TE OGH 1986/11/4 4Ob384/86

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Veröffentlicht am 04.11.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Präsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurzinger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr. Friedl, Dr. Resch, Dr. Kuderna und Dr. Gamerith als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Verein "V*** V*** Ö***" (VVÖ) Interessenvertretung der Videothekare, Wien 7., Neubaugasse 51, vertreten durch Dr. Anton Pokorny, Dr. Franz Withoff und Dr. Stefan Petrofsky, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei I*** F*** OF P*** AND V*** P***

(I***), Landesgruppe Österreich, Wien 1., Johannesgasse 4/6, vertreten durch Dr. Heidelinde Blum, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren S 320.000,--) infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgerichtes vom 18. August 1986, GZ. 1 R 146/86-7, womit der Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 30. Juni 1986, GZ. 38 Cg 359/86-2, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß der Beschluß des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Der Kläger ist schuldig, der Beklagten die mit S 9.141,-- (darin S 831,-- Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung ON 5 sowie die mit S 10.271,25 (darin S 933,75 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsrekurses ON 8 binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Begründung:

Zweck des klagenden Vereins ist die Wahrnehmung der beruflichen Interessen seiner Mitglieder, "insbesondere die Vertretung gemeinsamer Anliegen der Mitglieder im Bereich Video, die Betreuung der Videokaufleute in Urheberrechtsangelegenheiten sowie deren Beratung, um Vergehen (oft durch Informationsmangel) weitgehendst auszuschalten..."; er beabsichtigt die durch solche Verstöße entstehenden Schädigungen "insbesondere auch durch Geltendmachung des Unterlassungsanspruches nach § 14 UWG" zu verhindern (Beilage A). Die beklagte Vereinigung befaßt sich mit der Wahrnehmung der Interessen der Erzeuger von Ton- oder Bildtonträgern gegenüber anderen Interessengruppen; sie hat es sich zum Ziel gemacht, "gegen Raubkopien und zum Schutz der Videotheken gegen kriminelle Manipulationen im Zusammenhang mit dem Ausleihen von Videocassetten" vorzugehen. Sie verfolgt diesen Zweck (ua) dadurch, daß sie aufgrund einer Vereinbarung, deren Abschluß allen österreichischen Videotheken angeboten wird, während der Geschäftszeit der Vertragspartner Kontrollen aller Videobestände auf "Raubkopien" durchführt, wobei ihre Organe verschiedene Videobänder vorübergehend zur Überprüfung mitnehmen können. Eine mit "Aktion 'saubere Videotheken'" überschriebene Aussendung der Beklagten vom Februar 1984 (Beilage C), in welcher zum Abschluß derartiger Vereinbarungen aufgefordert wird, enthält ua. folgende Ankündigung: "Der Videothekar erhält einen deutlich erkennbaren Innenaufkleber sowie ein Zertifikat, welches ihn als von der I*** kontrollierte 'Saubere Videothek' gegenüber dem Kunden ausweist; gleichzeitig wird diese Einrichtung durch eine gezielte Werbekampagne in Fachzeitschriften und anderen Medien unterstützt werden".

Tatsächlich stellte die Beklagte ihren Mitgliedern und/oder präsumtiven Vertragspartnern Klebeetiketten zur Verfügung, welche zur Anbringung an den Eingangstüren oder in den Schaufenstern der betreffenden Videoshops bestimmt waren. Diese kreisrunden, in blauer Farbe gehaltenen Aufkleber mit einem Durchmesser von rund 15 cm wurden von der - durch auffällige Blockbuchstaben hervorgehobenen - Inschrift: "K*** V***" beherrscht.

Oberhalb davon hieß es: "Aktion 'Saubere Videothek' - wir wollen keine Raubkopien", während in der unteren Hälfte des Etiketts zu lesen war: "Dieses Geschäft gestattet Organen der I*** jederzeit die unangekündigte Überprüfung aller Videobestände - gilt nur 198". Am

Rand des kreisrunden Aufklebers war schließlich noch zu lesen:

"Internationaler Verband der Ton- und Bildtonträgerproduzenten, 1010 Wien, Johannesgasse 4, (0222) 52 77 00".

Zwei Videothekare in Zell am See und in Zwettl erklärten am 10.2. bzw. 12.2.1986, daß sie seit 1984 bzw. 1985 Verträge mit der Beklagten hätten und auch die erwähnten "I***"-Aufkleber auf ihrem Geschäftsportal führten, daß aber bisher bei ihnen noch keine Kontrolle durchgeführt worden sei (Beilagen E, F).

Mit der Behauptung, daß die Überlassung der mehrfach erwähnten Klebeetiketten an Videothekare, welche dann gar nicht überprüft würden, gegen § 2 UWG verstoße, beantragt der Kläger, zur Sicherung eines inhaltsgleichen Unterlassungsanspruches der Beklagten mit einstweiliger Verfügung zu untersagen, Aufkleber mit dem fettgedruckten Text "Kontrollierte Videothek" an Inhaber von Videotheken auszufolgen, wenn diese Videotheken tatsächlich nicht auf Raubkopien kontrolliert wurden.

Das Erstgericht wies diesen Sicherungsantrag ab. Die Beklagte habe den einzelnen Videothekaren zwar die Möglichkeit geboten, die ihnen übermittelten Etiketten an ihrem Geschäftsportal oder in ihrem Schaufenster zu befestigen; das Bescheinigungsverfahren habe jedoch keinen Anhaltspunkt dafür ergeben, daß sie ihre Vertragspartner in irgendeiner Weise dazu aufgefordert hätte, die Etiketten sogleich, also noch vor der ersten Kontrolle, anzubringen.

Das Rekursgericht erließ die einstweilige Verfügung und sprach aus, daß der Wert des von der Abänderung betroffenen Beschwerdegegenstandes S 300.000,-- übersteigt. Durch die Übersendung des beanstandeten Aufklebers habe die Beklagte Werbemaßnahmen ihrer (präsumtiven) Mitglieder oder Vertragspartner angeregt, gefördert oder zumindest ermöglicht, mit denen diese gegenüber den umworbenen Konsumenten mit der - nach dem Ergebnis des Bescheinigungsverfahrens objektiv unrichtigen - Tatsache werben konnten, sie seien bereits "auf Raubkopien kontrolliert" worden. Das angesprochene Publikum, welches diesen Hinweis als Güte- oder Qualitätssiegel verstehen und deshalb zu einem solchen Geschäftsmann besonderes Vertrauen fassen werde, sei auf diese Weise gröblich irregeführt worden. Daß die den Videothekaren übermittelten Klebeetiketten sofort und ohne Kontrolle verwendet werden konnten, ergebe sich aus dem Schreiben der Beklagten, aber auch aus der allgemeinen Lebenserfahrung. Die Beklagte habe damit rechnen müssen, daß ihre Aufkleber auch in irreführender Weise verwendet würden, und wäre deshalb verpflichtet gewesen, die von ihr angeschriebenen Videothekare entsprechend zu informieren. Durch das Unterlassen solcher Maßnahmen habe sie den unlauteren Wettbewerb jener Videothekare, die den Aufkleber auch schon vor der ersten Kontrolle anbrachten, geradezu veranlaßt, jedenfalls aber gefördert. Gegen den Beschluß des Rekursgerichtes richtet sich der Revisionsrekurs der Beklagten mit dem Antrag auf Wiederherstellung des Beschlusses der ersten Instanz.

Der Kläger beantragt, diesem Rechtsmittel nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist berechtigt.

Die Beklagte bezeichnet die angefochtene Entscheidung deshalb als verfehlt, weil sie durch entsprechende Vereinbarungen mit ihren Vertragspartnern jeder rechtswidrigen Verwendung der Klebeetiketten vorgebeugt habe; einzelne Mißbräuche, wie sie hier hervorgekommen seien, habe sie nicht zu verantworten. Auf dieses Vorbringen braucht aber schon deshalb nicht näher eingegangen zu werden, weil sich das Rechtmittel schon aus einem anderen - vom Obersten Gerichtshof bei Prüfung der rechtlichen Beurteilung des angefochtenen Beschlusses auch ohne entsprechendes Rechtsmittelvorbringen wahrzunehmenden (SZ 51/166; ÖBl. 1977, 43 uva; Fasching IV 385 vor §§ 514 ff ZPO Anm.16; ebenso Fasching, Lehrbuch 911 RN 1990) - Grund als berechtigt erweist:

Nach dem Vorbringen der Klage (und damit auch des Sicherungantrages) hat die Beklagte die beanstandeten Etiketten "ihren Mitgliedern und/oder Vertragspartnern" zur Verfügung gestellt; daß sie derartige Aufkleber auch solchen Personen überlassen hätte, mit denen sie (noch) in keinem Vertragsverhältnis stand, hat der Kläger nicht einmal behauptet. Alle jene Videothekare aber, die das Vertragsangebot der Beklagten angenommen und eine entsprechende Vereinbarung unterfertigt hatten, hatten der I*** damit die Befugnis eingeräumt, ihre Videobestände jederzeit und ohne vorherige Anmeldung auf Raubkopien zu kontrollieren und dabei gegebenenfalls auch einzelne Kassetten zur näheren Überprüfung an sich zu nehmen. Schon diese freiwillige Unterwerfung unter die laufende Kontrolle der Beklagten rechtfertigt aber nach Ansicht des erkennenden Senates die Bezeichnung "Kontrollierte Videothek", ohne daß es darauf ankäme, ob die Beklagte ihr Kontrollrecht in jedem Einzelfall tatsächlich schon einmal ausgeübt hat oder nicht. Wird überdies berücksichtigt, daß auch der beanstandete Aufkleber selbst den Begriff der "kontrollierten Videothek" - zwar in kleinerer, aber doch deutlich lesbarer Schrift - durch den Hinweis "Dieses Geschäft gestattet Organen der I*** jederzeit die unangekündigte Überprüfung aller Videobestände" erläutert, dann besteht entgegen der Meinung des Rekursgerichtes auch dort keine Gefahr einer Irreführung des angesprochenen Publikums, wo ein mit der Beklagten vertraglich verbundener Videothekar die beanstandete Klebeetikette schon vor der ersten Kontrolle an seinem Geschäftslokal angebracht hat. Dem berechtigten Revisionsrekurs der Beklagten war daher Folge zu geben und in Abänderung der angefochtenen Entscheidung der abweisende Beschluß des Erstgerichtes wiederherzustellen. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50, 52 ZPO iVm §§ 78, 402 Abs.2 EO.

Anmerkung

E09178

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0040OB00384.86.1104.000

Dokumentnummer

JJT_19861104_OGH0002_0040OB00384_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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