TE OGH 1986/10/23 6Ob659/86

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Veröffentlicht am 23.10.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch, Dr. Schobel, Dr. Schlosser und Mag. Engelmaier als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Herbert Josef D***, Arbeiter, Schottwien 39, vertreten durch Dr. Johann Mayerhofer, Rechtsanwalt in Wiener Neustadt, wider die beklagte Partei Angelica D***, geborene M***, im Haushalt, Hamrun, 25 B Duke of York Street, Republik Malta, vertreten durch Dr. Martin Hahn, Rechtsanwalt in Wiener Neustadt, wegen Ehescheidung, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 13. Juni 1986, GZ 13 R 100/86-50, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Kreisgerichtes Wiener Neustadt vom 30. Januar 1986, GZ 2 Cg 92/82-46, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht stattgegeben.

Die Beklagte ist schuldig, dem Kläger die mit 3.397,35 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten an Umsatzsteuer 308,85 S) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Streitteile haben am 15. April 1979 in Hamrun auf Malta die Ehe geschlossen. Der Mann stand damals vor der Vollendung des 30. Lebensjahres, die Ehefrau hatte ihr 34. Lebensjahr bereits vollendet. Die aus Malta stammende Frau und der in Niederösterreich beheimatete und dort auch unselbständig beschäftigte Mann begründeten ihren ehelichen Haushalt im niederösterreichischen Heimatort des Mannes. Noch ehe sich die Frau in der ihr fremden Umwelt einzuleben vermochte, mußte sie sich im September 1979 einer Unterleibsoperation unterziehen. Aus Anlaß dieses vierwöchigen Spitalsaufenthaltes kamen die Eltern der Ehefrau aus Malta, um ihre Tochter zu besuchen. Nach der Spitalsentlassung kam es zwischen der Ehefrau und ihrer Schwiegermutter einerseits sowie zwischen dem Ehemann und seinen auf Besuch in der Ehewohnung weilenden Schwiegereltern zu Streit. Der Ehefrau war ärztlicherseits ein Erholungsaufenthalt zur Wiederherstellung nach ihrer Operation angeraten worden. Der Mann war damit einverstanden, daß die Frau zu diesem Zweck mit ihren Eltern nach Malta fahre. Nach den aufgetretenen Streitigkeiten reiste die Frau mit ihren Eltern in ihre Heimat ab, ohne ihren Mann davon zu unterrichten. Dieser hatte während des Besuches seiner Schwiegereltern bei seiner Mutter gewohnt und durch eine Wohnungsnachbarin von der Abreise seiner Frau und seiner Schwiegereltern erfahren. Als er seine Wohnung aufsuchte, stellte er das Fehlen von Hausrat und anderen Gegenständen fest.

Schon am 19. Oktober 1979, kurze Zeit nach der Abreise seiner Frau nach Malta, brachte er eine anwaltlich verfaßte Ehescheidungsklage ein. Diese Klage hat er allerdings in der Folge am 10. Oktober 1980 mit Zustimmung der Beklagten ohne Anspruchsverzicht zurückgenommen. Die Ehefrau versuchte wiederholt, ihren Mann auf dem Fernsprechwege zu erreichen. Sie schrieb ihm auch mehrmals. Der Mann beantwortete kein Schreiben, er weigerte sich, telefonisch mit seiner Frau zu sprechen. So blieben auch die Versuche der Frau vergebens, über den Pfarrer der Heimatgemeinde des Mannes oder durch Ferngespräche am Arbeitsplatz mit ihrem Mann Kontakt aufzunehmen. Die Frau lebte bei ihren Eltern auf Malta, der Mann leistete keine Unterhaltszahlungen.

Im April 1981 kam die Ehefrau in Begleitung ihres Vaters ohne Vorankündigung nach Österreich. Nach mehrmaligen Weigerungen des Mannes, mit seiner Frau und ihrem Vater zusammenzutreffen, kam es in der Kanzlei des vom Mann betrauten Rechtsanwaltes zu einer Aussprache. Die Frau erklärte, die eheliche Gemeinschaft mit ihrem Mann in Österreich wieder aufnehmen zu wollen, der Mann lehnte dies rundweg ab. Die Frau kehrte danach mit ihrem Vater wieder nach Malta zurück.

Nachdem die Frau gegen den Mann eine Unterhaltsklage eingebracht hatte, erhob dieser im Februar 1982 neuerlich ein auf § 49 EheG gestütztes Scheidungsbegehren. In der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 31. Januar 1983 stützte er sein Scheidungsbegehren im Hinblick auf eine seit Oktober 1979 aufgehobene und nicht wieder aufgenommene eheliche Gemeinschaft auch auf § 55 Abs 1 EheG. Die Beklagte behauptete einen nach mehrtägigem Bemühen gescheiterten Versuch der Wiederaufnahme der ehelichen Gemeinschaft im April 1981 und folgerte daraus, daß die Frist nach § 55 Abs 1 EheG erst ab diesem Zeitpunkt zu berechnen wäre; im übrigen bestritt sie jedes Verschulden an der Ehezerrüttung, widersprach dem Scheidungsbegehren und führte dazu im besonderen aus, daß nach dem Heimatrecht ihres Staates die Ehe unauflöslich sei; hilfsweise stellte sie einen Antrag, das Verschulden des Mannes an der Zerrüttung der Ehe festzustellen. In der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 14. Januar 1986 erklärte der Kläger, er stelle nunmehr das Scheidungsbegehren auf den Scheidungsgrund nach § 55 Abs3 EheG um. Die Beklagte erachtete diese Umstellung des Begehrens als verspätet, hielt ihr Sachvorbringen aufrecht und wiederholte insbesondere ihren im Sinne des § 61 Abs3 EheG gestellten Antrag.

Das Prozeßgericht erster Instanz schloß in der Tagsatzung vom 14. Januar 1986 seine Verhandlung und behielt die Entscheidung der schriftlichen Ausfertigung vor. Mit dem Urteil vom 30. Januar 1986 sprach es in Stattgebung des gemäß § 55 Abs3 EheG gestellten Scheidungsbegehrens sowie des von der Beklagten gestellten Antrages nach § 61 Abs3 EheG aus, daß die Ehe geschieden werde und das Verschulden an der Zerrüttung der Ehe den Kläger treffe. Dabei folgerte das Erstgericht aus dem unmittelbar nach der - vorher vom Kläger gebilligten - Abreise der Beklagten Mitte Oktober 1979 erhobenen Scheidungsklage, daß der Kläger offenbar die Eheschließung als einen Irrtum angesehen habe, bei ihm keine Absicht mehr bestanden habe, die Ehe mit der Beklagten weiterzuführen, sondern er die Ehe möglichst rasch habe beenden wollen. In rechtlicher Beurteilung ging das Erstgericht daher davon aus, daß im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung Ende Januar 1986 die häusliche Gemeinschaft der Streitteile seit mehr als sechs Jahren aufgehoben gewesen und damit der Scheidungstatbestand nach § 55 Abs3 EheG erfüllt sei.

Der Kläger ließ das Urteil erster Instanz unangefochten. Die Beklagte rügte in ihrer Berufung unter anderem als Mangelhaftigkeit des Verfahrens, daß im Hinblick auf die im Jahre 1981 erfolgte Rücknahme der im Oktober 1979 erhobenen Scheidungsklage nicht konkret festgestellt worden sei, wann der Kläger seinen endgültigen Entschluß zur Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft mit der aus Rekonvaleszenzgründen in ihre Heimat gefahrenen Beklagten gefaßt habe. Alss nichtigkeitsbegründenden Verfahrensverstoß machte die Beklagte in ihrer Berufung geltend, daß das Erstgericht aus den Prozeßakten über das im Oktober 1979 eingeleitete Scheidungsverfahren streiterhebliche Feststellungen getroffen habe, diese Akten jedoch im anhängigen Rechtsstreit nicht verlesen und erörtert worden seien.

Das Berufungsgericht wertete das gerügte Unterbleiben der Verlesung und Erörterung der Vorakten weder als Nichtigkeit noch als einen sonstigen, für die Entscheidung des auf einen anderen Rechtsgrund gestützten Scheidungsbegehrens erheblichen Verfahrensmangel. Es billigte im übrigen die erstrichterliche Beweiswürdigung. Es trat ausdrücklich der aus der Erhebung der Scheidungsklage am 19. Oktober 1979 gezogenen Schlußfolgerung bei, daß darin eine an Klarheit nicht zu überbietende Äußerung der Absicht des Mannes zu erkennen sei, die eheliche Gemeinschaft mit der Beklagten nicht fortsetzen zu wollen. Das Berufungsgericht verwarf daher die Berufung, soweit sie auf den Anfechtungsgrund der Nichtigkeit gegründet war, und gab dem Rechtsmittel im übrigen nicht statt.

Die Klägerin ficht dieses Berufungsurteil wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache mit einem auf Abweisung des Scheidungsbegehrens zielenden Abänderungsantrag und einem hilfsweise gestellten Aufhebungsantrag an.

Der Kläger strebt die Bestätigung der angefochtenen Entscheidung an.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Zum Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wiederholt die Rechtsmittelwerberin ihren bereits im Berufungsverfahren vergeblich geltend gemachten Vorwurf, daß im Verfahren erster Instanz die Akten über das vorangegangene Scheidungsverfahren nicht verlesen und erörtert worden seien. Sie versucht darzulegen, daß aus dem Inhalt dieser Akten konkrete Anhaltspunkte hätten gewonnen werden können, aus denen auf einen noch im Jahre 1980 aufrechten Ehewillen des Scheidungsklägers geschlossen werden müßte.

Die mündliche Streitverhandlung erster Instanz ist nach dem 31. Dezember 1983 geschlossen worden. Auf das Scheidungsverfahren finden daher (Art.X Z 4) die durch das Bundesgesetz vom 11. November 1983 über Änderungen des Personen-, Ehe- und Kindschaftsrechtes, BGBl. Nr.566, neu gefaßten Bestimmungen Anwendung. Nach diesen Regelungen (§ 460 ZPO) gilt nur noch im Verfahren über die Nichtigerklärung oder die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens der Ehe, nicht aber auch im Rechtsstreit über ein Scheidungsbegehren, das Gebot, daß das Gericht von Amts wegen für die Aufklärung aller für die Entscheidung erheblichen Tatumstände zu sorgen habe. Im Ehescheidungsstreit gelten daher für das Berufungsverfahren in Ansehung der Stoffsammlung keine vom allgemeinen Zivilprozeß abweichenden Bestimmungen. Im allgemeinen Zivilprozeß können aber nach einem Größenschluß angebliche Verfahrensmängel, deren Vorliegen bereits vom Berufungsgericht verneint wurden, nicht mit Erfolg als Revisionsgrund geltend gemacht werden, weil sogar die berufungsgerichtliche Nichtannahme eines mit Nichtigkeit bedrohten Verfahrensverstoßes nicht weiter überprüfbar ist (die Entscheidung über das Vorliegen einer Nichtigkeit hat gemäß § 473 Abs 1 ZPO mit Beschluß zu erfolgen und derartige Beschlüsse des Berufungsgerichtes sind nicht in der Aufzählung des § 519 Abs 1 ZPO enthalten). Die Ausführungen über die Unterlassung der Verlesung und Erörterung der Akten über das vorangegangene Scheidungsverfahren stellen daher keine taugliche Ausführung des Revisionsgrundes nach § 503 Abs 1 Z 2 ZPO dar. Im übrigen enthalten die Revisionsausführungen nur Argumente zu der im Revisionsverfahren nicht mehr nachprüfbaren Beweiswürdigung.

Ist also ein aus Tatumständen ohne Verstoß gegen die Denkgesetze bereits für Mitte Oktober 1979 erschlossener Mangel im Willen des Klägers zugrundezulegen, die eheliche Gemeinschaft mit der Beklagten fortsetzen zu wollen, dann gehen auch die Ausführungen zum Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung der Sache ins Leere, weil sie auf urteilsfremden Tatumständen aufbauen. Der Revision mußte aus diesen Erwägungen ein Erfolg versagt bleiben.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO; die Regel des § 45 a Abs2 ZPO kommt einem Rechtsmittelwerber, dessen Prozeßgegner nach der genannten Bestimmung die Kostenersatzpflicht träfe, bei Erfolglosigkeit des Rechtsmittels nicht zustatten.

Anmerkung

E09378

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0060OB00659.86.1023.000

Dokumentnummer

JJT_19861023_OGH0002_0060OB00659_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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