TE Vwgh Erkenntnis 2005/7/26 2001/14/0135

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Veröffentlicht am 26.07.2005
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;

Norm

BAO §22;
KStG 1988 §8 Abs4 Z2 idF 1993/818;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Mag. Heinzl, Dr. Zorn, Dr. Robl und Dr. Büsser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Siegl, über die Beschwerde der L GmbH in L, vertreten durch Dr. Josef Broinger, Dr. Johannes Hochleitner und Mag. Bernd Thiele, LL.M., Rechtsanwälte in 4070 Eferding, Kirchenplatz 8, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich (Berufungssenat I) vom 15. Mai 2001, Zlen. RV 409/1-6/1999, RV 529/1-6/1999 und RV 1000/1-6/2001, betreffend

u. a. Körperschaftsteuer für die Jahre 1994, 1995, 1998 und 1999, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 381,90 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin wurde mit Notariatsakt vom 9. Oktober 1990 gegründet. Vom zur Hälfte einbezahlten Stammkapital von 500.000 S übernahmen die W. GmbH 480.000 S und Dipl.Vw. Helmut B. 20.000 S. Gegenstand des Unternehmens war der Verlag von periodischen und sonstigen Druckschriften. Geschäftsführer waren der Minderheitsgesellschafter Dipl.Vw. Helmut B. sowie der Angestellte Karl S.

Mit Notariatsakt vom 23. Oktober 1992 verkaufte Dipl.Vw. Helmut B. seinen Geschäftsanteil an der Beschwerdeführerin der L. Holding GmbH (im Folgenden: L. Holding) um den Abtretungspreis von 10.000 S. Ebenfalls am 23. Oktober 1992 wurde der L. Holding die Option eingeräumt, die restlichen 96 % der Anteile zwischen 1. Juli 1996 und 30. Juni 1997 um einen Abtretungspreis von 15 % des einvernehmlich festzustellenden "betriebswirtschaftlichen Eigenkapitals", mindestens aber um 1 S und höchstens um 1,5 Mio. S, erwerben zu können. Zugleich ging die W. GmbH für die Dauer der Rechtswirksamkeit des Abtretungsanbotes die Verpflichtung ein, sich jedweder Verfügung über den Geschäftsanteil ohne Zustimmung der L. Holding zu enthalten. Ferner wurde in der am selben Tag abgehaltenen außerordentlichen Generalversammlung beschlossen, dass der (gesamte) Gesellschaftsgewinn für die Dauer von fünf Jahren ausschließlich der L. Holding zukommen solle.

Am 24. November 1992 wurden die bisherigen Geschäftsführer abberufen; zugleich wurde Dr. Markus F. zum Alleingeschäftsführer bestellt.

Am 11. Februar 1997 erwarb die L. Holding die restlichen 96 % der Anteile an der Beschwerdeführerin zum Preis von 1,5 Mio. S.

Im Zuge einer bei der Beschwerdeführerin durchgeführten abgabenbehördlichen Prüfung der Jahre 1993 bis 1995 vertraten die Prüfer die Ansicht, dass die Verluste der Jahre 1990 bis 1993 im Gesamtbetrag von rund 12,5 Mio. S gemäß § 8 Abs. 4 Z. 2 KStG 1988 nicht abzugs- bzw. vortragsfähig seien. Der Verlustabzug stehe ab 1994 nicht zu, weil die Identität der Steuerpflichtigen infolge der wesentlichen Änderung der wirtschaftlichen Struktur im Zusammenhang mit einer wesentlichen Änderung der Gesellschafterstruktur nach dem Gesamtbild der Verhältnisse wirtschaftlich nicht mehr gegeben sei (sogenannter Mantelkauf).

Das Finanzamt schloss sich der Rechtsansicht der Prüfer an, nahm die Verfahren für die Jahre 1994 und 1995 gemäß § 303 Abs. 4 BAO wieder auf und erließ neue Körperschaftsteuerbescheide, mit denen bei einem Einkommen von rund 24.000 S (1994) und rund 1,8 Mio. S (1995) die bisher berücksichtigten Verlustvorträge nicht mehr zum Abzug zugelassen wurden.

Die Beschwerdeführerin erhob Berufung sowohl gegen die Wiederaufnahme der Körperschaftsteuerverfahren 1994 und 1995 wie auch gegen die Sachbescheide mit der Begründung, dass nicht sämtliche Tatbestandsvoraussetzungen des § 8 Abs. 4 Z. 2 Satz 2 KStG erfüllt seien. Da die Beschwerdeführerin vor wie nach dem Anteilserwerb durch die L. Holding Verwaltungstätigkeiten ausgeübt habe, liege eine wesentliche Änderung der wirtschaftlichen Struktur nicht vor. Auch sei kein zeitlicher Zusammenhang der einzelnen Tatbestandsmerkmale gegeben, weil zwischen dem Wechsel in der Geschäftsführung vom 24. November 1992 und dem Beteiligungserwerb von 96 % am 4. Februar 1997 ein Zeitraum von mehr als vier Jahren liege.

In seiner Gegenäußerung erwiderte der Prüfer dem Berufungsvorbringen, die Beschwerdeführerin habe ihre Tätigkeit "als Verlag bzw. als Vertrieb im Verlagsgeschäft" eingestellt und 1992 auch kein Anlagevermögen mehr besessen. Seit 1. Juli 1995 sei die Beschwerdeführerin nach Anschaffung von notwendigem Anlagevermögen als Dienstleisterin im Bereich Rechnungswesen für den L. Verlag tätig. Nach Neuorientierung der Beschwerdeführerin als funktionale Konzerngesellschaft im Unternehmensverband des L. Verlages erscheine die Änderung der wirtschaftlichen Struktur mit 1. Juli 1995 als abgeschlossen. Formalrechtlich sei der Erwerb der 96 %igen Anteile durch die L. Holding zwar erst mit Abtretungsvertrag vom 11. Februar 1997 erfolgt, doch liege nach Ansicht der Prüfer bereits mit dem Abschluss der Verträge vom 23. Oktober 1992 wirtschaftliches Eigentum der L. Holding an sämtlichen Gesellschaftsanteilen vor. Das unwiderrufliche bis 30. Juni 1997 befristete Anbot auf Abtretung in Verbindung mit einem fünfjährigen Genussrecht am Gesamtgewinn und einem Verfügungsverbot des "Altgesellschafters" hinsichtlich seiner Geschäftsanteile versetze den "Neugesellschafter" in eine einem Alleineigentümer vergleichbare starke rechtliche Position. Die entgeltliche Grundlage der Änderung ergebe sich aus dem vereinbarten Kaufpreis für den Erwerb der 4 %igen Geschäftsanteile wie auch aus dem vereinbarten Fix(höchst-)kaufpreis für die restlichen Anteile. Durch die Art der Preisermittlung ergebe sich auch kein wirtschaftliches Risiko des Erwerbers. Die wesentliche Änderung der organisatorischen Struktur sei unbestritten geblieben. Solcherart lägen nach dem Gesamtbild der Verhältnisse in wirtschaftlicher Betrachtung alle Tatbestandsmerkmale für den Ausschluss des Verlustabzuges vor.

Auch die Wiederaufnahme der Körperschaftsteuerverfahren 1994 und 1995 sei zu Recht erfolgt, weil erst anlässlich der abgabenbehördlichen Prüfung die Verträge vom Oktober 1992 vorgelegt worden seien und erst durch deren Kenntnis der Verlustabzug im Prüfungszeitraum habe aberkannt werden können.

In ihrer Gegenäußerung erwiderte die Beschwerdeführerin, dass die wesentliche Änderung der wirtschaftlichen Struktur noch im "Herrschaftsbereich des Voreigentümers" erfolgt sei, während im "Herrschaftsbereich des Folgeeigentümers" keine neue wirtschaftliche Einheit mehr geschaffen worden sei. Bis zum 11. Februar 1997 sei die W. GmbH berechtigt gewesen, die "96 %- Anteile an der (Beschwerdeführerin( zu gebrauchen". Auch sei sie in der Lage gewesen, jeden anderen - insbesondere auch die L. Holding - von jeglicher Einwirkung auf die Anteile auszuschließen. Bis zu diesem Zeitpunkt sei die W. GmbH daher nicht nur zivilrechtliche, sondern auch wirtschaftliche Eigentümerin der Mehrheitsanteile gewesen.

Mit Bescheiden vom 16. August 1999 bzw. 21. Februar 2001 wurde die Körperschaftsteuer für die Jahre 1998 und 1999 festgesetzt und dabei der beantragte Verlustabzug gleichfalls wie in den Jahren 1994 und 1995 nicht anerkannt. Auch gegen die Körperschaftsteuerbescheide für die Jahre 1998 und 1999 erhob die Beschwerdeführerin Berufung und beantragte, die Körperschaftsteuer in Höhe der Mindestkörperschaftsteuer festzusetzen.

Für die Jahre 1996 und 1997 war bereits die Verfassungsbestimmung des § 117 Abs. 7 EStG 1988 in der Fassung BGBl. 201/1996 einem Verlustabzug entgegengestanden, sodass die Versagung des Verlustabzugs für diese Jahre außer Streit steht.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurden die Berufungen als unbegründet abgewiesen. Zur Wiederaufnahme der Verfahren 1993 und 1994 wird begründend ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin das Vorliegen neuer Tatsachen im Sinne des § 303 Abs. 4 BAO gar nicht bestreite und lediglich im Hinblick auf ihre abweichende Rechtsansicht davon ausgehe, dass anderslautende Bescheide nicht hätten ergehen dürfen. Diese Rechtsansicht teile die belangte Behörde nicht, wie ihrer Entscheidung hinsichtlich der gegen die Sachbescheide gerichteten Berufung zu entnehmen sei. Gründe, die die Wiederaufnahme der Verfahren unbillig erscheinen ließen, seien nicht hervorgekommen.

Zur Sache selbst verwies die belangte Behörde zunächst auf die Bestimmung des § 8 Abs. 4 Z. 2 KStG 1988, auf die Gesetzesmaterialien sowie auf näher angeführte Literatur und führte sodann sachverhaltsbezogen aus, die Beschwerdeführerin habe in ihren Berufungen selbst eingeräumt, dass sie ihre Tätigkeit mit 1. Mai 1992 eingestellt und bis 30. September 1992 keine operative Tätigkeit mehr ausgeübt habe. Zum 30. Juni 1992 sei ein negatives Eigenkapital von rund 12 Mio. S aus Verlusten vorhanden gewesen, welche im Wesentlichen aus der Anzeigenverwaltung für ein näher genanntes Fernsehmagazin herrührten. Unstrittig sei auch, dass die Beschwerdeführerin mit Oktober 1992 die Fakturierung und Debitorenverwaltung für das besagte Fernsehmagazin für die zur L. Gruppe gehörende E. AG übernommen und auch diese Tätigkeit mit 31. Juli 1993 wieder eingestellt habe. Gleichfalls nach eigenen Angaben der Beschwerdeführerin habe sie ihre Tätigkeit am 1. Juli 1995 wieder aufgenommen, indem sie seit diesem Zeitpunkt das Rechnungswesen für die L. Gruppe führe. Dass diese wesentlichen Änderungen der wirtschaftlichen Struktur nicht im Herrschaftsbereich des "Folgeeigentümers", nämlich der L. Holding, erfolgt seien, sei eine Sichtweise der Beschwerdeführerin, der die belangte Behörde nicht folgen könne. In dem Vertragskonglomerat vom 23. Oktober 1992 habe sich die W. GmbH jedweder Verfügung über den Geschäftsanteil ohne Zustimmung der L. Holding begeben. Seit 27. Oktober 1992 stelle die L. Holding auch den alleinvertretungsbefugten Geschäftsführer. Damit bestehe kein Zweifel, dass die L. Holding die Beschwerdeführerin schon seit 23. Oktober 1992 beherrscht habe. Die L. Holding habe wirtschaftlich betrachtet eine "fast tote" Gesellschaft erworben und dieser durch Verlegung des Sitzes, Einstellung von Personal und Anschaffung von Anlagevermögen von über 6,4 Mio. S neues Leben eingehaucht, wobei die neue Tätigkeit - Führung des Rechnungswesens für den L. Konzern - gegenüber der früheren - Verlag von periodischen und sonstigen Druckschriften/Anzeigeverwaltung für ein Fernsehmagazin - zweifellos als anderer Unternehmensgegenstand anzusehen sei. Zudem sei es im Beschwerdefall zu einer massiven Änderung des Betriebsvermögens durch Erhöhung des Anlagevermögens auf das 37- fache gekommen.

Auch eine Änderung der Gesellschafterstruktur sei eingetreten. Hinsichtlich der zeitlichen Abfolge der Strukturänderungen schließe sich die belangte Behörde der von Bauer/Quantschnigg, Kommentar zum KStG 1988, Rz 68.4.5, vertretenen Rechtsansicht an, wonach es grundsätzlich gleichgültig sei, in welcher Reihenfolge die Änderungen eintreten. Ausschlaggebend sei vielmehr, dass ein planmäßiger Zusammenhang zwischen den einzelnen Änderungen bestehe. Erstreckten sich die Änderungen über einen längeren Zeitraum, liege ein Mantelkauf dann vor, wenn die Änderungen von einem einheitlichen rechtsgeschäftlichen Willen getragen werden. Das Gesamtbild der Verhältnisse müsse den Schluss rechtfertigen, dass das Primärziel der Aktivitäten die Verwertung der Verluste einer Körperschaft sei.

In ihren Berufungen habe die Beschwerdeführerin zwar behauptet, Beweggrund für den Anteilserwerb sei der Erwerb von Verlagsrechten betreffend das erwähnte Fernsehmagazin gewesen. Die Eigentumsrechte daran wären allerdings unklar und Gegenstand rechtlicher Auseinandersetzungen gewesen, wobei sich auch die Beschwerdeführerin als Herausgeberin und am Markt auftretende Anzeigengesellschaft unter den möglichen Eigentümern befunden habe. Um jedenfalls das Eigentumsrecht zu erwerben, seien die Geschäftsanteile erworben worden. Dieses Motiv sei jedoch unglaubwürdig, zumal sich im Jahresabschluss der Beschwerdeführerin zum 31. Dezember 1992 weder ein Recht als Anlagevermögen noch eine Rückstellung für Prozesskosten befunden habe. Unstrittig sei, dass die Beschwerdeführerin nach Einstellung der Tätigkeit funktional in den L. Konzern eingebunden worden sei. Die Freisetzung des gesamten bisherigen Personals, die Abstoßung des gesamten Anlagevermögens, die zweijährige gänzliche Stilllegung des Betriebes einerseits und die anschließende Sitzverlegung nach L. hin zum L. Verlag mit Anschaffung gänzlich anderen Anlagevermögens im 37-fachen Umfang des früheren Anlagevermögens und die Einstellung anderen Personals zur Erbringung einer völlig andersartigen Tätigkeit lasse den gegenständlichen Fall geradezu als Musterfall eines Mantelkaufes erscheinen. Solcherart liege es auf der Hand, dass es der L. Holding beim Erwerb der Anteile an der damals "wirtschaftlich toten" Beschwerdeführerin primär um die Verwertung deren Verluste von über 10 Mio. S gegangen sei. Das Finanzamt habe daher zu Recht den Verlustabzug ab dem Jahr der Änderung versagt.

Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch diesen Bescheid in ihrem Recht auf Geltendmachung des Verlustabzugs gemäß § 8 Abs. 4 Z. 2 KStG 1988 in Verbindung mit § 18 Abs. 6 EStG 1988 verletzt

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 8 Abs. 4 Z. 2 KStG 1988 in der durch das BGBl. Nr. 818/1993 gestalteten Fassung sind Verluste im Sinne des § 18 Abs. 6 und 7 des Einkommensteuergesetzes 1988 bei Ermittlung des Einkommens als Sonderausgabe abzuziehen. Der Verlustabzug steht ab jenem Zeitpunkt nicht mehr zu, ab dem die Identität des Steuerpflichtigen infolge einer wesentlichen Änderung der organisatorischen und wirtschaftlichen Struktur im Zusammenhang mit einer wesentlichen Änderung der Gesellschafterstruktur auf entgeltlicher Grundlage nach dem Gesamtbild der Verhältnisse wirtschaftlich nicht mehr gegeben ist (Mantelkauf). Dies gilt nicht, wenn diese Änderungen zum Zwecke der Sanierung des Steuerpflichtigen mit dem Ziel der Erhaltung eines wesentlichen Teiles betrieblicher Arbeitsplätze erfolgen. Verluste sind jedenfalls insoweit abzugsfähig, als infolge der Änderung der wirtschaftlichen Struktur bis zum Ende des Wirtschaftsjahres der Änderung stille Reserven steuerwirksam aufgedeckt werden.

Der gesetzliche Mantelkauftatbestand bringt die Rechtsfolge des Unterganges des Verlustvortragsrechtes mit einer gesamthaften wesentlichen Änderung der Strukturen der Körperschaft innerhalb eines überschaubar kurzen Zeitraumes in Verbindung (vgl. Wiesner/Schneider/Spanbauer/Kohler, KStG 1988, Anm. 49 zu § 8). Voraussetzung für die Versagung des Verlustabzuges ist, dass es zwischen dem Zeitpunkt des Entstehens eines Verlustes und dem Zeitpunkt des Verlustabzuges zu einem Verlust der wirtschaftlichen Identität der Körperschaft gekommen ist. Die wirtschaftliche Identität geht verloren, wenn wesentliche Änderungen der wirtschaftlichen und der organisatorischen Struktur mit wesentlichen Änderungen der Gesellschafterstruktur einhergehen. Treten die Änderungen nicht in einem Jahr ein, so wird nur bei Vorliegen eines inneren Zusammenhangs zwischen den Etappen der Änderung von einem Mantelkauf auszugehen sein (vgl. mit weiteren Nachweisen Bauer/Quantschnigg/Schellmann/Werilly, KStG 1988, Tz. 68.4.1 zu § 8).

Das Vorliegen einer wesentlichen Änderung der organisatorischen Struktur wird von der Beschwerdeführerin ausdrücklich außer Streit gestellt.

Unter dem Gesichtspunkt inhaltlicher Rechtswidrigkeit wendet sich die Beschwerde in ihrem Kern gegen die Feststellung der belangten Behörde, es liege eine wesentliche Änderung der wirtschaftlichen Struktur im Zusammenhang mit der wesentlichen Änderung der Gesellschafterstruktur vor. Die Einstellung der operativen Tätigkeit der Beschwerdeführerin sei zum 1. Mai 1992 erfolgt, also zu einem Zeitpunkt, zu dem die L. Holding noch keinerlei Geschäftsanteile gehalten habe. Auch die Übernahme der Fakturierung und Debitorenverwaltung im Oktober 1992, die Einstellung dieser Tätigkeit zum 31. Juli 1993 und die Wiederaufnahme der Tätigkeit zum 1. Juli 1995 seien zu Zeitpunkten erfolgt, zu denen die L. Holding lediglich 4 % der Gesellschaftsanteile gehalten habe und sich die Beschwerdeführerin damit noch eindeutig im "Herrschaftsbereich des Voreigentümers" befunden habe. Im "Herrschaftsbereich des Folgeeigentümers" wiederum sei keine neue wirtschaftliche Einheit geschaffen worden.

Die Einräumung der Option zum Erwerb der restlichen Anteile von 96 % am 23. Oktober 1992 sei nicht als wesentliche Änderung der Gesellschafterstruktur anzusehen, vielmehr sei eine solche erst im Zeitpunkt der Annahme des Anbots am 11. Februar 1997 erfolgt. Zivilrechtlicher Eigentümer der 96 %igen Anteile sei bis zum 11. Februar 1997 zweifelsfrei die W. GmbH bzw. deren Rechtsnachfolgerin, die W. KG, gewesen. Die Gesellschaftsanteile seien aber auch nicht im wirtschaftlichen Eigentum der L. Holding gestanden. Im Jahr 1992 sei über den Kauf noch nicht definitiv entschieden gewesen.

Der Verwaltungsgerichtshof habe in näher angeführten Judikaten erkannt, dass die Einräumung einer Option auf den Erwerb von Geschäftsanteilen an einer GmbH kein wirtschaftliches Eigentum des Optionsberechtigten begründe. Im Beschwerdefall habe die L. Holding den im zivilrechtlichen Eigentum der W. GmbH stehenden 96 %igen Geschäftsanteil weder veräußern oder verpfänden können, noch sei der L. Holding diesbezüglich die Stimmrechtsausübung zugestanden. Daran könne auch der Umstand nichts ändern, dass sich die W. GmbH verpflichtet habe, sich für die Dauer der Rechtswirksamkeit des Abtretungsanbotes jedweder Verfügung über den Geschäftsanteil ohne Zustimmung der L. Holding zu enthalten. Wirtschaftlicher Sinn der Optionseinräumung sei es gewesen, sich die Verlagsrechte an einer bestimmten Fernsehzeitschrift für den Fall zu sichern, dass diese tatsächlich der Beschwerdeführerin zustehen sollten. Solcherart sei die wesentliche Änderung der Gesellschaftsstruktur erst ab Februar 1997 eingetreten. Da die wesentliche Änderung der organisatorischen Struktur bereits im November 1992 erfolgt sei, fehle es am geforderten zeitlichen Zusammenhang der einzelnen für die Annahme eines Mantelkaufes notwendigen Tatbestandsmerkmale.

Der Verwaltungsgerichtshof teilt die im angefochtenen Bescheid vertretene Rechtsansicht, dass es grundsätzlich nicht darauf ankommt, in welcher zeitlichen Abfolge die Strukturänderungen eintreten. Ausschlaggebend ist vielmehr, dass ein planmäßiger Zusammenhang zwischen den einzelnen Änderungen besteht. Ein Mantelkauf liegt somit auch dann vor, wenn die "alten" Gesellschafter vor der Anteilsübertragung in Willensübereinstimmung mit den "neuen" Gesellschaftern die wirtschaftlichen Strukturen verändern und erst anschließend eine Änderung der Gesellschafterstrukturen vorgenommen wird. Kein Mantelkauf wäre hingegen gegeben, wenn zuerst die "alten" Gesellschafter - mit dem Ziel der besseren Verwertbarkeit der Körperschaft - eine Veränderung der wirtschaftlichen Strukturen vornehmen und sich erst dann auf die Suche nach Käufern ihrer Gesellschaftsanteile begeben

(vgl. Bauer/Quantschnigg/Schellmann/Werilly, aaO, Tz 68.4.5 zu § 8).

Vor diesem Hintergrund ist nicht entscheidend, ob die wesentliche Änderung der Gesellschafterstruktur vor oder nach der wesentlichen Änderung der wirtschaftlichen Struktur erfolgt ist, die L. Holding also bereits auf Grund der im Jahr 1992 erfolgten Vereinbarungen wirtschaftliche Eigentümerin der gesamten Geschäftsanteile der Beschwerdeführerin geworden ist. Solcherart kann es dahingestellt bleiben, ob die von der belangten Behörde festgestellten Vereinbarungen zum 23. Oktober 1992 (unwiderrufliches Anbot auf Abtretung aller Geschäftsanteile im Zusammenhalt mit dem der "Altgesellschafterin" auferlegten Verfügungsverbot über die Geschäftsanteile und dem der L. Holding eingeräumten fünfjährigen Genussrecht am Gesamtgewinn) vor dem Hintergrund der Vorjudikatur - die Beschwerdeführerin verweist u. a. auf das hg. Erkenntnis vom 9. Mai 1989, 89/14/0033 - genügt hätten, bereits wirtschaftliches Alleineigentum der L. Holding anzunehmen. Damit kann es auch auf sich beruhen, wie sich das Beschwerdevorbringen, der L. Holding sei hinsichtlich des Anteils der W. GmbH (bis zur Anbotsannahme) kein Stimmrecht zugestanden, zur Aktenlage verhält, aus der hervorgeht, dass Dipl.Vw. Helmut B. den Steuerberater Mag. Werner L. am 21. Oktober 1992 u.a. auch bevollmächtigt hat, mit Rechtswirksamkeit für die W. GmbH einen Stimmrechtsbindungsvertrag mit der L. Holding GmbH "zu unterfertigen und alle Bestimmungen dieses Vertrages festzusetzen".

Entscheidend ist vielmehr, dass die Beschwerdeführerin den Feststellungen der belangten Behörde, ab Einräumung der Option und Übertragung eines Minderheitenanteils am 23. Oktober 1992 sei die Beschwerdeführerin funktional in den Unternehmensverband der L. Gruppe eingegliedert worden, nicht entgegentritt. Dass die - dem Grunde nach unstrittige - vollkommene Veränderung der wirtschaftlichen Struktur darin bestanden hat, der Beschwerdeführerin eine Funktion im Unternehmensverband der L. Gruppe einzuräumen, lässt keinen anderen Schluss zu, als dass diese Veränderung - wenn schon nicht von der L. Holding als Ausdruck ihres wirtschaftlichen Eigentums an allen Geschäftsanteilen - so jedenfalls in Willensübereinstimmung mit den Vertretern der L. Holding von der "Voreigentümerin" vorgenommen worden ist. Im Beschwerdefall kann daher keine Rede davon sein, dass die "alte Gesellschafterin" die wirtschaftliche Strukturänderung unabhängig von den im Jahr 1992 erfolgten gesellschaftlichen und organisatorischen Änderungen veranlasst hätte. Solches behauptet im Übrigen auch die Beschwerde nicht.

Mit ihrem Hinweis auf den Kommentar von Wiesner/Schneider/Spanbauer/Kohler (Anmerkung 53 zu § 8) sowie auf andere Literaturstellen zur Frage der zeitlichen Dimension, in der sich die wesentlichen Änderungen ereignen, ist für die Beschwerdeführerin gleichfalls nichts zu gewinnen. Wohl trifft es zu, dass dem Zeitraum, innerhalb dessen die wirtschaftliche Identität einer Kapitalgesellschaft geändert wird, Indizwirkung für die Frage des Vorliegens eines inneren Zusammenhanges der sukzessive vorgenommenen Änderungen zukommt und diese Indizwirkung umso schwächer wird, je länger der Zeitraum wird, innerhalb dessen sich die Änderungen vollziehen. Geht die Änderung der wirtschaftlichen Strukturen sukzessive vor sich, liegt ein dem Verlustabzug schädlicher Mantelkauf aber dann noch vor, wenn die einzelnen Schritte der Änderung in einem inneren Zusammenhang stehen (vgl. Bauer/Quantschnigg, a.a.O., Tz 68.4.1 zu § 8). Im Beschwerdefall kann an diesem inneren Zusammenhang - ungeachtet der von der Beschwerdeführerin hervorgehobenen langen Zeitspanne, innerhalb derer die Veränderungen vorgenommen wurden - kein Zweifel bestehen. Den in den Jahren 1992 bis 1997 tatsächlich vorgenommenen Änderungen der gesamten Strukturen der Beschwerdeführerin war bereits durch die im Jahr 1992 getroffenen Vereinbarungen der rechtliche Boden bereitet. Der im Abtretungsanbot vom 23. Oktober 1992 ausbedungene Zeitrahmen von fünf Jahren bildete zugleich jene Zeitspanne, die im Beschwerdefall die zeitliche Dimension des inneren Zusammenhanges der vorgenommenen Strukturänderungen absteckte.

Unter dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften bringt die Beschwerdeführerin vor, sie habe von "Anfang an ins Treffen geführt", dass der wirtschaftliche Beweggrund für den Mantelerwerb durch die L. Holding der Erwerb von Verlagsrechten an dem Fernsehmagazin gewesen sei. Um sich jedenfalls das Eigentumsrecht daran zu sichern, seien die Anteile des "potentiellen Eigentümers" erworben worden. Die belangte Behörde habe sich mit diesem beachtlichen außersteuerlichen Argument nur in ungenügender Weise auseinandergesetzt. Indem die belangte Behörde keine weiteren Ermittlungen über das von der Beschwerdeführerin vorgebrachte außersteuerliche Argument angestellt habe, habe sie ihre Pflicht zur amtswegigen Sachverhaltsermittlung verletzt. Hätte die belangte Behörde ihre Pflicht zur amtswegigen Sachverhaltsermittlung erfüllt, wäre hervorgekommen, dass Wolfgang S. auf Grund eines mit der St. AG abgeschlossenen Pachtvertrages vom 16. September 1985 Pächter des Verlagsrechtes gewesen sei. In weiterer Folge habe Wolfgang S. als Herausgeber, Verleger und Medieninhaber der Druckschrift "per Vertriebsvertrag vom 31.10.1990 Medieninhabung, Verlag und Anzeigenverwaltung der Druckschrift" der Beschwerdeführerin übertragen. Mit Vertrag vom 29. April 1992 habe die St. AG der L. Holding das Recht übertragen, die Zeitschrift künftig herzustellen, zu verlegen und zu vertreiben. Die L. Holding sollte auf Grund dieses Vertrages das unbefristete und alleinige Recht erhalten, die periodische Druckschrift herzustellen, zu verlegen und zu vertreiben. Diesem Recht seien allerdings die oben angeführten Rechtspositionen von Wolfgang S. als Pächter und die von ihm daraus abgeleiteten, der Beschwerdeführerin übertragenen Rechtspositionen entgegengestanden. Um das Risiko allfälliger Einwendungen der beiden genannten Personen (Wolfgang S. und der Beschwerdeführerin) auf Grund der ihnen zustehenden Rechte von vornherein auszuschließen, habe die L. Holding mit Wolfgang S. am 29. April 1992 vereinbart, dass dieser gegenüber der L. Holding auf alle ihm auf Grund der Pachtvereinbarung mit der St. AG zustehenden Rechte verzichtet. Auch die gegenständlichen Vereinbarungen mit den "alten Gesellschaftern" der Beschwerdeführerin hätten dazu gedient, die rechtliche Position der L. Holding abzusichern.

Dieses Vorbringen verkennt, dass die gegenständliche Bestimmung des § 8 Abs. 4 Z. 2 KStG 1988 nicht zur Tatbestandsvoraussetzung hat, dass der Kauf der Gesellschaftsanteile ausschließlich zum Zwecke des Erwerbs von Verlustabzügen erfolgt ist. Anders als nach der Rechtslage vor Schaffung der gegenständlichen Bestimmung durch das KStG 1988 (vgl. dazu zusammenfassend Bauer/Quantschnigg/Schellmann/Werilly, aaO, Tz. 68.4) bedurfte es zur Versagung des Verlustabzugs nicht der Feststellung einer rechtsmissbräuchlichen Gestaltung im Sinne des § 22 BAO. Solcherart trifft es nicht zu, dass bereits das Vorliegen eines (einzigen) außersteuerlichen Grundes für den Erwerb der Gesellschaftsanteile dazu führen müsste, ungeachtet der vorgenommenen wesentlichen Änderungen der wirtschaftlichen Struktur der Kapitalgesellschaft die vor der Änderung der Struktur erwirtschafteten Verluste nach der Strukturänderung weiterhin zum Abzug zuzulassen. Davon abgesehen ist aber auch nicht zu erkennen, warum es zur Absicherung der rechtlichen Position der L. Holding in Bezug auf die strittigen Verlagsrechte des Erwerbs der Gesellschaftsanteile an der Beschwerdeführerin bedurft hätte und eine vergleichbare Vereinbarung, wie sie mit Wolfgang S. getroffen wurde, nicht möglich gewesen wäre. Vor diesem Hintergrund kann es dahingestellt bleiben, ob die belangte Behörde dem behaupteten Beweggrund für den Erwerb der Gesellschaftsanteile, ohne Verfahrensvorschriften zu verletzen, die Glaubwürdigkeit versagen durfte.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 26. Juli 2005

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2001140135.X00

Im RIS seit

01.09.2005

Zuletzt aktualisiert am

06.10.2017
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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