TE OGH 1986/10/9 6Ob541/85

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Veröffentlicht am 09.10.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch, Dr. Schobel, Dr. Warta und Dr. Schlosser als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ruth H***, Gebäudeverwalterin, Bacherplatz 12/2, 1050 Wien, vertreten durch Dr. Udo Kaiser, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Albert K***, Koch, Schönbrunnerstraße 113/11, 1050 Wien, vertreten durch Dr. Reinhard Burghofer, Rechtsanwalt in Wien, wegen Räumung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien als Berufungsgerichtes vom 17. Oktober 1984, GZ. 41 R 714/84-16, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 26. April 1984, GZ. 43 C 310/83-8, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das Urteil des Berufungsgerichtes wird dahin abgeändert, daß das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 3.036,16 bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin enthalten S 262,56 Umsatzsteuer und S 148,-- Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Beklagte strebte die Anmietung der Wohnung Nr. 11 im Hause in Wien 5., Schönbrunnerstraße 113, dessen Eigentümerin die Klägerin ist, an. Er besichtigte die Wohnung in Begleitung einer Angestellten der Klägerin, die ein Immobilienbüro betreibt. Die Angestellte, Monika N***, bedeutete dem Kläger bei dieser Gelegenheit, wegen der angrenzenden Wohnung Nr. 10 A sei ein Kündigungsverfahren anhängig; sollte diese Wohnung frei werden, könnten beide Wohnungen zusammengelegt werden. Der Beklagte bekundete damals sein grundsätzliches Interesse an der Anmietung auch der anderen Wohnung. Monika N*** gab dem Beklagten allerdings zu verstehen, daß derzeit lediglich die Wohnung Nr. 11 auf ein halbes Jahr vermietet werden könne; danach könne weiter verhandelt werden, ob der Beklagte die Wohnung behalten oder sogar die Nachbarwohnung hinzumieten könne. Nach der Besichtigung kam es am 20. September 1982 zur Unterzeichnung eines Mietvertrages. Nach dessen § 2 begann das Mietverhältnis an diesem Tag, wurde auf die Dauer eines halben Jahres, mithin bis 19. März 1982, abgeschlossen und sollte durch Ablauf der bedungenen Zeit ohne Kündigung erlöschen. Auch die Klägerin sagte dem Beklagten nicht zu, daß er nach Ablauf der Vertragsdauer jedenfalls mit dem Abschluß eines neuen Mietvertrages rechnen könne oder das Mietverhältnis darüber hinaus aufrecht bleiben würde, sondern meinte bloß, nach Ablauf der vereinbarten Zeit könne man über die Anmietung beider Wohnungen reden, sollten sich während der Vertragsdauer keine Anstände ergeben.

Zum Abschluß eines neuen Vertrages fand sich die Klägerin nicht bereit, weil sie den Beklagten wegen seines Verhaltens und daran geknüpfter Beschwerden anderer Mieter im Hause nicht mehr dulden wollte.

Die Klägerin begehrte die Räumung der Wohnung durch den Beklagten, weil dieser die Wohnung nach Ablauf der Vertragsdauer ohne Rechtstitel benütze.

Der Beklagte wendete vor allem ein, die Klägerin habe ihm zugesichert, er werde die Wohnung gemeinsam mit der Nachbarwohnung weiter mieten können.

Das Erstgericht gab dem Räumungsbegehren statt. Es meinte in rechtlicher Hinsicht, das Mietverhältnis sei infolge Zeitablaufes beendet worden, da vom Inhalt des schriftlichen Vertrages abweichende Vereinbarungen im Sinne der Prozeßbehauptungen des Beklagten nicht getroffen worden seien.

Das Berufungsgericht wies das Räumungsbegehren ab, sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes zwar S 15.000, nicht aber S 300.000 übersteige, und ließ die Revision zu. Es führte aus, der Mietvertrag sei ursprünglich den Bestimmungen des Mietrechtsgesetzes zufolge des § 1 Abs 2 Z 3 nicht unterlegen, weil die vereinbarte Dauer ein halbes Jahr nicht überstiegen habe. Das Mietverhältnis habe aber nicht mit Ablauf der vereinbarten Dauer am 19. März 1983 geendet. Die beweispflichtige Klägerin habe nämlich nicht behauptet, daß es trotz der erst am 20. Mai 1983 eingebrachten Klage zu keiner Verlängerung des Mietverhältnisses im Sinne des § 569 ZPO gekommen sei. Danach gälten Mietverhältnisse mit unbedingtem Endtermin als stillschweigend erneuert, wenn die dort genannte Klage auf Zurückstellung bzw. Zurücknahme des Bestandgegenstandes nicht binnen 14 Tagen nach Ablauf der Bestandzeit erhoben werde. Zwar könne diese gesetzliche Vermutung auch anders als durch Räumungsklage widerlegt werden, sofern der Wille des Vermieters, einer stillschweigenden Erneuerung entgegenzutreten, unzweideutig - allerdings innerhalb der Frist des § 569 ZPO - zum Ausdruck gelange. Da die Klägerin ein solches Verhalten nicht behauptet habe, sei es zunächst zur Verlängerung des Mietverhältnisses - und zwar gemäß § 1115 ABGB zufolge monatlicher Zinsperiode - um einen Monat gekommen. Diese Verlängerung habe die rückwirkende Anwendung des Mietrechtsgesetzes zur Folge, sodaß nunmehr § 29 MRG gelte. Das im Zeitpunkt der Erhebung der Räumungsklage bereits auf sieben Monate verlängerte Mietverhältnis sei kein solches, das gemäß § 29 Abs 1 Z 3 MRG durch Zeitablauf erlösche. Dort werde die schriftliche Vereinbarung eines unbedingten Endtermines vorausgesetzt. Werde das Mietverhältnis nach Ablauf der zunächst vereinbarten Vertragsdauer verlängert, sei die Schriftform nur gewahrt, wenn auch die verlängerte Vertragsdauer schriftlich vereinbart worden sei. Das treffe auf den stillschweigend verlängerten Mietvertrag schon begrifflich nicht zu. Der Zeitablauf komme somit als Auflösungsgrund nicht in Betracht, andere Auflösungsgründe seien nicht geltend gemacht worden. Auch aus § 29 Abs 3 MRG könnte die Berechtigung der Räumungsklage nicht abgeleitet werden, die bloß mit dem Ablauf des zum 19. März 1984 verlängerten Mietverhältnisses begründet werden könnte. Dieser Bestimmung, die offensichtlich durch Zusammenfassung der §§ 20 und 23 Abs 2 MG entstanden sei, könne jedenfalls nicht entnommen werden, daß Mietverhältnisse - wie hier - ohne Vorliegen der in den §§ 30 ff. MRG angeführten Voraussetzungen aufgelöst werden könnten.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Klägerin ist zulässig, weil zur Frage, ob bei im Sinne von nach den §§ 1114 f. ABGB bzw. § 569 ZPO verlängerten Mietverhältnissen den Erfordernissen der Schriftform gemäß § 29 Abs 1 Z 3 MRG Rechnung getragen sei, Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes fehlt; sie ist aber auch berechtigt.

Das Berufungsgericht hat die Rechtslage insofern richtig dargestellt, als die im § 1114 dritter Satz ABGB und im § 569 ZPO ausgesprochene Rechtsvermutung über die stillschweigende Verlängerung von Verträgen mit unbedingtem Endtermin nicht bloß durch die im § 569 ZPO vorgesehene Klage, sondern überhaupt durch jeden Vorgang widerlegt wird, mit dem ein Vertragsteil seinen Willen, den Vertrag nicht fortzusetzen, innerhalb von 14 Tagen nach Ablauf der Bestandzeit unzweideutig zum Ausdruck bringt (Würth in Rummel, ABGB, Rdz 4 zu § 1114 mit zahlreichen Nachweisen aus der Rechtsprechung). Daß die Behauptungs- und Beweispflicht insoweit die Klägerin trifft, ergibt sich schon aus allgemeiner Beweislastregel, weil die Klägerin die Räumungsklage nicht innerhalb von 14 Tagen nach Ablauf der vereinbarten Bestandzeit eingebracht hat und deshalb mit dieser nur durchdringen kann, wenn sie die erwähnte Rechtsvermutung widerlegen kann. Die Klägerin hat aber in diesem Belange keine Behauptungen aufgestellt und kann sich deshalb auch nicht auf die übereinstimmenden Parteiaussagen berufen, wonach sie noch im März 1983 den Beklagten aufgesucht und zum Auszug aufgefordert habe (AS 17 und 19), weil diese Parteiaussagen Prozeßbehauptungen nicht ersetzen können (JBl 1965, 93 uva.) und das Gericht bei Beweisaufnahmen hervorgekommene Umstände nur dann berücksichtigen darf, wenn sie im Prozeßvorbringen Deckung finden (JBl 1961, 123, 4 Ob 625, 626/75 ua.).

Dennoch ist die Klägerin berechtigt, die Räumung der Wohnung durch den Beklagten zu begehren. Der Mietvertrag, dessen Dauer auf sechs Monate festgelegt war, fiel nach seinem in der Vertragsurkunde festgelegten Inhalt überhaupt nicht in den Anwendungsbereich des Mietrechtsgesetzes (§ 1 Abs 2 Z 3); da - mangels entsprechender Behauptung der Klägerin - davon auszugehen ist, daß der Mietvertrag bei Einbringung der Räumungsklage zweimal stillschweigend um je einen Monat verlängert worden ist (§ 1115 dritter und vierter Satz ABGB; Würth aaO Rdz 2 zu § 1115 unter Berufung auf Ehrenzweig 2 II/1 470 und Klang 2 V 105 sowie Lenhoff, NZ 1919, 109 f.), gelangte das Bestandverhältnis infolge der Erneuerung rückwirkend in den Anwendungsbereich dieses Gesetzes, das jedoch im § 29 Abs 1 Z 3 lit c die Auflösung von Hauptmietverträgen über Wohnungen dann zuläßt, wenn schriftlich vereinbart worden ist, daß der Vertrag durch den Ablauf der bedungenen Zeit ohne Kündigung erlischt und die ursprüngliche oder verlängerte Vertragsdauer ein Jahr nicht übersteigt. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichtes treffen diese Voraussetzungen auf das vorliegende Bestandverhältnis trotz der stillschweigenden Verlängerung weiterhin zu. Die stillschweigende Erneuerung ist nicht als Abschluß eines neuen, sondern als Fortsetzung des alten Vertrages anzusehen (§ 1115 erster Satz ABGB); die Erneuerung des Zeitmietvertrages mit unbedingtem Endtermin berührt deshalb nur seine die Vertragsdauer betreffenden Bestimmungen, während der übrige Vertragsinhalt unverändert bestehen bleibt (MietSlg 34.245; Würth aaO Rdz 1 zu § 1115 ABGB; Palten in ImmZ 1983, 24). Damit bleibt der Vertrag unter Fortbestand aller seiner Elemente - also auch der Schriftform und des unbedingten Endtermines - der nämliche; lediglich die Vertragsdauer wird erstreckt. Um das Wesen der stillschweigenden Erneuerung nicht zu verfälschen, muß die Bestimmung des § 29 Abs 1 Z 3 lit c MRG somit dahin verstanden werden, daß der dort umschriebene Auflösungsgrund gewahrt bleibt, wenn die Vertragsdauer einschließlich der Verlängerung ein Jahr nicht übersteigt (so auch Palten aaO 10, 24). Da die Jahresfrist in Anbetracht der Klagseinbringung am 20. Mai 1983 nicht überschritten wurde, ist der Vertrag durch Zeitablauf erloschen und der Beklagte deshalb zur Räumung verpflichtet. In Stattgebung der Revision war das erstinstanzliche Urteil wiederherzustellen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

Anmerkung

E09846

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0060OB00541.85.1009.000

Dokumentnummer

JJT_19861009_OGH0002_0060OB00541_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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