TE OGH 1986/10/14 4Ob513/84

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Veröffentlicht am 14.10.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Präsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurzinger als Vorsitzenden und durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr. Friedl, Dr. Resch und Dr. Kuderna als weitere Richter in der Rechtssache der Antragstellerin G*** T*** Gesellschaft

m. b.H., 3435 Zwentendorf, vertreten durch DDr. Walter Barfuß, Rechtsanwalt in Wien, wider die Antragsgegnerin R*** Ö***, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien, wegen Festsetzung einer Enteignungsentschädigung (S 7,213.998.293,04 s.A.), infolge Revisionsrekurses der Antragsgegnerin gegen den Beschluß des Kreisgerichtes St. Pölten als Rekursgerichtes vom 15.März 1984, GZ R 56/84-22, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Tulln vom 3. Februar 1982, GZ 1 Nc 114/81-14, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben; die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, daß der Beschluß des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Text

Begründung:

Die Antragstellerin G*** T*** GesmbH

(GKT) ist eine Sondergesellschaft im Sinn des zweiten Verstaatlichungsgesetzes, BGBl.81/1947, deren Anteilsrechte zu 50 % der (im Eigentum des Bundes stehenden) Verbundgesellschaft und im übrigen den Landeselektrizitätsgesellschaften von Kärnten, Niederösterreich, Oberösterreich, Salzburg, Steiermark, Tirol und Vorarlberg gehören. Die antragstellende Gesellschaft behauptet, daß ihr Zweck der Bau und der Betrieb von Gemeinschaftskraftwerksanlagen im Tullnerfeld und die Abgabe der gesamten erzeugten elektrischen Energie an ihre Gesellschafter sei; sie habe zu diesem Zweck das Kernkraftwerk Zwentendorf bereits technisch fertig errichtet und wegen Erfüllung aller Auflagen einen Rechtsanspruch auf Erteilung der Betriebsgenehmigung erworben. Wegen des § 1 des Gesetzes vom 15.12.1978, BGBl.676/1978 über das Verbot der Kernspaltung für die Energieversorgung in Österreich (sogenanntes: Atomsperrgesetz) hätten aber diese Anlagen nicht in Betrieb genommen werden dürfen, so daß dieses Gesetz eine Enteignung bewirkt habe. Die Antragstellerin begehrt - da das Atomsperrgesetz die Entschädigungsfrage nicht regle - unter Berufung auf § 365 ABGB eine Enteignungsentschädigung, die sie mit S 7,213.998.293,04 s.A. berechnet.

Die Antragsgegnerin beantragte Abweisung dieses Begehrens. Durch das Atomsperrgesetz sei der Antragstellerin weder das Eigentumsrecht an ihrer Kernkraftwerksanlage noch ein Recht zu deren Betrieb genommen worden; die Antragstellerin habe nämlich mangels behördlicher Betriebsbewilligung, deren Erteilung im Ermessen der Behörde gelegen wäre, noch keine Befugnis gehabt, ihre Anlagen zur Energieerzeugung zu nutzen. Es liege aber auch keine so weitgehende Einschränkung des Eigentums vor, daß sie einer Enteignung gleichzustellen wäre. Jedenfalls könnten Eigentumsbeschränkungen (auch) durch einfache Gesetze entschädigungslos angeordnet werden. Ein Entschädigungsanspruch bestünde nur, wenn er ausdrücklich vom Gesetzgeber festgelegt worden wäre.

Das Erstgericht wies den Antrag ab. Es ging davon aus, daß der Antragstellerin zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Atomsperrgesetzes die Bewilligung nach dem Strahlenschutzgesetz (BGBl.1969/227) zur Inbetriebnahme des Kernkraftwerkes noch nicht erteilt worden war und die Antragstellerin auf Grund des Eigentumsrechtes allein kein Recht auf diese Inbetriebnahme gehabt habe. Die Antragstellerin habe somit über einen Vermögenswert, der ihr durch das Atomsperrgesetz entzogen worden wäre, nicht verfügt. Die - allerdings weitgehenden - wirtschaftlichen Folgen könnten nicht als eine Enteignung angesehen werden. Aber selbst wenn man diese Folgen als eine "Enteignung" wertete, bestünde kein Entschädigungsanspruch, weil das Atomsperrgesetz eine Entschädigung nicht festlege und ein Anspruch auf eine solche nicht schon aus § 365 ABGB abgeleitet werden könne; ein Entschädigungsanspruch stehe bei einer durch ein Gesetz festgelegten Enteignung nur zu, wenn dieses oder ein besonderes Gesetz eine Entschädigungspflicht ausspreche.

Das Rekursgericht stellte aus Anlaß des Rekurses der Antragstellerin zunächst beim Verfassungsgerichtshof den Antrag, § 1 des Atomsperrgesetzes als verfassungswidrig aufzuheben, da dieses im Widerspruch zu Art.5 StGG (Art.1 des [1.] ZP zur MRK) und zu Art.7 Abs.1 B-VG (Art.2 StGG) stehe. Der Verfassungsgerichtshof wies diesen Antrag mit Erkenntnis vom 16.12.1983, G 46/82-15, ab. Er führte im wesentlichen aus, daß der Gesetzgeber verfassungsrechtlich einwandfrei Eigentumsbeschränkungen verfügen könne, sofern er dadurch nicht den Wesensgehalt des Grundrechtes der Unverletzlichkeit des Eigentums berührt oder in anderer Weise gegen einen auch ihn bindenden Verfassungsgrundsatz verstößt. Das Atomsperrgesetz verfüge - mangels Vermögensverschiebung - keine Enteignung im eigentlichen Sinn, sondern (nur) eine Eigentumsbeschränkung. Damit stelle sich zunächst die für Enteignungen im eigentlichen Sinn zu prüfende Frage, ob die Maßnahme durch das "öffentliche Wohl" im Sinn aller in der Judikatur entwickelten besonderen (Enteignungs-)Voraussetzungen geboten sei, nicht, da sich die konkreten Handlungsanweisungen an den Enteignungsgesetzgeber ihrer Natur und Beschaffenheit nach auf den Bereich der bloßen Eigentumsbeschränkung nicht anwenden ließen. Für Eigentumsbeschränkungen habe Abs.2 des Art.1 des (1.) ZP zur MRK nur festgelegt, daß sie im "allgemeinen Interesse" liegen müßten. Das sei beim Atomsperrgesetz der Fall, weil es, wie sich aus seiner Entstehungsgeschichte entnehmen lasse, in Berücksichtigung der in Teilen der Bevölkerung vorherrschenden Angst vor der Atomkraft erlassen worden sei und damit dem Schutz und der Sicherheit der Bevölkerung diene. Die durch das Atomsperrgesetz bewirkte Minderung der wirtschaftlichen Verwertbarkeit der betroffenen Gebäude könne keinesfalls der Aufhebung des Grundrechtes des Eigentums selbst gleichgehalten werden. Aus der Verfassungsnorm des Art.5 StGG sei eine Entschädigungspflicht für Enteignungen - und so jedenfalls auch für Eigentumsbeschränkungen - nicht ableitbar. Ausdrücklich wies der Verfassungsgerichtshof darauf hin, daß eine Verletzung des Gleichheitsgebotes nur wegen einer unterschiedlichen Behandlung der Verwendung der Atomenergie zur Energieversorgung auf der einen und für sonstige Zwecke auf der anderen Seite, nicht aber wegen Vorliegens eines sogenannten "Sonderopfers" geltend gemacht worden sei und die Frage des Vorliegens eines solchen "Sonderopfers" daher nicht zu prüfen sei.

Das Rekursgericht gab in der Folge dem Rekurs der Antragstellerin teilweise Folge, sprach aus, daß die Antragsgegnerin der Antragstellerin eine angemessene Schadloshaltung zu leisten habe und trug dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens zur Prüfung der Höhe der Entschädigung auf. Das Rekursgericht ging dabei davon aus, daß durch das Atomsperrgesetz keine Enteignung der Liegenschaft samt den darauf errichteten Anlagen der Antragstellerin im eigentlichen Sinn, sondern (nur) eine Eigentumsbeschränkung erfolgt sei. Die Auffassung des Verfassungsgerichtshofes, daß aus Art.5 StGG eine Entschädigungspflicht für diese Eigentumsbeschränkung nicht ableitbar sei, betreffe nur die verfassungsrechtliche Seite, besage aber nichts darüber, ob ein Entschädigungsanspruch auf Grund einfachgesetzlicher Grundlage gegeben sei. Dazu kam das Rekursgericht unter Hinweis auf in der Literatur vertretene Ansichten (Korinek, Verfassungsrechtlicher Eigentumsschutz und Raumplanung Linz 1977, 43 f, Aicher, Grundfragen der Staatshaftung bei rechtmäßigen hoheitlichen Eigentumsbeeinträchtigungen 430, Rummel-Schlager, Enteignungsentschädigung 58 f, Bydlinski, Probleme der Planungsfolgen 49, Floßmann, Der Eigentumsschutz im sozialen Rechtsstaat 58 f) zur Auffassung, daß im vorliegenden Fall eine entschädigungspflichtige Eigentumsbeschränkung erfolgt sei: Das Atomsperrgesetz habe die Ausübungsbefugnis der Antragstellerin prinzipiell verändert, die Belastung, die offenbar von Dauer sei, nur einen Eigentümer treffe und auch nicht ortsüblich sei, habe das Eigentumsrecht zu einem "nudum jus" gemacht; es müsse von einem unvorhersehbaren Eingriff gesprochen werden, der die mit dem Objekt typischerweise verbundene Nutzung praktisch überhaupt nicht ermögliche; es liege ein erheblicher und wesentlicher Eingriff vor, der bei Bedachtnahme auf den Zweck der betroffenen Anlage und die von der Antragstellerin nun zu tragenden wirtschaftlichen Belastungen zu deren Existenzgefährdung, wenn nicht Existenzvernichtung führe. Schließlich müsse es mangels einer Bestimmung zur Entschädigungsfrage im Atomsperrgesetz bei der (einen Entschädigungsanspruch allgemein anerkennenden) Regelung des § 365 ABGB bleiben. Das Rekursgericht könne sich der in der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes 3 Ob 500/60 (EvBl.1962/55) vertretenen Auffassung, daß ein Entschädigungsanspruch nur dann bestehe, wenn ein besonderes Gesetz dies ausspreche, nicht anschließen, zumal dieser oberstgerichtlicher Entscheidung ein anderer Sachverhalt zugrundegelegen habe als dem vorliegenden Fall.

Gegen die Entscheidung des Rekursgerichtes richtet sich der Revisionsrekurs der Antragsgegnerin mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne einer Wiederherstellung der Entscheidung des Erstgerichtes abzuändern, allenfalls den angefochtenen Beschluß aufzuheben und dem Rekursgericht eine neue Entscheidung aufzutragen. Im Rechtsmittel werden im wesentlichen die bereits in erster Instanz gegen den geltend gemachten Entschädigungsanspruch erhobenen Einwände wiederholt. Insbesondere wird betont, daß aus § 365 ABGB, der überdies nur bei Enteignungen im eigentlichen Sinn und nicht auch bei bloßen Eigentumsbeschränkungen, wie sie im vorliegenden Fall gegeben sei, in Betracht gezogen werden könne, ein Entschädigungsanspruch nicht abgeleitet werden könne und das Atomsperrgesetz eine abschließende Regelung - (auch) im Sinn eines Ausschlusses einer Enteignungsentschädigung - sei.

Demgegenüber hielt die Antragstellerin in ihrer Rekursbeantwortung ihre bisherige Begründung ihres Begehrens aufrecht und vertrat vor allem weiterhin den Standpunkt, daß sich der Anspruch auf eine Enteignungsentschädigung mangels einer Regelung im Atomsperrgesetz aus § 365 ABGB ergebe. Diese Bestimmung sei zwar keine Grundlage für eine Enteignung, wohl aber für einen Entschädigungsanspruch, wenn enteignet wird; ein eigenes Gesetz, in welcher dieser Anspruch festgelegt werde, sei nicht erforderlich.

Rechtliche Beurteilung

Der Oberste Gerichtshof stellte aus Anlaß des an ihn gerichteten Rechtsmittels einen neuerlichen Antrag an den Verfassungsgerichtshof, § 1 Atomsperrgesetz als verfassungswidrig aufzuheben, da Bedenken in der Richtung bestünden, daß diese Bestimmung ein gegen das Gleichheitsgebot verstoßendes und damit verfassungswidriges "Sonderopfer" festlege. Dabei wurde unter Bezugnahme auf Korinek (aaO 35 f) und die sogenannten Wohnsiedlungsgesetz-Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes (VfSlg.6.884/1972 und 7.234/1973) davon ausgegangen, daß es einen Verstoß gegen das Gleichheitsgebot bedeute, in einem intentional der Sicherheit und dem Schutz der Bevölkerung dienenden Gesetz in unsachlicher Weise einem einzelnen (oder einer Gruppe) eine so weitgehende (in ihrer Wirkung an eine Enteignung heranreichende) Eigentumsbeschränkung aufzuerlegen, ohne zugleich einen Ausgleich durch Gewährung eines Entschädigungsanspruches festzulegen. Tatsächlich habe die Antragstellerin alle Lasten, die sich aus dem Atomsperrgesetz ergeben, allein zu tragen, während der durch das Gesetz angestrebte und erreichte Nutzen der Allgemeinheit zugutekomme. Es wurde vom Obersten Gerichtshof auch darauf hingewiesen, daß die Frage, ob die Beschränkung des Eigentumsrechtes der Antragstellerin durch das Atomsperrgesetz überhaupt über das von vielen Gesetzen vorgesehene und von den Betroffenen auch ohne Entschädigung hinzunehmende Maß (dazu etwa VfSlg.5.208/1966, betreffend Beschränkung des Auspflanzens von Weinreben, 6.735/1972 und 6.780/1972, betreffend Beschränkungen durch Grundverkehrsgesetze, 7.306/1974, betreffend Beschränkung durch Denkmalschutz u.a.) hinausgehe, ebenso erst bei der Anwendung dieses Gesetzes und nicht schon bei der Beurteilung, ob es wegen Verletzung des Gleichheitsgebotes verfassungswidrig ist, zu beurteilen sei wie jene, ob das Fehlen einer Bestimmung über einen Entschädigungsanspruch in diesem Gesetz im Sinne seiner Verneinung oder seiner Bejahung auszulegen sei.

Der Verfassungsgerichtshof wies den vom Obersten Gerichtshof gestellten Antrag mit seinem Erkenntnis vom 20.3.1986, G 224/85-15, ab. Er führte zunächst aus, daß der Gesetzgeber in allen seinen Maßnahmen an den Gleichheitssatz gebunden sei. Daher seien Regelungen welcher Art immer verfassungswidrig, wenn sie einzelne oder bestimmte Personengruppen unsachlich bevorzugen oder benachteiligen; das gelte für Eigentumsbeschränkungen ebenso wie für sonstige Beeinträchtigungen. Bei der Prüfung, ob es sachliche Gründe gebe, den (einzigen) Eigentümer eines (nahezu fertiggestellten) Kernkraftwerkes die Nachteile des Verbotes von dessen Betrieb allein tragen zu lassen, ging der Verfassungsgerichtshof davon aus, daß diese Frage nicht allgemein und losgelöst vom konkreten Fall zu beurteilen sei. Der durch § 1 Atomsperrgesetz beschwerte (einzige) Eigentümer eines zur Energieversorgung bestimmten Kernkraftwerkes, nämlich die Antragstellerin im gerichtlichen Verfahren, sei eine Sondergesellschaft iS des § 4 des zweiten Verstaatlichungsgesetzes, deren Anteilsrechte nach Abs.2 Satz 1 dieser Gesetzesstelle im Eigentum der öffentlichen Hand stehen müssen und auch tatsächlich stehen. Materiell treffe daher die Belastung der Antragstellerin ausschließlich die öffentliche Hand. Eine von der öffentlichen Hand gehaltene Gesellschaft könne sich zwar der jedermann zustehenden Rechtsbehelfe bedienen (Klagen erheben, behördliche Maßnahmen bekämpfen ua), doch dürfe der Gesetzgeber nach sachlichen Merkmalen der hinter einer juristischen Person stehenden Rechtsträger unterscheiden, sodaß gesetzliche Regelungen zu Lasten einer solchen Gesellschaft - ohne Rücksicht auf die subjektiven Gründe des Gesetzgebers - auch dann zulässig sein können, wenn ein solcher Durchblick sie objektiv als sachlich erweise. Der Umstand, daß nach Lage der Dinge das Atomsperrgesetz allein bei der Antragstellerin einen einschneidenden Eingriff bewirkt und daher ohnedies nur die öffentliche Hand vermögensmäßig belastete, schließe den Vorwurf einer gleichheitswidrigen Belastung Einzelner zugunsten der Allgemeinheit aus. Es sei auch eine unsachlich verschiedene Behandlung von Gebietskörperschaften nicht gegeben. Die innere Struktur der verstaatlichten Elektrizitäts-Wirtschaft sei nicht das Ergebnis einer mehr oder minder zufälligen Beteiligung von Gebietskörperschaften am allgemeinen Wirtschaftsleben (wie etwa der Grundbesitz der von einer Straßenbaumaßnahme betroffenen Gemeinde), vielmehr Gegenstand von eingehenden gesetzlichen Regelungen mit dem Ziel, die Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe durch Zusammenwirken mehrerer Gebietskörperschaften sicherzustellen; die Antragstellerin verkörpere somit die Elektrizitäts-Wirtschaft insgesamt. Die Frage, ob und - gegebenenfalls - auf welche Weise und in welchem Ausmaß ein finanzieller Ausgleich zwischen den Gebietskörperschaften erforderlich sein werde, könne unter Bedachtnahme auf die sonstigen Beziehungen sämtlicher Beteiligten innerhalb der Organisation der staatlichen Elektrizitäts-Wirtschaft gelöst werden. Der Gesetzgeber des Atomsperrgesetzes sei daher nicht gehalten, die wirtschaftliche Lage der Gebietskörperschaften durch Gewährung einer Entschädigung an die zunächst betroffene Gesellschaft in einem ganz bestimmten Sinn zu gestalten.

Die Antragstellerin hat mit Eingabe vom 24.3.1986 einen nochmaligen Antrag an den Verfassungsgerichtshof auf Aufhebung des Atomsperrgesetzes wegen Verfassungswidrigkeit angeregt, weil es kompetenzwidrig erlassen worden sei und auch Bedenken in der Richtung bestünden, daß es nicht ordnungsgemäß gegengezeichnet und kundgemacht worden sei. In der Kundmachung des Gesetzes fehle nämlich ein Hinweis auf die Unterschrift des damaligen Außenministers Dr. P***. Die Kompetenzwidrigkeit wird darin gesehen, daß das Atomsperrgesetz seinem Inhalt nach ein Bundesgesetz auf dem Gebiet des Elektrizitätswesens sei, bei dem gemäß Art.12 B-VG nur die Grundsatzgesetzgebung Bundessache sei.

Demgegenüber ist darauf zu verweisen, daß das Atomsperrgesetz erlassen wurde, um der bei der Volksabstimmung zum Ausdruck gebrachten Angst der Mehrheit der Stimmberechtigten vor Schäden durch ionisierende Strahlen Rechnung zu tragen und es somit - so wie das Strahlenschutzgesetz (VfSlg.3.650) - als Angelegenheit des Gesundheitswesens (Art.10 Abs.1 Z 12 B-VG) in die Kompetenz des Bundes in Gesetzgebung und Vollziehung fällt.

Zur Frage der gehörigen Kundmachung des am 15.12.1978 vom Nationalrat beschlossenen Atomsperrgesetzes ist darauf zu verweisen, daß nach der im Amtlichen Teil zur Wiener Zeitung vom 16.12.1978 enthaltenen Verlautbarung vom 11.12.1978 der Bundespräsident auf Vorschlag des Bundeskanzlers für die Dauer der Verhinderung des Bundesministers Dr. P*** innerhalb des Zeitraumes vom 18.12. bis 22.12.1978 den Bundesminister L*** mit der Vertretung betraute. Es besteht kein Grund zur Annahme, daß die Beurkundung des Gesetzes durch den Bundespräsidenten, jedenfalls aber die Gegenzeichnung durch die Bundesregierung, nicht in jenem Zeitraum stattfanden, in welchem der Bundesminister Dr. P***, dessen Name bei der Verlautbarung des Gesetzestextes nicht angeführt ist, durch den Bundesminister L*** vertreten wurde.

Der Oberste Gerichtshof teilt daher die von der Antragstellerin erhobenen Bedenken nicht, so daß kein Anlaß besteht, nochmals einen Aufhebungsantrag an den Verfassungsgerichtshof zu stellen. Im übrigen ist der Revisionsrekurs der Antragsgegnerin berechtigt.

Bei der Beurteilung des von der Antragstellerin behaupteten Anspruches auf eine Enteignungsentschädigung ist davon auszugehen, daß nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg.2.572/1953, 2.618/1954), die er auch im vorliegenden Fall ausdrücklich aufrecht hielt (Punkt 2.2.4.3 des Erkenntnisses G 46/82-15) aus der Verfassungsbestimmung des Art.5 StGG, wonach das Eigentum unverletzlich ist und eine Enteignung gegen den Willen des Eigentümers nur in den Fällen und in der Art eintreten kann, welche das Gesetz bestimmt, eine Entschädigungspflicht für Enteignungen und so auch jedenfalls für Eigentumsbeschränkungen nicht ableitbar und § 365 ABGB nicht Bestandteil der Verfassung geworden ist. Daraus folgt, daß eine Enteignung oder eine ihr gleichzuhaltende Eigentumsbeschränkung jedenfalls auch unter ausdrücklichem Ausschluß eines Anspruches auf eine Enteignungsentschädigung durch einfaches Gesetz erfolgen kann, wie dies auch mehrfach geschehen ist (vgl. Klang in Klang II/2 195, VfSlg.1123).

Bei der Prüfung der Frage, ob dann, wenn das die Enteignung oder die Eigentumsbeschränkung anordnende Gesetz - so wie das Atomsperrgesetz - zur Frage einer Entschädigung des oder der Betroffenen nichts bestimmt, ein Anspruch auf Enteignungsentschädigung aus anderen Gesetzen abgeleitet werden kann, ist zunächst darauf zu verweisen, daß Art.13 des Verwaltungsentlastungsgesetzes, BGBl.277/1925 (VEG), dessen Heranziehung die Antragstellerin bei ihrer Behauptung, es dürften "die konkretisierenden einfachgesetzlichen Regelungen des hier anwendbaren Eisenbahnenteignungsgesetzes" nicht vergessen werden, anscheinend für möglich hält, keine Grundlage für einen Anspruch auf eine Enteignungsentschädigung in solchen Fällen bilden kann. Art.13 VEG legt fest, daß dann, wenn Gesetze Enteignungen zulassen und nichts anderes anordnen, für das bei der Durchführung der Enteignung und bei der Festsetzung der Entschädigung zu beobachtende Verfahren sinngemäß die Bestimmungen des Eisenbahnenteignungsgesetzes anzuwenden sind. Diese Bestimmung betrifft somit nur die Frage des Verfahrens, die aber "gänzlich losgelöst" von der Frage ist, welche materiell-rechtliche Bedeutung dem Fehlen einer Bestimmung über eine Entschädigung zukommt; Art.13 VEG sagt somit über den Bestand eines Entschädigungsanspruches nichts aus (OGH vom 9.12.1975, 5 Ob 241/75, ÖRZ 1977, 239 f unter Hinweis auf VfSlg.2.431/1952). Das Rekursgericht hat - der Auffassung der Antragstellerin folgend - den Entschädigungsanspruch deswegen bejaht, weil es mangels einer Regelung im Atomsperrgesetz bei der Bestimmung des § 365 ABGB zu bleiben habe, wonach ein Mitglied des Staates dann, wenn es das allgemeine Beste erheischt, "gegen eine angemessene Schadloshaltung" selbst das vollständige Eigentum abtreten müsse. Zur Frage, ob dann, wenn das eine Enteignung bestimmende Gesetz zur Entschädigungsfrage nichts enthält, ein Anspruch auf eine Enteignungsentschädigung aus § 365 ABGB abgeleitet werden kann, hat Anderluh (JBl.1963, S 609) darauf verwiesen, daß im Art.5 des StGG, wonach eine Enteignung gegen den Willen des Eigentümers nur in den Fällen und in der Art eintreten kann, welche "das Gesetz" bestimmt, der Ausdruck "das Gesetz" nicht auf § 365 ABGB bezogen werden könne, weil es zur Zeit der Erlassung des StGG auch andere Gesetze, die Enteignungen vorsahen, als den § 365 ABGB gegeben habe (s. dazu auch VfSlg.1123) und dann, wenn als "das Gesetz" § 365 ABGB gemeint gewesen wäre, weitere besondere Enteignungsgesetze überflüssig gewesen wären. Art.5 StGG habe aber gerade den Zweck gehabt, Enteignungen nur mehr auf Grund (oder durch) besondere (2) Gesetze zuzulassen (VfGH E. vom 3.10.1980, B 206/75, JBl.1981, S 305 ff [309]). Es wäre aber dann, wenn sich ein Entschädigungsanspruch bereits aus § 365 ABGB ableiten ließe, auch überflüssig gewesen, in späteren Enteignungsgesetzen ausdrücklich einen Entschädigungsanspruch festzulegen. Dies ist jedoch zB. in den Verstaatlichungsgesetzen (§ 1 Abs.2, BGBl. Nr.168/1946 und § 2, BGBl. Nr.81/1947) dennoch geschehen, wobei der Entschädigungsanspruch nur grundsätzlich anerkannt, seine Regelung aber "besonderen Gesetzen" vorbehalten wurde. Es wurde somit keineswegs § 365 ABGB (im Zusammenhalt mit Art.13 VEG) als taugliche Grundlage für die Gewährung einer Entschädigung angesehen. Dem kann auch nicht entgegengehalten werden, daß diese Folgerung nicht berechtigt sei, weil bei Verneinung des § 365 ABGB als Grundlage eines allgemeinen Entschädigungsanspruches auch die erwähnte ausdrückliche Ablehnung eines solchen Anspruches in mehreren Gesetzen nicht erforderlich gewesen wäre. Der Entschädigungsanspruch wurde dort nämlich nicht schlechthin abgelehnt, sondern einer differenzierten Regelung unterworfen, die auch eine Verneinung des Anspruches bei Fehlen bestimmter Voraussetzungen enthielt. Zu bedenken ist auch, daß es sich bei Verstaatlichungsgesetzen um Enteignungen im eigentlichen (engeren) Sinn handelte, während das Atomsperrgesetz nur eine Eigentumsbeschränkung verfügt. Auf (bloße) Eigentumsbeschränkungen ist § 365 ABGB schon nach seinem Wortlaut nicht (unmittelbar) anwendbar ("...vollständiges Eigentum..."). Dafür aber, daß Enteignungen im engeren Sinn und (bloße) Eigentumsbeschränkungen nicht ohne weiteres gleichgestellt werden können, gibt Art.1 des

(1.) ZP zur MRK, BGBl. Nr.210/1958) einen Anhaltspunkt, da dort ausdrücklich Enteignungen im eigentlichen Sinn und Eigentumsbeschränkungen verschieden behandelt werden. Auch der Verfassungsgerichtshof hat - wie bereits angeführt - in seinem Erkenntnis G 46/82-15 unter Hinweis auf diese Bestimmung betont, daß bei bloßen Eigentumsbeschränkungen die besonderen, für eine Enteignung erforderlichen Voraussetzungen nicht verlangt werden können, weil sich die konkreten Handlungsanweisungen an den Enteignungsgesetzgeber ihrer Natur und Beschaffenheit nach nicht auf den Bereich der bloßen Eigentumsbeschränkungen anwenden lassen. Der Verfassungsgerichtshof hat auch darauf hingewiesen, daß aus der Verfassungsnorm des Art.5 StGG eine Entschädigungspflicht für Enteignungen und "so jedenfalls auch für Eigentumsbeschränkungen" nicht ableiten lasse. Der Verfassungsgerichtshof geht somit auch davon aus, daß Enteignungen und Eigentumsbeschränkungen nicht ohneweiters gleichgestellt werden und die strengeren Voraussetzungen und Folgen für erstere nicht in gleicher Weise auch auf letztere übertragen werden können. Es müßte daher auch dann, wenn man § 365 ABGB als eine allgemeine Grundlage für einen Entschädigungsanspruch bei Enteignungen ansähe, noch geprüft werden, ob und unter welchen Voraussetzungen diese Bestimmung auch bei bloßen Eigentumsbeschränkungen angewendet werden kann.

Nach Spielbüchler (in Rummel ABGB, Rdz 8 zu § 365) ist die Frage, ob und in welchem Umfang die Enteignung eine Entschädigungspflicht des Begünstigten auslöst, nicht mehr nach § 365 ABGB, sondern nach dem betreffenden Enteignungsgesetz zu beurteilen. Der Wegfall der Ermächtigung an die Verwaltung zur Enteignung (durch Art.5 StGG) habe auch die an ihren Gebrauch geknüpfte Rechtsfolge gegenstandslos gemacht. Dem Einwand der Antragstellerin, es sei durch Art.5 StGG eine Verbesserung der rechtlichen Position der Betroffenen angestrebt worden, sie aber nicht erreicht würde, wenn durch diese Bestimmung der generell gegebene Entschädigungsanspruch nach § 365 ABGB beseitigt sein sollte, muß entgegengehalten werden, daß diese Überlegung deswegen nicht zwingend ist, weil sie nicht auf den Vorteil des Betroffenen im gesamten, nämlich die verfassungsmäßige Garantie, daß Enteignungen nicht mehr nach dem Ermessen der Verwaltung - wie dies § 365 ABGB dem System des Polizeistaates entsprechend vorsah, sondern dem Rechtsstaatsgedanken entsprechend nur in den vom Gesetzgeber bestimmten Fällen und in der von ihm bestimmten Weise erfolgen dürfen (s. dazu auch VfSlg 1123), abgestellt ist, sondern einen einzelnen Aspekt davon loslöst.

Der Oberste Gerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 22.11.1961, 3 Ob 500/60 (EvBl.1962/55 = JBl.1962 260) ausgesprochen, daß dem Enteigneten bei einer Enteignung, die das Gesetz selbst verfügt, ein Entschädigungsanspruch nur dann zusteht, wenn dieses oder ein besonderes Gesetz eine Entschädigungspflicht ausspricht. Da dies im dort anzuwenden gewesenen Gesetz (Art.23 des Staatsvertrages) nicht geschehen sei, bestehe der Entschädigungsanspruch nicht. Der Oberste Gerichtshof bezog sich - allerdings nur zur Bekräftigung seiner allgemein ausgesprochenen Rechtsansicht - für den damals zu entscheidenden Fall auch noch auf die amtlichen Erläuterungen zu dieser Gesetzesstelle, wonach erst nach einer Klarstellung der durch den Verzicht getroffenen Forderungskategorien sich beurteilen lassen werde, inwieweit österreichische Staatsangehörige zu entschädigen sein werden. Der Oberste Gerichtshof wies ausdrücklich darauf hin, daß § 365 ABGB nicht hindere, daß ein späteres Gesetz eine Enteignung ohne Entschädigung zulasse.

Der in dieser Entscheidung für den Fall einer Enteignung im engeren Sinn vertretenen Auffassung ist - hier für den Fall, daß die durch das Atomsperrgesetz verfügte Eignungsbeschränkung in ihrer Wirkung und ihren Folgen einer Enteignung gleichzusetzen wäre - jedenfalls so weit zu folgen, daß bei Fehlen einer Bestimmung über eine Entschädigung im die Enteignung verfügenden Gesetz diese (oder die Eigentumsbeschränkung) entschädigungslos hinzunehmen ist, wenn dies dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers entspricht. Dieser Wille des Gesetzgebers kann aber nicht nur wie im Fall der Entscheidung 3 Ob 500/60, der im übrigen ein durchaus dem vorliegenden Fall entsprechender Sachverhalt zugrunde lag, den amtlichen Erläuterungen des Gesetzesantrages entnommen, sondern auch aus der Entstehungsgeschichte, dem Anlaß und dem erkennbaren Zweck des Gesetzes ermittelt werden; auch daraus kann festgestellt werden, ob das Schweigen des Gesetzgebers zu der Entschädigungsfrage die Bedeutung hat, daß er diesen Anspruch bewußt nicht gewähren wollte oder ob eine planwidrige Lücke vorliegt, die nach den anerkannten Auslegungsgrundsätzen (siehe Koziol-Welser, Grundriß des bürgerlichen Rechtes I 7 24 ff) zu füllen wäre.

Zum Anlaß und zum Grund der Erlassung des Atomsperrgesetzes ist davon auszugehen, daß nach dem Bericht des Handelsausschusses (1134 BlgNR 14.GP) mit diesem Gesetz dem Ergebnis der Volksabstimmung vom 5.11.1978, das ohne Zweifel als "Auftrag zur Nichtinbetriebnahme des Kernkraftwerkes Zwentendorf zu werten" sei, Rechnung getragen wurde. Die Volksabstimmung erfolgte gemäß BGBl. Nr.628/1978 über den Gesetzesbeschluß des Nationalrates vom 7.7.1978, betreffend das Bundesgesetz vom 7.7.1978 über die friedliche Nutzung der Kernenergie in Österreich (Inbetriebnahme des Kernkraftwerkes Zwentendorf). Der Zweck des Gesetzes war die Befriedigung des durch die Angst der Bevölkerung vor der Verwendung von Atomkraft im Megawattbereich ausgelösten Schutz- und Sicherheitsbedürfnisses der Allgemeinheit. Der Gesetzgeber beschloß zur Erreichung dieses Zieles ein Gesetz, das - wie auch der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis G 224/85-15 hervorhob - materiell nur die Antragstellerin, somit auf Grund der gesetzlich vorgegebenen Beteiligungsverhältnisse nur die öffentliche Hand treffen sollte und auch nur diese traf. Da die Antragstellerin die Elektrizitätswirtschaft insgesamt verkörpert und die innere Struktur der Elektrizitätswirtschaft nicht das Ergebnis einer mehr oder minder zufälligen Beteiligung von Gebietskörperschaften am allgemeinen Wirtschaftsleben, sondern die Folge einer eingehenden gesetzlichen Regelung mit dem Ziel ist, die Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe durch Zusammenwirken mehrerer Gebietskörperschaften sicherzustellen, und die Frage, ob - gegebenenfalls auf welche Weise und in welchem Ausmaß - ein finanzieller Ausgleich zwischen den Gebietskörperschaften erforderlich ist, unter Bedachtnahme auf die sonstigen Beziehungen sämtlicher Beteiligten innerhalb der Organisation der staatlichen Elektrizitätswirtschaft gelöst werden kann, kam der Verfassungsgerichtshof zum Ergebnis, daß der Gesetzgeber des Atomsperrgesetzes nicht gehalten gewesen sei, die wirtschaftliche Lage der Gebietskörperschaften durch Gewährung einer Entschädigung an die zunächst betroffene Gesellschaft in einem bestimmten Sinn zu gestalten. Dieselben Überlegungen führen aber auch zu dem Schluß, daß der Gesetzgeber bei Erlassung des Atomsperrgesetzes einen Entschädigungsanspruch der offensichtlich und erkennbar allein betroffenen Antragstellerin nicht festlegen wollte. Es ist dabei unwesentlich, ob der Gesetzgeber in der von ihm getroffenen Maßnahme eine einer Enteignung gleichzusetzenden Beschränkung des Eigentums der Antragstellerin sah oder nicht; jedenfalls ist seine Absicht erkennbar, daß die Antragstellerin diese Maßnahme ohne Anspruch auf eine Enteignungsentschädigung hinnehmen müsse. Insofern ist der Auffassung der Antragsgegnerin zu folgen, daß die durch das Atomsperrgesetz getroffene Regelung "abschließend" sei. Diese schon bei Erlassen des Atomsperrgesetzes aus den angeführten Gründen erkennbare Absicht wird durch das weitere Verhalten des Gesetzgebers bestätigt. Es wurde nämlich mit Bundesgesetz vom 18.12.1979, betreffend die Sanierung der Ö*** E***-Aktiengesellschaft

(Verbundgesellschaft), BGBl. Nr.571, verfügt, daß die dem Bund als Hauptaktionär der T*** AG und der Ö***

D*** AG aus Aktienkapitalherabsetzungen bei diesen Gesellschaften zufließenden Beträge zur teilweisen Abdeckung des Bilanzverlustes der Verbundgesellschaft zu verwenden sind, der dieser auf Grund der Nichtinbetriebnahme des Kernkraftwerkes Zwentendorf erwächst. In der Begründung dieser gesetzlichen Maßnahme 62 BlgNR 14.GP wird darauf verwiesen, daß die Verbundgesellschaft mit 50 % der hier als Antragstellerin einschreitenden Gesellschaft beteiligt, vom Atomsperrgesetz am stärksten betroffen ist und der dadurch bewirkte Verlust das Eigenkapital der Verbundgesellschaft aufzehren und den Tatbestand der Überschuldung im Sinn des § 69 Abs.1 KO ergeben würde; daraus ergebe sich die Notwendigkeit, daß der Bund als Alleinaktionär der Verbundgesellschaft eine Sanierung der Verbundgesellschaft vornehme.

Diese Vorgangsweise war nur dann sinnvoll, wenn der Gesetzgeber davon ausging, daß ein Entschädigungsanspruch der Antragstellerin weder nach dem Atomsperrgesetz, noch nach einer anderen gesetzlichen Bestimmung bestand. Ob es sich bei dieser Maßnahme um eine Entschädigung oder - wie die Antragstellerin meint - bloß um eine "bilanztechnische Operation zur Vermeidung der Konkursreife der Verbundgesellschaft" handelte, ist nicht wesentlich. Maßgeblich ist, daß das Gesetz eine Regelung, wie weit und in welcher Form die durch das Atomsperrgesetz eingetretenen Nachteile und Verluste beseitigt werden sollen, für notwendig erachtete und durch eine besondere Maßnahme, die den Nichtbestand eines Entschädigungsanspruches der Antragstellerin voraussetzte, auch traf. Damit wird auch die vom Verfassungsgerichtshof in seiner Entscheidung G 224/85-15 ausgesprochene Ansicht bestätigt, daß der finanzielle Ausgleich zwischen den Gebietskörperschaften, die an der Elektrizitätswirtschaft beteiligt sind, unter Bedachtnahme auf die sonstigen Beziehungen dieser Beteiligten innerhalb der Organisation der staatlichen Elektrizitätswirtschaft gelöst werden können und der Gesetzgeber des Atomsperrgesetzes nicht gehalten war, die wirtschaftliche Lage der Gebietskörperschaften durch Gewährung einer Entschädigung an die zunächst betroffene Gesellschaft in einem ganz bestimmten Sinne, nämlich durch eine Enteignungsentschädigung, zu gestalten.

Bei dieser Sachlage erübrigt sich auch eine Stellungnahme zu der insbesondere auch in der vom Rekursgericht angeführten Literatur erörterten Frage, wann eine Eigentumsbeschränkung wie eine Enteignung zu behandeln sei und unter welchen Voraussetzungen dabei eine Enteignungsentschädigung zustehe. Alle dabei für die Bejahung eines Entschädigungsanspruches angeführten Gesichtspunkte kommen im vorliegenden Fall schon wegen der dargestellten Besonderheiten nicht zum Tragen.

Da zu der hier zu entscheidenden Frage weder eine ständige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes vorliegt, von der die Entscheidung des erkennenden Senates abgeht, noch eine uneinheitliche Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur entscheidenden Frage besteht, liegen die Voraussetzungen für eine - von der Antragstellerin angeregte - Befassung eines verstärkten Senates mit dieser Frage nicht vor.

Es war vielmehr in Stattgebung des Revisionsrekurses die den Antrag der Antragstellerin auf Zuspruch einer Enteignungsentschädigung abweisende Entscheidung des Erstgerichtes wiederherzustellen.

Anmerkung

E09174

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0040OB00513.84.1014.000

Dokumentnummer

JJT_19861014_OGH0002_0040OB00513_8400000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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