TE OGH 1986/11/27 13Os104/86

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Veröffentlicht am 27.11.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 27.November 1986 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schneider, Dr. Felzmann, Dr. Brustbauer (Berichterstatter) und Dr. Massauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Täuber als Schriftführers in der Strafsache gegen Walter D*** und Helmut L*** wegen des Vergehens der fahrlässigen Herbeiführung einer Feuersbrunst nach § 170 Abs. 1 StGB. und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten gegen das Urteil des Jugendgerichtshofs Wien als Schöffengerichts vom 8.April 1986, GZ. 4 c Vr 88/84-132, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalts Dr. Stöger, der Angeklagten Walter D*** und Helmut L*** und der Verteidiger Dr. Mühl und Dr. Windhopp zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden verworfen.

Der Berufung des Angeklagten Walter D*** wird nicht Folge gegeben.

Die Berufung des Angeklagten Helmut L*** wird zurückgewiesen. Gemäß § 390 a StPO. fallen den Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Die zur Tatzeit Jugendlichen Walter D*** (geboren am 12. November 1968) und Helmut L*** (geboren am 20.Feber 1968) wurden neben anderen unbekämpft gebliebenen Schuldsprüchen des Vergehens der fahrlässigen Herbeiführung einer Feuersbrunst nach § 170 Abs. 1 StGB. schuldig erkannt, weil sie am 13.Dezember 1983 im Wiener Prater gemeinsam mit dem damals noch strafunmündigen Richard S*** (geboren am 29.Mai 1970) in der Geisterbahn der Ida Z*** durch mangelhaftes Löschen eines dort von ihnen entfachten Feuers fahrlässig eine Feuersbrunst verursacht hatten, die zu einer vollständigen Einäscherung der Geisterbahn führte (C). Nach den Urteilsfeststellungen drangen die beiden Angeklagten mit S*** am späten Nachmittag des 13.Dezember 1983 in die damals geschlossene "Große Alte Geisterbahn" ein, und entfachten, obwohl diese fast zur Gänze aus Holz errichtet war, im Bereich des sogenannten "Bahnhofs", nämlich jenes Teils der Schienenstrecke, auf dem die Besucher die Waggons besteigen, mit alten Zeitungen und Mullbinden ein "Lagerfeuer". S*** fand überdies eine alte Hose und wollte diese in die bereits bis zu einem halben Meter hoch lodernden Flammen werfen, dies gegen den Wunsch der Angeklagten, die befürchteten, das Feuer könnte dadurch erstickt werden. Daraufhin warf S*** in Gegenwart der beiden Angeklagten die Hose, die er kurz über das Feuer gehalten hatte, in einen etwa zwei Meter neben der Feuerstelle gelegenen Holzverschlag der Geisterbahn. In der Folge entstanden bei den Angeklagten wegen des von ihnen gemeinsam entfachten Feuers Bedenken und sie entschlossen sich, es zu löschen. Sie fanden einen Trockenfeuerlöscher, versprühten dessen Inhalt und waren danach der Meinung, das Feuer gelöscht zu haben. Daraufhin begaben sie sich mit S*** in das Obergeschoß der Geisterbahn, wo sie sich etwa eine halbe Stunde lang aufhielten. Auf Grund von Geräuschen aus dem Untergeschoß verließen sie dann fluchtartig die Anlage. Im Freien bemerkten sie dichten Rauch. Kurz darauf stand die Geisterbahn in hellen Flammen. Die Rettungsversuche der Feuerwehr scheiterten; die Geisterbahn wurde völlig eingeäschert; der Schaden beträgt mehrere Millionen Schilling.

Zur unmittelbaren Ursache dieser Feuersbrunst wird im Urteil festgestellt, daß der Brand entweder von dem möglicherweise doch nicht vollständig gelöschten Lagerfeuer oder aber von der weggeworfenen, möglicherweise noch weiterglosenden Hose, oder auch von beiden Feuerquellen seinen Ausgang genommen hat (Band II S. 157 f.). Eine Eingrenzung auf eine der aufgezeigten Ursachen könne laut Ersturteil nicht vorgenommen werden (Band II S. 158). Der Schöffensenat erachtete die strafrechtliche Verantwortlichkeit der Angeklagten bei jeder dieser Entstehungsursachen des Brands für gegeben. Falls die Feuersbrunst ihren Ausgang von dem nur ungenügend gelöschten Lagerfeuer seinen Ausgang genommen haben sollte, lag das fahrlässige Verhalten der Angeklagten schon im Entfachen des Feuers an einem äußerst brandgefährdeten Ort sowie darin, daß sie sich nach dem Einsatz des Feuerlöschers nicht Gewißheit darüber verschafften, ob das Feuer vollständig gelöscht war (Variante 1). Zu einer Entstehung des Brands durch die weggeworfene, noch weiterglosende Hose (Variante 2) meinte das Erstgericht, daß die Angeklagten und S*** zwar ein Weiterglosen dieser Hose nicht bemerkt haben müßten, ihnen aber auch hier ein fahrlässiges Verhalten zum Vorwurf gemacht werden müsse, weil sie im Einverständnis und Einvernehmen mit S*** gehandelt und somit auch für dessen Handlungsweise im Rahmen des Gesamtgeschehens einzustehen hätten.

Die Angeklagten machen Urteilsnichtigkeit aus § 281 Abs. 1 Z. 5 und 9 lit. a StPO., L*** auch (ohne eine Ausführung) aus der Z. 10 geltend. Beide Angeklagten halten ihren Schuldspruch nach § 170 Abs. 1 StGB. für rechtsirrig und verweisen darauf, daß sie dann, wenn das Schadensfeuer aus dem Wegwerfen einer noch weiterglosenden Hose durch S*** hervorging (Variante 2), eine strafrechtliche Mithaftung nicht treffe. Indes ist sie auch im Fall dieser Tatvariante zu bejahen. Hatten doch die beiden Angeklagten das Feuer in der Geisterbahn gemeinsam mit dem strafunmündigen S*** entfacht und dadurch eine, jedenfalls für sie erkennbar äußerst brandgefährliche Situation geschaffen. Daran ändert nichts, daß sich die Angeklagten dagegen ausgesprochen hatten, daß S*** eine Hose in die Flammen werfen wollte; befürchteten sie doch nur, daß dadurch das Feuer eingedämmt oder gar gelöscht werde (Band II S. 150); sie wollten daher weder das Feuer, noch eine allenfalls sogar zusätzlich geschaffene weitere Brandquelle verhindern. Die zweite vom Gericht angenommene Variante betrifft außerdem kein isoliertes Handeln des Strafunmündigen, sondern nur die Teilphase seines gemeinsamen Vorgehens mit den Angeklagten, das auf ein Feuer an einem äußerst brandgefährdeten Ort abzielte, welches sich letztlich zur Feuersbrunst ausgeweitet und zur Vernichtung der Geisterbahn geführt hat. Der eingetretene Erfolg lag durchaus im Gefahrenrisiko, das die Angeklagten bei ihrem Verhalten eingegangen sind, und war der Lebenserfahrung zufolge keineswegs atypisch. Beim Entfachen eines Feuers an einem solchen Ort im Beisein eines unkontrolliert agierenden Strafunmündigen ohne entsprechend wirksame Vorkehrungen zur Brandbekämpfung ist der Ausbruch einer Feuersbrunst klar vorhersehbar. Der Kausalverlauf liegt hier innerhalb der gewöhnlichen Erfahrung und der Erfolg manifestiert sich als Verwirklichung gerade derjenigen Gefahr, der die an einem brandgefährdeten Ort die Entfachung eines offenen Feuers untersagende allgemeine Sorgfaltsnorm entgegenwirken soll. Der für die objektive Erfolgszurechnung erforderliche Adäquanz- und Risikozusammenhang ist damit gegeben (13 Os 150/83). Zusammenfassend ist davon auszugehen, daß die Angeklagten bei beiden im Ersturteil als möglich erachteten Tatvarianten objektiv und subjektiv sorgfaltswidrig handelten und der aus diesem Verhalten eingetretene Erfolg ihnen auch objektiv (und subjektiv) zuzurechnen ist.

Rechtliche Beurteilung

Damit erweist sich der bekämpfte Schuldspruch nicht als rechtsirrig.

Mit ihrem Vorbringen zum Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z. 5 StPO. versuchen die Beschwerdeführer vergebens, einen Begründungsmangel aufzuzeigen:

Das Erstgericht folgte bei der Sachverhaltsfeststellung der eigenen Darstellung der Angeklagten in der letzten Hauptverhandlung. Darnach haben sie den Vorfall mit der Hose selbst gesehen (Band II, S. 133, 134 und 135; S. 158). Soweit sie im Rahmen ihrer Mängelrüge eine gegenteilige Feststellung anstreben, machen sie keinen Begründungsmangel geltend, sondern bekämpfen insoweit nur unzulässig die Beweiswürdigung des Erstgerichts und trachten, die Urteilsfeststellungen durch andere Konstatierungen zu ersetzen. Zu dem übrigen Beschwerdevorbringen genügt der Hinweis, daß im Ersturteil ohnedies die nach Meinung der beiden Angeklagten für sie günstigere Variante 2 (Entstehen der Feuersbrunst durch die weiterglosende Hose) festgestellt wurde. Angesichts dessen kommt es aber auf den Grad der Wahrscheinlichkeit, der für die eine oder andere Variante spricht, nicht an.

Den Nichtigkeitsbeschwerden war daher ein Erfolg zu versagen. Walter D*** wurde wegen des schon im Rahmen der Nichtigkeitsbeschwerde behandelten Vergehens der fahrlässigen Herbeiführung einer Feuersbrunst nach § 170 Abs. 1 StGB. und des im Schuldspruch unangefochten gebliebenen Verbrechens des teils vollendeten und teils versuchten Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127 Abs. 1 und 2 Z. 1, 129 Z. 1 und 2; 15 StGB. nach § 129 StGB. und unter Anwendung von § 28 StGB., § 11 Z. 1 JGG. sowie unter Bedachtnahme gemäß 31 StGB. auf das Urteil des Jugendgerichtshofs Wien vom 4.Juli 1985, AZ. 1 a Vr 65/84 (Schuldspruch nach §§ 127 Abs. 1 und 2 Z. 1, 129 Z. 1 und 2; 210 StGB.: acht Monate bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe) zu einer Zusatzfreiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt, die gemäß § 43 Abs. 1 StGB. für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde. Das Erstgericht wertete als erschwerend das Zusammentreffen strafbarer Handlungen verschiedener Art, die Wiederholung der Eigentumsdelikte und den sehr hohen Schaden bei der Feuersbrunst; mildernd fielen hingegen das Teilgeständnis und die ungünstigen bzw. mindergünstigen Erziehungsverhältnisse, der ordentliche Wandel, das lange Zurückliegen der Straftaten und eine teilweise objektive Schadensgutmachung ins Gewicht.

D*** beruft gegen das Strafmaß unter Hinweis auf sein volles und reumütiges Geständnis und auf die Unvorhersehbarkeit des hohen Schadens aus der Feuersbrunst.

Indes hat sich D*** ausdrücklich einer strafbaren Handlung nach § 170 StGB. nicht schuldig bekannt (Band I, S. 520; Band II, S. 133). Auch die Folgen des von ihm entfachten Feuers waren, wie gezeigt, für ihn, wie für jedermann, durchaus vorhersehbar und ihm daher auch strafrechtlich zuzurechnen.

Das vom Erstgericht gefundene Strafmaß ist angemessen. Helmut L*** hat bei der Anmeldung seiner Berufung keine Punkte bezeichnet, durch die er sich beschwert findet (Band II, S. 141) und eine Ausführung dieses Rechtsmittels unterlassen (vgl. ON. 139). Die Berufung dieses Angeklagten war daher zurückzuweisen (§§ 294 Abs. 4, 296 StPO.).

Anmerkung

E09756

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0130OS00104.86.1127.000

Dokumentnummer

JJT_19861127_OGH0002_0130OS00104_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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