TE OGH 1986/11/11 2Ob45/86

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Veröffentlicht am 11.11.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kralik, Dr.Melber, Dr.Huber und Dr.Egermann als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei P*** DER

G*** W***, Wiedner Hauptstraße 84-86, 1053 Wien,

vertreten durch Dr.Alfred Kasamas, Rechtsanwalt in Wien, wider die

beklagte Partei I*** U***- UND S***

A***, Wien 1., Tegetthoffstraße 7, vertreten durch

Dr.Johann Subarsky, Rechtsanwalt in Wien, wegen 74.395,50 S s.A. und Feststellung, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 12.März 1986, GZ 16 R 42/86-32, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 10.Jänner 1985, GZ 36 Cg 756/83-27, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei hat der klagenden Partei die mit 3.397,35 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 308,85 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die am 10. November 1905 geborene Katharina W***, die von der Klägerin eine Pension bezieht, erlitt am 20.Jänner 1981 bei einem von einem Versicherungsnehmer der Beklagten verschuldeten Verkehrsunfall schwere Verletzungen. Die Klägerin gewährte Katharina W*** ab 19.Mai 1981 einen Hilflosenzuschuß - der schon vorher bestehende Anspruch ruhte wegen des Krankenhausaufenthaltes - und zwar bezahlte sie aus diesem Titel bis Ende 1983 74.395,50 S. Katharina W*** erhielt in einem von ihr am 27.November 1981 eingeleiteten Direktprozeß, in welchem die nunmehrige Beklagte Drittbeklagte war, mit Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 23.September 1982 Pflegekosten von 32.150 S zugesprochen.

Die Klägerin begehrt auf Grund der Legalzession des § 190 GSVG (abgesehen von einem bereits rechtskräftig erledigten Feststellungsbegehren) Ersatz des Betrages von 74.395,50 S s.A. Die Beklagte wendete u.a. ein, sie habe auf Grund des Direktprozesses Leistungen an die Verletzte erbracht. Katharina W*** habe nicht darauf hingewiesen, daß sie einen Hilflosenzuschuß beziehe. Die Klägerin habe zwar mit Schreiben vom 16. März 1981 Regreßansprüche wegen Aufwendungen für die Krankenbehandlung angemeldet, habe die Leistung eines Hilflosenzuschusses aber nicht erwähnt.

Das Erstgericht erkannte im Sinne des Klagebegehrens. Es gelangte auf Grund von Feststellungen über die auf die Unfallsverletzungen zurückzuführenden Dauerfolgen zu dem Ergebnis, die Gewährung des Hilflosenzuschusses an Katharina W*** sei zu Recht erfolgt. Um die an die Verletzte erbrachten Leistungen erfolgreich einwenden zu können, hätte die Beklagte gutgläubig sein müssen. Diese habe auf Grund des Schreibens der Klägerin vom 16.März 1981 davon ausgehen müssen, daß Katharina W*** bei der Klägerin sozialversichert sei und hätte überdies auf Grund dieses Krankenbehandlungskosten betreffenden Regreßschreibens, weiters auf GPund des hohen Alters sowie der Ergebnisse des im Direktprozeß erstatteten Sachverständigengutachtens Erkundigungen darüber einziehen müssen, ob Katharina W*** ein Hilflosenzuschuß gewährt werde.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge und erklärte die Revision für zulässig. Das Gericht zweiter Instanz lehnte mit ausführlicher Begründung die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (VersR 1954, 88 und 1955, 92; ZVR 1956/61 und 1960/55) ab, der Schuldner brauche nicht noch einmal an den Sozialversicherungsträger leisten, wenn er ohne Kenntnis der Versicherung im guten Glauben an den Verletzten bezahlt habe, und gelangte zu dem Ergebnis, Leistungen des Schuldners an den Geschädigten auf Forderungen, die zufolge der Legalzession auf den Sozialversicherungsträger übergegangen seien, hätten (auch bei gutem Glauben) keine schuldbefreiende Wirkung. Überdies seien die Leistungen an die Verletzte nicht "im guten Glauben" im Sinne der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes erfolgt, denn schon nach dem Rubrum der Schadenersatzklage, in dem die Geschädigte als "Rentnerin" bezeichnet werde, dem Alter der Klägerin und dem Begehren nach Pflegekostenersatz hätte der beklagten Partei klar sein müssen, daß die Geschädigte vom persönlichen Geltungsbereich eines die Legalzession anordnenden Sozialversicherungsgesetzes erfaßt sei und ihre Forderung einer sachlich kongruenten Leistung des Sozialversicherungsträgers entsprechen könne. Die Revision sei zuzulassen gewesen, weil von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abgewichen worden sei.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die auf den Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte Revision der Beklagten, in der beantragt wird, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß das Klagebegehren (gemeint offensichtlich das Leistungsbegehren) abgewiesen werde. Die Klägerin beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Die Beklagte führt in der Revision einerseits aus, die bisherige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, der gutgläubige Schädiger könne sich auf eine an den Geschädigten erbrachte Zahlung berufen, sei aufrecht zu erhalten und versucht andererseits darzutun, daß ihr guter Glaube zuzubilligen sei.

Der erkennende Senat sieht sich auf Grund der Ausführungen des Berufungsgerichtes und der Revisionswerberin nicht veranlaßt, die Frage zu erörtern, ob die ständige Rechtsprechung aufrecht zu halten sei, nach welcher sich der Ersatzpflichtige auf eine an den Verletzten geleistete Zahlung nur dann nicht berufen kann, wenn er bei der Zahlung oder beim Vergleichsabschluß vom Anspruchsübergang gewußt habe, wobei guter Glaube schon dann auszuschließen sei, wenn der Ersatzpflichtige wußte, daß der Verletzte der Sozialversicherung unterliegt (so außer den vom Berufungsgericht zitierten Entscheidungen SZ 27/103 und 55/108; 2 Ob 122/70; 2 Ob 172/76; 2 Ob 236/78; 8 Ob 145/82 u.a.). Gleichgültig nämlich, ob im Sinne der bisherigen Rechtsprechung entschieden oder der Ansicht des Berufungsgerichtes gefolgt würde, gelangt man im vorliegenden Fall zum selben Ergebnis, weil der Beklagten guter Glaube abzusprechen ist. Die Beklagte mußte auf Grund des Schreibens der Klägerin vom 16. März 1981 wissen, daß Katharina W*** bei der Klägerin sozialversichert ist, und mußte sich im klaren darüber sein, daß die im Jahr 1905 geborene Katharina W***, die sich im Direktprozeß als Rentnerin bezeichnete, von der Klägerin eine Pension bezieht. Die in der Revision aufgestellte Behauptung, die Beklagte habe nicht wissen können, von welcher Anstalt allenfalls ein Hilflosenzuschuß geleistet werde, sie hätte daher bei mehr als 300 Sozialversicherungsträgern des In- und Auslandes anfragen müssen, um sich Gewißheit zu verschaffen, ist daher haltlos. Bei einer 75 Jahre alten "Rentnerin", die schwere Verletzungen mit beträchtlichen Dauerfolgen erlitt und die Schadenersatzforderungen wegen Pflegebedürftigkeit geltend macht, mußte die Beklagte jedenfalls mit der Möglichkeit rechnen, daß die damalige Klägerin einen Hilflosenzuschuß beziehe. Guter Glaube kann daher der Beklagten, die weder bei der Klägerin Erkundigungen einzog noch Katharina W*** im Direktprozeß befragte, nicht zugebilligt werden. Zu den Argumenten des Berufungsgerichtes Stellung zu nehmen, nach welchen auch bei gutem Glauben der Klagsanspruch berechtigt wäre, ist demnach nicht erforderlich.

Da das Vorliegen der Voraussetzungen für die Zuerkennung des Hilflosenzuschusses und die Höhe der von der Klägerin hiefür ausbezahlten Beträge nicht mehr bestritten wird, besteht das Klagebegehren zu Recht.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E09331

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0020OB00045.86.1111.000

Dokumentnummer

JJT_19861111_OGH0002_0020OB00045_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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