TE OGH 1986/9/11 7Ob39/86

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Veröffentlicht am 11.09.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr. Petrasch und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr. Friedl, Dr. Wurz und Dr. Egermann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Bernd S***, Dienstnehmer, Völkermarkt, St. Peter/Wallersberg, vertreten durch Dr. Siegfried Rack, Rechtsanwalt in Völkermarkt, wider die beklagte Partei V*** DER Ö*** B***

V***-AG in Wien 1., Praterstraße 1-7, vertreten durch Dr. Johann Tischler, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen restlicher 40.000 S samt Nebengebühren, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 16. Juni 1986, GZ. 7 R 49/86-13, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 3. Februar 1986, GZ. 18 Cg 224/85-9, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird aufgehoben und die Rechtssache zur ergänzenden Verhandlung und neuen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen, das auf die Kosten des Revisionsverfahrens gleich Kosten zweiter Instanz Bedacht zu nehmen haben wird.

Text

Begründung:

Nach einem Verkehrsunfall, bei dem zwei seiner Kinder getötet wurden, erhielt der Kläger aus einer mit der beklagten Partei abgeschlossenen Familien-Unfallversicherung eine Entschädigung für Begräbniskosten von je 20.000 S. Mit der vorliegenden Klage begehrt er dieselben Begräbniskosten von zusammen 40.000 S von der beklagten Partei als Haftpflichtversicherer des Schädigers mit der Begründung, daß die Leistung aus der Unfallversicherung auf den Schadenersatzanspruch nicht anzurechnen sei und "nach der Zusage des Vertreters der beklagten Partei überdies die allfällige Zuwendung aus dem Versicherungsvertrag zu einem allfälligen Schadenersatzanspruch gegen den Schädiger hinzutreten sollte, sodaß der Kläger hinsichtlich der Todesfalls- und Begräbniskosten jedenfalls eine doppelte Entschädigung hätte erhalten sollen". Der Erstrichter gab diesem Klagebegehren statt. Nach seinen Feststellungen vereinbarten die Parteien laut der Versicherungspolizze, daß der Versicherungsschutz im Rahmen der AUVB und der Familienversicherung Variante B (Polizzenklauseln U 61 und U 211) gewährt wird. Demnach sollten für die versicherten Kinder im Rahmen der Versicherungssumme von maximal je 20.000 S nur die aufgewendeten angemessenen Begräbniskosten gegen Überbringung der Begräbniskostenrechnung ersetzt werden. Der Erstrichter vertrat die Rechtsansicht, der Übergang der Ersatzansprüche des Geschädigten gegen den Schädiger nach § 67 VersVG gelte nur für die Schadensversicherung, nicht aber für Unfalls- und Lebensversicherungen, die Summenversicherungen darstellten. Die Mitversicherung der Kinder in der Unfallsversicherung wäre überdies zwecklos, wenn die Haftung des (Kfz-Haftpflicht-)Versicherers für den schuldtragenden Lenker für den Ersatz der Begräbniskosten ohnedies gegeben sei.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei Folge und änderte das Ersturteil im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens ab. Nach der Rechtsansicht der zweiten Instanz handelt es sich bei der vorliegenden Unfallversicherung der Kinder in der Höhe der Bestattungskosten zwar um eine Personenversicherung, zugleich aber um eine Schadensversicherung, auf die § 67 VersVG Anwendung finde. Dem Klagsanspruch stehe auch das versicherungsrechtliche Bereicherungsverbot entgegen. Die Behauptung des Klägers, es sei ihm vom Vertreter der beklagten Partei eine doppelte Entschädigung zugesagt worden, sei nicht relevant, weil der von einem Antrag oder einer getroffenen Vereinbarung abweichende Inhalt des Versicherungsscheines als genehmigt gelte, wenn der Versicherungsnehmer nicht innerhalb eines Monats nach Empfang schriftlich widersprochen habe. Derartiges habe der Kläger nicht behauptet und ebenso auch nicht, daß die beklagte Partei ihn nicht gemäß § 5 Abs. 2 VersVG auf die Regelung des ersten Absatzes dieser Gesetzesstelle hingewiesen habe. Daher sei vom Inhalt des Versicherungsscheines auszugehen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers ist im Sinne seines Eventualantrages auf Aufhebung des Berufungsurteiles berechtigt.

Zutreffend ist allerdings die Meinung des Berufungsgerichtes, daß die vorliegende Familien-Unfallversicherung in ihrem hier strittigen Umfang der Deckungspflicht für Begräbniskosten der mitversicherten Kinder bis zum Höchstbetrag von je 20.000 S als Schadensversicherung gemäß § 67 VersVG dem gesetzlichen Übergang der Forderung des Versicherten gegen den Schädiger nach Maßgabe der Leistung des Versicherers an seinen Versicherten unterliegt. Während nämlich § 1 Abs. 1 VersVG noch zwischen der Schadensversicherung und der Personenversicherung unterscheidet, steht der ersteren nach herrschender Ansicht in Wahrheit die Summenversicherung gegenüber, weil zum Teil auch die Personenversicherung zulässigerweise als Schadensversicherung betrieben wird. Maßgebend ist der Unterschied, daß bei der Schadensversicherung die Leistung des Versicherers bedingt und (neben der Versicherungssumme) durch den Vermögensschaden begrenzt ist, während bei der Summenversicherung der Versicherer verspricht, nach Eintritt des Versicherungsfalles eine im voraus fixierte Geldleistung ohne weiteres zu erbringen. In diesem Sinn ist der Anspruch auf Ersatz der Heil- oder Bestattungskosten ein typischer Fall einer Schadensversicherung im Rahmen einer Personenversicherung (Ehrenzweig, Deutsches [österr.] Versicherungsrecht 438, Prölss-Martin, VVG 23 33). Auch im Rahmen einer Personenversicherung gilt demnach der § 67 VersVG, soweit sie als Schadensversicherung gestaltet ist (Ehrenzweig aaO 450, Wagner in Bruck-Möller VVG 8 VI/1, 93, Prölss-Martin aaO 284 mwN). Diese Rechtsansicht wurde auch schon vom Obersten Gerichtshof in dem - durchaus vergleichbaren - Fall einer Krankenversicherung für die Heilbehandlungs- und Ärztekosten vertreten

(SZ 42/12 = EvBl 1969/241). Da im vorliegenden Fall der Versicherungsanspruch zugunsten der minderjährigen Kinder des Versicherungsnehmers ausdrücklich auf die aufgewendeten angemessenen Begräbniskosten beschränkt und von der Vorlage der Begräbniskostenrechnung abhängig gemacht wurde, handelt es sich auch hier ungeachtet der gleichzeitigen Limitierung der Versicherungsleistung um eine Schadensversicherung. Nach dem Gesagten sind dann aber die Ersatzansprüche des Versicherten gegen den Schädiger, soweit sie vom Versicherer gedeckt wurden, auf diesen übergegangen. Dem Kläger fehlt in diesem Umfang infolge Rechtsverlustes die Klagslegitimation, ohne daß es der Konstruktion eines Vorteilsausgleiches bedürfte (SZ 42/12). In diesem Sinn sind auch die Ausführungen des Revisionswerbers nicht zielführend, daß Versicherungsleistungen aus privaten Summenversicherungen nicht zu einer Vorteilsausgleichung führen. Bei den noch strittigen Begräbniskosten handelt es sich eben nicht um Ansprüche aus einer Summenversicherung, sondern um solche aus einer Schadensversicherung. In der Frage des Forderungsüberganges ist das Versicherungsverhältnis entgegen der Ansicht des Revisionswerbers nicht in der Gesamtheit zu beurteilen, sondern nach Maßgabe des teilweisen Vorliegens einer Schadensversicherung. Dieses Ergebnis ist entgegen der Ansicht des Erstrichters auch nicht unbillig, weil bei der Schadensversicherung der eingetretene Schaden die Höchstgrenze der Ersatzpflicht bildet (§ 55 VersVG) und die Versicherung ihren Sinn behält, soweit für den Schaden kein Dritter haftet oder ein Ersatzanspruch uneinbringlich ist. Bei gegenteiliger Rechtsansicht würde jedoch nach der zutreffenden Rechtsansicht des Berufungsgerichtes das versicherungsrechtliche Bereicherungsverbot verletzt werden (Prölss-Martin aaO 322 mwN).

Nur der Mängelrüge des Revisionswerbers kann Berechtigung nicht abgesprochen werden. Der Kläger rügt in dieser Richtung die Unterlassung seiner Parteienvernehmung darüber, daß nach der Zusage des Vertreters der beklagten Partei die Versicherungsleistung zu einem allfälligen Schadenersatzanspruch gegen den Schädiger hinzutreten sollte, sodaß er jedenfalls eine doppelte Entschädigung der Todfalls- und Begräbniskosten hätte erhalten sollen. Dieses Vorbringen war zwar insofern undeutlich und ungenügend, als es offen ließ, ob die behauptete Zusage von einem Abschluß- oder einem bloßen Vermittlungsvertreter der beklagten Partei, vor oder nach dem Abschluß des Versicherungsvertrages, und ob sie mit oder ohne Kenntnis des Versicherers gegeben werde und ob auch die Schlußfolgerung ("sodaß..") ausdrücklich zugesagt wurde. Zu einem ergänzenden Vorbringen in dieser Richtung hätte der Revisionswerber, der in erster Instanz obsiegt hatte, aber gemäß § 182 ZPO angeleitet werden müssen. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes genügt die Fiktion des § 5 VersVG, wonach eine Abweichung der Polizze vom Antrag mangels eines Widerspruches des Versicherungsnehmers als genehmigt gilt, zur Widerlegung dieser Behauptung nicht. Die zweite Instanz hat nämlich zwar richtig erkannt, daß die Wirkungen der Unterlassung des Widerspruches an eine Rechtsbelehrung geknüpft sind, die bei Aushändigung des Versicherungsscheines zu erteilen ist; sie hat aber die Beweislast für die Unterlassung einer solchen Belehrung zu Unrecht dem Versicherungsnehmer auferlegt. Da die Genehmigung nur anzunehmen ist, wenn der Versicherer den Versicherungsnehmer entsprechend belehrt hat, ist auch er für die Erteilung dieser Rechtsbelehrung in der vorgeschriebenen Form beweispflichtig (Prölss-Martin aaO 63). Der Fragenkomplex einer ausdrücklichen Zusage des Versicherungsvertreters im Sinne eines (zugunsten des Versicherungsnehmers zulässigen) Ausschlusses des § 67 VersVG für den Anspruch auf allfällige Begräbniskosten für die Kinder bedarf daher einer weiteren Erörterung und allenfalls der Durchführung der beantragten Beweise, zumal der Versicherer auch dafür beweispflichtig wäre, daß ihm mündliche Erklärungen des Versicherungsnehmers bei der Antragstellung nicht zugegangen seien und es so zu einem Dissens gekommen sei (SZ 48/52; der Meinung von Prölss-Martin [aaO 64], daß der Versicherer auch in diesem Fall auf mögliche Abweichungen von ihm nicht bekannten mündlichen Ergänzungen des schriftlichen Antrages hinweisen müsse, vermag der Oberste Gerichtshof nicht zu folgen).

Mit Rücksicht auf den geringen Umfang der voraussichtlich erforderlichen Verfahrensergänzung ist die Aufhebung in die zweite Instanz zweckmäßig (§ 510 Abs 1 ZPO).

Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf § 52 ZPO.

Anmerkung

E09059

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0070OB00039.86.0911.000

Dokumentnummer

JJT_19860911_OGH0002_0070OB00039_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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