TE OGH 1986/7/8 5Ob540/86

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Veröffentlicht am 08.07.1986
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Marold als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Zehetner und Dr. Klinger als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ali A*** AL N***, Kaufmann, P.O. Box 1841-4733, Riyadh, Saudiarabien, vertreten durch Dr. Hanns Forcher-Mayr, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei Katharina S***, geb. S***, Geschäftsfrau, Kundl 500, vertreten durch Dr. Gerhard Maurer, Rechtsanwalt in Wörgl, wegen DM 61.000,-- s.A. infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 19. November 1985, GZ 1 R 266/85-15, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 30. Mai 1985, GZ 16 Cg 112/84-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 16.091,85 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 1.920,-- an Barauslagen und S 1.288,35 an Ust.) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist Staatsbürger des Königreiches Saudiarabien; die Beklagte ist österreichische Staatsbürgerin. Diese hat ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich, nicht jedoch der Kläger. Mit Kaufvertrag vom 23.7.1982 verkaufte unter anderem die Beklagte ihre Liegenschaft EZ 347 II KG Kundl, bestehend aus dem Grundstück 261/6 an den Kläger. Anläßlich dieses Kaufabschlusses leistete der Kläger eine Vorauszahlung in Höhe von 98.000 DM. Diesem Kaufvertrag wurde die grundverkehrsbehördliche Genehmigung versagt.

Mit der am 24.2.1984 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrte der Kläger die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung eines Betrages von 61.000 DM, zahlbar in Schilling zum Kurs der Wiener Börse Devise/Ware Frankfurt am Main am Zahltag samt 10 % Zinsen seit 1.2.1984. Er brachte vor: Die Beklagte habe die geleistete Vorauszahlung zurückzuerstatten, die sich nach einer einvernehmlichen Abrechnung mit Leistungen der Beklagten auf den Klagebetrag reduziert habe. Da die Beklagte den Klagebetrag nicht habe zurückzahlen können, hätten in der Folge zwischen den Parteien Verhandlungen mit dem Ziel stattgefunden, eine Vereinbarung zu treffen, wonach der Kläger mit seiner Familie über mehrere Jahre für mehrere Monate die Liegenschaft der Beklagten entgeltlich hätte benützen können. Auf diese Weise hätte der Klagebetrag von der Beklagten zurückerstattet werden sollen. Eine solche Vereinbarung sei letztlich nicht zustandegekommen, weshalb der Kläger die Beklagte aufgefordert habe, den Klagebetrag bis längstens 18.1.1984 zu zahlen.

Die Beklagte beantragte Klageabweisung und wendet ein: Sie habe mit dem Kläger am 3.9.1983 eine rechtsgültige Vereinbarung getroffen. Danach habe der Kläger das Haus der Beklagten auf die Dauer von 6 Jahren jeweils in den Monaten Juli und August zu einem jährlichen Mietzins von 15.000 DM gemietet. Der verbleibende Restbetrag von 8.000 DM auf die geleistete Vorauszahlung hätte nach 6 Jahren mit Spesen der Beklagten aus dem Jahr 1983 verrechnet werden sollen. Zu Recht habe die Beklagte die Unterfertigung eines weiteren, vom Kläger vorgelegten Vertragsentwurfes verweigert, da dieser mit der Vereinbarung vom 3.9.1983 in Widerspruch gestanden sei. Die Beklagte sei nach wie vor bereit, die Vereinbarung vom 3.9.1983 einzuhalten und ihr Haus dem Kläger während der vereinbarten Zeit zur Verfügung zu stellen.

Der Kläger erwiderte: Am 3.9.1983 sei es zwischen den Streitteilen bloß zur Festhaltung einiger Vertragspunkte, aber noch nicht zu einer endgültigen Vereinbarung (über die Art der Rückzahlung des vom Kläger bereits geleisteten Kaufpreisteils) gekommen; eine solche hätte erst über einen Rechtsanwalt erfolgen sollen. Bei weiteren diesbezüglichen Besprechungen habe der Gatte der Beklagten neue Forderungen erhoben, worauf die Parteien festgestellt hätten, daß nunmehr auch die schon am 3.9.1983 festgelegten Punkte eines Vertrages hinfällig seien. Für den Fall, daß vom Standpunkt der Beklagten ausgegangen werden sollte, werde eingewendet, daß dem Kläger und seiner Familie die Villa der Beklagten nicht zur Verfügung gestellt worden sei; "dazu werde in eventu ausdrücklich der Rücktritt von dieser angeblichen Vereinbarung vom 3.9.1983 erklärt".

Das Erstgericht wies die Klage ab. Es stellte folgenden Sachverhalt fest:

Der nicht genehmigte Kaufvertrag vom 23.7.1982 umfaßte auch noch den Verkauf der Liegenschaft EZ 639 II KG Kundl, bestehend aus dem Grundstück 261/43, durch die Eigentümerin Andrea S***, die Tochter des Adolf S*** und der Beklagten, an den Kläger. Im Zuge der Unterfertigung dieses Kaufvertrages hat der Kläger die bereits angeführte Kaufpreisteilvorauszahlung an Adolf S***, die Beklagte und Andrea S*** geleistet. Adolf S*** war bei den Kaufvertragsverhandlungen Vertreter seiner damals in den USA weilenden Tochter Andrea. Die Anzahlung verbrauchte die Beklagte zur Erledigung von Verpflichtungen, die ihre Person betrafen. Andrea S*** erhielt von diesem Geld nichts. Die Verpflichtung zur Rückzahlung dieses Kaufpreisteilbetrages traf das Ehepaar S*** schwer, da große finanzielle Schwierigkeiten bestanden. Der Kläger versuchte seinerseits, Adolf S***

entgegenzukommen. Am 3.9.1983 kam es zu einer Besprechung im Haus der Beklagten in Kundl, an welcher der Kläger, Dr. Sherzad A*** als dessen Dolmetsch und das Ehepaar Adolf und Katharina S*** teilnahmen, Adolf S*** auch als Vertreter seiner Tochter Andrea. Der Kläger hatte nämlich das Haus der Beklagten bereits in den Jahren 1981, 1982 und 1983 teilweise benützt. Man einigte sich verbindlich dahingehend, daß der Kläger für die Benützung in den angegebenen Jahren insgesamt 37.000 DM zu bezahlen habe (Beilage I). Dies hatte zum Ergebnis, daß von der Anzahlung nur mehr 61.000 DM offen waren. Mit dieser Abrechnung und diesem Ergebnis waren insbesondere auch die Beklagte und der Kläger einverstanden. Die Einigung hinsichtlich der Abgeltung der bisherigen Benützung des Hauses erfolgte in der Art, daß der Kläger an das Ehepaar S*** den Betrag von 37.000 DM sofort in bar zu zahlen hatte, weil dieses dringend Geld benötigte. Es blieb also nicht die Differenz zwischen 98.000 DM und 37.000 DM, sondern der gesamte Anzahlungsbetrag von 98.000 DM zur Rückzahlung offen. Am 3.9.1983 kam es dann zu diesem Punkt zu einer weiteren Einigung, die in der schriftlichen Vereinbarung Beilage 2 festgehalten wurde, unterschrieben von dem Kläger, von Dr. A*** mit dem Zusatz "als Dolmetsch" und von Adolf S***. Der Kläger und die Familie S*** einigten sich hinsichtlich der Rückzahlung der 98.000 DM wie folgt (Beilage 2):

"Vereinbarung

zwischen der Familie AL N*** aus Riyadh und der Familie

S*** aus Kundl.

Die Familie AL N*** mietet das Haus von Familie S*** auf 6 Jahre zu je zwei Monaten Juli und August unter Berücksichtigung des arabischen Kalenders (Verschiebung etwa 10 Tage pro Jahr).

Mietpreis für zwei Monate ist DM 15.000,--.

Der Mietpreis wird gegen Verrechnung der geleisteten

Vorauszahlung (Hauskauf) abgegolten.

Der verbleibende Rest von DM 8.000 nach 6 Jahren wird mit Spesen aus dem Jahre 1983 abgerechnet.

Das Haus steht AL N*** voll zur Verfügung, das Büro kann während der Mietdauer von S*** verwendet werden.

Kosten für Telefon, Strom, Öl und andere Auslagen werden jeweils bar nach Ablauf der Miete bezahlt, Abrechnung nach Rechnungen. Ebenso die Kosten für Bruch von beweglichen Gegenständen und Beschädigung von Hauseinrichtungen.

Einverstanden: Einverstanden:

Kundl, am 3. 9. 1983."

Trotz dieser Einigung in allen wesentlichen Punkten betreffs Rückzahlung und Vermietung auf 6 Jahre wollte der Kläger in der Folge nicht die gesamten 98.000 DM, sondern nur die Differenz von 61.000 DM abwohnen. Er ließ durch den Klagevertreter eine neue schriftliche Vereinbarung vorbereiten. Dieser Vertragsentwurf (Beilage 4), den in der Folge Dr. A*** als Vertreter des Klägers Adolf S*** überbrachte, hatte im wesentlichen zum Inhalt, daß für die Benützung des Hauses in den Jahren 1981, 1982 und 1983 37.000 DM zu verrechnen seien und daß der offene Anzahlungsrest von 61.000 DM in den folgenden Jahren 1984 bis 1987 durch eine jährliche Miete von 15.000 DM abgegolten werden könne, während der Rest von 1.000 DM nach Beendigung dieser Miete am 1.9.1987 durch die Familie S*** zu zahlen gewesen wäre. Laut Punkt III des Entwurfes hätten Adolf, Katharina und Andrea S*** ausdrücklich anerkennen sollen, daß sie aus der Anzahlung dem Kläger noch restliche 61.000 DM samt 9 % Zinsen seit 1.9.1983 schulden. Laut Punkt I letzter Absatz hätten das Ehepaar S*** und deren Tochter Andrea ausdrücklich anerkennen sollen, daß sie zur ungeteilten Hand verpflichtet seien, die offene Kaufpreisanzahlung zurückzuerstatten. Nach Punkt III Absatz 7 sollte der Kläger die Möglichkeit haben, von dieser Vereinbarung abzustehen und die Forderung aus dem Titel Kaufpreisrückzahlung samt Zinsen sofort fällig zu stellen, wenn es dem Kläger von Seiten des Ehepaares S*** und deren Tochter nicht ermöglicht wird - aus welchen tatsächlichen und rechtlichen Gründen immer -, das Haus in den angeführten Jahren wie ausgemacht zu bewohnen. Zur Besicherung sollten Adolf, Katharina und Andrea S*** einen Blankowechsel unterfertigen, um dann den jeweils noch aushaftenden Anzahlungsbetrag klageweise durchsetzen zu können (Punkt III Abs8). Mit diesem Entwurf war die Familie S*** nicht einverstanden, weil (Adolf) S*** die ausgemachten 37.000 DM damit nicht bar erhalten hätte, weil die Tochter Andrea ausdrücklich als Vertragspartei aufschien, weil die Besicherung durch einen Wechsel vorgesehen war und weil der Entwurf auch in anderen Punkten von der Vereinbarung Beilage 2 abwich. In der weiteren Folge brachte Adolf S*** noch vor, daß seine Forderungen gegenüber dem Kläger nicht nur 37.000 DM, sondern bedeutend mehr betragen würden. Zu einer (neuen) Einigung kam es nicht mehr. Für S*** sollte weiters die Vereinbarung Beilage 2 gelten, für den Kläger nicht, denn er wollte die neue Vereinbarung Beilage 4 unterschrieben haben. Die Familie S*** hätte das Haus dem Kläger entsprechend der Vereinbarung Beilage 2 ab 1984 zur Verfügung gestellt, der Kläger machte aber keinen Gebrauch mehr davon. Er brachte vielmehr die gegenständliche Klage schon im Februar 1984 ein und erklärte im Zuge dieses Verfahrens den Rücktritt von der Vereinbarung vom 3.9.1983.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus:

Nach den Feststellungen gebe es nur die verbindliche Vereinbarung Beilage 2, wonach die offene Anzahlung von 98.000 DM mit der Miete über 6 Jahre und der Rest von 8.000 DM am Ende der 6 Jahre verrechnet werden könne. Für den Kläger bestünde auch die Möglichkeit der Benützung des Hauses laut dieser Vereinbarung seit 1984, sei aber von ihm nicht ausgenützt worden. Damit erübrigten sich weitere rechtliche Überlegungen. Die Beklagte, als Hauseigentümerin zumindest mit anderen Familienangehörigen einer der Vertragsteile, habe sich vertragstreu verhalten und sei weiterhin leistungsbereit, so daß sich der Kläger in Annahmeverzug befinde. Sein einseitiger Rücktritt vom Vertrag sei nicht beachtlich, weil sich die Beklagte an die Vereinbarung gehalten habe. Bei diesem Sachverhalt bestehe für den Kläger kein Anspruch auf Rückzahlung der begehrten 61.000 DM s.A.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil. Es übernahm die erstgerichtlichen Feststellungen als Ergebnis einer unbedenklichen Beweiswürdigung und nahm zur Rechtsrüge des Klägers wie folgt Stellung:

Da der Kläger Staatsbürger des Königreiches Saudiarabien sei und im Gegensatz zur Beklagten im Inland keinen gewöhnlichen Aufenthalt habe, sei vorweg die Frage zu klären, welches materielle Recht auf den vorliegenden Rechtsstreit anzuwenden sei. Gemäß § 35 Abs1 IPRG seien Schuldverhältnisse nach dem Recht zu beurteilen, das die Parteien ausdrücklich oder schlüssig bestimmten. Einer schlüssigen Bestimmung stehe gleich, wenn sich aus den Umständen ergebe, daß die Parteien eine bestimmte Rechtsordnung als maßgeblich angenommen hätten. Da die Parteien im vorliegenden Fall das anzuwendende Recht weder ausdrücklich noch schlüssig bestimmt und auch nicht die Maßgeblichkeit einer bestimmten Rechtsordnung angenommen hätten, kämen gemäß § 35 Abs2 IPRG die in den §§ 36 bis 49 IPRG festgelegten objektiven Anknüpfungen zum Tragen. Hier gelange § 36 IPRG zur Anwendung. Danach seien gegenseitige Verträge, nach denen die eine Partei der anderen zumindest überwiegend Geld schulde, nach dem Recht des Staates zu beurteilen, in dem die andere Partei ihren gewöhnlichen Aufenthalt habe. Gegenstand dieses Rechtsstreites sei ein Mietvertrag, der sich als Rückabwicklung eines vorangegangenen nichtigen Kaufvertrags darstelle, also ein gegenseitiger Vertrag. Das maßgebende Kriterium dafür, nach welchem Recht dieser Vertrag zu beurteilen sei, liege in der Lösung der Frage, in welchem Staat diejenige Partei ihren gewöhnlichen Aufenthalt habe, die nicht zumindest überwiegend Geld schulde, wie im vorliegenden Fall die Beklagte als Vermieterin oder Verkäuferin. Da die Beklagte ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich habe und im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses auch gehabt habe, sei sohin auf den vorliegenden Rechtsstreit österreichisches bürgerliches Recht anzuwenden.

In rechtlicher Hinsicht sei davon auszugehen, daß zwischen den Streitteilen am 3.9.1983 ein Bestandvertrag, der sich inhaltlich als Rückabwicklung eines vorangegangenen nichtigen Kaufvertrages darstelle, zustande gekommen sei, und zwar rechtsverbindlich für den Kläger durch seine Unterfertigung der Urkunde Beilage 2, rechtswirksam für die Beklagte durch die Unterfertigung der Vertragsurkunde seitens ihres Gatten, der sie bei den Verhandlungen vertreten habe, oder jedenfalls mündlich durch die Beklagte selbst, die bei den Gesprächen anwesend und mit dem Ergebnis einverstanden gewesen sei.

Wenn der Kläger behaupte, daß diese Vereinbarung in der Folge aufgehoben worden sei, so treffe ihn dafür die Beweislast. Der Kläger führe dazu ins Treffen, daß Adolf S*** nach Abschluß der Vereinbarung vom 3.9.1983 erklärt habe, er habe gegenüber dem Kläger nicht nur 37.000 DM, sondern bedeutend mehr zu fordern. Daraus ziehe der Kläger den Schluß, daß damit auch die Vereinbarung vom 3.9.1983, Beilage 2, hinfällig geworden sei. Dieser Ansicht könne nicht gefolgt werden. Es entspreche einerseits durchaus der allgemeinen Erfahrung, daß Adolf S*** - erzürnt über das Ansinnen des Klägers auf Unterfertigung eines in wesentlichen Punkten geänderten Vertrages - durch Präsentation weiterer Forderungen den Kläger zur Zuhaltung des ursprünglichen Vertrages anhalten wollte, und es lasse andererseits die Weigerung S***, den abgeänderten Vertragsentwurf Beilage 4 zu unterfertigen, sicherlich nur den einen Schluß zu, daß er und seine Gattin an den am 3.9.1983 geschlossenen Vereinbarungen festhalten wollten. Aus diesen Überlegungen und im Zusammenhang mit den vom Erstgericht getroffenen Feststellungen ergebe sich zweifelsfrei, daß dem Kläger ein Beweis dafür, daß die am 3.9.1983 getroffenen Vereinbarungen aufgehoben oder abgeändert worden wären, nicht gelungen sei.

Unter dem Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung führe der Kläger weiter aus, daß die Urkunden Beilagen 2 und I schon deshalb keine rechtsverbindlichen Vereinbarungen darstellten, weil es mit dem Vertragspartner "Familie S***" zu keinem Zeitpunkt eine Willensübereinstimmung gegeben habe. Die "Familie S***" sei kein Rechtssubjekt und es sei im Beweisverfahren auch nicht hervorgekommen, was nach den Vorstellungen der Streitteile der Begriff "Familie S***" bedeute. Die Urkunden Beilagen 2 und I seien nur Konzepte gewesen, in denen für den Vertragsverfasser die grundsätzlichen Vorstellungen der Streitteile fixiert werden sollten. Dieses Vorbringen des Klägers enthalte neue Tatsachen und Rechtsausführungen, die vor dem Erstgericht weder vorgetragen noch erörtert worden seien. Gemäß § 482 ZPO sei es daher dem Berufungsgericht verwehrt gewesen, darauf einzugehen, weil diese unzulässigen Neuerungen nicht den Berufungsgrund, sondern den Anspruch selbst beträfen. Bei der rechtlichen Beurteilung des festgestellten Sachverhaltes sei sohin in Übereinstimmung mit dem Erstgericht davon auszugehen, daß zwischen den Streitteilen ein Bestandvertrag rechtsgültig zustande gekommen sei, der durch keine weiteren Vereinbarungen abgeändert oder aufgehoben worden sei. Im Zuge dieses Rechtsstreites habe der Kläger den Rücktritt vom Vertrag mit der Begründung erklärt, daß die Beklagte dem Kläger und seiner Familie das in Rede stehende Haus nie zur Verfügung gestellt habe. Wenn ein entgeltlicher Vertrag von einem Teil entweder nicht zur gehörigen Zeit, am gehörigen Ort oder auf die bedungene Weise erfüllt werde, könne der andere entweder Erfüllung und Schadenersatz wegen der Verspätung begehren oder unter Festsetzung einer angemessenen Frist zur Nachholung den Rücktritt vom Vertrag erklären (§ 918 ABGB). Eine weitgehende Beschränkung erleide die Anwendbarkeit dieser gesetzlichen Bestimmung auf entgeltliche Verträge, die auf die Begründung eines Dauerschuldverhältnisses gerichtet seien. Solche Verträge seien beispielsweise Bestandverträge. Die Pflichten aus einem Vertrag, der auf Begründung eines Dauerschuldverhältnisses gerichtet sei, könnten auch vor tatsächlichem Beginn dieses Verhältnisses verletzt werden, insbesondere durch eine Verzögerung oder Vereitelung der vorangehenden Leistung, von deren Bewirkung der tatsächliche Beginn des Dauerschuldverhältnisses abhänge. Der Bestandgeber übergebe z.B. den Bestandgegenstand nicht. Gegen die Anwendung der Vorschriften der §§ 918 bis 921 ABGB auf Vertragsverletzungen, die in die Zeit vor dem tatsächlichen Beginn des Dauerschuldverhältnisses fielen, bestünden sohin keine Bedenken. Lehre und Rechtsprechung hätten in analoger Anwendung des § 1118 ABGB grundsätzlich die Möglichkeit einer vorzeitigen Auflösung jeglicher Dauerschuldverhältnisse auch nach deren Beginn bejaht. Die Möglichkeit einer außerordentlichen Aufkündigung werde damit begründet, daß auf Dauer angelegte Rechtsverhältnisse in besonderem Maße empfindlich für die Veränderung der für den Vertrag maßgebenden Verhältnisse seien, da es auch dem sorgfältigsten Partner nicht möglich sei, für alle Wechselfälle der undurchschaubaren Zukunft vorzusorgen, so daß sie in besonderem Maß des Schutzes der Rechtsordnung bedürften. Die Auflösung sei möglich, wenn ein Ereignis eintrete oder wichtige Gründe vorlägen, welche die Fortführung oder den Beginn des Dauerschuldverhältnisses unzumutbar machten. Grundsätzlich wäre also ein Rücktritt und damit die Auflösung des vorliegenden Bestandvertrages möglich. Trotzdem sei der vom Kläger erklärte Rücktritt unwirksam. Das Erstgericht habe festgestellt, daß die "Familie S***" ihr Haus dem Kläger ab 1984 zur Verfügung gestellt habe und daß der Kläger davon keinen Gebrauch gemacht habe. Ein Leistungsverzug der Beklagten liege daher nicht vor. Darüber hinaus sei vom Kläger ein Verhalten der Beklagten, das ihn zur sofortigen Aufkündigung berechtigen würde, nicht einmal behauptet worden; der Umstand allein, daß sich die Parteien aufgrund dieses Prozesses nunmehr im Streit befänden, berechtige den Kläger nicht, den Rücktritt vom vorliegenden Bestandvertrag rechtswirksam zu erklären. Für die Rechtswirksamkeit des Rücktritts des Klägers fehle aber noch ein weiteres Erfordernis. § 918 ABGB verlange nämlich die Festsetzung einer Nachfrist; der allenfalls säumige Teil könne nicht nur bis zur Rücktrittserklärung die Erfüllung nachholen; es komme ihm auch eine weitere, von der Rücktrittserklärung an laufende "angemessene Frist zur Nachholung" der versäumten Leistung zustatten. Im vorliegenden Fall sei vom Kläger eine Nachfrist nicht gesetzt worden, weshalb sein Rücktritt vom Vertrag schon aus diesem Grund nicht rechtswirksam habe werden können.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die auf die Revisionsgründe des § 503 Abs1 Z 2 und 4 ZPO gestützte Revision des Klägers mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne der Klage abzuändern.

Die Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Der Revisionsgrund des § 503 Abs1 Z 2 ZPO liegt nicht vor (§ 510 Abs3 ZPO).

In Ausführung der Rechtsrüge macht der Kläger zunächst geltend, daß der vorliegende Rechtsstreit nach saudiarabischem Recht zu entscheiden sei (ohne allerdings darzulegen, inwiefern die Anwendung dieses Rechtes auf den gegenständlichen Fall ein für ihn günstigeres Ergebnis zeitigen würde). Nach den Feststellungen schulde die Beklagte dem Kläger 98.000 DM und sei daher als jene Partei anzusehen, die der anderen zumindest überwiegend Geld schulde. Dem ist entgegenzuhalten, daß es sich bei dem Anspruch des Klägers auf Rückzahlung des Teilkaufpreises von 98.000 DM um einen Rückabwicklungsanspruch im Sinne des § 46 Satz 2 erster Halbsatz IPRG handelt (vgl. dazu Schwimann, Grundriß des IPR 152), so daß nach dieser Gesetzesbestimmung die Sachnormen des Staates maßgebend sind, dessen Sachnormen auf den Kaufvertrag vom 23.7.1982 anzuwenden sind; das sind hier gemäß § 36 IPRG - worauf das Berufungsgericht im Ergebnis zutreffend hingewiesen hat - die Vorschriften des österreichischen bürgerlichen Rechts. Daran hat sich auch dadurch nichts geändert, daß die Beklagte aufgrund der Vereinbarung Beilage 2 dem Kläger zum Großteil an (Rück-)Zahlungs statt den Gebrauch ihres Hauses mietweise zu überlassen hat (vgl. zum Anwendungsbereich des Schuld-[Geschäfts-]Statutes Schwimann aaO 105; zur kollisionsrechtlichen Behandlung von Verträgen über die Benützung unbeweglicher Sachen siehe § 42 IPRG).

Sodann meint der Kläger unter Berufung auf § 863 Abs2 ABGB, Adolf S*** habe dadurch, daß er auf die Vorlage des Vertragsentwurfes Beilage 4 mit der Erhebung neuer Forderungen reagiert habe, eindeutig zum Ausdruck gebracht, daß sich auch die Familie S*** nicht mehr an die Vereinbarungen Beilagen I und 2 gebunden fühle.

Dem kann nicht beigepflichtet werden. Auch nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes ist das Verhalten des Adolf S*** - wie das Berufungsgericht richtig erkannt hat - rechtlich nicht dahin zu beurteilen, daß an den Vereinbarungen Beilagen I und 2 (auch) auf Seite der Eheleute S*** nicht mehr festgehalten werden sollte. Schließlich wiederholt der Kläger seinen erstmals im Berufungsverfahren vertretenen Standpunkt, daß nur Rechtssubjekte rechtswirkame Vereinbarungen treffen könnten, die in den Beilagen I und 2 bezeichneten Familien aber keine Rechtssubjekte seien, weshalb diese Vereinbarungen - die im übrigen nur Konzepte seien und auch deshalb rechtsunwirksam wären - nicht gültig zustande gekommen seien. Die Beklagte hätte vorbringen und beweisen müssen, daß nach der Absicht der Parteien (§ 914 ABGB) unter der Bezeichnung "Familien" ganz bestimmte Rechtssubjekte verstanden worden seien. Die Geltendmachung dieses rechtlichen Gesichtspunktes verstoße nicht gegen das Neuerungsverbot.

Dieser Argumentation ist zu erwidern, daß aufgrund des beiderseitigen Parteienvorbringens in erster Instanz sowie aufgrund des von den Vorinstanzen festgestellten Sachverhaltes in Übereinstimmung mit dem Berufungsgericht davon ausgegangen werden kann, daß sowohl die Vereinbarung betreffend die Abrechnung Beilage I, die vom Kläger und von den Eheleuten S*** unterschrieben worden ist, als auch die Vereinbarung betreffend das Abwohnen der Kaufpreisteilvorauszahlung Beilage 2, die vom Kläger und von Adolf S*** unterschrieben worden ist, zwischen dem Kläger einerseits und den Eheleuten S*** andererseits rechtswirksam zustande gekommen ist. Es besteht aufgrund der laienhaft formulierten Urkunden kein Anhaltspunkt dafür, daß in bezug auf die Vereinbarung Beilage 2, in der von der Familie AL N*** und von der Familie S*** die Rede ist, etwas anderes gelten sollte als in bezug auf die Vereinbarung Beilage I, in der die Vertragsteile nicht genannt sind, die Abrechnungsvorschläge aber als "Vorschlag Ali" und Vorschlag "Adolf" bezeichnet werden. Dazu kommt, daß der Kläger selbst noch in der Klage von der Wirksamkeit der einvernehmlichen Abrechnung ausging und die Eheleute S*** den Vertragsentwurf Beilage 4 unter anderem deswegen ablehnten, weil ihre Tochter Andrea darin als Vertragspartei aufschien. Es war daher der Revision ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Die Erstattung zweier Revisionsbeantwortungen war zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung nicht notwendig.

Anmerkung

E08560

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0050OB00540.86.0708.000

Dokumentnummer

JJT_19860708_OGH0002_0050OB00540_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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