TE OGH 1986/10/22 3Ob584/86

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Veröffentlicht am 22.10.1986
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Kinzel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Warta, Dr. Klinger und Mag. Engelmaier als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am 19. August 1985 verstorbenen Johann M***, Bäckermeister, zuletzt 1170 Wien, Seemüllergasse 36, infolge Rekurses der erbserklärten Verlassenschaft nach der am 5. November 1985 verstorbenen Johanna M***, Pensionistin, zuletzt 1170 Wien, Seemüllergasse 36, vertreten durch ihren erbserklärten Erben Erich S***, Polizeibeamter, 1210 Wien,

Kainachgasse 21-37/33/3/8, dieser vertreten durch Dr. Heinrich Wille, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichtes vom 10. April 1986, GZ 47 R 151,152/86-33, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Hernals vom 28. Jänner 1986, GZ 2 A 617/85-25, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Johann M*** starb am 19.8.1985 (ON 1).

In einem von ihm und drei Zeugen unterschriebenen maschinschriftlichen Testament vom 16. Juli 1985 setzte er seine Ehegattin, Johanna M***, zur Alleinerbin ein und bestellte Dr. Edgar Russy, öffentlicher Notar in Wien 17., zum Testamentsvollstrecker und Abhandlungspfleger (AS 11). Diese Testamentserbin gab im September 1985 aufgrund des erwähnten Testaments zum gesamten Nachlaß eine unbedingte Erbserklärung ab (ON 5), die mit Punkt 2 des erstgerichtlichen Beschlusses vom 24. September 1985 angenommen wurde. Im Punkt 3 dieses Beschlusses wurde der erbserklärten Erbin gemäß § 810 ABGB und § 145 AußStrG die Besorgung und Verwaltung der Verlassenschaft überlassen (ON 6).

Johanna M*** starb am 5. November 1985 (ON 24, AS 57 a). Am 15. November 1985 gaben Walter M*** und Gabriele D***-W*** aufgrund eines am 11. August 1985 vor den Zeugen Leopoldine A***, Ing. Otto A***, Günther B*** und Rudolf F*** errichteten mündlichen Testaments, in dem sie zu Nacherben Johanna M*** eingesetzt worden seien, je zum halben Nachlaß bedingte Erbserklärungen ab (ON 10). Gleichzeitig beantragten sie die Inventarisierung des gesamten Nachlasses (ON 10), die am 21. November 1985 unter Beteiligung u.a. eines Substituten des von Erich S*** bevollmächtigten Rechtsanwaltes Dr. Heinrich Wille durchgeführt wurde (ON 13).

Diesen Erbserklärungen ist ein vom Gerichtskommissar am 20. November 1985 kundgemachter, von Ing. Otto A***, Günther B*** und Rudolf F*** unterschriebener Gedächtnisvermerk vom 14. November 1985 angeschlossen. Danach erklärte Johann M*** am 11. August 1985 vor der Jagdhütte zu Loiwein wie schon oftmals in Anwesenheit der unterfertigten Personen und Leopoldine A*** letztwillig, daß falls wider Erwarten er vor seiner Frau ablebe, er seine Frau zur Alleinerbin einsetze, jedoch mit der Auflage, daß nach ihrem Tode sein gesamter Nachlaß an die Kinder seines Bruders Walter M*** überzugehen habe (Beil. B).

Am 27. November 1985 beantragten die Nacherben unter anderem, eine Tagsatzung nach § 125 AußStrG anzuberaumen (ON 16). Am 28. November 1985 beantragte Erich S***, zur Feststellung der Parteirollen in einem allfälligen Erbrechtsstreit die im oben genannten Schriftsatz Walter M*** und Gabriele D***-W*** genannten Testamentszeugen vor Gericht zu vernehmen (ON 17). Am 6. Dezember 1985 ersuchte auch der Vertreter der beiden Nacherben, infolge widersprüchlicher Erbserklärungen eine Tagsatzung zur Verteilung der Kläger- und Beklagtenrollen anzuberaumen (ON 17 c).

Am 9. Dezember 1985 beraumte das Erstgericht eine Tagsatzung zur Vernehmung der Testamentszeugen und Verteilung der Kläger- und Beklagtenrollen infolge Abgabe widersprechender Erbserklärungen für den 9. Jänner 1986 an (ON 19).

Mit Beschluß vom 16. Dezember 1985, ON 20, nahm das Erstgericht die von Walter M*** und Gabriele D***-W*** aufgrund des mündlichen Testaments vom 11. August 1985 je zur Hälfte des Nachlasses abgegebenen bedingten Erbserklärungen an (Punkt 2) und hob Punkt 3 seines Beschlusses vom 24. September 1985 ON 6, auf (Pkt. 3). Dieser Beschluß wurde den Vertretern aller erbserklärten Erben am 18. Dezember 1985 zugestellt und blieb unangefochten. In der Tagsatzung vom 9. Jänner 1986 wurde festgestellt, daß die Ladung des Testamentszeugen Rudolf F*** zurückgestellt wurde, weil er gestorben sei. Der Vertreter der Nacherben brachte vor, daß dieser Zeuge im Dezember 1985 gestorben sei. Der Vertreter Erich S*** beantragte die Beeidigung sämtlicher Zeugen. Daraufhin wurden die Zeugen Leopoldine A*** und Ing. Otto A*** beeidet vernommen. Zu Beginn der Vernehmung des Zeugen Günther B*** (richtig B***) behauptete der Vertreter Erich S*** eine Eidesunfähigkeit, weil dieser Zeuge seinerzeit wegen Betrugs rechtskräftig verurteilt worden sei. Deshalb könne er überhaupt nicht einvernommen werden. Günther B*** gab dazu an, vor etwa 23 Jahren vom Landesgericht für Strafsachen Wien wegen einer Transaktion in der früheren Firma rechtskräftig wegen Betrugs zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 18 Monaten verurteilt worden zu sein. Diese Verurteilung sei bereits getilgt. Dann wurde dieser Zeuge zur Sache vernommen, und zwar ohne Hinweis auf eine Beeidigung (ON 24).

In der ebenfalls beim Erstgericht anhängigen Verlassenschaftssache nach der am 5. November 1985 verstorbenen Johanna M*** wurde mit Beschluß vom 12. Februar 1986, 2 A 805/85, die vom erblasserischen Bruder Erich S***, geboren

11. Jänner 1941, Polizeibeamter, 1210 Wien, Kainachgasse 21-37/33/8, aufgrund des Testaments vom 28. August 1985 zum gesamten Nachlaß abgegebene unbedingte Erbserklärung angenommen (Pkt 1) und diesem Erben nach § 810 ABGB und § 145 AußStrG die Besorgung und Verwaltung des Nachlasses überlassen (Pkt. 2).

Mit Beschluß vom 28. Jänner 1986, ON 25, wies das Erstgericht

"zufolge der vorliegenden widersprechenden Erbserklärungen dem

Erbansprecher aufgrund des Gesetzes Erich S***... gemäß

§ 125 AußStrG die Klägerrolle im Erbrechtsstreit gegen die

Erbansprecher aufgrund des mündlichen Testaments vom 11. August 1985

Walter M*** und Gabriele D***-W*** ... zu, welchen die

Beklagtenstellung zukommt" (Pkt 1) und sprach aus, daß die Klageeinbringung binnen 3 Wochen nach Rechtskraft des Beschlusses dem Gericht nachzuweisen sei, widrigenfalls mit der Verlassenschaftsabhandlung ohne Berücksichtigung der auf den Rechtsweg verwiesenen Erbansprüche vorgegangen werde (Pkt 2). Das Erstgericht vermeinte, daß sich das Erbrecht Walter M*** und Gabriele D***-W*** aufgrund des mündlichen Testaments vom 11. August 1985 und das Erbrecht Erich S*** aufgrund des Gesetzes gegenüberstünden. Es stehe fest, daß Johann M*** am 11. August 1985 unter gleichzeitiger Anwesenheit der drei fähigen Zeugen Leopoldine A***, Ing. Otto A*** und Günther B*** (richtig: B***) mündlich ernstlich seinen letzten Willen erklärt habe. Dies sei durch übereinstimmende (eidliche) Aussagen dieser drei Zeugen vor Gericht bestätigt worden. Auch der letztgenannte Zeuge habe eidlich als Testamentszeuge vernommen werden können, da eine getilgte Verurteilung kein Eideshindernis darstelle. Nach § 126 Abs 1 AußStrG habe der, dessen Ansprüche nur auf der gesetzlichen Erbfolge beruhten, gegen den Erben aus einer in der gehörigen Form errichteten und hinsichtlich ihrer Echtheit unbestrittenen letzten Willenserklärung als Kläger aufzutreten. Für die Zuteilung der Klägerrolle sei daher der objektiv schwächere Titel maßgebend. Das Abhandlungsgericht habe nur zu prüfen, ob das Testament in gehöriger Form errichtet sei, worunter das Gesetz nur die Einhaltung der äußeren Form verstehe. Hier liege ein mündliches außergerichtliches Testament vor. Die Einhaltung der gehörigen Form sei schon dann anzunehmen, wenn dargetan werde, daß bei der letztwilligen Erklärung drei fähige Zeugen, die nicht nach den §§ 591 ff ABGB ausgeschlossen seien, gleichzeitig anwesend gewesen seien. Ob die Aussagen der drei Zeugen hinreichend übereinstimmten, um eine gültige letztwillige Verfügung annehmen zu können, berühre nicht mehr die äußere Form, sondern die Gültigkeit des Testaments. Den Testamentserben wäre nur dann die Klägerrolle gegen den gesetzlichen Erben zuzuteilen, wenn das Testament vor offenbar nicht fähigen Zeugen errichtet worden wäre. Aufgrund der Vernehmung der Testamentszeugen in der Tagsatzung vom 9. Jänner 1986 und des nach § 585 ABGB aus Gründen der Vorsicht gebotenen Gedächtnisvermerks vom 14. November 1985 ergäben sich hinsichtlich der von Johann M*** am 11. August 1985 abgegebenen mündlichen letztwilligen Verfügung keine objektiv begründeten Bedenken gegen die Formrichtigkeit und Echtheit des Testamentes. Dieses sei vor wenigstens drei (offenbar) fähigen Zeugen, die zugleich gegenwärtig und zu bestätigen fähig gewesen seien, daß in der Person des Erblassers kein Betrug oder Irrtum unterlaufen sei, errichtet worden. Das in gehöriger Form errichtete mündliche Testament stelle gegenüber dem gesetzlichen Erben den stärkeren Titel dar, weshalb diesem die Klägerrolle zuzuweisen gewesen sei.

Gegen diesen Beschluß erhob die Verlassenschaft nach Johanna M***, vertreten durch den erbserklärten Erben Erich S*** wegen Aktenwidrigkeit, unrichtiger rechtlicher Beurteilung und Mangelhaftigkeit des Verfahrens Rekurs mit den Anträgen, den angefochtenen Beschluß dahin abzuändern, daß Walter M*** und Gabriele D***-W*** die Klägerrolle, der Verlassenschaft nach Johanna M*** die Beklagtenrolle zugeteilt werde, allenfalls den angefochtenen Beschluß zwecks neuerlicher Entscheidung und Verfahrensergänzung aufzuheben, allenfalls die Frist zur Einbringung der Erbrechtsklage auf 3 Monate auszudehnen.

Mit Pkt 2 des Beschlusses vom 10. April 1986, ON 33, gab das Rekursgericht dem Rekurs der Verlassenschaft nach Johanna M*** Folge, hob den erstgerichtlichen Beschluß auf und trug dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf.

Es ging - im Hinblick auf ON 20 Pkt 2 aktenwidrig - davon aus, daß die Erbserklärungen Walter M*** und Gabriele D***-W*** bisher nicht zu Gericht angenommen worden seien.

Erich S*** hätte die Klägerrolle nicht zugewiesen werden dürfen, weil er persönlich keine Erbansprüche auf den Nachlaß Johann M*** gestellt habe, sondern in dessen Abhandlungsverfahren nur die erbserklärte Verlassenschaft Johanna M*** vertrete. Diesbezüglich liege ein offensichtlicher Schreibfehler des Erstgerichts vor, der einer Berichtigung zugänglich sei. Deshalb liege auch eine Beschwer der Verlassenschaft nach Johanna M*** vor, die im angefochtenen Beschluß allerdings nicht unmittelbar genannt sei.

Das Erstgericht habe Erich S*** (gemeint die Verlassenschaft nach Johanna M***) unrichtig als Erbansprecher "aufgrund des Gesetzes" auf die Klägerrolle verwiesen, weil es sich bei der Verlassenschaft nach Johanna M*** um die aufgrund des schriftlichen Testaments vom 16. Juli 1985 erbserklärte Erbin handle. Daß Johann M*** bei der Errichtung des mündlichen Testaments den ernsten Testierwillen gehabt habe, ergebe sich aus den übereinstimmenden Aussagen der vernommenen Zeugen und sei vom Erstgericht auch festgestellt worden. In eine Würdigung der Zeugenaussagen über Inhalt und Gültigkeit des mündlichen Testaments habe sich das Abhandlungsgericht nicht einzulassen. Alle Rekursausführungen, daß Johann M*** am 11. August 1985 keine Veranlassung gehabt habe, eine Nacherbschaft zugunsten seines Neffen und seiner Nichte anzuordnen, bzw. daß eine solche Anordnung wegen seines vorangegangenen Verhaltens unglaubwürdig wäre, seien dem Erbrechtsstreit vorzubehalten.

Die behaupteten Unterschiede zwischen den Aussagen der Testamentszeugen und dem Gedächtnisprotokoll seien schon deshalb unbeachtlich, weil die Aufnahme eines solchen Gedächtnisprotokolls nicht zwingend vorgeschrieben sei und der Inhalt des mündlichen Testaments nur durch die Aussagen der Testamentszeugen dargetan werden könne, die nur dem Sinn nach übereinstimmen müßten. Im übrigen seien die aufgezeigten Unterschiede nur geringfügig und änderten nichts am Sinn der letztwilligen Verfügung, daß der Nachlaß nach dem Tod der Witwe dem Neffen und der Nichte des Erblassers zufallen solle. Da es sich bei den Zeugen um juristische Laien handle, komme dem Umstand, daß sie im Gedächtnisprotokoll im Zusammenhang mit der Nacherbschaft von einer "Auflage" geschrieben hätten, keine Bedeutung zu. Insbesondere könne daraus nicht abgeleitet werden, daß Johann M*** nur einen unverbindlichen Wunsch geäußert habe. Eine solche Deutung des Gedächtnisprotokolls stünde auch im krassen Widerspruch zu den Aussagen der Testamentszeugen. Das Erstgericht hätte den dritten noch lebenden Testamentszeugen, Günther B***, nicht nur unbeeidet vernehmen dürfen, weil kein Eideshindernis vorgelegen sei. Günther B*** habe erklärt, daß seine Verurteilung wegen Betrugs aufgrund geschäftlicher Transaktionen etwa 23 Jahre zurückliege und getilgt sei. Deshalb stelle diese Verurteilung kein Eideshindernis dar. Daß die Verurteilung wegen falscher Beweisaussage erfolgt wäre, sei nicht behauptet worden.

Das Erstgericht werde daher auch Günther B*** beeidet zu vernehmen und sodann neuerlich über die Verteilung der Parteienrollen zu entscheiden, dabei aber auf die richtige Parteienbezeichnung zu achten haben. Zuvor werde das Erstgericht über die Annahme der Erbserklärungen Walter M*** und Gabriele D***-W*** zu entscheiden haben. Nach § 125 AußStrG seien nämlich bei widersprechenden Erbserklärungen zunächst alle anzunehmen und erst dann die Parteienrollen für den Erbrechtsstreit zuzuweisen.

Gegen den Beschluß des Rekursgerichtes richtet sich der als Revisionsrekurs bezeichnete Rekurs der Verlassenschaft nach Johanna M*** wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, den bekämpften Beschluß zwar aufzuheben, die Sache aber unter Bindung an die Rechtsauffassungen des Obersten Gerichtshofes zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an die Untergerichte zurückzuverweisen.

Das Rechtsmittel ist zulässig, weil im Verfahren außer Streitsachen - falls nichts anderes angeordnet

ist - Aufhebungsbeschlüsse der zweiten Instanz ohne Rechtskraftvorbehalt angefochten werden können, und zwar auch dann, wenn der Rekurswerber nicht die Aufhebung des Beschlusses der ersten Instanz, sondern nur die dem Erstgericht erteilten Aufträge und Bindungen bekämpft (ständige Rechtsprechung, zuletzt EFSlg. 47.126 und 47.127).

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist jedoch nicht begründet.

Entgegen der aktenwidrigen Behauptung der Rekurswerberin wurden die von Walter M*** und Gabriele D***-W*** aufgrund des mündlichen Testaments vom 11. August 1985 abgegebenen bedingten Erbserklärungen vom Erstgericht bereits mit Beschluß vom 16.12.1985, ON 20, angenommen, so daß keine Rede davon sein kann, daß insbesondere die Tagsatzung vom 9. Jänner 1986 nichtig wäre und einschließlich der Vernehmung der Testamentszeugen neu durchgeführt werden müßte.

Wird dem Gericht bekannt, daß der Erblasser seinen letzten Willen mündlich erklärt habe, und liegt darüber ein gehörig verfaßter, von allen Zeugen eigenhändig gefertigter Aufsatz vor, so ist mit der Kundmachung desselben wie bei einem schriftlichen Testament vorzugehen (§ 65 Satz 1 AußStrG). Außer diesem Fall hat das Gericht sämtliche Zeugen von Amts wegen vorzuladen, jeden derselben allein, vorläufig ohne Beeidigung (§ 123 AußStrG) über seinen Namen und Stand, über sein Alter, dann über den Inhalt der letzten Willenserklärung und die Umstände, von denen die Gültigkeit derselben abhängt, sowie über Zeit und Ort der von dem Erblasser abgegebenen Erklärung zu vernehmen und das aufgenommene Protokoll kundzumachen (§ 65 Satz 2 AußStrG).

Verlangt aber eine Partei dem § 586 ABGB gemäß die eidliche Vernehmung der bei der Errichtung der mündlichen letztwilligen Anordnung zugzogenen Zeugen, so hat der Richter ohne vorläufiges rechtliches Verfahren den Bittsteller, die Zeugen, und wenn es ohne Gefahr am Verzuge geschehen kann, die übrigen Parteien, welche wegen des Erbrechtes zu dem Nachlasse bereits eingeschritten sind, vorzuladen, die Zeugen zu beeidigen, und sohin nach den Vorschriften der Prozeßordnung jeden derselben ohne Gegenwart der übrigen über die allgemeinen Fragestücke, über den errichteten letzten Willen und die oben (§ 65 AußStrG) erwähnten Umstände zu Protokoll zu vernehmen. Nötigenfalls kann den Zeugen dabei der über den letzten Willen bereits verfertigte Aufsatz vorgelesen werden. Auch steht den vorgeladenen Parteien frei, vor oder bei der Tagsatzung Fragen vorzuschlagen, welche der Richter, wenn sie zweckmäßig erscheinen, bei der Vernehmung der Zeugen zu berücksichtigen hat (§ 66 Abs 1 AußStrG).

Die auf diese Art erfolgte eidliche Bestätigung einer mündlichen letzten Willenserklärung hat nicht nur in Ansehung derjenigen, welche darum angesucht haben, oder sonst zur Vernehmung vorgeladen worden sind, sondern zwischen allen bei dem Nachlasse beteiligten Personen Beweiskraft. Es bleibt aber jedem Teil unbenommen, die Gültigkeit des abgelegten Zeugnisses oder der Anordnung durch den Beweis obwaltender bei der Vernehmung der Zeugen nicht vorgekommener Mängel oder entgegenstehender Umstände im rechtlichen Verfahren zu bestreiten (§ 67 AußStrG).

Daraus folgt für die Kundmachung der mündlichen Anordnung im vorliegenden Verfahren:

Da der als Gedächtnisvermerk vom 14. November 1985 bezeichnete Aufsatz über die mündliche letztwillige Anordnung nur von Ing. Otto A***, Günther B*** und Rudolf F***, nicht aber von

Leopoldine A*** eigenhändig gefertigt ist, hatte das Gericht nicht nach dem ersten, sondern nach dem zweiten Satz des § 65 AußStrG vorzugehen.

Die Rekurswerberin, die als erbserklärte Erbin Partei ist, durfte nach § 586 ABGB und § 66 Abs 1 AußStrG die eidliche Vernehmung der bei der Errichtung der mündlichen letztwilligen Anordnung zugezogenen Zeugen verlangen, weshalb das Gericht alle Zeugen, die eidlich vernommen werden können, auch zu beeidigen hat. Nach § 336 Abs 1 ZPO dürfen Zeugen nicht beeidet werden, die wegen einer falschen Beweisaussage verurteilt worden sind, oder zur Zeit ihrer Abhörung das 14. Lebensjahr noch nicht zurückgelegt haben, oder wegen mangelnder Verstandesreife oder wegen Verstandesschwäche von dem Wesen und der Bedeutung des Eides keine genügende Vorstellung haben.

Da mit der Tilgung einer Verurteilung nach § 1 Tilgungsgesetz 1972 alle nachteiligen Folgen, die kraft Gesetzes mit der Verurteilung verbunden sind, erlöschen, soweit sie nicht in dem Verlust besonderer auf Wahl, Verleihung oder Ernennung beruhender Rechte bestehen (Abs 2), der Verurteilte fortan als gerichtlich unbescholten gilt, soweit dem nicht eine andere noch ungetilgte Verurteilung entgegensteht, und nicht verpflichtet ist, die getilgte Verurteilung anzugeben (Abs 4) und eine getilgte Verurteilung weder in Strafregisterauskünfte und -bescheinigungen aufgenommen, noch darin auf irgendeine Art ersichtlich gemacht werden darf, stellt eine getilgte Verurteilung selbst wegen einer falschen Beweisaussage kein Eideshindernis dar.

Ob beim bisher nicht beeideten Zeugen Günther B*** ein Eideshindernis vorliegt, wird das Erstgericht im zu ergänzenden Verfahren unter Bedachtnahme auf die Grundsätze des § 2 Abs 1 und Abs 2 Z 5 und 6 AußStrG zu klären haben. Sollte kein Eideshindernis gegeben sein, wird es auch diesen Zeugen zu beeiden haben. Hinsichtlich der Zeugen Leopoldine und Ing. Otto A***, die bereits gemäß § 66 Abs 1 AußStrG beeidet vernommen wurden, war und ist eine nähere Klärung der Eidesfähigkeit nicht erforderlich, weil keine Hinweise auf ein Eideshindernis vorliegen.

Wenn der Zeuge Günther B*** nicht eidlich vernommen werden könnte, lägen bereits eidliche Aussagen zweier weiterer Zeugen über die mündliche letzte Anordnung vor. Die übereinstimmenden eidlichen Aussagen wenigstens zweier Zeugen würden dann für die Wirksamkeit der mündlichen Erklärung des letzten Willens ausreichen (§§ 586 und 601 ABGB).

Das Ergebnis des Verfahrens nach § 66 AußStrG ist nach § 67 l.c. dem Abhandlungsverfahren zugrunde zu legen. Die Gültigkeit des (abgelegten Zeugnisses und) des mündlichen Testaments kann aber mit der Erbrechtsklage bestritten werden (Rintelen, Grundriß des Verfahrens außer Streitsachen, 57; Dolinar, Österr. Außerstreitverfahrensrecht, AT 88). Das Vorgehen nach § 66 AußStrG soll offensichtlich auch die Meinungsbildung über die Chancen einer Erbrechtsklage ermöglichen und hat daher einer Entscheidung nach § 125 AußStrG vorauszugehen (EFSlg. 44.722).

Der Aufhebungsbeschluß der zweiten Instanz ist daher schon deshalb nötig, weil der Zeuge Günther B*** nicht beeidet wurde, obwohl nicht feststeht, daß bei ihm ein Eideshindernis vorliegt. Die erstgerichtliche Entscheidung mußte auch deshalb behoben werden, weil das Erstgericht darin nicht über die Verteilung der Parteienrollen im Erbrechtsstreit zwischen den in diesem Verlassenschaftsverfahren nach Johann M*** aufgetretenen Parteien, nämlich der aufgrund des schriftlichen Testaments vom 16. Juli 1985 erbserklärten Verlassenschaft nach Johanna M*** und den aufgrund des mündlichen Testaments vom 11. August 1985 erbserklärten Walter M*** und Gabriele D***-W***, sondern zwischen dem im Verlassenschaftsverfahren nach Johann M*** lediglich als Vertreter der erbserklärten Verlassenschaft nach Johanna M***, nicht aber als aufgrund des Gesetzes erbserklärter Erbansprecher aufgetretenen Erich S*** und den aufgrund des mündlichen Testaments erbserklärten Erbsansprechern entschieden hat.

Seine neue Entscheidung wird das Erstgericht gemäß den §§ 125 und 126 AußStrG nach Vernehmung der richtigen Parteien nach den in § 126 Abs 2 AußStrG niedergelegten Grundsätzen zu treffen haben, also denjenigen der streitenden Erben zur Überreichung der Klage anzuweisen haben, der, um sein Erbrecht geltend machen zu können, den stärkeren Erbrechtstitel seines Gegners vorerst entkräften muß. Stützen sich die Erbansprecher - wie im vorliegenden Fall - auf verschiedene Testamente, dann ist die Klägerrolle nach ständiger Rechtsprechung in der Regel dem zuzuteilen, der sich auf das ältere Testament beruft, auch wenn das jüngere ein (äußerlich formgerechtes) mündliches ist. Dies gilt auch dann, wenn die sich auf das jüngere Testament berufenden Erbansprecher darin als Nacherben eingesetzt erscheinen (JBl 1978,36 = NZ 1980, 5, worin zutreffend darauf hingewiesen ist, daß es in den im EvBl 1958/371 und EvBl 1969/268 = SZ 42/22 veröffentlichten Entscheidungen, in denen die Klägerrolle im Erbrechtsstreit zwischen Vor- und Nacherben den Nacherben zugewiesen wurde, nicht um einander (teilweise) widersprechende Testamente, sondern um die Auslegung eines einzigen Testaments ging.

Ob der Erblasser ernstlich seinen letzten Willen erklärt oder nur einen unverbindlichen Wunsch geäußert hat, und ob die Zeugen mit Wissen und Willen Testamentszeugen waren, betrifft den erst im Erbrechtsstreit zu klärenden Inhalt, nicht die schon bei der Verteilung der Parteienrollen im Verlassenschaftsverfahren zu klärende äußere Form des mündlichen Testaments (NZ 1984, 178, 1961, 182; SZ 26/161 u.a.).

Nicht jeder Widerspruch zwischen den Zeugenaussagen begründet einen schon bei der Verteilung der Parteienrollen zu berücksichtigenden Mangel der äußeren Form des Testaments. Es muß sich vielmehr um Widersprüche in wesentlichen Punkten der Erbseinsetzung handeln, wenn sich auch durch Auslegung der Aussagen nach dem im Verlassenschaftsverfahren hiefür allein maßgebenden Inhalt des Protokolls über die eidliche Vernehmung nicht ohne weiters die Übereinstimmung ergibt (Welser in Rummel, ABGB, RZ 6 zu §§ 585 und 586; EFSlg. 47.350; SZ 47/129, 359 ua).

Dem Rekurs ist daher nicht Folge zu geben.

Anmerkung

E09337

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0030OB00584.86.1022.000

Dokumentnummer

JJT_19861022_OGH0002_0030OB00584_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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