TE OGH 1986/10/1 1Ob591/86

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Veröffentlicht am 01.10.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schubert, Dr.Gamerith, Dr.Hofmann und Dr.Schlosser als weitere Richter in der Verlassenschaftssache Werner Johannes Theodor P***, verstorben 7.10.1984, infolge Revisionsrekurses der ehelichen Kinder Günther P***, Galvanotechniker, D 5609 Hückeswagen, Am Bockhaken 4, BRD, Horst P***, Galvanotechniker, D 1 Berlin, Schildowerstraße 74a, Gisela T***, Sekretärin, D 7447 Grötzingen, Achalmstraße 64, BRD, sämtliche vertreten durch Dr.Franz Steinacher, öffentlicher Notar in Linz, gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Wels als Rekursgerichtes vom 7.Feber 1986, GZ R 69/86-34, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Gmunden vom 20.November 1985, GZ A 549/84-28, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben. Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben und dem Erstgericht die neue Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Text

Begründung:

Der in Österreich wohnhaft gewesene Staatsangehörige der BRD Werner P*** verstarb am 7.10.1984. Er hinterließ seine Witwe Elfriede P*** und drei volljährige eheliche Kinder aus erster Ehe. Zu dem in Österreich befindlichen Nachlaßvermögen gehört u.a. ein Hälfteanteil an der Liegenschaft EZ 162 KG St.Konrad. Der Erblasser und seine Gattin errichteten am 16.8.1971 in Stuttgart vor einem Notar ein gemeinschaftliches Testament, in dem sie sich wechselseitig zu Alleinerben einsetzten. Nach § 4 dieses Testamentes verschafft der Erstversterbende den Kindern aus erster Ehe des Ehemannes je ein Vermächtnis in Höhe des Wertes des Erbteils, der den Genannten zustehen würde, wenn sie alle gemeinschaftliche Abkömmlinge aus der Ehe und nach dem Gesetz zu Erben berufen wären. Die Vermächtnisse sind grundsätzlich mit dem Tode des Überlebenden zur Zahlung fällig, im Falle der Wiederverheiratung des Überlebenden jedoch mit diesem Zeitpunkt. Sicherheitsleistung kann nicht verlangt werden. Gemäß § 8 des Testamentes setzt der Überlebende die drei Kinder des Mannes je zu einem Viertel zu seinen Erben ein. Ersatzerben sind deren Abkömmlinge nach den Regeln der gesetzlichen Erbfolgeordnung. Fehlen solche, tritt Anwachsung ein. Schlägt ein Abkömmling des Ehemannes aus erster Ehe auf dessen Tod das Vermächtnis aus und macht er den Pflichtteil gegen den Willen des Überlebenden geltend, so ist er und sein Stamm auch vom Überlebenden von der Erbfolge ausgeschlossen (§ 11 des Testamentes). Über auf die Vorschriften der §§ 784 ABGB und 92 AußStrG zur Ermittlung des Pflichtteiles gestützten Antrag der drei ehelichen Kinder ordnete das Erstgericht mit Beschluß vom 15.Februar 1985 die Schätzung und Inventarisierung des Nachlasses durch den zuständigen Gerichtskommissär an. Das Inventar ist bisher noch nicht errichtet worden. Mit Beschluß des Erstgerichtes vom 1.April 1985, ON 12, wurde die von der erblasserischen Witwe mit der Rechtswohltat des Inventars aufgrund des Testamentes vom 16.8.1971 zum gesamten Nachlaß bedingt abgegebene Erbserklärung zu Gericht angenommen und ihr Erbrecht für ausgewiesen anerkannt. Gemäß §§ 145 AußStrG und 810 ABGB wurde ihr die Besorgung und Verwaltung des Nachlasses überlassen. Am 25.Oktober 1985 beantragten die drei ehelichen Kinder des Verstorbenen als Pflichtteilsberechtigte gemäß § 812 ABGB die Absonderung des Nachlasses und die Bestellung eines Kurators. Die erblasserische Witwe habe bereits einem Realitätenbüro einen Verkaufsauftrag über die erblasserische Liegenschaft erteilt. Es sei daher zu besorgen, daß die Befriedigung ihrer Pflichtteilsansprüche erschwert oder unmöglich gemacht werde. Durch die beantragte Nachlaßseparation solle gewährleistet werden, daß auch im Falle der Einantwortung vor Klärung der Pflichtteilsansprüche bei einer allfälligen Einverleibung der Erbin im Grundbuch aufgrund der Beschränkung durch das Absonderungsrecht die Pflichtteilsforderungen sichergestellt seien.

Das Erstgericht bewilligte über Antrag der pflichtteilsberechtigten Kinder gemäß § 812 ABGB die Absonderung der Verlassenschaft und die Verwaltung durch einen Kurator. Es bestellte den Notarsubstituten Dr.Alfred M*** zum Separationskurator. Das Rekursgericht änderte über Rekurs der erblasserischen Witwe den Beschluß dahin ab, daß es die Anträge der Kinder als Vermächtnisnehmer abwies. Der Erblasser könne im Rahmen der Testierfreiheit rechtswirksam bestimmen, daß die Vermächtnisnehmer eine Sicherstellung nicht verlangen könnten. Eine solche Bestimmung habe der Erblasser in seinem Testament vom 16.8.1971 getroffen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der drei ehelichen Kinder ist berechtigt. Die inländische Gerichtsbarkeit für die Abhandlung des gesamten Nachlasses des in Österreich wohnhaft gewesenen deutschen Erblassers ist gegeben, weil die BRD die Abhandlung in Ansehung des bei ihnen befindlichen beweglichen Nachlasses eines Österreichers den österreichischen Behörden nicht überläßt (§ 23 Abs2 AußStrG; Länderübersicht zu § 38 Abs2 RHE Zivil 1983, JABl.1983 Nr.23). Gemäß § 28 IPRG ist die Rechtsnachfolge von Todes wegen nach dem Personalstatut des Erblassers im Zeitpunkt seines Todes zu beurteilen. Ob die drei erblasserischen Kinder pflichtteilsberechtigt sind, bestimmt sich daher nach den Vorschriften des Rechtes der BRD (Schwimann in Rummel, ABGB, Rdz 1 zu § 28 IPRG; derselbe in NZ 1979,106). Gemäß § 2303 BGB kann ein Abkömmling des Erblassers, der durch Verfügung von Todes wegen von der Erbfolge ausgeschlossen ist, von dem Erben den Pflichtteil verlangen. Der Pflichtteil besteht in der Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbteiles. Ist ein Pflichtteilsberechtigter mit einem Vermächtnis bedacht, so kann er den Pflichtteil gemäß § 2307 BGB verlangen, wenn er das Vermächtnis ausschlägt. Schlägt er es nicht aus, so steht ihm, soweit der Wert des Vermächtnisses reicht, ein Recht auf den Pflichtteil nicht zu. Bei der Berechnung bleiben Beschränkungen und Beschwerungen im Sinne des § 2306 BGB außer Betracht. Der beschwerte Erbe kann nach § 2307 Abs2 BGB den Pflichtteilsberechtigten unter Bestimmung einer angemessenen Frist zur Erklärung über die Annahme des Vermächtnisses auffordern. Der Vermächtnisnehmer kann gemäß § 2180 BGB das Vermächtnis, wenn er es angenommen hat, nicht mehr ausschlagen. Die Annahme oder die Ausschlagung des Vermächtnisses erfolgen durch gegenüber dem Beschwerten abzugebende Erklärung (§ 2180 Abs2 BGB). Die Ausschlagung des Vermächtnisses kann formlos und auch durch schlüssiges Verhalten erfolgen. Fordert der durch einen Rechtskundigen vertretene Pflichtteilsberechtigte, dem ein Vermächtnis ausgesetzt war, den gesamten ihm zustehenden Pflichtteil von dem Erben, der auch mit dem Vermächtnis beschwert ist, so ist darin eine Ausschlagung des Vermächtnisses zu erblicken (Frank in Münchener Kommentar Rz 9 zu § 2307 BGB; Ferid-Zieslar in Staudinger 12 Rz 29 zu § 2307 BGB).

Gemäß § 28 Abs2 IPRG sind, wenn eine Verlassenschaftshandlung in Österreich durchgeführt wird, der Erbschaftserwerb und die Haftung für Nachlaßschulden nach österreichischem Recht zu beurteilen. In den Bereich der Nachlaßschuldenhaftung fällt auch die Nachlaßseparation (Schwimann in Rummel, ABGB, Rdz 3 zu § 28 IPRG; derselbe in NZ 1979,107). Die Zulässigkeit der Nachlaßseparation ist daher nach österreichischem Recht zu beurteilen.

Die Nachlaßseparation ist nicht an strenge Bedingungen zu knüpfen (JBl1978,152; EvBl1976/137). § 812 ABGB will allen Gefahren vorbeugen, die sich aus der tatsächlichen Verfügungsgewalt des Erben ergeben (Welser in Rummel, ABGB, Rdz 2 zu § 812;

EvBl1976/137). Besorgnis der Gefahr ist jedes hinreichend motivierte, auch bloß subjektive Bedenken. Ein Nachweis im technischen Sinn ist nicht erforderlich (JBl1978,152 ua;

Koziol-Welser 7 II 367; Welser aaO Rdz 14 zu § 812). Es genügt, daß der Nachlaßgläubiger (Pflichtteilsberechtigte) die Umstände, die seine Besorgnis begründen, darlegt (Ehrenzweig-Kralik, Erbrecht 3 359). Die Möglichkeit der freien Verfügung über die Liegenschaft des Erblassers kann eine solche Besorgnis begründen (Weiß in Klang 2 III 1018). Mangels Berichtigung und Genehmigung eines Inventars kann schon wegen der in der Todfallsaufnahme enthaltenen Angaben derzeit nicht gesagt werden, daß ein den ehelichen Kindern zustehender Pflichtteilsanspruch so gering wäre, daß eine Besorgnis im Sinne des § 812 ABGB in objektiver Sicht verneint werden müßte. Das in der Nachlaßseparation zu erblickende Sicherungsmittel des Noterben als Pflichtteilsberechtigten kann der Erbe aber nicht beschränken. Würde der Erbe in der Folge die Pflichtteilsforderungen sicherstellen, könnte dies zur Aufhebung der Absonderung führen (Welser, aaO, Rdz 28 zu § 812; Ehrenzweig-Kralik, aaO 363 FN 18; Weiß in Klang aaO 1025).

Entgegen der Auffassung des Rekursgerichtes könnten die Revisionswerber die Nachlaßseparation begehren, wenn sie den Pflichtteil in Anspruch nehmen bzw. nehmen können. Die Rekurswerber haben aber im Verlassenschaftsverfahren bis jetzt weder im Sinne des § 2180 Abs2 BGB unmißverständlich erklärt, das ihnen ausgesetzte Vermächtnis auszuschlagen und den Pflichtteil geltend zu machen, noch dargetan und bescheinigt, daß ihnen neben dem Vermächtnis ein Pflichtteilsanspruch zustünde.

Um dies klarzustellen, ist dem Revisionsrekurs Folge zu geben; die Beschlüsse der Vorinstanzen sind aufzuheben und dem Erstgericht die neue Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufzutragen.

Anmerkung

E09317

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0010OB00591.86.1001.000

Dokumentnummer

JJT_19861001_OGH0002_0010OB00591_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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