TE OGH 1986/9/11 7Ob31/86

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Veröffentlicht am 11.09.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch den Senatspräsidenten des obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr. Petrasch sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr. Friedl, Dr. Wurz und Dr. Egermann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Helge S***, Haarwarenerzeugung

Gesellschaft mbH & Co. KG, Wien 17., Leitermayergasse 25, vertreten durch Dr. Walter Schuppich, Dr. Werner Sporn, Dr. Michael Winischhofer und Dr. Martin Schuppich, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei E*** A***

Versicherungs-Aktiengesellschaft, Wien 1., Brandstätte 7-9, vertreten durch Dr. Otto Philp und Dr. Gottfried Zandl, Rechtsanwälte in Wien, wegen S 4,154.627,90 samt Anhang, infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 17. April 1986, GZ. 2 R 36/86-15, womit das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 22. November 1985, GZ. 12 Cg 112/85-10, aufgehoben wurde, beschlossen und zu Recht erkannt:

Spruch

Dem Rekurs wird teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird im Umfang eines Teilbegehrens von S 4,054.627,90 samt 14 % Zinsen aus S 3,551.479,90 seit 5. Februar 1982 und 14 % Zinsen aus S 503.247 seit 5. Juli 1982 aufgehoben und in diesem Umfang das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt.

Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung vorbehalten. Im Umfang des Teilbegehrens von S 100.000 samt 14 % Zinsen seit 5. Februar 1982 wird dem Rekurs nicht Folge gegeben. Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Entscheidungsgründe:

Die klagende Partei hat mit der beklagten Partei eine Feuer- und eine Feuerbetriebsunterbrechungsversicherung für ihren Betrieb der Haarwaren- und Haarfarbkartenerzeugung mit dem Standort Wien 17., Leitermayergasse 25, abgeschlossen. Am 14. August 1981 brach in den Betriebsräumen ein Brand aus, bei dem beträchtlicher Sachschaden entstand. Gegen den Geschäftsführer der klagenden Partei Helge S*** war wegen dieses Ereignisses ein Strafverfahren unter anderem wegen des Verdachtes der Brandstiftung eingeleitet worden. Mit Schreiben vom 2. April 1982 lehnte die beklagte Partei den von der klagenden Partei erhobenen Anspruch gemäß § 12 Abs. 3 VersVG wegen Leistungsfreiheit nach § 61 VersVG und nach Art. 12 der ABS ab. Mit ihrer innerhalb der sechsmonatigen Frist erhobenen Klage begehrt die klagende Partei eine Versicherungsleistung von S 4,054.726,90 und die Rückzahlung eines Kostenvorschusses von S 100.000 samt Anhang.

Die beklagte Partei beantragte schon in der Klagebeantwortung die Unterbrechung des Rechtsstreites bis zur rechtskräftigen Beendigung des gegen den Geschäftsführer der klagenden Partei eingeleiteten Strafverfahrens wegen dessen Präjudizialität. Nach dem Inhalt des Protokolls über die Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 23. November 1982 (ON 4) trug die klagende Partei die Klage vor. Die beklagte Partei bestritt das Vorbringen und trug ihrerseits vor wie in ihrer Klagebeantwortung. Sie wiederholte den Antrag auf Unterbrechung des Rechtsstreites bis zur rechtskräftigen Beendigung des gegen Helge S*** eingeleiteten Strafverfahrens. Der Klagevertreter bestritt das Vorbringen der beklagten Partei. Der Beklagtenvertreter erklärte im Falle der Vereinbarung des Ruhens des Verfahrens auf die Einrede der Verjährung wegen nicht gehöriger Fortsetzung des Verfahrens bis 31. Dezember 1984 zu verzichten. Sohin vereinbarten die Parteien Ruhen des Verfahrens.

Am 26. Juni 1985 beantragte die klagende Partei "vorsichtshalber" die Fortsetzung des ruhenden Verfahrens. Das Strafverfahren gegen Helge S*** war zu diesem Zeitpunkt noch nicht beendet. Die erste Hauptverhandlung hatte am 20. Juni 1985 stattgefunden. Die beklagte Partei wendete im fortgesetzten Verfahren ein, daß der Anspruch im Hinblick auf die am 2. April 1982 erfolgte qualifizierte Deckungsablehnung verfristet sei. Die klagende Partei behauptete, daß ungeachtet des Wortlautes der Ruhensvereinbarung zwischen den Parteien Einigkeit darüber bestanden habe, daß der Rechtsstreit erst nach Beendigung des Strafverfahrens fortgesetzt werden soll.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Nach seinen Feststellungen sah sich der Vertreter der klagenden Partei bei der Tagsatzung am 23. November 1982 insofern einer problematischen Situation gegenüber, als er einerseits von der klagenden Partei den Auftrag hatte, einen Erfolg des von der beklagten Partei gestellten Unterbrechungsantrages zu verhindern, andererseits aber nicht erwarten konnte, daß das Gericht ohne Bedachtnahme auf die Ergebnisse des Strafverfahrens in der Sache selbst weiterverhandeln werde. Offenbar ausgehend von dem Gedanken, daß das Strafverfahren längstens bis zum 31. Dezember 1984 beendet sein müßte, stimmte er der vom Vertreter der beklagten Partei vorgeschlagenen Ruhensvereinbarung zu, ohne dabei jedoch zum Ausdruck zu bringen, ab welchem Zeitpunkt ein Fortsetzungsantrag gestellt werden dürfe. Er gab sich mit der Protokollierung des Verjährungsverzichtes zufrieden. Er wollte sich damit eine jederzeitige Fortsetzung des Verfahrens nach Ablauf der Ruhensfrist offen halten. Er brachte aber in keiner Weise zum Ausdruck und verlangte nicht, daß der Zivilprozeß bis zum Abschluß des Strafverfahrens ruhen müsse bzw. erst nach dessen Abschluß fortgesetzt werden dürfe. Nach der Auffassung des Erstgerichtes seien die Ansprüche der klagenden Partei aus dem Versicherungsvertrag verjährt, weil die Klage nicht gehörig fortgesetzt worden sei. Das Zuwarten der klagenden Partei mit dem Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens nach Ablauf des 31. Dezember 1984 sei sachlich nicht gerechtfertigt gewesen. Hinsichtlich des Kondiktionsanspruches von S 100.000 sei zwar die Verjährungsfrist noch nicht abgelaufen, der Anspruch sei jedoch nicht berechtigt, weil sich schon aus dem Klagsvorbringen ergebe, daß die klagende Partei diese Zahlung im Bewußtsein geleistet habe, dazu nicht verpflichtet zu sein.

Das Berufungsgericht hob das Ersturteil unter Rechtskraftvorbehalt auf. Es teilte zwar die Rechtsansicht des Erstgerichtes, daß auch auf die Frist des § 12 Abs. 3 VersVG der § 1497 ABGB analog anzuwenden und diese daher nur dann gewahrt sei, wenn die innerhalb der Frist erhobene Klage gehörig fortgesetzt werde. Bei einer Ruhensvereinbarung, um einverständlich das Ergebnis eines präjudiziellen Prozesses abzuwarten, liege aber bis zur Beendigung dieses Prozesses ein triftiger Grund für eine Untätigkeit der klagenden Partei vor. Die Ruhensvereinbarung der Streitteile könne aber nur so ausgelegt werden, daß das Ergebnis des Strafverfahrens gegen Helge S*** abgewartet werden sollte. Der den Verzicht auf die Verjährungseinrede betreffende Endtermin sei nur deshalb bestimmt worden, weil die Parteien davon ausgegangen seien, daß bis dahin das Strafverfahren beendet sein werde. Der gegen den Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes erhobene Rekurs der beklagten Partei ist zum Teil berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Dem Berufungsgericht ist darin beizupflichten, daß es sich bei der Frist des § 12 Abs. 3 VersVG um eine Ausschlußfrist handelt (VersR 1981, 71; VersR 1978, 955; VersR 1974, 610; Bruck-Möller, VVG 8 I 262). Die Rechtsprechung hat auf einzelne Ausschlußfristen den § 1497 ABGB analog insoweit angewendet, als diese den gleichen Zweck wie die Verjährungsfrist verfolgen (SZ 49/106; SZ 45/80; vgl. auch Schubert in Rummel, ABGB, Rdz 5 zu § 1452 und zur Anwendung der Verjährungsregeln auf sogenannte Präklusivfristen Reischauer aaO Rdz 2 zu § 933). Der Zweck des § 1497 ABGB ist es, den der Sicherheit des Geschäftsverkehrs dienenden Verjährungsbestimmungen den nötigen Nachdruck zu verleihen und darüber hinaus die mit fortschreitender Zeit zwangsläufig immer größer werdenden Beweisschwierigkeiten zu vermeiden (SZ 49/106). Der Zweck des § 12 Abs. 3 VersVG liegt darin, eine möglichst rasche Klärung der Berechtigung einer Deckungsablehnung herbeizuführen, weil durch jede Verzögerung in der Erledigung zweifelhafter Ansprüche die zuverlässige Feststellung der maßgeblichen Tatsachen erschwert und zugleich die gebotene Übersicht des Versicherers über seinen Vermögensstand beeinträchtigt wird (Bruck-Möller aaO; Prölss-Martin, VVG 23 121; 7 Ob 32/80). Diese Ähnlichkeit der Zielsetzung rechtfertigt auch im Falle des § 12 Abs. 3 VersVG eine analoge Heranziehung des § 1497 ABGB. Wird die Klage daher innerhalb der sechsmonatigen Frist des § 12 Abs. 3 VersVG zwar eingebracht, das Verfahren jedoch in der Folge nicht gehörig fortgesetzt, tritt die Leistungsfreiheit des Versicherers ein.

Im Falle des Eintrittes des Ruhens des Verfahrens hat die klagende Partei ehestens einen Fortsetzungsantrag zu stellen, um die Rechtsfolge der nicht gehörigen Fortsetzung zu vermeiden, wenn nicht triftige Gründe für die Untätigkeit der klagenden Partei vorliegen, wofür sie die Behauptungs- und Beweislast trifft (EvBl. 1976/180; 1 Ob 514/82 ua). Ein triftiger Grund ist, wie bereits das Berufungsgericht richtig dargelegt hat, gegeben, wenn die Parteien einverständlich den Ausgang eines Prozesses abwarten wollten (SZ 40/151; 1 Ob 514/82; 1 Ob 19/80 ua). Im vorliegenden Fall hat die klagende Partei ein solches Einverständnis behauptet und weiters vorgebracht, daß der Termin 31. Dezember 1984 unter der Annahme gewählt worden sei, daß bis dahin das Strafverfahren beendet sein werde. Nach den unbekämpft gebliebenen Feststellungen der Vorinstanzen hat jedoch der Vertreter der klagenden Partei in keiner Weise zum Ausdruck gebracht oder verlangt, daß der Rechtsstreit bis zum Abschluß des Strafverfahrens ruhen und erst nach dessen Abschluß fortgesetzt werden soll. Er ging von der gleichfalls nicht geäußerten Ansicht aus, daß das Strafverfahren längstens bis 31. Dezember 1984 beendet sein werde. Mangels solcher Erklärungen kommt es daher entscheidend darauf an, wie der von der beklagten Partei für den Fall einer Ruhensvereinbarung abgegebene Verjährungsverzicht von einem redlichen Erklärungsempfänger verstanden werden mußte. Schon aufgrund der Terminisierung mußte der klagenden Partei klar sein, daß die beklagte Partei über den Termin hinaus an den Verzicht nicht gebunden sein will. Zu Lasten der klagenden Partei fällt ferner ins Gewicht, daß diese gegen eine Unterbrechung des Verfahrens bis zur rechtskräftigen Beendigung des Strafverfahrens war, in welchem Falle es eines Verzichtes auf die Einrede der Verjährung ebensowenig bedurft hätte wie im Falle einer Ruhensvereinbarung, die von der beiderseitigen Absicht getragen ist, die Ergebnisse des Strafverfahrens abzuwarten. Auch die Umstände, unter denen der Verzicht abgegeben wurde, lassen daher keine andere Deutung zu, als daß die beklagte Partei über den 31. Dezember 1984 hinaus nicht gebunden sein wollte. Die klagende Partei hätte dann aber nach Eintritt des Termines ehestens einen Fortsetzungsantrag stellen müssen. Der erst fast 6 Monate nachher gestellte Antrag stellt mit Rücksicht auf den Zeitablauf seit der Ruhensvereinbarung keine gehörige Fortsetzung der Klage dar. In Ansehung der erhobenen Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag ist daher Leistungsfreiheit der beklagten Partei nach § 12 Abs. 3 VersVG eingetreten. Hinsichtlich des Teilbegehrens auf Rückzahlung des der beklagten Partei geleisteten Kostenvorschusses ist jedoch eine abschließende Beurteilung nicht möglich. Hier wird im fortgesetzten Verfahren zunächst im Sinne des Standpunktes der klagenden Partei (vgl. AS 53 f) nach § 182 Abs. 1 ZPO vorzugehen sein.

Demgemäß ist dem Rekurs teilweise Folge zu geben.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

Anmerkung

E09062

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0070OB00031.86.0911.000

Dokumentnummer

JJT_19860911_OGH0002_0070OB00031_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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