TE OGH 1986/9/4 6Ob646/85

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Veröffentlicht am 04.09.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Resch, Dr.Schobel, Dr.Riedler und Dr.Schlosser als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Josef R***, Gastwirt, 4293 Gutau, Fürling Nr. 6, vertreten durch Dr. Gerhard Gfrerer, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagte Partei mj. Anita R***, geb. am 7. April 1980, wohnhaft bei ihrer Mutter Anna R***, Hausbesorgerin, Freistadt, Leonfelder Straße 7, vertreten durch die Bezirkshauptmannschaft Freistadt, wegen Bestreitung der ehelichen Geburt, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 10.Mai 1985, GZ 14 R 30/85-24, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Freistadt vom 23.Jänner 1985, GZ 1 C 13/84-19, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist mit der Mutter der Beklagten seit 23. Februar 1974 verheiratet. Er hat mit seiner Gattin in der Vermutungsfrist des § 138 Abs 1 ABGB geschlechtliche Beziehungen unterhalten. Beim Landesgericht Linz ist zwischen dem Kläger und der Mutter der Beklagten ein Ehescheidungsverfahren anhängig.

Der Kläger begehrte in seiner am 24. September 1984 eingebrachten Klage die Feststellung, daß die am 7. April 1980 geborene Beklagte nicht aus der zwischen dem Kläger und Anna R*** geschlossenen Ehe stamme. Er behauptete, Vater der Beklagten sei der nunmehrige Lebensgefährte der Mutter des Kindes, Anton S***. Von den Umständen, welche gegen die Vaterschaft des Klägers sprächen, habe er Mitte Mai 1984 Kenntnis erlangt. Der Kläger habe zu diesem Zeitpunkt erfahren, daß Anton S*** der Beklagten zu Weihnachten 1983 Geschenke gekauft und dies damit begründet habe, "weil es sein Kind sei". Anton S*** habe gegenüber Nachbarn die Mutter der Beklagten als "seine Frau" bezeichnet. Während des Verfahrens stellte der Kläger den Antrag, das blutgruppenserologische Gutachten durch Einbeziehung des Anton S*** in die Untersuchung und Gutachtenerstattung zu ergänzen.

Die Beklagte beantragte Abweisung des Klagebegehrens mit der Behauptung, ihre Mutter habe während der kritischen Zeit nur mit dem Kläger geschlechtlich verkehrt.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es führte im Rahmen der Wiedergabe der Beweisergebnisse aus, die Zeugen Anna R*** und Anton S*** hätten "im wesentlichen" angegeben, in der fraglichen Empfängniszeit zum beklagten Kind keine intimen Beziehungen unterhalten zu haben.

Das Erstgericht stellte fest, daß nach der vorliegenden Konstellation der Blutmuster von Mutter und beklagtem Kind Männer mit folgenden Ausschlußmerkmalen mit einer Ausschlußchance von 99,51 % als Erzeuger des Kindes auszuschließen sind:

A 1 B A 2 B -N ss KK FF JJ P aa P ac P cc 2-2 a1neg 2neg 2neg 1- 1 b-f 1-1 2-2 1Sneg F neg. Der Kläger besitzt keines der genannten Ausschlußmerkmale. Seine Vaterschaft ist nach der biostatistisch ermittelten Vaterschaftswahrscheinlichkeit nach Essen-Möller mit 99 % höchstwahrscheinlich.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, im Gegensatz zu der mit BGBl. Nr. 342/1970 erfolgten Neuordnung der Rechtsstellung des uneheliches Kindes und dem dadurch nunmehr zulässigen Beweis der relativen Unwahrscheinlichkeit der unehelichen Vaterschaft nach § 163 Abs 2 ABGB zwischen mehreren in Frage kommenden Mitkonkubenten habe der Gesetzgeber bei der Bestimmung des § 138 ABGB bezüglich der Möglichkeit des Ausschlußbeweises für den Ehemann der Mutter keine analoge Änderung vorgenommen, sodaß hier eine Abwägung über das Ausmaß der Wahrscheinlichkeit der Zeugung eines solchen Kindes durch den Ehemann der Mutter und durch einen anderen Mann, welcher während der Vermutungsfrist des § 138 ABGB ebenfalls der Mutter des Kindes beigewohnt habe, nicht möglich sei.

Dem Kläger sei der Ausschlußbeweis nicht gelungen. Da sein Beweisantrag auf Einbeziehung des Anton S*** an der Rechtslage wie auch an der Beweisführungsmöglichkeit des Klägers nichts zu ändern vermöge, sei dieser Beweisantrag abzulehnen gewesen. Die Beklagte habe eine Klagsverspätung nicht eingewendet.

Die Rechtzeitigkeit der Klagsführung des Klägers im Sinne des § 156 ABGB sei daher nicht weiter zu prüfen gewesen.

Das Berufungsgericht bestätigte das erstgerichtliche Urteil und führte aus, die Feststellung der unehelichen Vaterschaft sei etwas anderes als die Entscheidung über die Bestreitung der ehelichen Geburt. Während im ersten Fall für das Kind erst ein Vater gesucht werden solle, werde im letztgenannten Fall der Verlust eines als feststehend angenommenen Vaters angestrebt. Sei noch kein Vater bestimmt, erscheine es logisch, von mehreren in Betracht kommenden Männern den Wahrscheinlichsten auszusuchen. Das Bestreitungsverfahren habe dagegen das Ziel, die angenommene Vaterschaft eines Mannes zu verneinen, somit das Kind bestehender Rechte zu entkleiden, ohne daß in diesem Verfahren die Vaterschaft eines anderen Mannes festgestellt werde. Ein derartiger Rechtsverlust solle nur im Falle eines eindeutigen Nachweises erfolgen. Die Vermutung des § 138 Abs 1 ABGB könne daher nur durch den Beweis der Unmöglichkeit oder der an Gewißheit grenzenden Unwahrscheinlichkeit, daß das Kind vom Ehemann der Mutter gezeugt worden sei, entkräftet werden. Daran habe sich durch das Bundesgesetz über die Neuordnung der Rechtsstellung des unehelichen Kindes nichts geändert. Der seit diesem Gesetz zulässige Beweis der relativen Unwahrscheinlichkeit der Vaterschaft gemäß § 163 Abs 2 ABGB komme nach dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes nur im Streit um die Vaterschaft zu einem unehelichen Kind in Betracht. Die gegenteilige Auffassung, daß die Voraussetzungen für die Widerlegung der Rechtsvermutung der §§ 138 und 163 ABGB dieselben seien, werde nur vom Oberlandesgericht Wien vertreten. Das Berufungsgericht schließe sich diesbezüglich der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes an, welche auch vom Großteil der Lehre gebilligt worden sei. Nach den getroffenen Feststellungen sei dem Kläger der ihm gemäß § 138 Abs 1 ABGB oblegene Beweis der Unmöglichkeit oder der an Gewißheit grenzenden Unwahrscheinlichkeit, daß das beklagte Kind von ihm gezeugt worden sei, nicht gelungen, da er bei einer Ausschlußchance von 99,51 % nicht nur von der Vaterschaft zum beklagten Kind nicht auszuschließen sei, sondern vielmehr die biostatistisch ermittelte Vaterschaftswahrscheinlichkeit mit 99 % dem Kalkül "Vaterschaft höchstwahrscheinlich" entspreche. Da der Kläger diese auf ihn zutreffende Vaterschaftsvermutung auch dadurch nicht entkräften könnte, daß die Vaterschaftsvermutung des Anton S*** größer wäre als seine eigene, liege in der Nichteinbeziehung dieses Mannes in die blutgruppenserologische Begutachtung kein Verfahrensmangel. Die Unterlassung der von Amts wegen vorzunehmenden Prüfung der Rechtzeitigkeit der Klage stelle ebenfalls keinen wesentlichen Verfahrensmangel dar, weil eine Versäumung der Anfechtungsfrist zum gleichen Ausgang des Verfahrens, nämlich der Klagsabweisung, führen müßte.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision des Klägers wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das Urteil "aufzuheben und die Sache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung zurückzuverweisen".

Die Beklagte hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht gerechtfertigt.

Der Kläger bringt im wesentlichen vor, die an Gewißheit grenzende Unwahrscheinlichkeit der Zeugung durch den Ehemann der Mutter wäre sicherlich dann als gegeben anzunehmen, wenn ein Beweis erbracht werden könnte, daß ein anderer Mann praktisch mit Gewißheit als Vater anzusehen wäre. Anton S*** wäre daher in die blutgruppenserologische Begutachtung einzubeziehen gewesen. Selbst wenn auf Grund der Untersuchung des Klägers dieser noch nicht von der Vaterschaft auszuschließen wäre, könnte das Vorliegen eines weiteren Untersuchungsergebnisses, daß die Vaterschaft eines anderen Mannes mit noch größerer Wahrscheinlichkeit, "sohin an Gewißheit grenzender Wahrscheinlichkeit" anzunehmen sei, zu einem solchen Grad an Unwahrscheinlichkeit der Vaterschaft des Klägers führen, "daß praktisch das Kind nicht von ihm abstammend angesehen werden" könne. Diese Ausführungen vermögen die auf die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes und den überwiegenden Teil der Lehre gestützte Beurteilung des Berufungsgerichtes nicht zu erschüttern. Wie der Oberste Gerichtshof bereits in der Entscheidung SZ 47/45 dargelegt hat, kommt der zufolge des Bundesgesetzes über die Neuordnung der Rechtsstellung des unehelichen Kindes, BGBl. Nr. 342/1970, nunmehr zulässige Beweis der relativen Unwahrscheinlichkeit der Vaterschaft nur im Streit um die Vaterschaft zu einem unehelichen Kind in Betracht.

Die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung des § 163 Abs 2 ABGB auf das Verfahren zur Bestreitung der ehelichen Geburt sind entgegen der Annahme des Revisionswerbers schon zufolge der ausdrücklichen unterschiedlichen gesetzlichen Regelung nicht gegeben. Bei dieser Sachlage kann von dem gerügten Verfahrensmangel durch Nichteinbeziehung des Anton S*** in die blutgruppenserologische Untersuchung keine Rede sein. Es erübrigt sich aber auch, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, die von Amts wegen vorzunehmende Prüfung der Rechtzeitigkeit der Klage.

Die Vorinstanzen haben mit Recht das Klagebegehren abgewiesen, weshalb der Revision der Erfolg versagt bleiben mußte. Der Kostenausspruch stützt sich auf die §§ 40, 50 ZPO.

Anmerkung

E08778

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0060OB00646.85.0904.000

Dokumentnummer

JJT_19860904_OGH0002_0060OB00646_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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