TE OGH 1986/11/19 3Ob610/86

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 19.11.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Kinzel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Warta, Dr. Klinger und Mag. Engelmaier als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B*** FÜR O*** UND

S***, Linz, Hauptplatz 10-11, vertreten durch Dr. Walter Rinner, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagte Partei S*** Baustoffbetriebsgesellschaft mbH, Haid, Kremstalstraße 15 a, vertreten durch Dr. Franz Gütlbauer, Rechtsanwalt in Wels, wegen Unterlassung (Streitwert S 650.000,--) infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 30.April 1986, GZ 2 R 258/85-15, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Linz vom 1.Juli 1985, GZ 9 Cg 371/84-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 18.645,90 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 1.476,90 an Umsatzsteuer und S 2.400,-- an Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin stellt das Begehren, die Beklagte sei schuldig, die Beeinträchtigung der Pfandrechte der Klägerin ob der Liegenschaft EZ 812 KG Rapperswinkel durch Geltendmachen ihres ob dieser Liegenschaft einverleibten Bestandrechtes gegenüber einem Ersteher dieser Liegenschaft im Rahmen eines Zwangsversteigerungsverfahrens oder kridamäßigen Versteigerungsverfahrens zu unterlassen; in eventu, es werde festgestellt, daß der zwischen der Beklagten und Franz W*** am 24.2.1984 abgeschlossene Mietvertrag über die Liegenschaft EZ 812 KG Rapperswinkel der Klägerin gegenüber unwirksam sei und die Beklagte schuldig sei, die Zwangsvollstreckung in die Liegenschaft ohne Geltendmachung des Bestandrechtes zu dulden. Die Klägerin bringt vor, sie habe Franz W*** für sein Stukkateurunternehmen Kredite gewährt, die mit S 5,780.803,32 offen aushafteten. Diese Verbindlichkeiten seien durch Pfandrechte in der Höhe von insgesamt S 5,700.000,-- auf der Betriebsliegenschaft besichert. Nach dem Inhalt der Pfandbestellungsurkunden vom 23.12.1977, 18.7.1980 und 22.12.1981 bedürfe der Abschluß von Bestand- und sonstigen Verträgen, wodurch einem Dritten Nutzungsrechte eingeräumt werden, der Zustimmung der Klägerin. Als Franz W*** den Vermögensverfall bemerkt habe - das Konkursverfahren sei am 15.5.1984 eröffnet worden - , habe "man" offensichtlich beschlossen, den Geschäftsbetrieb "unter neuer Flagge" fortzuführen. Gemeinsam mit der Gattin des Franz W***, Waltraud W***, habe der Malermeister Johann S*** die beklagte Gesellschaft gegründet. Die Beklagte sei am 23.2.1984 in das Handelsregister eingetragen worden. Am 24.2.1984 sei - ohne Zustimmung der Klägerin - ein Mietvertrag abgeschlossen worden, mit dem die gesamte Betriebsliegenschaft der Beklagten vermietet werde. Die Beklagte betreibe das gleiche Unternehmen, mit dem Franz W*** Schiffbruch erlitten habe. Geschäftsführerin sei die Gattin des Franz W***; dieser sei weiterhin, gegen Bezahlung des Existenzminimums, als Angestellter tätig. Die Beklagte habe in bewußtem und gewolltem Zusammenwirken mit Franz W*** eine Schädigung der Gläubiger, insbesondere der Klägerin, vorgenommen. Durch die Vermietung werde die Verwertung der Betriebsliegenschaft schwer beeinträchtigt. Die Beklagte sei gemäß § 458 ABGB zur Geltendmachung ihrer Rechte berechtigt. Sie sei auch berechtigt, die gläubigerbenachteiligende Handlung der Beklagten im Rahmen der Bestimmungen der Anfechtungsordnung ihr gegenüber für relativ unwirksam erklären zu lassen.

Die Beklagte beantragt die Abweisung der Klage und bestreitet, durch den Abschluß eines Mietvertrages über die Betriebsliegenschaft im bewußten und gewollten Zusammenwirken mit Franz W*** eine Schädigung der Gläubiger vorgenommen zu haben. Der Mietvertrag enthalte die üblichen Bedingungen, der vereinbarte Mietzins von monatlich S 12.000,-- zuzüglich Umsatzsteuer sei angemessen. Der Umstand, daß eine Liegenschaft verpfändet sei, bedeute nicht, daß diese Liegenschaft nicht vermietet werden dürfe. Durch die Verpfändung verliere eine Liegenschaft nicht ihre Verkehrsfähigkeit. Für die Klägerin ergebe sich durch den Mietvertrag kein Nachteil; eine Benachteiligungsungsabsicht habe auch nicht bestanden. Das Erstgericht gab der Klage statt und traf folgende Feststellungen:

Franz W*** war Inhaber eines Stukkateurbetriebes. Gegenstand seines Unternehmens war unter anderem die Bearbeitung von Gipskartonplatten, die er in geringem Umfang auch vertrieb. Der jährliche Umsatz belief sich auf ca. S 12 Mio. bis S 13 Mio.; der Handel mit Gipskartonplatten und sonstigen Baustoffen nahm etwa 10 % des Gesamtumfanges ein. Mit Pfandbestellungsverträgen vom 23.12.1977, 18.7.1980 und 22.12.1981 bestellte Franz W*** zur Sicherstellung aller Forderungen und Ansprüche aus Haupt- und Nebenverbindlichkeiten jeder Art bis zum Höchstbetrag von S 960.000,--, S 560.000,-- und S 1,300.000,--, die der Klägerin als Kreditgeberin gegen ihn erwachsen waren und noch erwachsen würden, die ihm gehörende Liegenschaft EZ 812, KG Rapperswinkel, auf der er sein Stukkateurunternehmen betrieb, samt allem rechtlichem und tatsächlichem Zubehör zum Pfand. In allen Verträgen war gemäß Punkt 6. vorgesehen, daß der Abschluß von Bestandverträgen oder sonstigen Verträgen, wodurch einem Dritten Nutzungsrechte hinsichtlich der ganzen verpfändeten Liegenschaft oder auf Teilen eingeräumt werden, der Zustimmung der Klägerin bedarf. Ab Anfang 1984 zeichnete sich der Vermögensverfall des Unternehmens auch für Franz W*** ab. Im Februar 1984 lösten seine 24 Arbeitnehmer geschlossen ihre Dienstverhältnisse bei ihm, worauf der Betrieb nicht mehr weitergeführt werden konnte. Franz W*** hatte die Absicht, im Zuge eines Insolvenzverfahrens über sein Vermögen einen Zwangsausgleich zu erreichen. Er plante deshalb, seinen Betrieb durch ein erst zu gründendes Unternehmen fortzuführen. Er wollte insbesondere günstig aus der DDR bezogene Gipskartonplatten weiterhin vertreiben. Im Jänner 1984 wurden noch exekutive Pfandrechte der Gebietskrankenkassa von S 152.573,60 auf der Liegenschaft des Franz W*** einverleibt.

Am 23.2.1984 wurde die über Anraten Franz W*** und des Beklagtenvertreters gegründete beklagte Gesellschaft mbH in das Handelsregister eingetragen, deren Gesellschafter die Gattin Franz W*** und deren Vater Johann S*** sind; Geschäftsführer der Gesellschaft ist die Gattin Franz W***, Waltraud. Gegenstand des Unternehmens ist der Handel mit Waren aller Art, insbesondere mit Baustoffen, sowie die Ausübung des Gewerbes der Stukkateure. Waltraud W*** arbeitete erst ab Oktober 1983 im Büro ihres Mannes mit und erledigte dort die Buchhaltung. Franz W*** ist als Angestellter bei dieser Gesellschaft mbH tätig und besorgt den Ein- und Verkauf. Seine Frau erledigt die Büroarbeiten. Das von Franz W*** betriebene Gipskartonplattengeschäft wird von der Beklagten weitergeführt, wobei das Schwergewicht beim Handel mit dieser Ware liegt. Der Handel mit Baustoffen und Gipskartonplatten beträgt etwa 70 % des Gesamtumsatzes.

Am 24.2.1984 vermietete Franz W*** an die Beklagte die bisher genutzten Teile der Liegenschaft EZ 812 KG Rapperswinkel, insbesondere die beiden Lagerhallen, sowie die im Erdgeschoß des Gebäudes gelegenen drei Büroräume und den Aufenthaltsraum, sowie den gesamten Lagerplatz. Das gesamte vermietete Grundstück hat ein Ausmaß von 2.836 m 2 . Ausgenommen vom Bestandvertrag war eine im

1. Stock des Hauses gelegene 90 m 2 große Wohnung. Das Mietverhältnis begann am 10.2.1984 und wurde auf unbestimmte Zeit abgeschlossen. Franz W*** verpflichtete sich,seinen Betrieb bis spätestens 28.2.1984 abzuwickeln und mit diesem Zeitpunkt den Mietgegenstand zu räumen. Der monatliche Mietzins beträgt

S 12.000,-- zuzüglich Umsatzsteuer, der wertgesichert ist. Das Bestandrecht wurde im Lastenblatt der EZ 812 KG Rapperswinkel unter COZ 31 a einverleibt. Die Geschäftsführerin der Beklagten hat den Inhalt der Pfandbestellungsurkunden nicht gekannt, sie hat jedoch gewußt, daß zugunsten der Klägerin Pfandrechte auf der Liegenschaft vorrangig eingeräumt waren.

Am 15.5.1984 wurde vom Erstgericht das Konkursverfahren über das Vermögen des Franz W*** eröffnet. Die Beklagte hinterlegt seither den vom Masseverwalter nicht angenommenen Bestandzins. Dem kridamäßigen Versteigerungsverfahren über die Liegenschaft wurde ein Verkerhswert von S 2,602.000,-- zugrundegelegt, der Sachwert mit S 5,782.000,-- und der Ertragswert mit null ermittelt. Die Liegenschaft ist mit rund S 6 Mio. belastet. Durch die Vermietung wird die Verwertung der Betriebsliegenschaft einschließlich der Halle beeinträchtigt, da jene Interessenten, de dort selbst ein Unternehmen betreiben wollen, ausscheiden. Nur für jene Interessenten, die die Liegenschaft als Kapitalanlage betrachten, ist der Ankauf einer Liegenschaft mit Bestandrechten interessant, soferne der Mietzins einen entsprechenden Ertrag für das aufgewendete Kapital bildet. An sonstigem Vermögen des Gemeinschuldners sind noch Baustoffreste im Wert von S 10.000,-- vorhanden, denen Forderungen - allerdings bestritten - von S 300.000,-- gegenüberstehen. Die gesamten, im Konkurs angemeldeten Forderungen belaufen sich auf rund S 15,693.000,--. In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Erstgericht aus, dem Pfandgläubiger stehe gemäß § 458 ABGB ein Unterlassungsanspruch auch gegen Dritte zur Abwehr einer drohenden Pfandverschlechterung zu. Voraussetzung sei Verschulden. Die Belastung einer Liegenschaft durch ein bücherlich einverleibtes Bestandrecht enge den Interessentenkreis der Käufer bei der Verwertung erheblich ein. Die Geschäftsführerin der Beklagten habe von den Pfandrechten der Klägerin gewußt, sie hätte sich über das vertragliche Verbot der Weitervermietung ohne Zustimmung der Klägerin leicht informieren können. Es sei ihr zumindest Fahrlässigkeit durch Unterlassung der notwendigen Sorgfalt vorzuwerfen.

Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichtes; es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden habe, S 300.000,-- übersteige. Das Berufungsgericht übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und ging in rechtlicher Hinsicht davon aus, daß nach herrschender Rechtsprechung die Abtretung von Rechten, die gegen ein vertragliches Verbot vorgenommen werden, auch dem Dritten gegenüber unwirksam sei, wenn dieser das Verbot gekannt habe oder ihm eine solche Vereinbarung bloß aus einer ihm als Nachlässigkeit in eigenen Angelegenheiten vorwerfbaren Sorglosigkeit unbekannt geblieben sei. Der Geschäftsführerin der Beklagten sei zwar das "Verbot" des Abschlusses von Bestandverträgen nicht bekannt gewesen, doch sei diese Bestimmung in den Pfandbestellungsurkunden enthalten. Die Beklagte habe gewußt, daß ihr Unternehmen zur Betriebsfortführung des Unternehmens des Franz W*** gegründet worden, und daß gegen diesen ein Insolvenzverfahren bevorgestanden sei. Für die Beklagte hätte daher die Verpflichtung bestanden, sich besonders sorgfältig zu vergewissern, daß sie nicht in fremde Rechte eingreife. Es hätte sich der Beklagten geradezu zwingend die Überlegung aufdrängen müssen, daß ein Schuldner in derart schlechten finanziellen Verhältnissen kaum in der Lage sein werde, über sein belastetes Eigentum frei zu verfügen. Sie hätte sich Gewißheit auch darüber verschaffen müssen, ob Franz W*** zum Abschluß eines (zu intabulierenden) Mietvertrages berechtigt sei. Ein Geschäftsführer müsse mit der grundbücherlichen Besicherung von Forderungen und deren vertraglichen Gestaltungsmöglichkeiten vertraut sein. Sinn eines Pfandes sei die Besicherung einer Forderung mit absoluter Wirkung auch gegen Dritte und das Recht, sich bei nichterfolgter Einlösung daraus befriedigen zu können. Um dieses Rechtsinstitut nicht als bloße Hülle zu entwerten, bedürfe es des Schutzes gegen schädigende Einwirkungen. Der Pfandgläubiger sei deshalb nach der Lehre (Klang in Klang 2 II 481, Petrasch in Rummel, ABGB, Rdz 6 zu § 458) berechtigt, schädigende Einwirkungen eines Dritten auf das Pfand mit dinglicher Klage abzuwehren. Der Wert eines Pfandes iS des § 458 ABGB werde durch die Beeinträchtigung nicht nur seiner körperlichen Substanz, sondern auch seiner Verwertbarkeit vermindert. Die Vermietung der Betriebsliegenschaft habe eine solche Wertminderung zur Folge. Diese Wertminderung aber gereiche der Beklagten zum Verschulden.

Die Beklagte bekämpft das Urteil des Berufungsgerichtes mit Revision aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung und beantragt, es dahin abzuändern, daß die Klage abgewiesen werde.

Die Klägerin beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Die Beklagte vertritt die Ansicht, daß einem vertraglich begründeten "Vermietungsverbot" nur relative Wirkung zukomme, so daß der Klägerin der geltend gemachte Anspruch der Beklagten gegenüber höchstens aus dem Titel der Beeinträchtigung fremder Forderungsrechte zustehen könne. Ein solcher Anspruch aber setze geradezu Verleitung zum Vertragsbruch voraus. Bloße Kenntnis eines entsprechenden Forderungsrechtes und dessen Nichtbeachtung begründe keinen Anspruch gegen den Dritten, noch weniger die fahrlässige Unkenntnis. Die Beklagte aber habe die Vereinbarung eines Vermietungsverbotes der Liegenschaft zwischen der Klägerin und Franz W*** nicht gekannt und habe mit ihr auch nicht rechnen müssen. Darüber hinaus habe die Vermietung einer Liegenschaft nicht notwendigerweise deren Wertminderung zur Folge.

Es trifft zu, daß nach herrschender Rechtsprechung im allgemeinen nur eine wissentliche Beteiligung an einem Vertragsbruch iS des § 1301 ABGB schadenersatzpflichtig macht (SZ 31/87, SZ 52/110). Im allgemeinen genügt es nicht, daß dem Dritten bekannt ist, daß das Forderungsrecht besteht und durch die Befriedigung seines eigenen Interesses vereitelt werde; vielmehr ist vorausgesetzt, daß es ihm gerade darum zu tun ist, die Befriedigung des Gläubigers zu vereiteln. Es muß sich um ein gezieltes Einwirken auf den schuldnerischen Willen handeln, er muß den Schuldner geradezu zum Vertragsbruch verleiten (JBl 1973, 524). Außerhalb (vor-)vertraglicher Beziehungen ist daher im Regelfall die nur fahrlässige Zufügung reiner Vermögensschäden nicht rechtswidrig und macht daher grundsätzlich nicht ersatzpflichtig (SZ 55/84). Eine wissentliche Beteiligung der Beklagten am Vertragsbruch des Franz W*** (Vermietung der Betriebsliegenschaft an die Beklagte ohne Zustimmung der Klägerin) wurde jedoch nicht festgestellt. Nicht beizupflichten vermag das Revisionsgericht den Ausführungen des Berufungsgerichtes, wenn es aus der nach der Rechtsprechung absoluten Wirkung eines vertraglichen Zessionsverbotes Rückschlüsse für die vorliegende Rechtssache zu ziehen versucht. Ganz abgesehen davon, daß in den zwischen der Klägerin und Franz W*** abgeschlossenen Pfandbestellungsverträgen kein Abtretungsverbot, sondern das Erfordernis der Zustimmung der Klägerin zum Abschluß von Bestandverträgen hinsichtlich der verpfändeten Liegenschaft vereinbart war, wird in der Entscheidung JBl 1984, 311 = SZ 57/8 die absolute Wirkung des rechtsgeschäftlichen Zessionsverbotes durchaus nicht auf den Fall eingeschränkt, daß der Forderungserwerber das Zessionsverbot kannte oder ihm eine solche Vereinbarung bloß aus einer ihm als Nachlässigkeit in eigenen Angelegenheiten vorwerfbaren Sorglosigkeit unbekannt geblieben ist; dies entspricht lediglich dem in der genannten Entscheidung wiedergegebenen Lösungsvorschlag von Frotz, dem vom Revisionsgericht jedoch nicht zugestimmt wurde; es wurden vielmehr "gewichtige Gegenargumente" ins Treffen geführt. Es ist überhaupt verfehlt, die Lehre und Rechtsprechung zum rechtsgeschäftlichen Abtretungsverbot auf den vorliegenden Fall des vertraglich vereinbarten Erfordernisses der Zustimmung des Pfandgläubigers zur Vermietung der verpfändeten Liegenschaft durch den Pfandschuldner anzuwenden. Das Verbot der Vermietung der Pfandliegenschaft ohne Zustimmung des Gläubigers entfaltet nur obligatorische Wirkung; die Verpflichtung zur Einholung der Zustimmung des Gläubigers zur Vermietung hat nur gegenüber dem Schuldner, nicht auch einem Dritten gegenüber Bedeutung. Die fahrlässige Unkenntnis dieser vertraglichen Verpflichtung kann daher einem Dritten nicht zum Nachteil gereichen.

Durch die Verpfändung einer Liegenschaft ist der Liegenschaftseigentümer ferner an sich nicht daran gehindert, die Liegenschaft in Bestand zu geben. Auch Mietverträge, die der Eigentümer trotz Einleitung eines Zwangsversteigerungsverfahrens abgeschlossen hat, sind deshalb nicht unwirksam (EvBl 1984/119). Allerdings kann der Pfandgläubiger auch schädigende Einwirkungen eines Dritten auf das Pfand mit einer dinglichen Klage abwehren, weil der aus dem § 458 ABGB sich ergebende Unterlassungsanspruch nicht aus dem Schuldverhältnis, sondern dem dinglichen Pfandrecht entspringt (Klang in Klang 2 II 482 und 512), wobei die Klage, soweit Unterlassung und Wiederherstellung begehrt werden, auch gegen jeden Dritten gerichtet werden kann (Klang aaO 512, Petrasch in Rummel, ABGB, Rdz 6 zu § 458). Diese Klage setzt aber Verschulden voraus (Petrasch aaO, EvBl 1985/49). Unter Verschulden ist jeder Verstoß gegen die Regeln der ordentlichen Wirtschaftsführung - auch durch Unterlassung - zu verstehen (EvBl 1985/49).

Der Geschäftsführerin der Beklagten war die Verpfändung der Betriebsliegenschaft an die Klägerin bekannt. Zwar hat im allgemeinen ein Bestandnehmer keineswegs die Verpflichtung, und zwar auch nicht bei einer belasteten Liegenschaft, Überlegungen darüber anzustellen, ob die Liegenschaft durch den Bestandvertrag in ihrem Wert vermindert wird. Im hier vorliegenden besonderen Fall aber kommt zu dem Umstand, daß der Beklagten die Verpfändung der Liegenschaft bekannt war - die Belastung der Liegenschaft beträgt nach den Feststellungen bei einem Verkehrswert von S 2,602.000,-- etwa S 6,000.000,-- (die Pfandrechte zugunsten der Klägerin allein erreichen die Höhe von etwa S 5,2 Mio.) - noch hinzu, daß die Geschäftsführerin der Beklagten auch wußte, daß die Vermietung erfolgt, um ein in äußersten Schwierigkeiten befindliches Unternehmen - hoher Schuldenstand, geschlossener Austritt aller Dienstnehmer im Februar 1984, so daß der Betrieb nicht mehr weitergeführt werden konnte - fortzuführen, um "zu retten, was noch zu retten ist" (AS 36). Bei der gegebenen hohen Belastung der Liegenschaft sowie unter Berücksichtigung der Umstände, unter denen die Vermietung vorgenommen wurde, ihrer Ursachen und der Absichten, die damit verfolgt wurden, hätte die Geschäftsführerin der Beklagten (Ehefrau des Gemeinschuldners) bedenken müssen, ob der Abschluß eines Bestandvertrages über die Betriebsliegenschaft - deren wirtschaftliche Bedeutung ihr nach der gegebenen Darstellung klar sein mußte - eine Verminderung ihres Wertes zur Folge hat. Daß aber durch die Vermietung die Verwertung der Liegenschaft beeinträchtigt wurde, wurde ausdrücklich festgestellt.

Hat die Beklagte die geschilderten Umstände nicht bedacht, oder aber sie bedacht und den Bestandvertrag dennoch abgeschlossen, gereicht ihr dies zum Verschulden.

Aus diesen Erwägungen haben die Vorinstanzen im Ergebnis der Beklagten zutreffend ein Verschulden bei der "schädigenden Einwirkung auf den Pfandgegenstand" angelastet und damit dem Hauptbegehren mit Recht stattgegeben, so daß der Revision ein Erfolg versagt bleiben mußte.

Die Kostenentscheidung erfolgte nach den §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E09795

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0030OB00610.86.1119.000

Dokumentnummer

JJT_19861119_OGH0002_0030OB00610_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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