TE OGH 1986/7/14 1Ob561/86

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 14.07.1986
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Gamerith, Dr. Hofmann und Dr. Schlosser als weitere Richter in der Adoptionssache der Antragsteller Ilona H***, Pensionistin, verstorben 9. April 1985, wohnhaft gewesen Wien 9., Schlickgasse 4, und Johann W***, Kaufmann, Wien 3., Erdbergstraße 99/16, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses des Antragstellers Johann W***, vertreten durch Dr. Marion Schön, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Rekursgerichtes vom 23. Jänner 1986, GZ. 43 R 25/86-26, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 28. November 1985, GZ. 10 Nc 413/84-22, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben. Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß sie wie folgt zu lauten haben:

"Bewilligung der Annahme an Kindesstatt.

Spruch.

Der Oberste Gerichtshof bewilligt aufgrund des schriftlichen Vertrages vom 10. 10. 1984 die Annahme an Kindesstatt des Johann Rudolf W*** als Wahlkind durch Ilona H*** als Wahlmutter. Angaben.

Wahlmutter:

Vorname und Familienname: Ilona H***.

Geburtstag und Geburtsort: 20. 1. 1898, Budapest.

Staatsangehörigkeit: Österreich.

Familienstand: Verwitwet.

Beruf: Pensionistin.

Wohnort: Wien 9., Schlickgasse 4.

Wahlkind:

Vorname und Familienname: Johann Robert W***.

Geburstag und Geburtsort: 15. 10. 1927, Wien.

Geburtenbuch des Pfarramtes Alservorstadt.

Band 1927 Seite 188.

Staatsangehörigkeit: Österreich.

Familienstand: Verheiratet.

Beruf: Kaufmann.

Wohnort: Wien 3., Erdbergerstraße 99/16.

Johann Robert W*** hat am 15. Juli 1967 vor dem Standesamt

Wien-Landstraße (Familienbuch Nr. 566/1967) mit Christine Augustine

R*** die Ehe geschlossen.

Namen und Wirksamwerden

Das Wahlkind behält gemäß § 183 Abs. 1 dritter Satz ABGB seinen

bisherigen Familiennamen.

Die Annahme wird gemäß § 179 a Abs. 1 ABGB mit dem 10. Oktober 1984 wirksam."

Text

Begründung:

Der am 15. Oktober 1927 geborene Revisionsrekurswerber schloß am 10. Oktober 1984 mit der am 20. Jänner 1898 geborenen Ilona H*** einen Vertrag über die Annahme an Kindesstatt. Ilona H*** verstarb am 9. April 1985.

Das Erstgericht wies den Antrag auf Bewilligung des Vertrages über die Annahme an Kindesstatt ab. Es stellte fest, Johann W*** und Ilona H*** hätten einander seit 1949 gekannt. Johann W*** habe in der Familie des Bruders Ilona H*** gearbeitet. Seit sehr vielen Jahren habe ein inniger Kontakt zwischen Ilona H*** und Johann W*** bestanden. Johann W*** habe ihr bei wirtschaftlichen und persönlichen Angelegenheiten geholfen, Teile der Freizeit seien gemeinsam verbracht worden. Johann W*** habe Ilona H*** im Falle einer Erkrankung gepflegt. Ilona H*** sei Eigentümerin der Liegenschaft EZ 839 KG Alsergrund gewesen. Da Ilona H*** diese Liegenschaft an Johann W*** habe übergeben wollen, habe sie sich von Rechtsanwalt Dr. Marion S*** steuerlich beraten lassen. Bei diesem Gespräch sei auch Johann W*** anwesend gewesen. Es seien mehrere Varianten diskutiert worden. Wegen der hohen Steuerleistung sei ein Schenkungsvertrag oder eine letztwillige Verfügung ausgeschieden. Als steuerlich günstigste Variante sei der Abschluß eines Adoptionsvertrages, der schon früher ventiliert worden sei, geblieben. Aus diesem Grund sei der Adoptionsvertrag geschlossen worden.

Rechtlich führte das Erstgericht aus, das Motiv zum Abschluß des Adoptionsvertrages reduziere sich auf rein wirtschaftliche Überlegungen. Johann W*** sollte eine Steuerersparnis zugutekommen. Darüber hinausgehende Intentionen seien durch die Ereignisse eliminiert worden. Es sei wohl die Mutter-Kind-Beziehung nach § 180 a Abs. 1 ABGB hergestellt, es fehle aber an einem gerechtfertigten Anliegen zu einer Adoption. Solche Anliegen könnten zwar durchaus auch wirtschaftliche Interessen bilden. In einer Steuerersparnis vermöge das Gericht jedoch kein gerechtfertigtes Anliegen zu erblicken. Die Degradierung der Adoption zum Instrument der Umgehung der Steuergesetze könne weder nach- noch mitvollzogen werden.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Johann W*** nicht Folge. Wie sich insbesondere aus dem Ergebnis der Einvernahme Dris. Marion S*** ergebe, sei Überlegung bei Abschluß des Adoptionsvertrages gewesen, Johann W*** die Liegenschaft samt dem darauf befindlichen Objekt steuerbegünstigt zu übertragen. Das Schwergewicht dieser Überlegungen sei nicht auf dem Übertragungsakt, sondern eindeutig auf der Umgehung steuerrechtlicher Vorschriften gelegen. Aus diesem Grunde sehe sich das Rekursgericht nicht in der Lage, eine vom Erstgericht verschiedene Sachentscheidung zu treffen.

Rechtliche Beurteilung

Der außerordentliche Revisionsrekurs des Johann W*** ist berechtigt.

Seinem Inhalt nach wird im Sinn des § 16 AußStrG der Revisionsrekursgrund der offenbaren Gesetzwidrigkeit geltend gemacht. Offenbare Gesetzwidrigkeit liegt nach einhelliger Rechtsprechung vor, wenn ein Fall im Gesetz selbst ausdrücklich und so klar gelöst ist, daß ein Zweifel über die Absicht des Gesetzgebers nicht aufkommen kann und trotzdem eine damit im Widerspruch stehende Entscheidung gefällt wurde (EFSlg. 47.208, 44.642; GesRZ 1983, 218; JBl. 1982, 606; SZ 44/180 u.v.a.), oder wenn die Entscheidung mit den Grundprinzipien des Rechts im Widerspruch steht (EFSlg. 47.208, 44.647 u.v.a.).

Gemäß § 179 a Abs. 1 dritter Satz ABGB hindert der Tod des Annehmenden nach der vertraglichen Willenseinigung die Bewilligung nicht. Nach § 180 a Abs. 1 zweiter Satz ABGB muß, wenn das Wahlkind eigenberechtigt ist, ein gerechtfertigtes Anliegen des Annehmenden oder des Wahlkindes vorliegen. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen bestand zwischen dem Wahlkind und der Wahlmutter schon lange eine dem Verhältnis zwischen leiblichen Eltern und Kindern entsprechende innige Beziehung. Ein gerechtfertigtes Anliegen der Wahlmutter, aber auch des Wahlkindes bestand dann schon darin, diese Bindung durch gesetzliche familienrechtliche Bande zu verstärken. Da der nach Vertragsabschluß erfolgte Tod des Annehmenden die Bewilligung nicht hindert, kann der durch den Tod erfolgte Wegfall dieses angestrebten Zweckes entgegen der Ansicht des Erstgerichtes kein Grund sein, die Bewilligung der Adoption zu versagen. Die Annahme der Vorinstanzen, einziges Motiv für den Abschluß des Adoptionsvertrages sei die Umgehung steuerrechtlicher Vorschriften gewesen, ist durch die Feststellungen des Erstgerichtes über die innigen persönlichen Beziehungen nicht gedeckt.

In Abänderung der Beschlüsse der Vorinstanzen war daher die Annahme an Kindesstatt zu bewilligen. Was die Namensfolgen betrifft, ordnet § 183 a Abs. 1 letzter Halbsatz an, daß grundsätzlich bei der Annahme eines Ehegatten beide Ehegatten den bisherigen Familiennamen weiterführen, es ändert sich nur der Geschlechtsname des Angenommenen (Pichler aaO Rdz 3 zu §§ 183, 183 a). In der vor Gericht erfolgten Angabe der Ehegattin des Angenommenen (ON 19), an sich wäre mit der Wahlmutter vereinbart, daß der Name W*** weitergeführt werde, sie hätte aber nichts dagegen, den Namen H*** zu führen, kann eine im Sinn des § 183 a Abs. 1 zweiter Satz erster Halbsatz ABGB erfolgte Zustimmung zur Änderung des Familiennamens nicht erblickt werden.

Anmerkung

E08506

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0010OB00561.86.0714.000

Dokumentnummer

JJT_19860714_OGH0002_0010OB00561_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten