TE OGH 1986/7/15 14Ob114/86

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Veröffentlicht am 15.07.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuderna und Dr. Gamerith sowie die Beisitzer Dr. Rupert Dollinger und Dr. Willibald Aisleitner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. Irene R***, Pensionistin, Klosterneuburg, Fellergraben 2/1, vertreten durch Dr. Nikolaus Siebenaller, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Mag. Gertrud H***, Apothekerin, Klosterneuburg, Albrechtsstraße 39, vertreten durch Dr. Norbert Schöner, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 17.322,48 netto sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes in arbeitsgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten vom 6. März 1986, GZ. 44 Cg 10/86-19, womit das Urteil des Arbeitsgerichtes Wien vom 12. Februar 1985, GZ. 9 Cr 2096/84-8, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Klägerin ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 2.959,20 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (davon S 247,20 Umsatzsteuer und S 240,- Barauslagen) binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin war vom 1. Juli 1973 bis 31. Dezember 1983 als Apothekerin in der der Beklagten gehörenden Stadtapotheke Klosterneuburg im "Volldienst" (siehe unten) angestellt. Am 1. Jänner 1984 trat sie in den Ruhestand. Auf ihr Dienstverhältnis fand der Kollektivvertrag für pharmazeutische Fachkräfte in öffentlichen Apotheken und Anstaltsapotheken Österreichs (im folgenden kurz: KV) Anwendung, der ua folgende Bestimmungen enthält:

"IV. Arbeitszeit .....

(2) Die regelmäßige Arbeitszeit am Tage beträgt für im Volldienst stehende pharmazeutische Fachkräfte wöchentlich vierzig Stunden,

......

.....

(14) Bereitschaftsdienste während der Nacht (im Regelfall 18 bis 8 Uhr) sind grundsätzlich unteilbar. Eine Teilung ist nur einvernehmlich möglich. Die Abgeltung von Bereitschaftsdiensten während der Nacht hat gemäß Art. VI Abs. 3 bis 5 zu erfolgen. Wünschen der Dienstnehmer nach ganzer oder teilweiser Abgeltung von Bereitschaftsdiensten während der Nacht durch Ersatzruhezeiten soll im Rahmen der betrieblichen Möglichkeiten Rechnung getragen werden, wobei für einen Bereitschaftsdienst während der Nacht die Ersatzruhezeit mit sechs Stunden festgelegt wird.

.....

VI. Mehrdienstleistungen (1) Als Mehrdienstleistungen gelten und sind gesondert zu entlohnen:

.....

d) Bereitschaftsdienste während der Nacht.

.....

(3) .....

c) Für Bereitschaftsdienste während der Nacht, für die keine Ersatzruhezeit gewährt wird, gebührt zusätzlich zu dem in den Bezügen der Pharmazeutischen Gehaltskasse und der Ausgleichszulage enthaltenen Grundlohn ein Nachtarbeitszuschlag. Die jeweilige Höhe des Nachtarbeitszuschlages ist durch die Kollektivvertragspartner zu vereinbaren und mit Rundschreiben zu verlautbaren.

....." Für Bereitschaftsdienste war ein Betrag von S 1.050,- pro Nacht zu bezahlen. Die Klägerin erhielt diesen Betrag nicht, weil sie Ersatzruhezeit im Sinne des Art IV Abs 14 KV in Anspruch nahm. Im Durchschnitt von drei Wochen leistete die Klägerin 120 Arbeitsstunden; in der ersten und zweiten Woche je 31 und in der dritten Woche 58 Stunden, davon 31 Tagesarbeitsstunden und 4 Bereitschaftsdienste während der Nacht von 18 bis 8 Uhr a 6 Stunden (Art IV Abs 14 KV) sowie 3 Stunden Sonntagvormittagsdienst. Die Klägerin begehrt von der Beklagten Zahlung von S 17.322,48 netto sA mit der Begründung, bei der Berechnung ihrer Abfertigungs- und Urlaubsansprüche seien die von ihr pro Monat geleisteten vier Bereitschaftsdienste während der Nacht nicht berücksichtigt worden. Dies ergebe bei der Abfertigung einen Unterschiedsbetrag von S 16.800,- brutto (= S 15.792,- netto) und bei der Urlaubsabfindung einen solchen von S 1.530,48 netto. Die von der Beklagten für die Bereitschaftsdienste während der Nacht gewährten Ersatzruhezeiten seien ein Entgelt für diese Bereitschaftsdienste, das in die Bemessung der Abfertigung und Urlaubsabfindung einzurechnen sei. Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein, daß die der Klägerin gewährten Ersatzruhezeiten kein Entgelt für die geleisteten Bereitschaftsdienste seien. Sämtliche Bereitschaftsdienste der Klägerin seien durch Zeitausgleich abgegolten worden.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit der Begründung statt, die Ersatzruhezeit stelle ein Entgelt dar. Andernfalls wären die Dienstnehmer, die Ersatzruhezeit in Anspruch nehmen, schlechter gestellt als jene, die eine Mehrdienstleistungsvergütung erhielten. Das Berufungsgericht verhandelte die Rechtssache gemäß § 25 Abs 1 Z 3 ArbGG von neuem. Es gab der Berufung der Beklagten Folge und änderte das Ersturteil im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens ab, wobei es im wesentlichen von demselben, bereits in erster Instanz außer Streit gestellten Sachverhalt ausging. Das Berufungsgericht war der Ansicht, daß die der Klägerin gewährten Ersatzruhezeiten nicht als Arbeitsentgelt anzusehen seien. Arbeitsentgelt sei jede Art von Leistung, die dem Arbeitnehmer für die Zurverfügungstellung seiner Arbeitskraft gewährt werde. Die von der Klägerin geleisteten Bereitschaftsdienste während der Nacht seien gem Art IV Abs 14 KV durch die Gewährung von Ersatzruhezeiten ausgeglichen worden, was nur zu einer anderen Verteilung der Arbeitszeiten geführt habe. Bei der Bemessung der Abfertigung und der Urlaubsabfindung zu berücksichtigende Mehrdienstleistungen lägen nur vor, wenn der Bereitschaftsdienst durch Entlohnung abgegolten worden wäre. Daß der vierzehn Stunden dauernde Bereitschaftsdienst nur durch sechs Stunden Ersatzruhezeit abgegolten werde, beruhe auf einer Anordnung des Kollektivvertrages, die darauf Bedacht nehme, daß solche Dienste nur mit einem geringeren Grad des Einsatzes der Arbeitskraft verbunden seien.

Die gegen das Urteil des Berufungsgerichtes wegen Aktenwidrigkeit und unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision der Klägerin ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsgrund der Aktenwidrigkeit liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO iVm § 23 ArbGG).

Die weitwendigen Ausführungen der Revisionswerberin, mit denen sie den Entgeltcharakter der ihr gemäß Art IV Abs 14 KV gewährten Ersatzruhezeiten zu begründen versucht und eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes behauptet, lassen die entscheidende Tatsache außer Acht, daß die Klägerin durch die Leistung von vier Bereitschaftsdiensten während der Nacht die durch ihre normalen Bezüge abgegoltene regelmäßige Arbeitszeit von wöchentlich 40 Stunden (Art IV Abs 2 KV; § 3 Abs 1 AZG) jeweils im dreiwöchigen Durchschnitt nicht überschritten hat. Für die Leistung eines Bereitschaftsdienstes während der Nacht wurde ihr jeweils eine Ersatzruhezeit von 6 Stunden gewährt, während jene Apotheker, die sich Bereitschaftsdienste während der Nacht nicht durch Ersatzruhezeiten (bei Tag) abgelten lassen, sondern den Nachtdienstzuschlag gemäß Art VI Abs 3 lit c KV in Anspruch nehmen, die Bereitschaftsdienste während der Nacht neben dem Volldienst bei Tag in der Dauer von vierzig Stunden wöchentlich (Art IV Abs 2 KV) zu leisten haben. Diese im Gegensatz zur Klägerin gesondert zu entlohnenden Mehrdienstleistungen wirken sich gegebenenfalls auch auf die Bemessungsgrundlage der Abfertigung (vgl Migsch, Abfertigung für Arbeiter und Angestellte, 125 f) und der Urlaubsentschädigung aus. Die Revisionswerberin mißversteht auch den arbeitsrechtlichen Entgeltbegriff, wenn sie der gewährten Ersatzruhezeit Entgeltcharakter beizulegen versucht. "Entgelt" ist jede Leistung, die der Arbeitnehmer dafür bekommt, daß er dem Arbeitgeber seine Arbeitskraft zur Verfügung stellt (Krejci in Rummel, ABGB, Rz 9 zu § 1152; Migsch, aaO 125; Mayer-Maly, Arbeitsrecht, 78 f; Spielbüchler, Arbeitsrecht 2 I 123; Arb. 9.430, 9.942, 9.579, 9.798 uva). Aus dieser Definition folgt aber, daß die Gewährung einer - auf die Normalarbeitszeit anzurechnenden - Ersatzruhezeit (vgl. auch § 2 Abs 1 Z 4 und § 6 Abs 1 ARG) kein (zusätzliches) Entgelt für die Zurverfügungstellung von Arbeitskraft ist. Durch die Gewährung der auf die Normalarbeitszeit angerechneten und damit entlohnten Ersatzruhezeit wird die Mehrdienstleistung während der Nacht ausgeglichen. Es kommt dadurch - im Wege eines Zeitausgleichs - nur zu einer anderen Verteilung der Arbeitszeit.

Sofern die zunächst erbrachte Mehrleistung und die gewährte Ersatzruhezeit gleichwertige Arbeitszeiten sind, bleibt keine Mehrleistung des Dienstnehmers übrig. Anders kann es bei zeitgleicher Abgeltung ungleichwertiger Arbeitszeiten sein (vgl etwa zur Problematik des Freizeitausgleiches von Überstunden Grillberger, Arbeitszeitgesetz 84 f und Czerny, Arbeitszeitrecht 97 f). Soweit sich die Rekurswerberin nunmehr gegen die Relation des gewährten Freizeitausgleiches (14:6) wendet, ist ihr entgegenzuhalten, daß die in Apotheken zu verrichtenden Bereitschaftsdienste während der Nacht - ähnlich wie der Nachtdienst eines Arztes, der im Spital anwesend sein muß, aber schlafen und sonstige Ruhezeit halten kann, wenn Arbeit nicht vorliegt (Arb 10.059 = RdA 1982/16 = ZAS 1984/13 [Pfeil] - unter den Begriff der sogenannten Arbeitsbereitschaft (Bereitschaftszeit) im Sinne der §§ 5 und 19 a AZG fallen. Es handelt sich bei derartigen Bereitschaftszeiten wohl um Arbeitszeiten im Sinne des Arbeitszeitgesetzes, doch ist die Intensität, mit der der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber während dieser Zeit zur Verfügung steht, regelmäßig geringer, als bei der Verrichtung der eigentlichen vertraglich bedungenen Arbeitsleistungen (Arb. 10.356), weshalb für Zeiten der bloßen Arbeitsbereitschaft ein geringeres Entgelt als für die vereinbarte Arbeitsleistung vereinbart werden kann (Arb 10.059 = RdA 1982/16 = ZAS 1974/13 [Pfeil]; ZAS 1968/6). Aus diesem Grunde ermächtigt § 19 a AZG die Kollektivvertragsparteien, für Arbeitnehmer, die als angestellte Apothekenleiter oder als pharmazeutische Fachkräfte in öffentlichen Apotheken und Anstaltsapotheken beschäftigt sind und deren Arbeitsleistung Bereitschaftszeiten einschließt, durch Kollektivvertrag über die Bewertung von Bereitschaftszeiten als Arbeitszeit Regelungen zu treffen. Diese Bewertung ist hier mit der Bestimmung des Art IV Abs 14 KV erfolgt. Geht man aber von dieser Relation aus, so hat die Klägerin keine über die Normalarbeitszeit (§ 3 AZG) bzw. die regelmäßige Arbeitszeit im Sinne des Art IV Abs 2 KV hinausgehenden Arbeitsleistungen erbracht.

Auf eine zu niedrige Bewertung oder Entlohnung von Sonntagsarbeit hat die Klägerin das Klagebegehren nicht gestützt.

Auch die Berufung der Revision auf Art IV Abs 13 KV ist verfehlt, weil dort die Ersatzruhezeit für die Leistung von Bereitschaftsdienst am Tage geregelt ist. Die Behauptung aber, die Klägerin habe innerhalb von 3 Wochen durchschnittlich mehr als 4 Nachtdienste geleistet, widerspricht ihrem eigenen Vorbringen (S. 3, 16), der von ihr selbst verfaßten Aufstellung (Beilage C) und der Außerstreitstellung der Parteien (S. 30).

Sind aber die Mehrdienstleistungen der Klägerin während der Nacht durch entsprechende Ersatzruhezeiten bei Tag abgegolten worden, so entstand hiefür auch kein Entgeltanspruch, der die Bemessungsgrundlage für die Abfertigung und die Urlaubsabfindung erhöhen könnte.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

Anmerkung

E08548

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0140OB00114.86.0715.000

Dokumentnummer

JJT_19860715_OGH0002_0140OB00114_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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