TE OGH 1986/11/20 12Os147/86

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Veröffentlicht am 20.11.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 20.November 1986 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Hörburger und Dr. Kuch als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Steinhauer als Schriftführer, in der Strafsache gegen Denis C*** wegen des Vergehens des versuchten Diebstahls nach §§ 15, 127 Abs. 1, Abs. 2 Z 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten gegen das Urteil des Kreisgerichtes Wels als Jugendschöffengericht vom 25.August 1986, GZ 15 Vr 1116/86-10, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Tschulik, und des Verteidigers Dr. Hoffmann-Ostenhof, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und gemäß § 288 Abs. 2 Z 3 StPO in der Sache selbst erkannt:

Denis C*** wird von der Anklage, er habe am 2.März 1986 in Wels in Gesellschaft der strafunmündigen Andreas und Patrick F*** als Beteiligte (§ 12 StGB) der Christiana S*** Kaugummi im Wert von 500 S mit dem Vorsatz, sich bzw. einen Dritten durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, wegzunehmen versucht, indem sie die Ware in einem Plastiksack verstauten, und hiedurch das Vergehen des versuchten Diebstahls nach §§ 15, 127 Abs. 1 und Abs. 2 Z 1 StGB begangen, gemäß § 259 Z 4 StPO freigesprochen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 2.September 1971 geborene Schüler Denis C*** des Vergehens des versuchten Diebstahls nach §§ 15, 127 Abs. 1 und Abs. 2 Z 1 StGB schuldig erkannt.

Darnach hat er in Gesellschaft der strafunmündigen Andreas und Patrick F*** als Beteiligte (§ 12 StGB) am 2.März 1986 in Wels aus einem (von anderen bereits) aufgebrochenen Automaten der Christina S*** Kaugummi im Gesamtwert von ca. 100 S mit Bereicherungsvorsatz an sich genommen und in einem Nylonsack verstaut; sie wurden hiebei jedoch vom Nachtwächter der W***- und S*** Walter G*** betreten.

Mit seiner gegen den Schuldspruch gerichteten Nichtigkeitsbeschwerde reklamiert der Angeklagte Denis C*** unter Geltendmachung der Z 9 lit. b des § 281 Abs. 1 StPO die Anwendung des § 42 Abs. 1 StGB.

Rechtliche Beurteilung

Nach dieser Gesetzesstelle ist eine von Amts wegen zu verfolgende Tat, die nur mit Geldstrafe, nicht mehr als einjähriger Freiheitsstrafe oder mit einer solchen Freiheitsstrafe und Geldstrafe bedroht ist, nicht strafbar, wenn 1./ die Schuld des Täters gering ist, 2./ die Tat keine oder nur unbedeutende Folgen nach sich gezogen hat und überdies 3./ eine Bestrafung nicht geboten ist, um den Täter von strafbaren Handlungen abzuhalten oder der Begehung strafbarer Handlungen durch andere entgegenzuwirken. Der Ansicht des Erstgerichtes zuwider treffen alle diese Voraussetzungen auf den Angeklagten und seine Tat zu:

"Geringe Schuld" verlangt ein erhebliches Zurückbleiben des tatbildmäßigen Verhaltens des Täters hinter dem in der betreffenden Strafdrohung typisierten Unrechts- und Schuldgehalt. Bei Prüfung dieser Frage darf - will man nicht zu einer den Intentionen des Gesetzgebers ersichtlich zuwiderlaufenden, allzu restriktiven Auslegung des § 42 StGB gelangen - kein extrem strenger Maßstab angelegt werden (vgl. ÖJZ-LSK 1979/307 = SSt. 50/45). Im gegenständlichen Fall liegt dem zur Tatzeit knapp über 14 Jahre alten Angeklagten Denis C*** ein für Jugendliche charakteristisches Bagatelldelikt zur Last, das unter den konkreten Begehungsmodalitäten hinsichtlich seiner Sozialschädlichkeit und seines Störwerts für die Umwelt im Vergleich zu typischen Fällen in Gesellschaft mehrerer begangener Diebstähle deutlich unter der Norm liegt; handelt es sich doch um einen einzigen Zugriff anläßlich einer sich unversehens bietenden günstigen Gelegenheit. Daran ändert auch nichts, daß zwei Strafunmündige an der Tat beteiligt gewesen sind, weil eine Verleitung dieser Diebsgenossen dem Angeklagten nicht anzulasten ist.

Im Hinblick auf den geringen - die Bagatellgrenze des § 141 StGB nicht übersteigenden - Wert des Diebsgutes (S 57) ist ferner davon auszugehen, daß die Gesamtauswirkungen der zudem beim Versuch gebliebenen Tat unbedeutend gewesen sind und die Verhaltensweise des Angeklagten keine ins Gewicht fallenden sozialen Störungen zur Folge gehabt hat.

Der Angeklagte wächst bei seinen um eine gute Erziehung bemühten Eltern in geordneten Verhältnissen auf (vgl. S 42, 44), sodaß es eines Schuldspruchs nicht bedarf, um dem geständigen und schuldeinsichtigen Jugendlichen den Unwert seines Verhaltens erkennen zu lassen und ihn von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten. Seine Bestrafung ist aber auch nicht, wie der Jugendschöffensenat vermeinte, aus generalpräventiven Erwägungen erforderlich. Denn abgesehen davon, daß die Beendigung eines Verfahrens gemäß § 42 StGB nach Lage des Falles auch bei häufig vorkommenden Delikten nachteilige Folgen für die Erhaltung der allgemeinen Normtreue nicht befürchten läßt (vgl. Mayerhofer-Rieder 2 ENr. 40 und 41 zu § 42 StGB, EvBl. 1986/82), handelt es sich bei der inkriminierten Tat des Angeklagten nicht um einen der zahlreichen Automateneinbrüche Jugendlicher, sondern vielmehr um die - eher seltene - Ausnützung einer durch einen von anderen verübten Automateneinbruch geschaffenen günstigen Zugriffsmöglichkeit. Dem Beschwerdeführer kommt sohin in diesem besonders gelagerten Falle mangelnde Strafwürdigkeit der Tat im Sinne des § 42 StGB zustatten (vgl. 9 Os 124/86; 12 Os 85/86), weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.

Anmerkung

E09728

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0120OS00147.86.1120.000

Dokumentnummer

JJT_19861120_OGH0002_0120OS00147_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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