TE OGH 1986/12/2 2Ob691/86

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Veröffentlicht am 02.12.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kralik, Dr.Melber, Dr.Huber und Dr.Egermann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Maria J***, geborene O***, Hausfrau, Hans Sachsstraße 57, 4600 Wels, vertreten durch Dr.Karl Reiter, Rechtsanwalt in Wels, wider die beklagte Partei Emil J***, Pensionist, Hans Sachsstraße 57, 4600 Wels, vertreten durch Dr.Walter Breitwieser jun., Rechtsanwalt in Wels, wegen Ehescheidung, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 14.Juli 1986, GZ 3 R 154/86-20, womit infolge Berufung beider Parteien das Urteil des Kreisgerichtes Wels vom 28.Februar 1986, GZ 5 Cg 95/85-11, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Beklagte hat der Klägerin die mit 3.397,35 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 308,85 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

In der am 26. März 1985 zu Protokoll gegebenen, auf § 49 EheG gestützten Klage begehrt die Klägerin die Scheidung ihrer im Jahre 1944 mit dem Beklagten geschlossenen Ehe aus dessen Verschulden mit der Begründung, er leiste ihr trotz eines im Jahre 1973 erfolgten gerichtlichen Unterhaltszuspruches von 29 % seines Arbeitseinkommens keinen zureichenden Unterhalt. Die Ehe sei aus Verschulden des Beklagten unheilbar zerrüttet. In der Folge brachte die Klägerin noch vor, der Beklagte habe unter Druck und Drohung von der Klägerin eine Exekutionseinstellungserklärung erzwungen. Auch habe er sie zum Verlassen der Wohnung aufgefordert. Darin, daß er den für die eheliche Tochter Brigitte mit 13 % seines Einkommens gerichtlich bestimmten Unterhalt seit 10 Jahren ebenfalls nicht bezahlt habe, liege schließlich auch eine Verletzung der ehelichen Beistandspflicht.

Der Beklagte beantragte Klagsabweisung und für den Fall der Stattgebung des Scheidungsbegehrens den Ausspruch einer gleichteiligen Mitschuld der Klägerin. Diese Mitschuld sei darin gelegen, daß die Klägerin den Beklagten vernachlässige. So werde die Unterwäsche des Beklagten von der Klägerin nicht mehr gewaschen und es werde zwar für die ganze Familie gekocht, der Beklagte werde aber ausgeschlossen. Seit fünf Monaten verweigere die Klägerin dem Beklagten auch den Geschlechtsverkehr.

Das Erstgericht schied die Ehe der Streitteile aus dem überwiegenden Verschulden des Beklagten, sprach also eine Mitschuld der Klägerin an der Scheidung der Ehe aus.

Das Berufungsgericht hielt die wegen Verfahrensmängel, unrichtiger Tatsachenfeststellung und unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Berufung des Beklagten nicht, dagegen jene der Klägerin für gerechtfertigt. Es änderte das erstgerichtliche Urteil dahin ab, daß die Ehe der Streitteile aus dem alleinigen Verschulden des Beklagten geschieden wurde.

Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes erhebt der Beklagte eine auf § 503 Abs 1 Z 2 und 4 ZPO gestützte Revision mit dem Antrage auf Aufhebung und Rückverweisung der Rechtssache an die Unterinstanzen zur neuerlichen Entscheidung, in eventu auf Abänderung dahin, daß die Ehe der Streitteile aus gleichteiligem Verschulden geschieden werde.

Die Klägerin beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht gerechtfertigt.

Nach den erstgerichtlichen Feststellungen entstammen der am 27. April 1944 geschlossenen Ehe der Streitteile vier Kinder, das jüngste ist die im Jänner 1964 geborene Brigitte. Auf Grund eines Anerkenntnisurteiles ist der Beklagte schuldig, der Klägerin seit 29. April 1971 einen monatlichen Unterhaltsbetrag von 29 % seines Arbeitseinkommens zu zahlen. Seit zwei oder drei Jahren bekommt die Klägerin vom Beklagten kein Wirtschafts- und kein Taschengeld. Jeweils am Tage des Lebensmitteleinkaufes gibt ihr der Beklagte Geld, doch muß sie dann möglichst noch am gleichen Tag mit ihm verrechnen. Wenn die Klägerin Kleidung oder z.B. Vorhänge für die Wohnung kaufen will, muß sie dies mit dem Beklagten besprechen bzw. ihm erklären, wozu sie das Geld braucht. Will sie sich Schuhe kaufen, die dem Beklagten nicht gefallen, so gibt er ihr kein Geld hiefür. Fahrten der Klägerin zu den Söhnen der Streitteile nach Wien bezahlt er ebenfalls nicht. Auch für einen Urlaub der Klägerin kommt er nicht auf. Alle ihre persönlichen Aufwendungen muß sie mit ihrer eigenen Invalidenrente von monatlich 1.680 S abdecken. Die Klägerin ist nicht verschwenderisch. Der Beklagte bezog in der Zeit vom 1. Jänner 1985 bis 30.Juni 1985 eine monatliche Nettopension von 13.908,40 S einschließlich Kinderzuschuß und Familienbeihilfe, ab 1. August 1985 betrug die Pension ohne Kinderzuschuß und Familienbeihilfe monatlich 12.224,90 S. Im Mai 1985 erhielt der Beklagte eine Sonderzahlung von netto 15.809,20 S. Mit gerichtlichen Beschlüssen vom 2.August 1985 und 8.August 1985 wurde der Klägerin zur Hereinbringung ihrer Unterhaltsforderung die Drittschuldnerexekution durch Pensionspfändung und Überweisung bewilligt. Der Beklagte erklärte hierauf der Klägerin, er werde sich das Geld vom Sohn Helmut, der bei ihm Schulden habe, zurückholen. Da die Klägerin wußte, daß der Sohn diese Schulden nicht zurückzahlen könne, willigte sie in die Einstellung der Drittschuldnerexekution ein. Der Beklagte wäre finanziell in der Lage, der Klägerin ein Taschengeld zu zahlen. Zwischen dem Beklagten und der Klägerin, welche alle Hausarbeiten in der Wohnung verrichtet, gibt es öfters Streit. Die Gesamtsituation der Ehe wird von der Klägerin als unerträglich empfunden. Sie hat keinen persönlichen Freiraum. Der letzte Geschlechtsverkehr der Streitteile fand im August 1985 statt. Damals wurde sie vom Beklagten hiezu gezwungen, seither verweigert sie den ehelichen Geschlechtsverkehr. In den letzten Monaten wäscht die Klägerin nicht mehr die Unterwäsche des Beklagten, und zwar mit der Begründung, daß er dauernd mit ihr streite. Wenn der Beklagte Geld zur Verfügung stellt, kocht sie für die ganze Familie, geht er weg, ohne Geld da zu lassen, so kocht sie für ihn nicht. Eigentümer der Ehewohnung ist der Beklagte. Mit Schreiben vom 7.September 1985 bestätigte er der Klägerin, daß er sie gebeten habe, seine Wohnung zu verlassen. An monatlicher Rückzahlungsrate für die Wohnung hat der Beklagte 2.250 S zu leisten, die Strom- und Beheizungskosten betragen monatlich 1.174 S. Der Beklagte besitzt zwei PKW der Marke Volvo, Baujahr 1971 und 1972, er verwendet ein Wechselkennzeichen. In seiner rechtlichen Beurteilung verwies das Erstgericht darauf, daß der Ehegatte, der den gemeinsamen Haushalt führt und dadurch seinen Beitrag zur Deckung der gemeinsamen Lebensbedürfnisse leistet, gegenüber dem anderen Ehegatten einen das eigene Einkommen berücksichtigenden Anspruch auf Unterhalt habe. Der Unterhalt umfasse Nahrung, Kleidung, Wohnung und die übrigen Bedürfnisse. Bei Beurteilung der Frage, ob eine Unterhaltsverletzung vorliege, seien sowohl Geld- als auch Sachleistungen des Ehegatten zu berücksichtigen. Das Wirtschaftsgeld müsse so bemessen sein, daß damit sowohl die fixen Kosten des Haushaltes der Familie als auch die persönlichen Bedürfnisse des auf das Wirtschaftsgeld verwiesenen, in einer den Lebensverhältnissen der Ehegatten angemessenen Weise bestritten werden könnten. Vorliegendenfalls habe der Beklagte den ihm urteilsmäßig auferlegten Unterhalt nicht bezahlt und für die persönlichen Bedürfnisse der Klägerin auch keine Naturalleistungen erbracht, die mit der Stellung und Würde der Ehefrau vereinbar wären. Darin liege eine schwere Eheverfehlung. Dazu komme, daß er die Klägerin auch zur Rückziehung der Unterhaltsexekution angehalten habe. Das ehewidrige Verhalten der Klägerin stelle zwar großteils eine Reaktionshandlung auf das Verhalten des Beklagten dar, es könne aber dennoch nicht entschuldigt werden, weil es durch längere Zeit fortgesetzt worden sei. Insgesamt betrachtet überwiege das Verschulden des Beklagten an der Zerrüttung der Ehe. Die Klägerin treffe eine Mitschuld an der Scheidung.

Das Berufungsgericht verneinte das vom Beklagten behauptete Vorliegen erstinstanzlicher Verfahrensmängel und unrichtiger Tatsachenfeststellungen. Das Verschulden des Beklagten an der Zerrüttung der Ehe sei in der Rechtsrüge der Berufung nicht mehr bestritten worden, sodaß auf die diesbezüglichen Ausführungen des Erstgerichtes verwiesen werden könne. Zu prüfen sei daher lediglich, ob auch die Klägerin ein Verschulden treffe. Dies müsse verneint werden. Im Hinblick auf die am 26.März 1985 eingebrachte Scheidungsklage sei die seit August 1985 erfolgte Weigerung der Klägerin, mit dem Beklagten geschlechtlich zu verkehren, nicht mehr als schwere Eheverfehlung zu werten. Im übrigen müsse das Verhalten des Beklagten gegenüber der Klägerin als derart kränkend und entwürdigend angesehen werden, daß eine Fortsetzung des intimen Kontaktes mit dem Beklagten auch nicht mehr zumutbar gewesen sei. Der Vorwurf, die Klägerin habe für den Beklagten nicht mehr gekocht, übergehe, daß sie festgestelltermaßen nur dann kein Essen für ihn bereitet habe, wenn von ihm hiefür kein Geld zur Verfügung gestellt worden sei. Bei seiner Einstellung, die Klägerin müsse über jeden, auch kleinen, Kauf genaue Rechenschaft ablegen, sei es verständlich, wenn sie keine Lebensmitteleinkäufe getätigt habe, ohne vorher von ihm einen entsprechenden Geldbetrag zu bekommen. Das Nichtwaschen der Unterwäsche des Beklagten durch einige Monate sei hier im Gesamtzusammenhang betrachtet eine eher bedeutungslose Verfehlung, weil nicht gesagt werden könne, daß diese Unterlassung noch wesentlich zur Zerrüttung der Ehe oder zu einer bedeutenden Vertiefung der Entfremdung der Ehegatten beigetragen habe. Den Eheverfehlungen des Beklagten stünde somit keine schwere Eheverfehlung der Klägerin gegenüber. In Stattgebung ihrer Berufung sei daher das alleinige Verschulden des Beklagten an der Scheidung der Ehe der Streitteile auszusprechen.

Unter dem Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens werden vom Beklagten neben der Rechtsrüge zuzuordnenden behaupteten Feststellungsmängeln lediglich angebliche erstinstanzliche Verfahrensmängel gerügt, deren Vorliegen bereits vom Berufungsgericht verneint wurde. Da das Ehescheidungsverfahren seit der Novelle BGBl. 1983/566 nicht mehr der Offizialmaxime unterliegt (siehe § 460 Z 4 ZPO), ist nunmehr im Sinne der diesbezüglichen grundsätzlichen Judikatur die Wiederholung einer von der zweiten Instanz verworfenen Mängelrüge in der Revision auch im Scheidungsverfahren unzulässig (1 Ob 669, 670/85, 6 Ob 503/86, 2 Ob 635/86 u.a.). Auf die Verfahrensrüge ist daher nicht einzugehen. In der Rechtsrüge erklärt der Revisionswerber, aus der erstgerichtlichen Feststellung, die Klägerin sei im August 1985 vom Beklagten zum Geschlechtsverkehr gezwungen worden, ergebe sich die Schlußfolgerung, daß sie auch schon vorher den Geschlechtsverkehr verweigert habe. Für die Zerrüttung der Ehe seien auch verfristete und verziehene Eheverfehlungen ursächlich. Es müsse daher auch das seit mehreren Monaten von der Klägerin unterlassene Waschen der Unterwäsche des Beklagten als bedeutend ehezerstörend und somit schwere Eheverfehlung Berücksichtigung finden, "zumal die Verpflichtung zur Rechnungslegung nicht eine völlige Entfremdung von Ehegatten herstellen kann". Im weiteren bestehe "die Mitschuld der Klägerin darin, daß sie den Beklagten vernachlässigt hat". Triftige Gründe für die Verweigerung des Geschlechtsverkehrs lägen nicht vor. Eine Forderung nach Verrechnung des "zur Verfügung gestellten Wirtschaftsgeldes" und das gemeinsame Aussuchen von Gebrauchsgegenständen sei für die Klägerin keinesfalls entwürdigend, sodaß ihr die Fortsetzung des intimen Kontaktes durchaus zumutbar gewesen sei. Auch der Umstand, daß die Klägerin nur für den Beklagten nicht mehr koche, müsse als Eheverfehlung gewertet werden. Demnach sei die Ehe der Streitteile richtigerweise aus beiderseitigem gleichteiligem Verschulden zu scheiden. Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden.

Zunächst ist entgegen der Ansicht des Revisionswerbers aus der Feststellung, die Klägerin sei im August 1985 vom Beklagten zum Geschlechtsverkehr gezwungen worden, durchaus nicht logisch ableitbar, daß sie auch schon vorher den Geschlechtsverkehr verweigert habe. Mangels einer derartigen Feststellung kann der Oberste Gerichtshof daher von einer solchen Weigerung nicht ausgehen. Das in der letzten Zeit von der Klägerin unterlassene Waschen der Unterwäsche des Beklagten wurde vom Berufungsgericht nicht wegen Verfristung oder Verzeihung übergangen. Das Berufungsgericht war vielmehr der Ansicht, daß dieses Verhalten die zwischen den Ehegatten bereits bestehende Entfremdung nicht mehr ins Gewicht fallend vertieft und für die Zerrüttung der Ehe daher keinen wesentlichen Beitrag mehr geleistet habe. Dieser Beurteilung kann im Hinblick auf das unbekämpft feststehende, jahrelange ehewidrige Verhalten des Beklagten durchaus beigetreten werden. Inwieweit die Klägerin den Beklagten im übrigen vernachlässigt und dadurch eine Mitschuld auf sich geladen hätte, führt der Beklagte nicht näher aus. Daß eine nach Einbringung der - berechtigten - Scheidungsklage erfolgte Weigerung der Ehefrau, mit dem Ehemann geschlechtlich zu verkehren, keine schwere Eheverfehlung darstellt, wurde vom Berufungsgericht zutreffend dargelegt und auch bereits in der Entscheidung 5 Ob 342/66 ausgesprochen. Ob die Klägerin hiefür keine sonstigen triftigen Gründe hatte bzw. ihr trotz der jahrelangen Verletzung der Unterhaltspflicht durch den Beklagten "intime Kontakte zumutbar" hätten sein können, ist daher nicht weiter zu erörtern. Die Behauptung, darin, daß die Klägerin für den Beklagten nicht mehr gekocht habe, liege eine schwere Eheverfehlung, übergeht neuerlich, wie schon vor dem Berufungsgericht die Feststellung, daß die Klägerin für den Beklagten nur dann nicht gekocht hat, wenn er kein Geld zur Verfügung stellte.

Die vom Revisionswerber gegen die Klägerin erhobenen Vorwürfe schwerer Eheverfehlungen sind somit auf der unterinstanzlichen, für den Obersten Gerichtshof bindenden Feststellungsgrundlage in keinem Falle gerechtfertigt. Der Ansicht des Berufungsgerichtes, der Klägerin sei unter den gegebenen Umständen keine Mitschuld an der Scheidung anzulasten, ist demnach beizutreten.

Somit war der ungerechtfertigten Revision ein Erfolg zu versagen. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

Anmerkung

E09531

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0020OB00691.86.1202.000

Dokumentnummer

JJT_19861202_OGH0002_0020OB00691_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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