TE OGH 1986/11/6 6Ob653/86

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Veröffentlicht am 06.11.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch, Dr. Schobel, Dr. Klinger sowie Dr. Schlosser als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Inge P***, Hausfrau, Arzbergstraße 7 a I/15, 6410 Telfs, vertreten durch Dr. Paul Demetz, Rechtsanwalt in Imst, wider die beklagte Partei Othmar G***, Pensionist, Erzherzog Eugen-Straße 50, 6020 Innsbruck, vertreten durch Dr. Kurt Zangerl, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen S 500.000,- sowie Feststellung (Streitwert: S 50.000,-), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 17. Juni 1986, GZ. 1 R 134/86-14, womit das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 30. Dezember 1985, GZ. 5 Cg 232/85-9, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Das Urteil des Berufungsgerichtes wird im Ausspruch über den Zwischenantrag des Beklagten auf Feststellung, der zwischen den Streitteilen am 3.10.1984 abgeschlossene Kaufvertrag über die Liegenschaft EZ 1526 II KG Telfs werde aufgehoben, dahin abgeändert, daß das erstgerichtliche Urteil in diesem Umfang wieder hergestellt wird.

Darüber hinaus wird der Revision (im Ausspruch über das Klagebegehren) nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat der beklagten Partei die mit S 85.138,16 bestimmten Kosten des Verfahrens aller drei Instanzen (darin enthalten S 6.028,18 Umsatzsteuer und S 6.400,- Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Vertrag vom 3.10.1984 verkaufte die Klägerin dem Beklagten die Liegenschaft EZ 1526 II KG Telfs um den Preis von 1,5 Mill. S. Bei Unterfertigung zahlte der Beklagte den Teilbetrag von 1 Mill. S; der Rest sollte längstens binnen einer Woche nach der Einverleibung des Eigentums des Beklagten im Grundbuch bezahlt werden. Die Klägerin begehrte die Zahlung des Restkaufpreises von S 500.000,- samt Anhang und brachte hiezu vor, es seien alle Voraussetzungen für die Einverleibung erfüllt; lediglich die Unbedenklichkeitsbescheinigung sei noch nicht ausgestellt, weil der Beklagte die Grunderwerbssteuer noch nicht bezahlt habe. Da er diese Zahlung absichtlich hinauszögere, sei die Kaufpreisrestforderung bereits fällig.

Der Beklagte stellte einen Zwischenantrag auf Feststellung, der Kaufvertrag zwischen den Streitteilen werde aufgehoben, und wendete im übrigen vor allem ein, er habe die Liegenschaft um 1,2 Mill. S und die Einrichtung (laut Liste) um S 300.000,- gekauft. Eine Schätzung habe indessen ergeben, daß die Fahrnisse lediglich S 26.600,- wert seien. Die Klägerin habe entgegen der Vereinbarung zahlreiche Fahrnisse beim Auszug mitgenommen. Sie habe den Beklagten über Wert und Bestand der vorhandenen Fahrnisse in Irrtum geführt. Außerdem weise die Liegenschaft nicht, wie zugesagt, ein Flächenausmaß von über 400 m 2 , sondern nur ein solches von 303 m 2 auf. Für einen Zubau, der aus Garage, Wohnraum und WC bestehe, sei überdies keine baubehördliche Bewilligung erteilt worden; diese könne nachträglich nicht mehr erteilt werden, sodaß der Beklagte bei Abbruch oder Umwidmung den Wohnraum und das WC verliere. Diesen Mangel, der als wesentlich zu beurteilen sei, weil der Beklagte sonst das Haus nicht gekauft hätte, habe ihm die Klägerin absichtlich verschwiegen. Der Beklagte begehre deshalb die Aufhebung des Kaufvertrages wegen Irrtums bzw. aus dem Grunde der Gewährleistung. In Bezug auf die Einrichtung mache er Verkürzung über die Hälfte geltend. Hilfsweise wende er Preisminderung im Betrag von S 500.000,- zur Aufrechnung ein. Für den vorschriftswidrigen Zustand der Rauchfänge, die nicht brandhemmend ausgeführte Decke, die zu erneuernden Elektroinstallationen und die Herstellung einer Auffangwanne für den Öltank fordere er eine weitere Preisminderung von S 100.000,-.

Das Erstgericht wies den Zwischenantrag auf Feststellung ab, sprach aus, daß die eingeklagte Forderung mit S 500.000,- zu Recht und die eingewendete Gegenforderung nicht zu Recht bestehe, und gab dem Klagebegehren statt; es stellte fest:

Die Klägerin bot ihre etwa 300 m 2 große Liegenschaft, auf der ein kleines Einfamilienhaus errichtet ist, in einem Zeitungsinserat zum Preis von 1,5 Mill. S zum Verkauf an. Der Beklagte besichtigte das Haus am 1.10.1984 und verfaßte danach den handschriftlichen, von ihm und den Eheleuten P*** unterfertigten Vertrag (Beilage B) mit folgendem Inhalt:

"Wir, Siegfried und Inge P***, Telfs, Vinzenz

Gredler-Straße 29, verkaufen hiermit das in unserem Besitz befindliche Haus, Vinzenz Gredler-Straße 29, samt allem Zubehör und Einrichtung sowie Bad, wie heute vom Käufer besichtigt, zum Preis von S 1,500.000,-- an Herrn Othmar G***, Innsbruck, Erzherzog Eugen Straße 50. Die Bezahlung soll wie folgt erfolgen: S 1,000.000,-- bei Unterzeichnung des Kaufvertrages bei Dr. D***, Imst, die restlichen S 500.000,-- bei erfolgter Eintragung in das Grundbuch. Das Objekt ist in keiner Weise (Hypothek oder ähnliches) belastet."

Bei der Besichtigung fiel dem Beklagten ein Anbau auf, der an die Grundgrenze reichte und in dem ein Wohnraum, das WC und die Garage untergebracht waren. Ob für den Anbau eine Baubewilligung erteilt worden war, wurde bei den Verkaufsgesprächen nicht erörtert. Die Garage, für die 1970 eine Baubewilligung erwirkt worden war, wurde abweichend von derselben (Einzelgaragen mit Bastelraum) als Doppelgarage ausgeführt. Ohne baubehördliche Bewilligung errichtete hingegen die Klägerin in der Folge einen weiteren Zubau zwischen Garage und Wohnhaus, der als Wohnraum mit offenem Kamin und dem WC ausgestattet wurde. Über diesen Zubau fertigte der Ehegatte der Klägerin, Siegfried P***, eine Skizze an,

die - wahrheitsgemäß - den Wohnraum und die Abweichung in der Ausgestaltung der Garage auswies; diese Skizze wurde der Marktgemeinde Telfs übermittelt. Der Bürgermeister besichtigte im Zuge einer Amtshandlung vor zehn bis zwölf Jahren den Anbau und erhob in Anbetracht der sechs Kinder der Klägerin keine Einwände gegen diese Widmung. Am 3.10.1984 unterzeichneten die Streitteile die verbücherungsfähige Kaufvertragsurkunde (Beilage C), deren wesentliche Bestimmungen wie folgt lauten:

" V.

Die Übernahme und Übergabe der gegenständlichen Liegenschaft erfolgt längstens eine Woche nach Einverleibung des Eigentumsrechtes im Grundbuch zu Gunsten des Käufers und zwar derart, wie die Verkäuferin das Kaufobjekt selbst besessen und benützt hat oder hiezu berechtigt war. Die Verkäuferin leistet keine Gewähr für ein bestimmtes Flächenausmaß, Bau- oder Kulturzustand, wohl aber für die lastenfreie Übergabe.

VI.

Die Vertragsteile halten einvernehmlich fest, daß mit Verkauf der Liegenschaft eine Reihe von Einrichtungsgegenständen auf den Käufer übergehen. Diese sind in einer separaten Liste, die einen integrierenden Bestandteil dieses Vertrages bildet, ausdrücklich aufgezählt.

VII.

Der vorgenannte Kaufpreis von S 1,500.000,- setzt sich daher wie folgt zusammen:

Für die Liegenschaft samt Gebäude selbst:   S 1,200.000,--

für die Einrichtungsgegenstände laut Liste: S   300.000,--

zusammen daher                              S 1,500.000,--.

VIII.

Die Vertragsteile verzichten einverständlich, diesen Vertrag wegen allfälliger Verletzung über die Hälfte des wahren Wertes, Irrtum oder Zwanges anzufechten.

IX.

Änderungen und Ergänzungen dieses Vertrages bedürfen zu ihrer Gültigkeit der Schriftform.

X.

Mit der Errichtung und Verbücherung dieser Urkunde wird seitens der Verkäuferin Dr. Paul D***, Rechtsanwalt in Imst, bevollmächtigt und beauftragt.

XI.

Die Kosten der Errichtung dieses Vertrages, sowie sämtliche damit anfallenden Auslagen, Gebühren und Ausgaben aller Art, mit Ausnahme der Grunderwerbssteuer sowie der Eintragungsgebühr im Grundbuch, welche der Käufer alleine zu tragen hat, tragen die Vertragsparteien je zur Hälfte."

Die vom Beklagten besichtigten Einrichtungsgegenstände, deren Bestand und Wert nicht im einzelnen erörtert worden waren, wurden von den Streitteilen deshalb einverständlich mit S 300.000,-

bewertet, um die Grunderwerbssteuer möglichst gering zu halten. Nach Unterfertigung des Kaufvertrages (Beilage C) begannen die Eheleute P*** die rein persönlichen Fahrnisse aus dem Haus zu entfernen. Der Beklagte beanstandete die Verbringung eines Fernsehgerätes und eines Stereoturmes, worauf ihm die Eheleute P*** entgegneten, hiebei handle es sich um Eigentum ihres Sohnes. Bei der Übernahme des Hauses bemängelte der Beklagte lediglich einen Sprung in einer Tür und betrieb die Vorlage der Inventarliste. Über Verlangen des zuständigen Finanzamtes ließ der Beklagte die gekauften Fahrnisse schätzen; Ergebnis dieser Schätzung war ein Verkehrswert von insgesamt S 26.660,-. Am 11.12.1984 beantragte der Beklagte bei der Marktgemeinde Telfs die Erteilung der Baubewilligung für den Anbau, nachdem ihm von dort mitgeteilt worden war, für den Ausbau sei weder eine Baubewilligung noch eine Benützungsbewilligung erteilt worden. Im Zuge des hierüber angeordneten Ortsaugenscheines stellte die Baubehörde fest, daß die Garage planwidrig hergestellt worden und der zwischen Wohnhaus und Garage errichtete Wohnraum (einschließlich WC) zufolge § 7 der Tiroler Bauordnung (in der Folge: TBO) unstatthaft sei. Gleichzeitig wurde die Behebung nachstehender Mängel aufgetragen: Die Herstellung einer brandhemmenden Decke oberhalb der bewohnten Räume, die Erneuerung sämtlicher Rauchfänge, die Überprüfung und die den gesetzlichen Vorschriften entsprechende Adaption der gesamten Elektroinstallation und die Errichtung einer Auffangwanne, in die der Öltank zu stellen sei.

Rechtlich meinte das Erstgericht, der Beklagte habe auf die Anfechtung wegen Irrtums beziehungsweise Verkürzung über die Hälfte verzichtet. Im übrigen sei der Irrtum des Beklagten über die erteilte Benützungsbewilligung nicht von der Klägerin verschuldet worden. Ein Irrtum infolge unterlassener Aufklärung setze eine Aufklärungspflicht voraus, die den Grundsätzen des redlichen Verkehrs zufolge zu verneinen sei. Der Beklagte habe die baurechtswidrige Errichtung des Zubaues erkennen müssen und hätte diese durch entsprechende Anfrage an das Bauamt feststellen können. Der demnach offenkundige Mangel habe die Klägerin nicht zu einer besonderen Aufklärung verpflichtet. Auf die Verkürzung über die Hälfte könne sich der Beklagte schon deshalb nicht berufen, weil der Kaufvertrag als einheitliches Rechtsgeschäft zu beurteilen sei. Bei augenfälligen Mängeln könne der Erwerber nicht Wandlung begehren; die Vorschriften der Tiroler Bauordnung seien allgemein bekannt. Somit komme weder Irrtumsanfechtung noch Gewährleistung in Betracht. Das Berufungsgericht gab dem Zwischenantrag des Beklagten auf Feststellung statt, wies das Klagebegehren ab und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes auch in Bezug auf den Zwischenantrag S 300.000,- übersteige. Es stellte ergänzend fest, daß das Haus ein Wohnzimmer mit rund 15 m 2 , eine Küche mit rund 14 m 2 , ein Bad mit über 3 m 2 , eine Hausbar mit rund 12 m 2 , ein WC mit über 2 m 2 , einen Gang mit rund 6 m 2 und eine Mansarde mit rund 20 m 2 umfasse. Hausbar und WC befinden sich im nicht bewilligten Zubau.

In rechtlicher Hinsicht führte das Gericht zweiter Instanz aus, ein beträchtlicher Teil des Bauwerkes, nämlich etwa ein Fünftel des Wohnbereiches, sei mit dem Mangel fehlender Baubewilligung und Versagung der Benützungsbewilligung behaftet. Betroffen sei somit auch das einzige vorhandene WC. Das Fehlen der Baubewilligung für einen wesentlichen Teil des Bauwerkes sei ein schwerwiegender Rechtsmangel. Es müsse nämlich jederzeit mit einem Abbruchbescheid der Baubehörde, jedenfalls aber mit Maßnahmen zur Beseitigung der Eigenschaft des Wohnraumes samt dem WC aus dem Wohnbereich gerechnet werden. Zwar habe der Beklagte auf Gewährleistung in Ansehung von Flächenausmaß, Bauzustand und Kulturzustand verzichtet, ein Rechtsmangel sei indessen kein Baumangel. Der Mangel der nicht erteilten Baubewilligung für den Anbau sei nicht offenkundig, weil im Rechtsverkehr davon ausgegangen werden dürfe, daß ein zum Kauf angebotenes Gebäude ohne Rechtsmangel sei, seine Errichtung und seine Benützung daher ordnungsgemäß behördlich bewilligt seien. Eine Pflicht zur Prüfung in Richtung nicht augenfälliger Mängel bestehe nicht. Augenfällig bedeute, daß der Mangel leicht erkennbar sei. Das sei hier zu verneinen. Ein wesentlicher unbehebbarer Mangel berechtige den Käufer zur Vertragsaufhebung. Diese sei im vorliegenden Fall Gegenstand des Zwischenfeststellungsantrages, dessen Stattgebung die Rechtslage ex tunc gestalte. Zufolge Wegfalles des Kaufvertrages müsse der Beklagte den Restkaufpreis nicht mehr bezahlen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Klägerin ist im Ergebnis, aber nur, soweit sie sich auch gegen den Ausspruch des Berufungsgerichtes über den Zwischenfeststellungsantrag des Beklagten richtet, berechtigt. Der Beklagte ficht den Kaufvertrag einredeweise aus den Gründen des Irrtums, der Gewährleistung und - soweit der Vertrag den Kauf der Einrichtung zum Gegenstand hat - auch wegen Verkürzung über die Hälfte an. Im Punkt V. des Kaufvertrages ist allerdings festgehalten, daß die Übernahme der Liegenschaft derart erfolgt, wie sie die Klägerin "selbst besessen und benützt hat oder hiezu berechtigt war." Die Verkäuferin leiste keine Gewähr für ein bestimmtes Flächenausmaß bzw. einen bestimmten Bau- oder Kulturzustand, wohl aber für die lastenfreie Übergabe. Dieser zweite Satz der genannten Vertragsbestimmung kann nur als nähere Umschreibung des ersten Satzes aufgefaßt werden, sodaß sich der vereinbarte Gewährleistungsausschluß nur auf das Flächenausmaß bzw. Mängel im Bau- oder Kulturzustand erstreckt, nicht aber auch auf den vom Beklagten behaupteten Rechtsmangel konsenswidriger bzw. konsensloser Bauführung. Erstmals in der Revision beruft sich die Klägerin auch auf den ersten Satz dieser Vertragsbestimmung; sie zieht daraus zwar keine konkreten Schlüsse, der Hinweis könnte allerdings im Zusammenhang mit den übrigen Ausführungen dahin verstanden werden, daß hiemit auch die Gewährleistung für Mängel des öffentlichen Rechtes ausgeschlossen worden sei. Mit einer solchen Klausel hatte sich der Oberste Gerichtshof schon in der Entscheidung JBl 1960, 492 auseinanderzusetzen und dort auf den dieser Bestimmung innewohnenden Widerspruch hingewiesen: War die Liegenschaft so verkauft worden, wie sie die Verkäuferin tatsächlich benützte, kann sie nicht auch derart veräußert worden sein, wie sie sie zu benützen berechtigt war, da doch die tatsächliche Benützung ihre (hier öffentlich-rechtlichen) Befugnisse überschritt. Im übrigen müßte sich die Klägerin, sollte sie der Klausel auch den Ausschluß von Mängeln des öffentlichen Rechtes unterstellt haben, dann jedenfalls dem vom Beklagten erhobenen Vorwurf der Arglist (§ 928 ABGB) aussetzen lassen, hat sie doch nach den Feststellungen der Vorinstanzen den Beklagten über den konsenslosen bzw. -widrigen Zustand des Zubaues, in dem immerhin ein Wohnraum und das einzige WC untergebracht sind, nicht aufgeklärt (AS 54), obwohl sie die Haftung für diesen Mangel vertraglich ausschließen wollte. Soweit die Klägerin in ihrer Rechtsrüge auf Grund bestimmter Beweisergebnisse von den erstinstanzlichen Feststellungen abweichende Tatsachen unterstellt, bekämpft sie in Wahrheit nur die im gegenwärtigen Verfahrensstadium nicht mehr überprüfbare Beweiswürdigung; insoweit ist das Rechtsmittel nicht gesetzmäßig ausgeführt.

Ist aber davon auszugehen, daß die Klägerin für den Mangel des baurechtlichen Konsenses einzustehen hat, so hat das Berufungsgericht zu Recht den - zulässigerweise einredeweise (HS 7322/3; EvBl 1962/509; SZ 23/168; 6 Ob 623-626/81 u.a.; Gschnitzer in Klang 2 IV/1540; Ehrenzweig-Mayrhofer, Schuldrecht, Allgemeiner Teil 3 , 447) geltend gemachten - Wandlungsanspruch des Beklagten bejaht. Daß der Klägerin Arglist zur Last fiele, wenn sie den Beklagten zwar auf Gewährleistung wegen Rechtsmängel hätte verzichten lassen, ihm aber den ihr bekannten konsenslosen Zustand verschwiegen hätte, wurde bereits dargetan; dann wäre der Gewährleistungsausschluß jedenfalls unwirksam. Im übrigen sind Verzichtserklärungen im Zweifel restriktiv auszulegen (Reischauer in Rummel, ABGB, Rdz 2 zu § 929 mwN), sodaß der Ausschluß für Baumängel nicht auch auf Rechtsmängel erstreckt werden darf. Aus denselben Gründen muß auch der Versuch der Klägerin scheitern, den Ausschluß der Gewährleistung für ein bestimmtes Flächenausmaß (der Liegenschaft) auf den Wegfall von Wohnfläche infolge behördlich verfügten Abbruches des Zubaues auszudehnen.

Zweifellos ist der Mangel - im Hinblick auf den drohenden Abbruchauftrag der Baubehörde - als wesentlich zu beurteilen, betrifft er doch einen bedeutenden Anteil am Wohnraum einschließlich des WCs(!) in dem ohnedies sehr kleinen Haus. Fraglich könnte es lediglich sein, ob der Mangel behebbar ist. Das ist bei Rechtsmängeln des öffentlichen Rechtes dann anzunehmen, wenn die fehlende behördliche Bewilligung (hier Bau- bzw. Benützungsbewilligung bezüglich des Zubaues) nachgetragen werden könnte (Mayrhofer a.a.O. 433; Reischauer a.a.O. Rdz 1 zu § 932). Das ist - obgleich die Baubehörde noch keinen der Rechtskraft fähigen Bescheid erlassen hat (vgl. Beilage 2) - aber schon deshalb zu verneinen, weil der Mindestabstand von (Zu-)Bauten zur Grundgrenze (§ 7 Abs 1 TBO) nur bei baulichen Anlagen, die dem Schutz von Sachen, wie z.B. Kraftfahrzeuge, Werkzeuge, Gartengeräte und dergleichen, dienen (Abs 5 dieser Gesetzesstelle), unterschritten werden darf. Nun kann zwar, fehlt - wie hier - die Baubewilligung, gleichzeitig mit dem Verfahren zur Erteilung der Benützungsbewilligung ein Baubewilligungsverfahren abgeführt werden, doch sind dann sämtliche Bestimmungen für das Baubewilligungsverfahren anzuwenden (Hauer, Tiroler Bauordnung, § 43 Anm. 13). Wäre aber die Baubewilligung für den der Schaffung von Wohnraum dienenden Zubau von vornherein nicht zu erteilen gewesen, so kann sie auch nicht nachträglich erteilt werden. Ist eine nachträgliche Baubewilligung zu versagen, darf auch die Benützungsbewilligung nicht erteilt werden. Bei Versagen der Benützungsbewilligung ist der Abbruch anzuordnen (§§ 43 f. TBO). Daß ein Abbruchauftrag bisher - aus welchen Gründen immer - nicht erlassen wurde, ändert nichts an der Unbehebbarkeit des festgestellten Rechtsmangels.

Nach wie vor beharrt die Klägerin auf ihrem Standpunkt, der eingewendete Rechtsmangel sei augenfällig gewesen, so daß ein darauf gestützter Gewährleistungsanspruch schon gemäß § 928 ABGB entfallen müsse.

Augenfällig im Sinne dieser Gesetzesstelle ist ein Mangel dann,

wenn er bei gewöhnlicher Sorgfalt ohne weiteres erkannt werden kann

(Reischauer a.a.O. Rdz 1 zu § 928; HS 7326/11 u.a.). Keine Frage

kann es sein, daß dem juristischen Laien - wie es der Beklagte

war - die Unkenntnis der einschlägigen baurechtlichen Bestimmungen

nicht als grobe Fahrlässigkeit (vgl. Reischauer an derselben

Stelle) - und damit als Mißachtung eines augenfälligen Mangels - vorgeworfen werden kann, zumal er davon ausgehen durfte, daß die erforderlichen Bewilligungen öffentlichen Rechtes vorliegen (JBl 1960, 492).

Ist aber der festgestellte Rechtsmangel wesentlich und unbehebbar, nicht aber augenfällig und hat der Beklagte auf dessen Geltendmachung auch nicht wirksam verzichtet, so ist der Kaufvertrag in Entsprechung seiner Einrede zu wandeln. Die Klägerin kann aus dem aufgehobenen Kaufvertrag keine Ansprüche mehr ableiten, sodaß ihr Erfüllungsbegehren abzuweisen ist. Inwieweit der Beklagte trotz seines Verzichtes Irrtum oder wegen des einheitlichen Vertrages Verkürzung über die Hälfte geltend machen könnte, muß demnach nicht mehr geprüft werden.

Die Frage, ob der Zwischenfeststellungsantrag des Beklagten berechtigt ist, hat das Berufungsgericht in seinen Entscheidungsggründen nicht ausdrücklich erörtert. Nach herrschender Lehre und ständiger Rechtsprechung (Gschnitzer a.a.O. 540; Fasching, Zivilprozeßrecht, Rz 1111, SZ 50/85, SZ 47/138 u.a.) bedarf es zur Wandlung mangels Übereinkunft der Parteien eines gerichtlichen Erkenntnisses, das den Vertrag ex tunc aufhebt. Das Wandlungsbegehren ist demnach ein Gestaltungsbegehren. Solche Begehren sind aber nicht feststellungsfähig, weil das festzustellende Recht oder Rechtsverhältnis erst mit Rechtskraft des begehrten Urteiles herbeigeführt werden kann. Selbst wenn man aber mit einem Teil der Lehre (etwa Reischauer a.a.O. Rdz 1 zu § 933) außergerichtliche Gestaltung anerkennen wollte, müßte im vorliegenden Fall das von Amts wegen (Fasching a.a.O. Rz 1102) wahrzunehmende, auch beim Zwischenfeststellungsantrag zu fordernde (Fasching a.a.O. Rz 1079) Feststellungsinteresse verneint werden, weil der Beklagte seinen Rückforderungsanspruch, dessentwegen das präjudizielle Recht allein über den konkreten Rechtsstreit hinausreicht, bereits in Verbindung mit der Wandlungseinrede (ebenso wie das bei klageweiser Erhebung des Wandlungsanspruches möglich ist) mittels Widerklage geltend machen könnte (Fasching a.a.O. Rz 1101, 1299 f.). Mangels des gebotenen Feststellungsinteresses war das Ersturteil im Ausspruch über den Zwischenfeststellungsantrag des Beklagten daher wieder herzustellen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 43 Abs 1 und 50 ZPO; der Beklagte ist mit rund 90 % seiner Urteilsanträge durchgedrungen, sodaß ihm der Ersatz von 80 % seiner Kosten gebührt.

Anmerkung

E09843

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0060OB00653.86.1106.000

Dokumentnummer

JJT_19861106_OGH0002_0060OB00653_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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