TE OGH 1986/9/30 5Ob150/86

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Veröffentlicht am 30.09.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Marold als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Jensik, Dr. Hofmann, Dr. Zehetner und Dr. Klinger als Richter in der Mietrechtssache der Antragsteller 1. Ali M***-M***, Student, Krieglergasse 8/9, 1030 Wien, und 2. Gerhard B***, Programmierer,

Baumeistergasse 45/17/3, 1160 Wien, beide vertreten durch Wilhelm R***, Funktionär der Mietervereinigung Österreichs, Kirchstetterngasse 22, 1160 Wien, dieser vertreten durch Dr. Heinrich Keller, Rechtsanwalt in Wien, wider die Antragsgegner

1.

Monika J***, Angestellte, Hauptstraße 50, 2351 Wiener Neudorf,

2.

Dr. Rudolf J***, Angestellter, Arnethgasse 85, 1160 Wien, und

3.

Anna M***, Pensionistin, Lintsching 31, 5571 Mariapfarr, alle vertreten durch Dr. Karl Zingher, Rechtsanwalt in Wien, wegen Anerkennung als Hauptmieter nach § 37 Abs 1 Z 1 und § 2 Abs3 MRG, infolge Revisionsrekurses der Antragsgegner gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichtes vom 5. Juni 1986, GZ 41 R 190/86-16, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Hernals vom 10. Feber 1986, GZ 4 Msch 48/85-10, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Sachbeschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Sache wird an das Erstgericht zu neuer Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Text

Begründung:

Die Erstantragsgegnerin und der Zweitantragsgegner haben als je Hälfteeigentümer der Liegenschaft mit dem Haus Albrechtskreithgasse 7 in 1160 Wien am 15.7.1983 der Drittantragsgegnerin die in diesem Haus gelegene Wohnung Nr.37 in Bestand gegeben. Das auf unbestimmte Zeit abgeschlossene Mietverhältnis begann am 1.8.1983. Einschließlich des Entgelts für das von den Vermietern beigestellte Inventar hat der Hauptmietzins monatlich S 2.300,-- betragen. Die Antragsteller wollten gemeinsam eine Wohnung mieten. Sie riefen aufgrund eines im Universitätsgebäude in Wien angeschlagenen Anbots auf Untervermietung einer Wohnung die dort angeführte Telefonnummer an, sprachen mit der Mutter des Zweitantragsgegners und besichtigten die Wohnung. Der Untermietzins wurde ihnen mit monatlich S 3.800,-- genannt. Der Zweitantragsteller stellte klar, daß er namens des Hauptmieters den Untermietvertrag abschließen werde. Die Antragsteller bezogen die Wohnung. Zwei Monate später legte ihnen der Zweitantragsgegner den Untermietvertrag zur Unterfertigung vor und erklärte, er handle für die Drittantragsgegnerin, die verhindert sei. Diese war im Mietvertrag als Untervermieterin bezeichnet. Die Antragsteller und die Drittantragsgegnerin unterfertigten den schriftlichen Untermietvertrag. Das Bestandverhältnis wurde ab dem 1.9.1983 auf drei Jahre abgeschlossen. Der Zweitantragsteller zog aus der Wohnung aus, er bezahlte ab Jänner 1984 keinen Mietzins mehr. Seither bezahlte der Erstantragsteller den Mietzins allein. Ab Juli 1984 erlegt er den Mietzins zu Gericht. Die Drittantragstellerin schrieb dem Erstantragsteller im Juni 1984, sie benötige die Wohnung nun selbst und forderte ihn auf, ihr die Wohnung zum 15.7.1984 geräumt zu übergeben. Sonst hatte sie mit den Antragstellern keinen Kontakt.

Die Antragsteller machten mit ihrem Antrag auf Anerkennung als Hauptmieter und Feststellung der Mietzinsüberschreitung die Sache am 6.12.1984 bei der Gemeinde anhängig. Da dort das Verfahren nicht binnen drei Monaten zum Abschluß gelangt war, riefen die Antragsgegner am 7.5.1985 das Gericht an (§ 40 Abs2 MRG). Das Erstgericht stellte den wiedergegebenen Sachverhalt fest und kam bei seiner rechtlichen Beurteilung zu dem Ergebnis, es könne deshalb nicht der Schluß gezogen werden, daß der Hauptmietvertrag zwischen Erstantragsgegnerin und Zweitantragsgegner einerseits und der Drittantragsgegnerin andererseits nur zur Untervermietung durch die Hauptmieterin und zur Umgehung der einem Hauptmieter nach dem Mietrechtsgesetz zustehenden Rechte geschlossen wurde, weil nach dem Wortlaut des § 2 Abs3 MRG kein Grund gegeben sein dürfe, an der Umgehungsabsicht zu zweifeln. Obwohl die Antragsgegner Ladungen zu Gericht nicht nachkamen und das Verfahren ergab, daß in anderen Fällen Wohnungen im Haus nur zum Schein in Hauptmiete vergeben wurden, um sie sodann "untervermieten" zu können, stehe im konkreten Fall die Umgehungsabsicht nicht eindeutig fest. Es habe nicht festgestellt werden können, daß die Drittantragsgegnerin im Jahr 1983 zu ihrer Tochter zog und die Wohnung für den Fall in Bestand nahm, daß das Zusammenleben mit dieser Tochter nicht wie erwartet verlaufe, und es stehe auch nicht fest, ob die vom Zweitantragsgegner "in Vertretung" übernommenen Untermietzinsbeträge der Drittantragsgegnerin zukamen. Der Zweitantragsgegner sei abgesehen von dem Schreiben vom Juni 1984 den Antragstellern gegenüber stets allein aufgetreten, doch habe er sein Vertretungsverhältnis offengelegt. Der Verdacht allein genüge nicht; die Umgehungsabsicht sei nur anzunehmen, wenn kein Grund vorliege, an ihr zu zweifeln.

Infolge des Rekurses der Antragsteller änderte das Rekursgericht diesen Sachbeschluß dahin ab, daß es feststellte, daß die Antragsteller Hauptmieter der Wohnung Nr.37 im Haus Albrechtskreithgasse 7 in 1160 Wien sind.

Das Rekursgericht meinte, die Voraussetzungen für die Anerkennung als Hauptmieter nach § 2 Abs3 MRG lägen vor. Durch diese Bestimmung sollten Umgehungsgeschäfte unterbunden werden. Wesentlich sei, ob die Umgehungsabsicht schon bei der Einschaltung des "Hauptmieters" vorlag. Dem "Untermieter" sei im Regelfall die vertragliche Konstruktion unbekannt, eine diesbezügliche Beweisführung sei ihm nicht zugänglich. Gelinge es ihm, Umstände nachzuweisen, die für die von § 2 Abs3 MRG verpönte Umgehungsabsicht sprechen, sei es Sache der Antragsgegner, diesen Anschein dadurch zu widerlegen, daß sie Tatsachen behaupten und beweisen, wonach eine Umgehungsabsicht bei Abschluß des Hauptmietvertrages nicht bestanden hat. Wenn aber die Antragsgegner diese Mitwirkung im Verfahren unterlassen und ihrerseits zur Aufklärung nicht beitragen, gehe dies zu ihren Lasten. Die Hauseigentümer hätten der "Hauptmieterin" die Wohnung ab 1.8.1983 "vermietet" und schon ab 1.9.1983 habe der Miteigentümer der Liegenschaft als Machthaber der "Hauptmieterin" die Wohnung "untervermietet". Er habe auch alle Bestandzinszahlungen übernommen. Es habe nicht festgestellt werden können, warum die Drittantragsgegnerin die Wohnung gemietet hat und ob sie Hauptmietzins entrichtete. Daher sei die Annahme berechtigt, daß der Hauptmietvertrag nur zum Schein und zur Umgehung der einem Hauptmieter nach dem Mietrechtsgesetz zustehenden Rechte abgeschlossen wurde.

Diesen Sachbeschluß des Rekursgerichtes bekämpfen die Antragsgegner mit ihrem zulässigen Revisionsrekurs. Die Antragsteller haben sich am Revisionsrekursverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist berechtigt.

Die Rechtsmittelwerber meinen, die Anerkennung als Hauptmieter setze nach § 2 Abs3 MRG voraus, daß bei Überlegung aller Umstände kein vernünftiger Grund bestehe, daran zu zweifeln, daß der Hauptmietvertrag nur zur Untervermietung und zur Umgehung geschlossen wurde. Bloßer Verdacht oder Vermutungen des Gerichtes rechtfertigten die feststellende Entscheidung des Rekursgerichtes nicht, so daß der Sachbeschluß des Erstgerichtes wieder herzustellen sein werde.

Das Rekursgericht ist davon ausgegangen, daß den Antragstellern der Beweis gelungen ist, daß viel dafür spreche, daß die Untervermietung an die Drittantragsgegnerin nur zu dem Zweck erfolgte, die Untermietung an die Antragsteller zu ermöglichen und durch diese Verdrängung in die schwächere Position des Untermieters die einem Hauptmieter zustehenden Rechte zu umgehen (§ 2 Abs3 MRG). Der Ansicht, daß es Sache der Gegner gewesen wäre, entsprechende Behauptungen aufzustellen und den Nachweis zu erbringen, daß dieser Schein trügt und in Wahrheit der Mietvertrag mit der Drittantragsgegnerin ohne Umgehungsabsicht zustande kam, ist beizupflichten. Wohl liegt die Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen zur Anerkennung als Hauptmieter beim Antragsteller, kommt er aber dieser seiner Beweispflicht in dem ihm zumutbaren Ausmaß nach, obliegt es den Gegnern, die allein in ihrer Sphäre liegenden Umstände darzutun und offen zu legen, die den erbrachten Nachweis entkräften. Der Antragsteller hat in die Rechtsbeziehung zwischen Vermieter und "Hauptmieter" meist keinen Einblick, ihm fehlt der Zugang zu den Beweggründen und Nebenabreden dieser vertraglichen Gestaltung. In solchem Fall ist es berechtigt, vom Gegner die Mitwirkung zur Entkräftung des Anscheinsbeweises und die Offenlegung aller maßgebenden Tatsachen zu verlangen (vgl. Fasching, ZPR Rz 882 ff.; Würth in Korinek-Krejci, HBzMRG 523; Fenyves in Korinek-Krejci, HBzMRG 297). Es fehlt aber nicht schon an einem Tatsachenvorbringen in die Richtung, daß die Wohnung an die Drittantragsgegnerin nicht nur zu der unmittelbar darauf durch den Miteigentümer in ihrer Vertretung vorgenommenen Untervermietung vermietet worden ist. Ob es sich beim Hauptmietvertrag um ein Scheingeschäft handelt, ist nicht bedeutsam. Maßgebend ist die Umgehungsabsicht. Vor der Gemeinde haben die Miteigentümer der Liegenschaft dem Verlangen der Antragsteller nur den unberechtigten Einwand entgegengesetzt, diese seien bereits ausgezogen - der Zweitantragsteller infolge einer zwangsweisen Räumung - und es sei daher ein Antrag auf Anerkennung als Hauptmieter nicht mehr Verfahrensgegenstand. Nähere Angaben zum Hauptmietverhältnis könnten nicht gemacht werden. Hätten sich die Antragsgegner auch vor dem Erstgericht darauf zurückgezogen, die zum Abschluß des Hauptmietvertrages führenden Vorgänge verborgen zu halten, wäre dem Rekursgericht beizupflichten. Wenn auch die Umgehungsabsicht unzweifelhaft feststehen muß (MietSlg. 35.290/18), so muß doch verlangt werden, daß die Vermieter und der "Hauptmieter" an der Feststellung ihrer Rechtsbeziehung dadurch mitwirken, daß sie diese offenlegen. Tun sie dies nicht, weil sie schon gar nicht die maßgebenden Tatsachen vorbringen - auf ihren Beweis kommt es dann nicht mehr an -, so hat der Richter die Überzeugung, daß bei Überlegung aller Umstände kein vernünftiger Grund besteht, an der Umgehungsabsicht zu zweifeln, aus den sonst vorliegenden Ergebnissen der Beweisaufnahme zu schöpfen (§ 37 Abs3 Z 12 MRG und § 272 ZPO). Für dieses Verständnis der Vorschrift des § 2 Abs3 MRG spricht, daß sonst der vom Gesetzgeber beabsichtigte Schutz des "Scheinuntermieters", dem ein Eindringen in die Gestaltung der zum Zwecke der Untervermietung vorgenommenen Vertragsgestaltung zwischen Vermieter und "Hauptmieter" meist versagt ist, dadurch unterlaufen werden könnte, daß seine Gegner diese ihre Rechtsbeziehung nicht aufzudecken bereit sind. Der Oberste Gerichtshof billigt also in Fällen, in denen die Umgehungsabsicht offenkundig ist, die Gegner aber nicht dartun, warum dies in ihrem Einzelfall doch nicht zutrifft, die allein zur Erreichung des im § 2 Abs3 MRG angestrebten Zieles führende Rechtsansicht des Rekursgerichtes. Die Antragsgegner haben aber die zur Entkräftung des Anscheines geeignete Tatsachenbehauptung vorgetragen und durch Anbot ihrer Vernehmung als Parteien unter Beweis gestellt, daß die Drittantragsgegnerin 1983 zu ihrer Tochter gezogen sei und sich die Wohnung im Haus der Erstantragsgegnerin und des Zweitantragsgegners behalten wollte, weil sie nicht absehen konnte, wie sich das gemeinsame Wohnen mit der Tochter gestalten werde. Die Untervermietung sei nur erfolgt, damit sie (vorübergehend) von der Tragung der sie als Hauptmieterin treffenden Kosten entlastet werde, und sie habe ihren Eigenbedarf ausdrücklich als Kündigungsgrund vereinbart. Darin ist immerhin unter Beweis gestellt, daß die Vermietung der Wohnung in Hauptmiete nicht nur zu ihrer Untervermietung und zur Umgehung der einem Hauptmieter zustehenden Rechte stattfand, sondern um der Drittantragstellerin eine Wohnung für den Fall zu sichern, daß sich das Zusammenleben mit der Tochter unerträglich gestalte. Gewiß ist das Vorbringen dürftig, doch wäre es Sache des Gerichtes, darauf hinzuwirken, daß die ungenügenden Angaben über die zur Bekämpfung des Anspruches geltend gemachten Umstände vervollständigt und alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur wahrheitsmäßigen Feststellung des Tatbestandes notwendig erscheinen (§ 37 Abs3 Z 12 MRG; § 2 Abs2 Z 5 AußStrG und § 182 Abs 1 ZPO). Daß die Beweisführung durch Vernehmung der Antragsgegner vorerst scheiterte, kann ihnen hier nicht nachteilig ausgelegt werden. Das Fernbleiben der Liegenschaftseigentümer war mit der wohl unzureichenden Behauptung beruflicher Unabkömmlichkeit entschuldigt worden, die Drittantragsgegnerin brachte aber Verhinderungsumstände vor. Sie sei "auf Kur" (20.11.1985) und "bettlägerig" (15.1.1986). Obgleich die Tagsatzung am 20.11.1985 auch zur neuerlichen Ladung der Antragsgegner erstreckt worden war, wurde die Zustellung von Ladungen zur Parteienvernehmung für den 15.1.1985 nicht verfügt und nach der Aktenlage auch nicht vorgenommen. Das Erstgericht benügte sich mit der vorgebrachten Entschuldigung und ordnete auch nicht an, daß die Antragsgegner ihre Verhinderung bescheinigen, weil es von der vollen Beweislast der Antragsteller ausging. Sieht man aber die Mitwirkungspflicht der Gegner als geboten an, darf ihr Beweisanbot nicht übergangen und ihnen die Gelegenheit nicht genommen werden, die ihnen obliegende Entkräftung zu versuchen. Deshalb erweist sich die Ergänzung der Verhandlung in erster Instanz als notwendig, damit die Antragsgegner die näheren Umstände dartun und beweisen können, die zum Abschluß des Hauptmietvertrages mit der Drittantragsgegnerin führten, und der angebotene Beweis durch Vernehmung der Parteien, bei Krankheit oder Gebrechlichkeit der Drittantragsgegnerin in deren Wohnung (§ 37 Abs3 Z 12 MRG, § 380 Abs 1 und § 328 Abs2 ZPO) abgeführt werden kann.

Dem Revisionsrekurs ist daher zwar nicht im Sinne des Rechtsmittelantrages auf Wiederherstellung des erstrichterlichen abweisenden Beschlusses wohl aber dahin Folge zu geben, daß die Entscheidungen der Vorinstanzen aufgehoben und die Sache an das Erstgericht zu neuer Verhandlung und zur neuen Entscheidung zurückverwiesen wird, wobei, sollte das Mietverhältnis tatsächlich beendet sein, bei der dadurch nicht gehinderten allfälligen Feststellung nach § 2 Abs3 MRG auch auf den Zeitraum Bedacht zu nehmen sein wird, auf den sich die Anerkennung als Hauptmieter bezieht.

Kosten wurden im Rechtsmittelverfahren nicht verzeichnet.

Anmerkung

E09371

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0050OB00150.86.0930.000

Dokumentnummer

JJT_19860930_OGH0002_0050OB00150_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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