehe die Pflicht zur ordnungsgemäßen Behandlung, Lagerung und Übergabe auf den Übernehmer über, der ab diesem Zeitpunkt auch Normadressat des Vermischungs- und Vermengungsverbotes sei. Ab dem Zeitpunkt der Übernahme der Sandfanginhalte samt Begleitschein sei es sohin auch im Verantwortungsbereich der L. Deponie gelegen, die übernommenen Stoffe - weil eben keine Bewilligung nach § 15 AWG 1990 vorgelegen und eine Ausstufung nicht erfolgt sei - an einen zur Sammlung oder Behandlung Befugten zu übergeben.

Der Beschwerdeführer übersieht in diesem Zusammenhang, dass die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung schon dann verwirklicht ist, wenn er gefährliche Abfälle an einen nicht "entsprechend Befugten" übergibt. Für diese Übertretung spielt es daher keine Rolle, ob die Pflicht zur ordnungsgemäßen Behandlung dieser Abfälle ab der Übergabe auf den Übernehmer übergegangen ist und ob dieser - nicht befugte Übernehmer - allenfalls noch weitere Handlungen (etwa durch rechtzeitige Weitergabe der gefährlichen Abfälle an einen entsprechend Befugten) setzt.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Wien, am 7. Juli 2005

Schlagworte

"Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Tatbild Beschreibung (siehe auch Umfang der Konkretisierung) Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2 Auslegung unbestimmter Begriffe VwRallg3/4 Rechtsgrundsätze Allgemein Anwendbarkeit zivilrechtlicher Bestimmungen Verträge und Vereinbarungen im öffentlichen Recht VwRallg6/1

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2002070111.X00

Im RIS seit

10.08.2005
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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